Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bestands- und Qualitätssicherung von kleinen Grundschulen im ländlichen Raum V Förderprogramm für Kinder- und Familienzentren (Drs. 17/3091)
Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Planungssicherheit für kleine Grundschulen Doppelzählung von jahrgangskombinierten Klassen umsetzen! (Drs. 17/3717)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die Redezeit verteilt sich wie folgt: CSU 12 Minuten, SPD 9 Minuten, FREIE WÄHLER und GRÜNE jeweils 7,5 Minuten, Staatsregierung
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Bayern weniger Kinder, und wir werden in den nächsten Jahren noch weniger Kinder haben. Allein die Zahl der Grundschüler wird von 422.000 in diesem Schuljahr auf 408.000 im Jahr 2021 zurückgehen; also innerhalb von sechs Jahren. Dieser Schülerrückgang ist in Bayern höchst unterschiedlich verteilt. Wir haben Regionen, in denen wir in den nächsten Jahren einen Schülerrückgang von 30 % bis 40 % verzeichnen werden.
Wenn es aber immer weniger Kinder gibt, dann verschwindet die Schule aus dem Dorf. Wenn die Schule verschwindet, dann verschwindet auch das Leben aus dem Dorf, weil sich junge Familien nicht mehr ansiedeln, wenn es keine Schule vor Ort gibt. Man kann auch sagen: Wenn keine Schule mehr vor Ort ist, dann gibt es irgendwann auch keinen Arzt mehr, weil sich keine Arztfamilie, keine Ärztin, kein Arzt, im ländlichen Raum ansiedeln wird, wenn es dort keine Schule mehr gibt.
Grundschulen im ländlichen Raum, auch kleine Grundschulen, haben deshalb eine sehr wichtige Funktion, zum einen als pädagogischer Ort für die Schülerinnen und Schüler, zum anderen als sozialer und kultureller Ort, aber auch als wichtiger Wirtschaftsfaktor für eine Kommune.
Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung eine Garantieerklärung für alle selbstständigen Grundschulen abgegeben. Man muss aber sagen: Diese Garantieerklärung hat keinen Wert. Sie ist nicht hinterlegt, sie ist nicht klar, und es gibt kein Konzept, wie diese Garantie tatsächlich erfüllt werden soll. Deswegen müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.
Ich denke, es ist eine Herausforderung für alle. Wenn wir den Grundsatz "kurze Beine - kurze Wege" bildungspolitisch umsetzen wollen, dann brauchen wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um das tatsächlich zu erreichen und kleine Grundschulorte sowie deren Qualität zu erhalten und zu stärken.
Wir haben etwa 379 Grundschulen, die nicht selbstständig sind; zum Teil sind das größere Schulen. Diese Schulen sind von dieser Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten schon gar nicht erfasst. Sie sind also bedroht und werden irgendwann geschlossen,
wenn die Situation nicht besser wird. Wir haben 551 Grundschulen mit jahrgangskombinierten Klassen, die eine entsprechende Qualität brauchen. Wir haben 344 Grundschulen mit weniger als 80 Schülern. Das heißt, diese Schulen haben nicht mehr die Lehrerzuweisung, die sie bräuchten. Wir haben an 211 Grundschulen Klassen mit weniger als 13 Schülern, die nach der bisherigen Praxis des Kultusministeriums eigentlich geschlossen werden.
Wir schlagen hier also ein Bündel von Maßnahmen vor. Wir sagen, Grundschulen müssen besser ausgestattet werden. Das betrifft zum Beispiel die Kombiklassen, wenn also die Klassen eins, zwei oder drei, vier zusammengelegt werden. Die Eltern sind manchmal dagegen, weil sie das als Sparmaßnahme empfinden, was zum Teil auch so ist. Man kann aber mit diesen jahrgangskombinierten Klassen durchaus pädagogisch gut arbeiten, allerdings müssen sie entsprechend ausgestattet werden.
Diesbezüglich gibt es die Regelung, dass eine solche Kombiklasse zwei bis fünf Lehrerstunden zusätzlich erhält, um besser arbeiten und entsprechend differenzieren zu können. So steht es auf dem Papier. Faktisch kommen in der Regel zwei Stunden bei den jahrgangskombinierten Klassen an. Wenn man es mit den jahrgangskombinierten Klassen ernst meint und das pädagogisch sinnvoll machen möchte, dann brauchen wir als Regel fünf Lehrerstunden für diese Klassen.
Generell ist die Lehrerzuweisung das große Problem. Bei den Grundschulen werden die Lehrerstunden pro Kopf der Schüler zugewiesen. Wenn eine Schule klein ist, "erwirtschaftet" – in Anführungszeichen – sie nicht die Lehrerstunden, die sie benötigt. Das heißt, Lehrerstunden müssen von den größeren Standorten, von den größeren Schulen, auf die kleinen verlagert werden. Das ist natürlich eine ungute Situation, und der Mantel, unter den alle schlüpfen, wird ja nicht größer, sodass die Verteilungsprobleme immer größer werden.
Wir brauchen deshalb eine deutliche Aufstockung des sogenannten Demografiezuschlages. Wir brauchen deutlich mehr Mittel für die kleinen Schulen, um diese Schulen zu erhalten, und zwar nicht auf Kosten der größeren Grundschulen im Schulamtsbezirk.
Kleine Grundschulen haben auch das Problem des Unterrichtsausfalls. Bei Krankheitsfällen gibt es nicht genügend Kollegen, die einspringen könnten. Wir brauchen deswegen eine bessere Ausstattung der
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen ans Herz legen, auch in neuen Dimensionen zu denken. Wir müssen auch über neue Modelle nachdenken, wenn wir den ländlichen Raum und die Bildungsangebote im ländlichen Raum stärken wollen. Wir brauchen neue Modelle wie etwa das, Kindergarten und Grundschule zusammen zu betrachten, zum Beispiel als ein Haus des Lernens. Dazu gibt es bereits entsprechende Modelle in anderen Bundesländern. Wir brauchen Modelle, bei denen die Schule ein kulturelles und soziales Zentrum, ein Anlaufpunkt wird. Zum Beispiel könnte der Kinderarzt, der ja auch nicht mehr in der Region ist, einmal in der Woche dort eine Sprechstunde abhalten. Und es könnte dort Beratungsangebote geben, sodass diese Grundschule nicht nur eine Schule ist, sondern auch ein kulturelles und soziales Zentrum, das vieles anbietet, was heute im ländlichen Raum verloren geht.
Deswegen bitte ich Sie generell, sich dieser Herausforderung anzunehmen und mit uns zu gehen und diesen Anträgen mit uns zuzustimmen, damit wir tatsächlich lebenswerte Grundschulen im ländlichen Raum erhalten können. Eine gute Bildungspolitik für den ländlichen Raum, der Erhalt von Grundschulen im ländlichen Raum bringen mehr als vielleicht manches Landesentwicklungsprogramm oder mancher Zuschuss für den ländlichen Raum. Lasst uns also die Grundschulen im ländlichen Raum schützen, auch die kleinen Grundschulen; lasst uns neue Wege gehen! Dann können wir dieser Herausforderung, die vor uns allen steht, tatsächlich begegnen.
Vielen Dank, Kollege Gehring. - Jetzt Kollege Felbinger für die Fraktion der Freien Wähler. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freue ich mich, dass wir heute im Plenum noch einmal ganz ausführlich über die bayerische Grundschule debattieren. Das ist wichtig und notwendig angesichts der vom Kollegen Thomas Gehring gerade schon vorgetragenen scheinheiligen Grundschulgarantie des Ministerpräsidenten, die nur die rechtlich selbstständigen Grundschulen einbezieht, aber die unselbstständigen oder die Außenstellen außen vor lässt. Das ist nicht mehr als ein Etikett, aber keine Garantie. Deswegen brauchen wir neue Denkweisen.
Es ist erläutert worden: Eine Grundschule vor Ort ist ein Standortfaktor und für kleine Kommunen in den
ländlichen Räumen ganz wichtig. Wenn wir den ländlichen Raum stärken und für junge Familien attraktiv machen wollen, sie dafür sensibilisieren wollen, dort ihr Leben zu verbringen, dann müssen wir diese kleinen Grundschul-Standorte stärken.
Wir FREIE WÄHLER – das sage ich ganz deutlich – sind für den Erhalt aller Grundschulen, nicht nur der rechtlich selbstständigen, sondern auch der Außenstellen, weil wir in ihnen einen wichtigen Standortfaktor, ein wichtiges Merkmal für die Infrastruktur sehen.
Seit Jahren beobachten wir in den ländlichen Räumen verstärkt die Bildung jahrgangskombinierter Klassen. Das ist eine Entwicklung, die aus pädagogischen Gründen durchaus Sinn macht, weil das Argument, dass jüngere Kinder von älteren Kindern lernen, durchaus zutreffend ist. Es ist auch sinnvoll, wenn man dadurch eine Grundschule vor Ort hält. Ungut ist aber, dass die Staatsregierung – das zeigen uns viele Petitionen in der vergangenen Legislaturperiode – dieses Instrument der Kombiklassen leider oft als Sparmodell verwendet. Es geht nämlich um die Zuweisung der sogenannten zwei bis fünf Lehrerwochenstunden. In den meisten Fällen sind das eben keine fünf Stunden, sondern die Zahl liegt weit darunter, weswegen es natürlich nicht unbedingt dazu kommt, dass diese jahrgangskombinierten Klassen auch qualitätsvoll unterrichtet werden können. Deswegen brauchen wir eine verbindliche Zuweisung zusätzlicher Lehrerstunden für jahrgangskombinierte Klassen. Dafür stehen wir FREIE WÄHLER, und dafür werden wir auch weiter kämpfen.
Die heimliche Streichung, das heimliche Sparen ist auch an anderer Stelle festzustellen, nämlich bei der Ausstattung der jahrgangskombinierten Klassen mit Schulsekretärinnen. Darauf geht auch unser Antrag auf Drucksache 17/3717 zurück. Es ist bekannt und, ich meine, Konsens, dass die jahrgangskombinierten Klassen an den Grundschulen jedes Jahr erneut ein erhöhtes Maß an organisatorischem Verwaltungsaufwand erfordern. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass es an der Grundschule vor Ort auch eine kompetente Verwaltungskraft, eine Verwaltungsangestellte braucht, die diese Organisation leistet und damit auch die Schulleitung entlastet.
Nun kann die Situation eintreten, dass aufgrund der Bildung kombinierter Klassen eine Klasse weniger zustande kommt und gemäß der Regelung bei Schulen mit weniger als vier Klassen die Verwaltungsange
stellte quasi entfällt. Das ist nicht im Sinne einer funktionierenden Schulverwaltung. Deswegen sagen wir: Wir müssen die jahrgangskombinierten Klassen doppelt zählen, sodass weiterhin ein Anspruch auf eine Verwaltungsangestellte besteht; denn keine Schulsekretärin an der Grundschule zu haben, ist für die Schule ein herber Verlust und für die Organisation der Schulleitung eine erhebliche Mehraufwendung. Deshalb ist es dringend geboten, dass die Staatsregierung einlenkt und darüber nachdenkt. So viele Fälle oder so viele Stunden, wie damit einhergehen, werden es nicht sein, als dass man unbedingt an der Regelung festhalten müsste. Derzeit gibt es eine Übergangsregelung von einem Jahr, aber damit ist das Problem nur um ein Jahr verschoben, dem Problem aber nicht grundsätzlich abgeholfen.
Ich möchte noch einen weiteren wichtigen Punkt im Zusammenhang mit der Grundschulproblematik ansprechen: Das ist die Lehrerzuweisung und die Ausstattung mit mobilen Reserven. Wir alle wissen aus vielen Anschreiben, aus vielen Petitionen, aus vielen Gesprächen mit Lehrkräften und mit Eltern, dass die mobile Reserve meist im September oder Oktober schon verplant ist und dass Schulausfall droht, wenn über den Winter Krankheitsfälle kommen. Wir brauchen eine bessere, eine sorgfältigere und eine frühzeitigere Planung, was die mobilen Reserven betrifft, und vor allen Dingen zusätzliche Stellen. An diesen Stellen geht eben kein Weg vorbei.
An den Grundschulen ist auch Tatsache, dass aufgrund der Flüchtlingsproblematik verstärkt zusätzliche Ressourcen für die Beschulung von Flüchtlingskindern benötigt werden. Wir warten hier, sehr geehrter Kollege Waschler – er ist gerade nicht da -, immer noch darauf, dass auf die von Ihnen verkündeten Versprechen Taten folgen und dass das Notprogramm umgesetzt wird und zusätzliche Mittel in die Beschulung der Flüchtlingskinder fließen.
Ich erinnere insgesamt an die Planstellen. Wir haben einen dringenden Mehrbedarf. Ich möchte auch daran erinnern, dass zum Beispiel im Regierungsbezirk Oberbayern aufgrund des komplizierten Nachrückersystems, wenn zu Schuljahresbeginn Personen die Stelle nicht annehmen, allein 159 Nachrückerverträge geschlossen wurden, die nicht als feste Stellen weiterverfolgt wurden, sondern auf Aushilfsbasis. Wir FREIE WÄHLER sind entschieden gegen die Ausbeutung von Junglehrern und fordern: endlich feste Stellen statt Aushilfsverträge;
denn es ist skandalös, dass im Nachrückerverfahren feste Planstellen stets durch Zeitverträge ersetzt wer
den. Damit spart sich der Staat nämlich jedes Jahr enorme finanzielle Mittel – es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag -, was anscheinend aber so gewollt ist.
Das System Grundschule braucht also dringend finanzielle Verstärkung. Wir brauchen mehr finanzielle Ressourcen und auch neue Denkmodelle, um die Grundschulen auf dem Land zu halten.
Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns in der heutigen Debatte wieder mit einem wichtigen Bildungsthema, nämlich mit dem Erhalt der kleinen Grundschulen im ländlichen Raum bei gleichzeitiger Qualitätssicherung.
Grundsätzlich möchte ich voranstellen, dass uns der Erhalt der kleinen Grundschulen selbstverständlich, ich glaube, fraktionsübergreifend, am Herzen liegt. Nicht ohne Grund hat Ministerpräsident Horst Seehofer bereits am 12. November 2013 in seiner Regierungserklärung dankenswerterweise die sogenannte Grundschulgarantie gegeben. Herr Kollege Felbinger, Sie sind gerne etwas wortgewaltig und sprechen dann von scheinheiliger Garantie.
Ich weiß nicht: Resultiert dies aus dem Neid auf die gute Idee? Unser Ziel ist doch eigentlich überall das gleiche.