Protocol of the Session on October 23, 2014

(Beifall bei der SPD)

Seit wir wissen, dass im Ministerium die CSU-Beschlüsse selbstverständlich gleich interpretiert werden und noch bevor sie im Parlament waren, an die Schulen weitergegeben werden, wissen wir auch: Da steht nichts von Wahlfreiheit. Für einige wenige gibt es, wie Kollege Felbinger gesagt hat, aus pädagogischen Gründen vielleicht mehr Lernzeit. Sie haben nicht begriffen, dass es dieses Problem zu lösen gilt. Und da die Kultusministerkonferenz hart bleiben und die Stunden nicht aufweichen wird, werden wir die Belastung in der Schule durch Ihre Beschlüsse weiterhin haben.

Deshalb ist es ganz verständlich, dass die Umfrageergebnisse noch immer für G 9 sprechen. Bei einer Umfrage jüngst an der Passauer Universität haben sich von 2.200 Studenten 85 % für eine grundständige neunjährige Version ausgesprochen.

Wir haben immer gesagt – auch das kann man belegen -: Es geht nicht nur um die Laufzeit, es geht immer auch um die Inhalte. Um beides muss es gehen, auch um die Inhalte.

LehrplanPLUS – liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Entwicklung gibt es seit drei, vier, fünf Jahren. Damals hat die Frage "G 8 oder G 9?" noch überhaupt keine Rolle gespielt. Wenn das das Ergebnis ist, was jetzt in der Grundschule mit dem LehrplanPLUS passiert, dann gute Nacht, liebe Gymnasiasten und Gymnasiastinnen! Da kommt überhaupt keine Entlastung an.

Die G-8-Diskussion alleine über den Lehrplan lösen zu wollen, würde auch bedeuten, dass wir die Lehrkräfte mit einem riesigen Fortbildungsprogramm auf die Schiene setzen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist nur ein Baustein!)

Ich sehe keinen Ansatz, dass Sie die Lehrkräfte an den Gymnasien irgendwie fortbilden wollen, um diese Ziele erreichen zu können.

Wir halten fest: Unterm Strich wird bei den Schülerinnen und Schülern nicht wirklich etwas an Entlastung ankommen. Was irgendwann vielleicht 2017 oder 2018 langsam in die Gymnasien kommt, hilft den Schülerinnen und Schülern, die jetzt im Gymnasium sind, überhaupt nichts. Da wird definitiv nichts passieren. Das ist ein Trauerspiel. Deshalb sage ich Ihnen

voraus, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es wird keine Ruhe am Gymnasium geben.

Jetzt schon merkt der Philologenverband, dass er mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden sein kann. Viele Lehrkräfte werden nicht zufrieden sein. Viele Eltern werden nach wie vor ihre Kinder nicht aufs Gymnasium schicken, sondern auf die Realschule und werden Umwege beschreiten. Das alles sind Entwicklungen, die Sie, lieber Herr Kultusminister, und Sie von der CSU-Fraktion nicht wirklich wollen können.

Die SPD hat einen Gesetzentwurf eingebracht – den werden wir hier noch intensiv diskutieren –, der grundständig auf neun Jahre aufsetzt, weil wir wissen, dass viele der Schülerinnen und Schüler, die jetzt am Gymnasium sind, einfach mehr Zeit brauchen. Das sind 75 bis 80 %.

(Beifall bei der SPD)

Also muss ich doch eine Struktur schaffen, die für die Schülerinnen und Schüler passt. Ich muss eine Struktur schaffen – dabei geht es tatsächlich doch um Strukturfragen –, die für die schnelleren Schülerinnen und Schüler passt. Das ist es, was wir salopperweise mit "Überholspur" bezeichnen.

Man kann das vernünftig aufsetzen. Das ist kein Zauberwerk, und das ist meines Erachtens das richtige Verfahren. Das, was Sie jetzt machen, ist ein klares Bekenntnis: Weiter so mit dem G 8. Im Endeffekt wird dabei nichts herumkommen, auch wenn Sie großartige Überschriften in der pädagogischen Entwicklung ankündigen.

Ministerpräsident Seehofer hat in Banz und nach Banz gesagt: Wir brauchen keinen Dialog mehr, wir brauchen keine Gespräche mehr, mit wem auch immer, weil wir eh das beste Konzept haben, da kommt eh nichts mehr dabei heraus. – Wenn man aber einen Dialog führt, müsste man auch bereit sein, etwas zu ändern.

Ich kann Sie nur ermuntern, die Dialogprozesse fortzusetzen, wenn Sie es wirklich ernst damit meinen, dass Ruhe einkehren soll.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem, was Sie jetzt machen, werden Sie in den Gymnasien definitiv keine Ruhe bekommen.

Deshalb noch einmal die Bitte und der dringende Appell: Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, kann nicht das Gelbe vom Ei und nicht das Letzte sein. Wir müssen grundsätzlich an die Strukturfrage herangehen und

miteinander die inhaltlichen Veränderungen diskutieren.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir im nächsten Bildungsausschuss wenigstens das erfahren, was die Presse schon lange weiß und jetzt auch schon die Schulen aufgrund des vorauseilenden Gehorsams der Kultusbeamten wissen, die das schon in die Schulen gegeben haben. Wir wollen im Bildungsausschuss aus Ihrem Munde definitiv hören, was passiert ist, und werden dann in den nächsten Monaten hoffentlich zu einem Ergebnis kommen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Güll. – Nächster Redner ist Herr Kollege Gehring. Bitte schön.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 22. Januar 2014 hat der Kultusminister zum Dialogprozess aufgerufen. Wir haben diesen Dialog geführt. Wir haben diesen Dialog mit Beiträgen geführt und haben einen Gesetzentwurf vorgelegt; denn, lieber Kollege Lederer, man muss etwas haben, worüber man reden kann, wenn man einen Dialog führt, sonst lässt man es lieber sein. Hohles Geschwätz ist kein Dialog.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Otto Lederer (CSU) – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Lesen, Herr Kollege!)

Interessant an diesem Dialog war schon, dass aus der CSU-Fraktion keine Vorschläge, keine Ideen, keine Anregungen, keine Visionen kamen. Dann kam ein Konzept der CSU am 17. September, und am 18. September hat der Ministerpräsident den Dialog für beendet erklärt. So läuft das mit dem Dialog.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Wir haben im August gearbeitet!)

Offensichtlich will man nicht mehr weiter darüber reden, um das CSU-Konzept vor Kritik zu schützen. Ich kann mir das nicht anders erklären.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Welches Konzept?)

Bevor wir darüber geredet haben, was dieses CSUKonzept ausmacht, hat das Kultusministerium schon Interpretationshilfe geleistet. Das Kultusministerium hat interpretiert, wie das CSU–Konzept zu verstehen ist. Da heißt es: keine Wahlfreiheit! Es geht nicht, zwischen G 8 und G 9 zu wählen, und es gibt auch keinen Rechtsanspruch auf G 9. Alle, die so sehr gejubelt hatten, dass in Bayern G 9 und die Wahlfreiheit

zwischen G 8 und G 9 wieder kommt – die FREIEN WÄHLER sind da Herrn Seehofer schon fast auf den Schoß gesprungen –, mussten sich eines Besseren belehren lassen: nichts mit Wahlfreiheit, nichts mit G 9, aber auch keine tauglichen Vorschläge zum G 8.

Es gibt eine ganze Reihe von Kritikpunkten an dieser Mittelstufe Plus. Dazu gehört die organisatorische Überdifferenzierung. Das ist an den Schulen nicht umsetzbar. Dann entsteht die gleiche Situation mit Übertrittsdruck: Ähnlich wie man sich einst nach der 4. Klasse entscheiden musste, geschieht das nun nach der 7. Klasse. Das ist faktisch nichts anderes als ein tatsächliches Sitzenbleiben im Klassenverband. Das heißt: ein Jahr länger für eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will gar nicht von den anderen Ungereimtheiten reden wie beispielsweise der, dass man die Mittlere Reife nach der 11. Klasse im Gymnasium bekommt. Jeder Realschulmann greift sich da an den Kopf. Die Mittelstufe Plus wird eine erhebliche Zahl von Lehrerstellen kosten. Bei einer Teilnehmerquote von 25 % wären wir bei 800 Lehrerstellen nur für diese organisatorische Differenzierung und letztendlich lässt sich die Mittelstufe Plus als organisatorische Reform in den Schulen auf dem Land nicht durchsetzen. Die gleichen Argumente also, die Sie damals gegen das Konzept der FREIEN WÄHLER vorgebracht haben, richten sich nun gegen Ihr Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen das Haus Spaenle. Ich gehe davon aus, dass kein Mensch, weder im Ministerium noch in der CSU-Fraktion, die Mittelstufe Plus tatsächlich einführen will. Sie kommt auf den Markt und hat das gleiche Schicksal wie die Gelenkklasse,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

das Flexijahr: Sie landet auf dem Müllhaufen der Spaenleschen Wortkreationen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Das alles wird Geschichte.

Der Dialog ist damit noch nicht beendet. Er müsste im Grunde jetzt erst richtig losgehen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, und wir können das Konzept der CSU nun kritisch analysieren. Wir nehmen die Überschriften zur pädagogischen Reform tatsächlich ernst, aber es sind nicht mehr als Überschriften. Inhaltlich muss es um die Reduzierung der Fächerzahl gehen,

um ein fächerübergreifendes Lernen und um die Veränderung der Prüfungsstrukturen. Dazu haben wir von Ihnen noch nichts gehört, und es wäre spannend, hierüber einen Dialog zu führen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Themen werden auch nicht vom Kultusministerium gelöst; denn es geht um eine Veränderung von Unterrichtskulturen. Das geht nur mit den beteiligten und betroffenen Menschen. Diese müssen ebenso mitgenommen werden wie die Gymnasialfamilie insgesamt.

Mein Rat lautet also: Beginnen Sie diesen Dialogprozess! Wenn im Dialogprozess jeder einen eigenen Vorschlag hat, ist es möglicherweise auch einmal ungemütlich, sich Kritik anzuhören, aber wenn es nun einen bestimmten Ermüdungsgrad in der Gymnasialdebatte gibt, wäre es ein wirklich fatales Missverständnis, das als Zustimmung zu den CSU-Vorschlägen zu werten.

Wenn Sie die kritische Auseinandersetzung scheuen und auch die Auseinandersetzung mit unseren Konzepten, die SPD bzw. die GRÜNEN eingebracht haben, werden Sie keine Ruhe am Gymnasium bekommen. Sie werden den gleichen Fehler machen wie damals Stoiber bei der Einführung des G 8, nämlich eine Reform ohne die Beteiligten. Eine solche Reform wird scheitern, und die Ruhe am Gymnasium wird damit nicht erreicht.

Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Beginnen Sie diesen Dialog neu! Wir sind dazu bereit, aber Sie müssen sich natürlich den kritischen Fragen stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Gehring. Nächster Redner ist der Kollege Tomaschko.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Volksbegehren zum Gymnasium in Bayern sind deutlich gescheitert.