Protocol of the Session on April 22, 2015

Herr Kollege Aiwanger, es ist schön, dass Sie heute dazu übergehen, die Mittelstufe plus zu loben.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das G 9!)

Nein, das ist nicht das G 9. Sie haben es immer noch nicht verstanden.

(Unruhe)

Nur: In den letzten Wochen und Monaten wurde es auch von Ihrer Fraktion ständig schlechtgeredet.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Darum geht es doch heute nicht! – Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Ich bin sehr begeistert, dass Sie es heute positiv sehen.

(Beifall bei der CSU)

Die Frage ist: Wie kann man das Ganze einteilen? Wir fordern hier unter gewissen Voraussetzungen eine Pilotphase, und zwar unter genau denselben Voraussetzungen, die bereits jetzt am Gymnasium gelten, zum Beispiel bei den Themen Ganztag und bei der Wahl des Zweiges und den weiterführenden Fremdsprachen. Genau diese Kriterien sollen jetzt für die Mittelstufe plus gelten. Am Ende dieser Pilotphase werden wir dann sehen, wie sich das Ganze entwickelt hat und ob man da und dort nachsteuern muss, aber doch bitte nicht vor Abschluss der Pilotphase, noch bevor alle Einschreibungen der Schülerinnen und Schüler vorliegen. Lassen Sie uns doch erst einmal diese Pilotphase durchführen. Das ist ja der Sinn einer Pilotphase, dass sie für einen beschränkten Bereich eingeführt wird, um Erkenntnisse zu gewinnen, die dann auf alle Schulen übertragen werden sollen. Ich denke, das macht Sinn.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Petersen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Lederer, ich will Ihnen ja gar nicht zum Vorwurf machen, dass Sie hier die Mittelstufe plus schönreden. Ich verstehe aber Ihre Kritik am Antrag der FREIEN WÄHLER nicht. Wenn die FREIEN WÄHLER auf Fundamentalopposition schalten, werden sie kritisiert. Jetzt sagen die FREIEN WÄHLER: Gut, wir haben die Mittelstufe plus; jetzt sollten wir schauen, dass sie wenigstens halbwegs vernünftig läuft. Das müsste eigentlich im Interesse der CSU sein. Dafür werden die FREIEN WÄHLER jedoch von der CSU ebenfalls kritisiert. Das verstehe, wer will.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

- Vielleicht hören Sie mir zu. Dann wird das ein bisschen klarer. – Die Mittelstufe plus war der Versuch der CSU und des Kultusministeriums, die Diskussion über das G 8 und das G 9 zu befrieden, und zwar zugunsten eines G 8. Seit der überstürzten Einführung des G 8 hat es an den Gymnasien nämlich keine wirkliche Ruhe mehr gegeben. In den letzten beiden Jahren wurden zunehmend Forderungen nach der Rückkehr zum G 9 laut. Dass diese Forderungen von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN erhoben wurden, hat Sie vielleicht nicht wirklich gewundert. Aber diese Forderung wurde auch von Eltern-, von Schüler- und Lehrerverbänden erhoben. Herr Kollege Lederer, Sie haben soeben erwähnt, dass das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER gescheitert ist. Dies hat die CSU zunächst beruhigt. Nachdem jedoch selbst der Philologenverband für eine längere Schulzeit plädiert hat, mussten Sie irgendetwas unternehmen.

Die CSU suchte eine Lösung nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Sie erfand die Mittelstufe plus. Das bedeutet: Wer unbedingt will, soll das Abitur auch ein Jahr später machen dürfen. Sie rechneten mit einem Interesse von etwa 20 % der Schüler und nahmen an, vor allem schwächere Schüler würden wohl diese Möglichkeit nutzen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Fehleinschätzung!)

Also haben Sie einen Modellversuch an 47 Gymnasien eingeführt, der im Herbst starten wird. Dieser Modellversuch soll zwei Jahre lang laufen. Dann wollen Sie weiter sehen. Die Anmeldefrist – wie das eben schon bemerkt wurde – läuft noch. Sie endet erst am 4. Mai. Aber schon jetzt ist völlig klar, dass gerade an diesen Modellschulen deutlich mehr als 50 % der

Schüler die Mittelstufe plus, also eine längere Schulzeit, wollen. Am Gymnasium in Dillingen sind es sogar 75 %.

Dabei handelt es sich keineswegs nur um Schüler, die schwächer sind oder sich selbst als schwächer einschätzen. Vielmehr wollen auch gute und sehr gute Schüler ihre Schulzeit verlängern. Das sollte Ihnen zu denken geben. Sie sollten zumindest Ihr eigenes Modell ernst nehmen und allen Schülerinnen und Schülern, die sich an den ausgewählten Schulen für die Mittelstufe plus entscheiden, die Teilnahme daran ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Kultusminister Dr. Spaenle hat eine Deckelung abgelehnt, nach der den Schulen vorgeschrieben wird, sie dürften nicht mehr als 20 oder 25 % der Schüler in die Mittelstufe plus aufnehmen. Wenn sich aufgrund des überwältigenden Interesses mehr als 50 % der Schüler für die Mittelstufe plus entscheiden, werden mehr Klassen entstehen; und für diese zusätzlichen Klassen benötigen wir zusätzliche Lehrerstunden. Darauf zielt der Antrag der FREIEN WÄHLER ab. Deshalb werden wir diesem Antrag auch zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Darüber hinaus sollte dieses deutliche Interesse von mehr als 50 % der Schülerinnen und Schüler das Kultusministerium dazu veranlassen, sein krampfhaftes Festhalten am G 8 grundsätzlich zu überdenken.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wenn der Dialog mit dem Bürger und die Koalition mit dem Bürger, von der der Ministerpräsident so gern spricht, ernst gemeint ist, dann müssten Sie diese Abstimmung der Schülerinnen und Schüler mit den Füßen ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Ich möchte Ihnen ein Wort von Bert Brecht auf den Weg geben: "Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war."

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Bevor wir zur nächsten Wortmeldung kommen, darf ich ankündigen, dass die CSU-Fraktion zu diesem Dringlichkeitsantrag nament

liche Abstimmung beantragt hat. – Herr Kollege Gehring, Sie sind der nächste Redner. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Eiertanz um die Mittelstufe plus geht weiter. Eiertanz Nummer 1: Die Mittelstufe plus ist eben keine Antwort auf den Reformbedarf des Gymnasiums. Die Vorschläge, die viele Menschen im Dialogforum auf den Tisch gelegt haben, sind in der Schublade verschwunden. Nicht einmal die Lehrerverbände führen noch einen Dialog miteinander. Das ist sehr betrüblich. Das rettet aber die Mittelstufe plus nicht, die heute als einziger Vorschlag diskutiert wird.

Die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern fragen jetzt vor Ort an diesen 47 Schulen die Mittelstufe plus nach. Das ist eine Reaktion auf die Unzufriedenheit und die ungenügende Situation bei dem bestehenden G 8. Das ist die Reaktion auf den Druck, der heute in der 6. Klasse vorhanden ist. Das Lernen vollzieht sich in kleinen Häppchen und ist nicht nachhaltig. Diese Situation wird sich durch die Mittelstufe plus nicht verändern. Die Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler reagieren jedoch auf diese Situation in der 6. Klasse am heutigen G 8. Wer eine Tür öffnet, darf sich nicht wundern, dass die Leute in dieser Tür einen Ausweg suchen, auch wenn sie kein tatsächlicher Ausweg ist.

Das ist ein Eiertanz vom Anfang bis zum Ende. Es gibt keine klaren Aussagen darüber, wie diese Mittelstufe plus ausgestaltet werden soll, nach welchen Kriterien sich die Schülerinnen und Schüler für diese Mittelstufe plus entscheiden sollen bzw. nach welchen Kriterien sie dafür ausgewählt werden; denn es gibt keine Elternwahlfreiheit. Die Schule soll darüber entscheiden. Da die Mittelstufe plus kein pädagogisches Profil hat, gibt es auch keine Kriterien dafür, wer für diese Mittelstufe plus geeignet ist und wer nicht.

Herr Kollege Lederer, die Modellversuche der Pilotphase sind in Bayern sehr unterschiedlich verteilt. Im Großraum München gibt es keine einzige Modellschule. Auch in weiten Teilen Oberbayerns gibt es keine einzige Pilotschule. Zum Teil sind lokale Gründe ausschlaggebend dafür, dass sich Eltern für die Mittelstufe plus interessieren.

Ein weiterer Eiertanz wird um das Budget geführt. Wir haben immer gesagt, dass die Mittelstufe plus die organisatorisch aufwendigste und teuerste Variante ist, über die diskutiert worden ist. Die CSU-Fraktion und die Staatsregierung haben sich dafür entschieden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FW-Fraktion, gut, dass Sie jetzt feststellen, dass Doppelstrukturen Geld kosten. Das wäre bei Ihrem Modell des Volksbe

gehrens der Fall gewesen; und das gilt jetzt auch für die Mittelstufe plus. Zur Frage der Planbarkeit für die Schulen: Die Schulleiter werden jedes Jahr das gleiche Problem haben: Wie viele Schülerinnen und Schüler melden sich an? Wie viele Klassen können gebildet werden? Wie kriegen wir das auf die Reihe? Das ist das Problem von Doppelstrukturen. Deswegen lehnen wir diese Doppelstrukturen ab. Sie haben keinen pädagogischen Mehrwert.

Die FREIEN WÄHLER sind heute ein Teil dieses Eiertanzes. Nicht jede Interessenbekundung für einen Modellversuch ist schon eine Interessenbekundung für das Modell der FREIEN WÄHLER zum G 8 und zum G 9. Derzeit werden an 47 Schulen Umfragen durchgeführt. Diese Umfragen sind noch nicht abgeschlossen. Die Bekundungen sind unterschiedlich. Wir sollten abwarten, was tatsächlich los ist. Hierbei beißt sich die Katze in den Schwanz. Es fehlt ein pädagogisches Profil. Die Schulen wissen nicht, wie sie die Eltern beraten sollen, welche Kinder für die Mittelstufe plus geeignet sind und welche nicht. Pädagogische Antworten fehlen.

Wir halten den Antrag der FREIEN WÄHLER für einen Schnellschuss. Erst nachdem etwas mehr Zeit vergangen ist, werden wir sehen, ob die Budgets reichen. Heute wurden bereits Jean Paul mit dem neuen Plan und Bert Brecht mit der Feststellung, dass auf A nicht gleich B folgen müsse, zitiert. Ich sage: Wir brauchen für das Gymnasium tatsächlich einen neuen Plan. Wir brauchen eine pädagogische und eine pragmatische Reform. Sie haben am 7. Mai die Gelegenheit, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Dieser Gesetzentwurf wird einen neuen Plan für das Gymnasium enthalten und eine andere Antwort geben, als ein B auf ein A folgen zu lassen. Wir werden uns bei der Abstimmung zum Antrag der FREIEN WÄHLER enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Herrn Kollegen Professor Piazolo. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon beinahe rührend, wie die CSU nun plötzlich ein Modell verteidigt, das sie vor Jahresfrist noch vehement abgelehnt hat. Ich erinnere mich daran, wie der Ministerpräsident hier stand und sagte: Das Gymnasium ist toll; wir werden dort nichts verändern. – Dann gab es das Flexijahr. Da hieß es: Das ist toll; das reicht uns; daran werden wir nichts verändern. – Jetzt

heißt es zur Mittelstufe plus: Das ist toll und wunderbar, es läuft.

Nichts läuft. Das achtjährige Gymnasium läuft seit vielen Jahren nicht rund; das Flexijahr als Ersatz läuft nicht; und auch die Mittelstufe plus wird nicht das Optimum sein. Nur sagen die Menschen vor Ort: Uns ist der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. – Deshalb wollen wir eine längere Lernzeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Uns geht es darum, dass Sie den Schülern diese längere Lernzeit ermöglichen. Es geht nicht darum, ob sich die CSU, die FREIEN WÄHLER, die SPD oder die GRÜNEN durchsetzen. Es geht nicht darum, ob sich die Pilotphase durchsetzt. Es geht allein um das Schülerwohl in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Eltern und Schüler liegen uns am Herzen. Lassen Sie deshalb zu, dass jeder Schüler, der länger lernen und diese Pilotphase haben möchte, sie auch durchläuft! Lassen Sie zu, dass nicht nur 47 Gymnasien an dem Pilotversuch zur Mittelstufe plus teilnehmen, sondern 71! Lassen Sie zu, dass auch in München Schulen die Mittelstufe plus einführen können! Lassen Sie zu, dass sich auch städtische Schulen bewerben können! Das ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen; sie dürfen es nicht. Letzter Satz: Die Schüler stehen im Mittelpunkt; und für die Schüler sollten Sie das tun, was wir wirklich wollen.

Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abgeordneten der SPD

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat der Herr Staatsminister Dr. Spaenle um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Wir haben zur Weiterentwicklung des Gymnasiums ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Wir werden eine neue Lehrplangeneration einführen. Wir haben in diesen Tagen eine umfangreiche Handreichung zur Gymnasialpädagogik vorgelegt. Das bedeutet ein ganz zentrales Element der Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, die das Gymnasium heute zu meistern hat.

Wir haben außerdem mit dem Konzept der Mittelstufe plus das Thema der Lernzeit angegangen. Wir wollen