Wir vertrauen dem Volk, und wir trauen dem Volk viel zu. Sie tun das weniger. Ich hätte mir ein bisschen mehr Mut bei dieser Idee gewünscht, die im Grunde eine gute Idee ist. Haben Sie also Verständnis, wenn wir unserem Gesetzentwurf zustimmen und Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Danke schön. – Als Nächste hat Frau Katharina Schulze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.
Deswegen haben wir GRÜNE einen Gesetzentwurf eingebracht, der dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich stärker einmischen können. Das macht nämlich eine Demokratie stark. Wir möchten Volksbegehren und Volksentscheide verbessern. Wir möchten, dass die Bürgerinnen und Bürger direkt über Sachfragen abstimmen können und dass in Volksentscheiden alle Themen zur Abstimmung gestellt werden können, über die auch der Landtag Beschlüsse fasst.
Wir möchten mit unserem Gesetzentwurf auch erreichen, dass in Zukunft über finanzrelevante Dinge abgestimmt werden kann. Wir wollen, dass es auch Volksentscheide mit finanziellen Auswirkungen geben kann.
Sie brauchen sich nicht aufregen, liebe CSU-Fraktion; über den Gesamthaushalt wird man auch in Zukunft nicht abstimmen können, wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Da brauchen Sie keine Angst zu haben.
Analog zur kommunalen Ebene, auf der es Bürgerbegehren und Ratsbegehren gibt, möchten wir so etwas auch auf Landesebene. Demnach könnte ein Volksentscheid auch vom Landtag aus initiiert werden.
Ein weiterer Punkt, der uns sehr wichtig ist und einfach ins 21. Jahrhundert gehört: Wir möchten, dass die Voraussetzungen für die Volksbegehren erleichtert werden. Dazu gehört, dass wir die Hürde für die Unterstützungsunterschriften absenken, und zwar von 10 auf 5 %, und, dass wir so etwas wie briefliche Eintragungsmöglichkeiten wollen. Es ist einfach klar: Im 21. Jahrhundert ist es mehr als notwendig, dass man nicht direkt zur Gemeinde hinlaufen muss, um sich dort einzutragen, sondern dass man beim Volksbegehren auch per Brief seine Unterschrift hinschicken kann.
Außerdem möchten wir die Eintragungsfrist von 14 Tagen auf einen Monat verlängern. Das sind die Hauptpunkte unseres Gesetzentwurfs. Die FREIEN WÄHLER haben einen ähnlichen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Volksbegehren und Volksentscheide eingebracht. Dem werden wir auch zustimmen. Er geht uns in manchen Punkten nicht weit genug, ist aber schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.
Jetzt kommen wir zur Volksbefragung. Ich fand es schon interessant, dass sich dabei die SPD-Fraktion und die CSU-Staatsregierung ein Wettrennen geliefert haben, wer als Erster aus der neuen Wortschöpfung von Horst Seehofer, aus dieser Volksbefragung, irgendeinen Gesetzentwurf zusammenschustern kann.
- Ich weiß es, Herr Schindler, Sie haben es schon erwähnt. Ich hätte es in meinem Redebeitrag auch gesagt. Die SPD war schneller als die CSU-Staatsregierung.
Beide Gesetzentwürfe haben einen ganz großen Konstruktionsfehler. Die Volksbefragungen sind verfassungswidrig. Das haben wir bei unserer Anhörung im Oktober letzten Jahres von namhaften Rechtswissenschaftlern gehört. Mit dem Vorstoß sowohl von Ihnen, der SPD-Fraktion, als auch von der CSU-Staatsregierung wird lediglich das Landeswahlgesetz geändert. Eine solch einfachgesetzliche Regelung reicht nicht aus, da die Volksbefragung in die Grundarchitektur der Demokratie eingreift. Deswegen haben wir, nachdem leider weder die CSU-Staatsregierung noch die SPD-Fraktion auf die Anregungen der Rechtswissenschaftler in der Anhörung eingehen wollten, einen Antrag auf Entscheidung über eine Meinungsverschiedenheit beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Es wäre das Mindeste, dass die CSUFraktion mit dem Beschluss über den Gesetzentwurf der Staatsregierung so lange wartet, bis der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen hat.
Wenn Sie das nicht machen möchten, müssen Sie sich eben hinterher Ihre Klatsche abholen. Das liegt ganz bei Ihnen.
Neben der Verfassungswidrigkeit kritisieren wir aufs Schärfste die mangelnde Verbindlichkeit. Sowohl im Gesetzentwurf der CSU-Staatsregierung als auch im SPD-Gesetzentwurf ist keine rechtliche Verbindlichkeit der Entscheidung vorgesehen. Dann sprechen Sie alle immer von mehr direkter Demokratie. Trotzdem geben Sie den Menschen nur ein Beteiligungsplacebo. Das ist undemokratisch. Das sehen übrigens nicht nur wir, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, so, sondern auch der Bayerische Städtetag hat sich so
Jede Volksbefragung soll zwischen 10 und 15 Millionen Euro kosten. Das ist die Schätzung der Staatsregierung. Es ist eindeutig klar, dass eine demoskopische Umfrage weitaus billiger zu haben wäre, als die Menschen zum Wahllokal laufen zu lassen, obwohl das, worüber sie abstimmen, am Ende doch nicht rechtlich verbindlich sein wird.
Außerdem kritisiere ich seit der Ersten Lesung und den Beratungen in den Ausschüssen immer wieder, dass in beiden Gesetzentwürfen die Zielrichtung absolut unklar formuliert ist. Die CSU-Staatsregierung spricht in ihrem Entwurf immer von Vorhaben mit landesweiter Bedeutung. Bisher konnte mir niemand erklären, was denn Vorhaben mit landesweiter Bedeutung genau sind. Wenn Horst Seehofer eines morgens aufwacht und beschließt, heute hat diese Sache landesweite Bedeutung, wird dann darüber abgestimmt? Wenn er sich am nächsten Morgen überlegt, die Sache hat keine landesweite Bedeutung mehr, wird dann nicht mehr darüber abgestimmt? - Da hätte ich etwas mehr Konkretisierung erwartet. Immerhin debattieren wir über dieses Thema schon länger.
Ebenfalls nicht geregelt ist im Gesetzentwurf der CSU-Staatsregierung die inhaltliche Rechtmäßigkeitskontrolle für die Fragestellung. Wer schaut denn nach, wie die Frage genau formuliert wird? Wer schaut genau hin, wenn dort in gewisser Weise Rechtsaußen-Positionen zur Abstimmung gestellt werden? Welche Kontrollen und welche Fristen gibt es bei der Einreichung der Frage? Welche Regeln gibt es für die Information der Öffentlichkeit über Pro und Kontra einer Frage? - Dazu gibt es keinerlei Information. Diesbezüglich haben Sie noch nichts geliefert. Das bestärkt mich immer mehr in der Meinung, dass die Volksbefragung nur ein manipulationsanfälliges Herrschaftsinstrument sein kann.
Beispielsweise sieht der Gesetzentwurf keinerlei Rechte für die Vertreterinnen und Vertreter einer Gegenposition vor. Sie sorgen nicht dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger allumfassend informiert sind, bevor sie ihre Meinung zu einem Thema abgeben.
Der einzige Unterschied – Herr Kollege Schindler hat es schon mehrfach betont – zwischen dem Gesetzentwurf der SPD und dem Gesetzentwurf der CSUStaatsregierung besteht darin, dass der Landtag nach dem Willen der SPD auch mit einem Minderheitenvo
tum eine Volksbefragung durchführen lassen kann. Der Vorschlag ist vielleicht ein bisschen besser als der von der CSU-Staatsregierung. Trotzdem haben Sie alle meine anderen Kritikpunkte auch nicht entkräften können. Darum werden wir GRÜNE weder dem Gesetzentwurf der CSU-Staatsregierung noch dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zustimmen.
Kommen wir abschließend kurz zum Gesetzentwurf der Fraktion der FREIEN WÄHLER. In vielen Fragen der direkten Demokratie sind wir uns oft sehr einig. Sie haben auch gute Ideen, wie man Volksentscheide und Volksbegehren weiter verbessern kann. Umso mehr verwundert war ich darüber, dass Sie jetzt auch noch auf den Zug der Volksbefragung aufgesprungen sind und dort ein weiteres Instrument eingebaut haben. Zwar möchten Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die Verfassung ändern. Dennoch enthält Ihr Gesetzentwurf Punkte, die absolut unklar sind. Sie sprechen von "Angelegenheiten von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung". Auch da ist nicht klar, was genau damit gemeint ist.
Dann schaffen Sie zwar eine Bindungswirkung, trotzdem sind noch gewisse Umsetzungsspielräume nach der Abstimmung vorgesehen. Auch das ist etwas gewagt formuliert. Sie halten es zwar für wichtig, dass man Bürgerinnen und Bürger nicht nur zum Schein abstimmen lässt und dass ihre Meinung, die sie äußern, auch umgesetzt wird. Dennoch kommt mir Ihr Gesetzentwurf etwas schnell hingeschrieben vor. Deswegen werden wir diesem nicht zustimmen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mehr Demokratie begrüßenswert ist, aber nur dann, wenn mehr Mitbestimmung ermöglicht wird und das Schlagwort "mehr Demokratie" nicht nur als Feigenblatt hergehalten wird, wie es in Sachen Volksbefragung seit Monaten durch die Lande getragen wird. Deswegen ist für uns ganz klar: Wir stimmen natürlich unserem Gesetzentwurf für eine Verbesserung von Volksbegehren und Volksentscheiden zu. Insofern stimmen wir auch dem der FREIEN WÄHLER zu. Wir lehnen aber alle Gesetzentwürfe zur Volksbefragung und auch den Änderungsantrag der SPD-Fraktion ab.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Josef Zellmeier von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerbeteiligung ist ein wichtiges Thema. Das wissen wir alle. Mit diesem Grundgedanken stimmen wir überein. Dann hört die Einigkeit aber relativ schnell auf. Wir, die CSU, sehen die Bürger als unsere Partner. Wir sehen das bayerische Volk als unseren wichtigsten Ratgeber. "Näher am Menschen", so lautet seit vielen Jahren das Motto der CSU. Mit diesem Motto ziehen wir in die Wahlkämpfe. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass dies ein hoher Anspruch ist. Wir sind aber davon überzeugt – das beweisen auch unsere Wahlergebnisse -, dass wir dieses "Näher am Menschen" am besten unter allen Parteien in Bayern und in Deutschland praktizieren.
- Lieber Herr Kollege Aiwanger, diese Verbesserung nehme ich gerne entgegen. Wenn Sie dazu Erkenntnisse haben, sind wir auch weltweit besser.
(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Überall, wo man auf der ganzen Welt hinhört, wird nur die CSU gelobt!)
Die Koalition mit dem Bürger, wie sie unser Ministerpräsident immer so trefflich nennt, ist wirklich eine echte Koalition. Wir wollen die Themen aufgreifen, die den Menschen wichtig sind. Meinungsumfragen, die heute sehr oft die politische Arbeit bestimmen, sind nicht dasselbe wie eine Volksbefragung. Meinungsumfragen haben oft nur eine Tagesform. Eine große inhaltliche Debatte geht ihnen nicht voran. Deshalb ist die Volksbefragung wichtig. Sie hat zwar keine bindende Wirkung, aber sie hat eine hohe Verbindlichkeit, weil sie eine qualifizierte Form der Meinungsäußerung ist, die im Entscheidungsprozess wesentlich mehr Gewicht haben wird als vieles andere.
Die Volksbefragung kann auch eine befriedende Funktion haben. Schauen Sie sich die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 an. Heftige Demonstrationen mit brutalen Ausschreitungen gab es dagegen. Auch in Baden-Württemberg war die Zulässigkeit der Volksabstimmung umstritten. Fraglich war, ob es von der Verfassung vorgesehen war, zu diesem Thema mit einer gewissen Haushaltsrelevanz eine Volksabstimmung durchzuführen. Im Endeffekt aber hat sie befriedende Wirkung gehabt. Die Blockaden wurden beendet,
ein wichtiges Projekt konnte weiter gebaut werden. Insofern ist das Volk oftmals ein guter Schiedsrichter, wenn sich die politischen Kräfte im Land nicht einigen können. Mir stellt sich die Frage: Warum haben Sie
als Opposition so viel Angst vor der Volksbefragung? Warum haben Sie Angst vor der Meinung des Volkes?