Protocol of the Session on February 11, 2015

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Wir haben doch einen Gesetzentwurf eingebracht!)

Sie wollen unsere Volksbefragung nicht, weil Sie glauben, wir würden Ihnen Themen vorlegen, mit denen Sie in der Öffentlichkeit nicht bestehen könnten. Nein, das wollen wir nicht. Die Volksbefragung wird kein Regelinstrument unserer Arbeit werden; sie kann aber bei zentralen Themen wichtig sein, über die wir uns im politischen Prozess nicht einigen können.

(Beifall bei der CSU)

Insofern ist die Volksbefragung eine wichtige Ergänzung unserer parlamentarischen Arbeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb erachten wir Ihre Gesetzentwürfe als fehlgeleitet. Ich nehme nur einmal den Gesetzentwurf der SPD. Herr Kollege Schindler, eine gemeinsame Initiative von Landtag und Staatsregierung tut uns doch gut. Wir wollen doch Themen aufgreifen, die die Mehrheit des Hauses und die Staatsregierung bewegen. Wir geben Ihnen als Opposition die Möglichkeit, dagegen zu argumentieren.

(Zurufe von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): So viel Freiheit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie so sehr davon überzeugt sind, dass Ihre Meinung Volkes Meinung ist, dürften Sie doch damit kein Problem haben. Lieber Kollege Schindler, Sie haben betont, dass die Bürgerbeteiligung eine Erfindung der SPD sei. Gut, das lassen wir einmal so stehen. Ganz so ist es nicht. Sie haben aber immer Ideen dazu eingebracht. Das möchte ich Ihnen nicht nehmen. Eines muss Ihnen aber schon klar sein: Die Bürgerbeteiligung, die wir in Bayern praktizieren, ist Ihnen vor Ort auch nicht immer recht. Bei den Bürgerentscheiden geht nicht immer alles so aus, wie Sie das wollen. Es geht auch nicht alles so aus, wie wir das wollen. Das ist einfach eine Konsequenz aus einer höheren Bürgerbeteiligung. Wir können damit sehr gut leben, weil wir auf Volkes Stimme hören wollen.

Sie haben dagegen vor allem ein Ziel, nämlich Minderheitenthemen und Partikularinteressen zu Abstimmungsgegenständen zu machen in der Hoffnung, dass sich möglichst wenige Bürger daran beteiligen. Lieber Kollege Schindler, Sie haben gesagt, eine geringe Beteiligung wäre nicht so schlimm. Ich sage Ihnen: Es kann nicht sein, dass wir ständig Minderheiteninteressen auf der Tagesordnung haben und diese Themen dem Volk ständig von einem Fünftel des

Landtags als Fragen vorgelegt werden in der Hoffnung, dass nur eine Minderheit zu dieser Befragung geht und die Mehrheit sich zurücklehnt. Gerade das wollen wir nicht. Die Missbrauchsgefahr bei einer Annahme Ihres Gesetzentwurfs ist sehr hoch.

(Beifall bei der CSU)

Sie als Opposition wollen verlorene Wahlkampfthemen zu einem Dauerthema machen nach dem Motto: Wenn wir schon die Wahl verloren haben, können wir zumindest in Einzelfällen Erfolge erzielen. - Das ist nicht Ziel der Volksbefragung. Hier geht es um aktuelle und brennende Themen der Landespolitik, die wir auf eine breite Basis stellen wollen. Deshalb ist es wichtig, dass diese Volksbefragung von einer Mehrheit des Hauses und der Staatsregierung getragen wird.

Auch die Idee, einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorzulegen, halte ich für verfehlt. Gerade bei Volksbefragungen darf bei den Themen nicht zu sehr ins Detail gegangen werden. Hier geht es um die große Linie. Dafür wollen wir ein Ja oder ein Nein der Bevölkerung. Wir wollen nicht über Details streiten müssen. Ich bin der Meinung, dass in Artikel 70 ff. der Bayerischen Verfassung zur Gesetzgebung geregelt ist, dass wir keine Abstimmung über Gesetzentwürfe brauchen.

Das Gleiche gilt für die Beteiligung von Unionsbürgern.

(Franz Schindler (SPD): Das ist nicht mehr Gegenstand!)

- Ich weiß, dass dies nicht mehr Gegenstand ist. Sie haben aber diese Idee vorgebracht. Allein der Gedanke, den Sie gebracht haben -

(Franz Schindler (SPD): Der ist sehr fortschrittlich!)

- Ob dieser Gedanke fortschrittlich ist, ist die Frage. – Wir halten es für richtig, dass Unionsbürger dort, wo sie leben und wo sie die nähere Umgebung gut kennen, abstimmen dürfen. Sie sollen auch in der Kommune wählen können. Auf Landes- und Bundesebene ist dies jedoch nicht sinnvoll, weil dafür eine wesentlich stärkere Verankerung im Gedankengut unseres Landes und eine eingehendere Kenntnis der aktuellen Probleme notwendig ist. Wer als EU-Bürger in Deutschland wählen möchte, hat die Chance, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Mit dem Vorschlag, den Sie damals gebracht haben, wäre das Ergebnis völlig verfälscht worden. Deshalb: Sie wollen eigentlich keine echte Volksbefragung. Sie wollen nur

ein Oppositionsmittel schaffen, um mit allen Methoden Mehrheiten gewinnen zu können.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir wollen eine echte Volksbefragung, ihr wollt keine echte!)

Sie haben jetzt diesen Rückzieher gemacht, Gott sei Dank noch rechtzeitig. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Volksbefragung wird von der CSU nicht diskreditiert; sie wird aktiviert. Wir führen etwas ein, was dem Bürger wirklich dient. Wir schützen den Bürger vor einem Kleinkrieg Ihrer Art.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Gesetzentwürfe der anderen Fraktionen sind nicht besser. Im Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER sind viele Änderungen vorgesehen, so zum Beispiel die Möglichkeit, 100.000 Unterschriften einzureichen. Ich will nicht noch einmal im Detail alles aufgliedern. Für Volksbegehren und Volksentscheide sollen 8 statt 10 % genügen. Eintragungsfristen sollen verlängert werden. Die Bürger sollen über bis zu 3 % des Haushalts abstimmen können, das wären 1,5 Milliarden Euro. Das sind Punkte, die wir nicht wollen, weil sie dem Volk nicht dienlich sind und weil damit das Recht des Landtags, den Haushalt zu beschließen, ausgehebelt würde.

Stellen wir uns einmal die Festlegung der Verwendung von 1,5 Milliarden Euro des Haushalts durch eine Volksabstimmung vor. Dies hätte massive Auswirkungen auf unser Recht und auf den ausgeglichenen Haushalt. Dieser Betrag müsste durch massive Einsparungen oder durch neue Schulden ausgeglichen werden. Das wollen wir alle nicht. Das ist auch nicht mehr so vorgesehen. Ich hoffe, dass Sie zu unserer Finanzpolitik stehen und keine Neuverschuldung anstreben.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Landesbank!)

Ich denke auch an die briefliche Eintragung. Ist das notwendig, wenn die Leute 14 Tage Zeit haben, um hinzugehen? - Wer krank ist, kann das tun. Wir haben hier viele Ideen, die wahrscheinlich gut gemeint sind, die aber dazu dienen, den Missbrauch zu fördern und Partikularinteressen zu stärken.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Natürlich! Wir wollen alles missbrauchen!)

Bisher gab es kein Problem. Ich muss Ihnen ein Kompliment machen: Wenn Sie versucht haben, Themen, die im Volk wirklich eine Rolle gespielt haben, über Volksbegehren und Volksentscheide zur Abstimmung zu bringen, waren Sie erfolgreich. Seien Sie doch nicht so kleinmütig zu sagen: Wir schaffen das nicht.

Wir brauchen niedrigere Hürden. Alles, was dem Volk wichtig war, wurde in Bayern zur Abstimmung gestellt. Themen, die nicht wichtig waren, haben dagegen keine Unterstützung im Volk gefunden. Lieber Herr Kollege Aiwanger, das ist für Sie natürlich unangenehm. Ich erinnere an das Volksbegehren zum Thema G 8/G 9. Dieses Thema hat im Volk keine Unterstützung gefunden. Wir brauchen daher keine Änderung. Die wichtigen Themen wurden zur Abstimmung gestellt, die unwichtigen Themen haben keinen Rückhalt gefunden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Es haben über 300.000 Leute unterschrieben! Das ist ein Haufen Leute!)

- 300.000 Menschen sind nicht wenig. Das sind jedoch weniger Leute, als man braucht, um in den Bayerischen Landtag gewählt zu werden. Das wissen Sie auch. – Noch schlimmer ist der Gesetzentwurf der GRÜNEN, die das Quorum auf 5 % absenken wollen. Bei haushaltswirksamen Fragen wollen die GRÜNEN sogar den Grundgedanken der Bayerischen Verfassung aushebeln. Dies alles sind Hinweise darauf, dass Sie es mit der Bürgerbeteiligung nicht ernst meinen. Sie wollen vielmehr Ihre parteipolitischen Interessen umsetzen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist Ihnen völlig fremd! Sie kennen das gar nicht!)

- Liebe Kollegin Bause, ich bin natürlich auch Realist. Natürlich gibt es auch bei uns gelegentlich parteipolitische Interessen.

(Allgemeine Heiterkeit – Margarete Bause (GRÜNE): Was? – Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Bei uns lautet die erste Frage immer: Was denkt das bayerische Volk? Das ist für uns die entscheidende Frage. Hinter dieser Frage, was das bayerische Volk denkt, hat das parteipolitische Interesse zurückzustehen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Maßgeblich ist, was Herr Seehofer denkt!)

Wenn Sie sich daran orientieren würden, könnten wir im Landtag sachorientierter diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Dann würden wir manche Initiativen Ihrerseits dorthin geben, wo sie hingehören, nämlich in die Mottenkiste. Dort sind jetzt auch Ihre Gesetzentwürfe gut aufgehoben. Wir werden alle Ihre Gesetzentwürfe ablehnen

und dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zustimmen.

(Beifall bei der CSU – Karl Freller (CSU): Sehr richtig!)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Florian Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist es schön, dass wir uns heute in einem Wettstreit der Demokraten befinden, aber im Grunde sollten wir in die Geschichte zurückschauen. Im Grunde ist das Instrument der Befragung ein Instrument des Machthabers. Schauen wir in das Land der Demokratie, in die Schweiz: Dort gab es einmal einen Mann namens Wilhelm Tell. Dieser geriet in einen Konflikt mit der damaligen Autorität, dem Landvogt Gessler. In einem Überschwang von Autorität hat Landvogt Gessler seinen Hut auf eine Stange gesetzt und zum Volk gesagt, es solle diesen Hut grüßen. Schließlich kommt Wilhelm Tell vorbei und tut dies nicht - Unverschämtheit. Stellen Sie sich vor, so etwas würde in Bayern passieren. Schließlich entwickelt sich ein Gespräch zwischen den beiden. Landvogt Gessler macht das, was ein Machthaber macht, wenn seine Autorität schwindet: Er stellt eine Frage. Er stellt Tell eine ganz harmlose Frage: Ist das dein Knabe, Tell? Was macht unser lieber Tell? – Er antwortet darauf sogar. Schon ist das Unheil geschehen. Wir wissen, dass der Apfelschuss folgt. Am Schluss kommt es zum Tyrannenmord.

(Josef Zellmeier (CSU): Das ist eine Drohung!)

Meine Damen und Herren, seien Sie mit dem, was Sie heute machen, vorsichtig. Wenn man das Volk unzulässig befragt, kann daraus etwas Böses entstehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Damit möchte ich Folgendes deutlich machen: Ihr Gesetzentwurf normiert ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen der Regierung, den Machthabern und den Bürgerinnen und Bürgern. Der Bürger wird der Befragte. Das ist im Grunde falsch. Ein Mehr an Demokratie muss immer vom Bürger ausgehen. Ein Mehr an Demokratie ist nur möglich, wenn dies vom Bürger ausgeht, nicht von der Regierung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Josef Zell- meier (CSU): Was ist mit dem Ratsbegehren?)

Das steht meistens im Verhältnis zu einem Bürgerbegehren. - Es ist schwierig, wenn Sie das Instrument der Befragung als staatstragende Partei und Staatsregierung nutzen. Damit werden Sie dem Bürger als Souverän in der Demokratie nicht gerecht. Das ist nicht die Staatsregierung. Deshalb halte ich dieses Gesetz für antidemokratisch und absolutistisch. Ich bitte Sie, sich gut zu überlegen, was Sie hier machen. Nur weil diese Idee dem Ministerpräsidenten entsprungen ist, muss das Gesetz noch nicht die Heilige Schrift sein.

Meine Damen und Herren, die Demokratie muss vom Volk, von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehen. Im Lateinischen heißt der Staat res publica. Das bedeutet: die Sache des Volkes, eine öffentliche Sache. Die Bürgerinnen und Bürger müssen selber über die Geschicke des Gemeinwesens bestimmen können. Wir stellen eine immer größere Politikverdrossenheit und Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger von ihrem Staat fest. Deswegen müssen wir das bürgerliche Bewusstsein im Volk wieder stärken. Der Bürger muss sich wieder als Bürger und als Souverän begreifen. Das ist nur möglich, wenn er sich selber in die Demokratie einbringen kann. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger muss sich für die Demokratie einsetzen und von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen.

Mit unserem Gesetzentwurf zum Volksbegehren wollen wir die Menschen stärker und besser in die Entscheidungsprozesse der Politik einbinden. Wir meinen, damit können wir unser Gemeinwesen auf lange Sicht besser stabilisieren. Weil wir das Volksbegehren bürgerfreundlicher gestalten wollen, enthält unser Gesetzentwurf die Forderung, Volksbegehren zukünftig finanzwirksam zu gestalten. Die Grenze haben wir auf 1 % festgesetzt. Hierzu müssen wir einmal Mut aufbringen. Im Rahmen der Anhörung zu unseren Gesetzentwürfen haben die Sachverständigen, die von uns und den GRÜNEN benannt worden sind, gesagt, dass wir hierzu den Mut aufbringen müssen. Wir sollen die Rechtsprechung nicht als absolut ansehen. Ein Gesetz sollte der Rechtsprechung vorgelegt werden, damit diese weise darüber entscheiden kann. Wir haben Vertrauen in unseren Verfassungsgerichtshof. Man kann nicht alle Volksbegehren am Haushalt scheitern lassen. In diesem Punkt hat die Rechtsprechung bereits Fortschritte gemacht.

Des Weiteren haben wir das Unterschriftenquorum von 10 auf 8 % gesenkt. Dabei handelt es sich immer noch um 750.000 Menschen, die unterschreiben müssen. Das ist immer noch eine große Menge. Es wäre an der Zeit, die Zugänge zu erleichtern. Die Erweiterung auf vier Wochen für die Eintragungsfrist halten wir auch für wichtig; denn eine Eintragungsfrist von 14 Tagen ist in der Regel sehr ambitioniert. Das Be

gehren muss erst einmal in der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden, damit die Menschen die Notwendigkeit des Handelns erkennen können. Deshalb fordern wir die Möglichkeit, sich brieflich eintragen zu lassen. Damit könnten sich alle Bürgerinnen und Bürger, die nicht ins Rathaus gehen könnten, ebenfalls eintragen. Das wäre ein wirkliches Mehr an Demokratie. Die Belange der Bürgerinnen und Bürger wurden auf diese Weise berücksichtigt. Die Menschen könnten somit für den politischen Entscheidungsprozess begeistert werden.

Meine Damen und Herren, die Gesetze, die heute und hier beschlossen werden, haben weitreichende Auswirkungen. Ich befürchte, dass ein Gesetzentwurf die Mehrheit erhält und sie sich alle nicht bewusst gemacht haben, was sie heute verabschieden. Mit Ihrem Gesetz, das Sie umsetzen wollen, entfernen Sie sich ein Stück vom Bürger. Das ist nicht die Koalition mit dem Bürger, die der Ministerpräsident immer anführt. Das ist genau das Gegenteil. Es handelt sich nicht um ein Anhören des Bürgers, sondern um ein Befragen und letztlich um ein Ausfragen des Bürgers. Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Bitte überlegen Sie sich das noch einmal.