Protocol of the Session on June 4, 2014

Sechs Kritikpunkte erläutere ich zu diesem Gesetzentwurf. Erster Kritikpunkt: Die 10-H-Regelung ist zum Schutz der Wohnbevölkerung nicht erforderlich, auch wenn Sie immer etwas anderes behaupten. Das geltende Recht sieht bereits Abstandserfordernisse vor. Im Einzelfall können Sie bereits jetzt bei jedem Windrad sagen: Das geht nicht; etwa dann, wenn es um den Lärm geht, wenn es um den Schattenwurf geht oder wenn es um baurechtliche Rücksichtnahmen geht. Die Vorranggebiete waren eine hervorragende Einrichtung, die Sie kaputtmachen, weil es jetzt eben anders sein soll.

Zweiter Kritikpunkt: Der 10-fache Abstand ist völlig willkürlich gewählt. Frau Natascha Kohnen hat es bereits erwähnt: Warum nicht 5 H? Warum nicht 15 H? "Optisch bedrängend" – ich könnte Beispiele anführen, die belegen, dass man das optisch Bedrängende sehr unterschiedlich empfinden kann. Das gilt für Windräder und anderes. Ich behaupte, Sie setzen auf die 10-H-Regelung, weil dann das Rechnen am Leichtesten fällt. Ansonsten gibt es dafür überhaupt keinen Grund.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Dritter Kritikpunkt: Mit der 10-H-Regelung haben Sie eine unsägliche Stichtagsregelung verbunden, die den Kommunen viel Geld kostet. Am 4. Februar fiel der Beschluss im Kabinett. Das ist bei Ihnen der Grund dafür, dass das der Stichtag war. Im Übrigen bedeutet das wieder eine Missachtung sämtlicher parlamentarischen Gremien: Das Kabinett hat beschlossen, und der Tag des Beschlusses ist der Stichtag. Dass diese Planungen zwei, drei Jahre dauern, ist Ihnen bewusst.

Dass es einen Stillstand und ein Aus für viele Planungen bedeutet hat, ist Ihnen auch bewusst. Ich bin gespannt. Ich habe vor über sechs Wochen eine Anfrage gestellt, welche Kosten durch Gutachten entstanden sind und umsonst ausgegeben wurden. Sie haben um die übliche Frist von vier Wochen verlängern lassen. Die Recherche sei so schwierig, dass Sie für die Beantwortung dieser Anfrage um Fristverlängerung bitten. Wir werden die Zahlen hier sehen. Es wird schwarz auf weiß zu lesen sein, wie viel Geld Sie zum Schaden der Kommunen und auch der Bürgergenossenschaften letztendlich vernichtet haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vierter Kritikpunkt: Die günstigste erneuerbare Energie wird ausgegrenzt. Die Kosten für die Energiewende werden dadurch steigen. Das kann man nachlesen; Sie wissen das am besten selbst.

Fünfter Kritikpunkt: Die bayerische Bevölkerung steht hinter dem Windkraftausbau. Laut der Umfrage vom Februar sind 76 % der Bevölkerung für den Ausbau. Das berücksichtigen Sie nicht.

Sechster Kritikpunkt: Weniger dezentrale Windenergie bedeutet noch mehr Stromtrassen. Herr Ministerpräsident, ich höre Sie oft genug, ich lese über Sie im "Donaukurier" oft genug und bin gespannt, wie Sie begründen werden, dass hier kein Zusammenhang besteht. Diesen Spagat schaffen nicht einmal Sie.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Minister- präsident Horst Seehofer: Doch!)

- Nein.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Sie werden sich wundern!)

Ich möchte abschließend feststellen: Sie hatten nie ein Konzept für eine sinnvolle und bezahlbare Energiewende. Ich behaupte, Sie wollten auch nie ein Konzept. Die Betrachtung der letzten fünf Jahre zeigt, dass die Zuständigkeit für die Energiewende auf drei Ministerien verteilt war und die Federführung bei einem Wirtschaftsminister aus der FDP lag, der alles andere als ein Interesse an einer dezentralen Energieversorgung hatte.

Ich werfe Ihnen weiter vor: Es war Ihnen nie ein Herzensanliegen; sonst hätten Sie sich zum Beispiel im Zusammenhang mit der Trasse besser informiert. Ich lese, dass Sie von Amprion überrascht sind und wie der Bundestagsabgeordnete in unserem Landkreis argumentiert: Er habe nicht gewusst, wofür er letztendlich stimmt. Das zeigt mir, dass es Ihnen kein Anliegen war; das hat man wissen können.

Mein Hauptvorwurf lautet: Sie waren in diesem Zusammenhang nie ehrlich, und Sie sind es auch jetzt nicht. Sie müssen dem Bürger sagen: Entweder bekommst du die Trasse oder ein Windrad oder ein Speicherkraftwerk. Sie sind hier nicht offen und glaubwürdig und schaden damit uns allen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie nehmen den Bürger in dem ganzen Komplex um erneuerbare Energien und die Energiewende nicht ernst. Heute sieht man, dass Sie leider auch die demokratischen Spielregeln nicht ernst nehmen: Sie diskutieren bereits, ohne dass auf der zunächst verant

wortlichen Ebene die entsprechenden Voraussetzungen getroffen wurden. Gehen Sie bitte nie mehr in eine Schulklasse, in den Sozialkundeunterricht, um über Demokratie zu reden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Gottstein, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Huber hat sich zu Wort gemeldet.

Frau Kollegin, das, was Sie zum Schluss gesagt haben, ist starker Tobak. Das muss ich zurückweisen. Es ist völlig klar, dass die Schlussabstimmung hier im Bayerischen Landtag zu einem bayerischen Landesgesetz erst dann erfolgt, wenn es eine Ermächtigung durch das Bundesgesetz gibt. Eine Verletzung von irgendwelchen demokratischen, rechtsstaatlichen Regeln ist keineswegs zu befürchten.

Ein weiterer Aspekt wundert mich sehr. Üblicherweise geben sich die FREIEN WÄHLER als besonders kommunalfreundliche Partei, was sowieso ein Irrtum ist.

(Lachen bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich muss Ihre Argumentation widerlegen. Nach dem geltenden Recht haben die Kommunen als Träger der örtlichen Planungshoheit kein Mitspracherecht, was Windräder angeht; denn Windräder sind nach dem Bundesbaugesetzbuch privilegierte Anlagen im Außenbereich. Die Gemeinde kann dazu zwar eine Meinung äußern, aber sie hat keine Rechtsposition. Die Rechtsposition hat nur das Landratsamt. Auf Bayerisch gesagt, hat die Gemeinde im Moment also nichts zu schnabeln. Erst durch das bayerische Gesetz, das wir jetzt beraten, wird im Grunde eine Rechtsposition der Kommunen eingeführt. Sie können dann im Bebauungsplan unterhalb dieser 10-H-Regelung im Konsens die Voraussetzungen für Windräder schaffen. Wir stärken also ganz eindeutig die Rechte von 2.000 Gemeinden in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Manche Bürgermeister sagen: Das ist vielleicht gar nicht so gut. Aber kommunale Selbstverwaltung heißt, nicht nur wohltätig zu sein, sondern auch eine Entscheidung zu treffen. Wir stärken also die kommunale Selbstverwaltung, und die FREIEN WÄHLER sind dagegen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Danke schön, Herr Kollege. Frau Gottstein, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Kollege Huber, in meinem Landkreis ist erst in der letzten Woche von Energieministerin Ilse Aigner ein Windpark eröffnet worden. Sie dürfen beruhigt sein, ich kenne mich hier aus. Vorhin habe ich betont, dass die Ausweisung von Vorrangflächen das ideale Instrument zur Steuerung gewesen ist. Auf der einen Seite haben wir die Kommunen, auf der anderen Seite eine Energiewende, die wir bayernweit in den Griff bekommen müssen. Was Sie machen, ist eine Verhinderungstaktik, weil Sie letztendlich doch nur an Strom aus dem Norden oder, wenn es schlimmer kommt, aus Thüringen interessiert sind. Das wollen die Bürger nicht. Das wird über Ihnen zusammenbrechen. Das sage ich Ihnen jetzt schon.

So viel zur Demokratie: Selbstverständlich wollen Sie das vor der Sommerpause noch durchziehen, trotzdem ist es schlechter Stil. Sie ignorieren mögliche Änderungsvorschläge und das, was sich auf Bundestags- oder Bundesratsebene noch ereignen könnte. Das ist schlechter Stil.

(Erwin Huber (CSU): Das ist doch gar nicht wahr!)

Den schlechten Stil haben Sie zu verantworten und nicht wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächster hat Kollege Martin Stümpfig von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen, dass die Reihen der CSU heute sehr dünn besetzt sind. Das zeigt die Wichtigkeit der Debatte hier und heute.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die 10-H-Regelung des Landtags für die CSU!)

- Das ist der Abstand von Abgeordneten zu Abgeordneten.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Die Debatte heute ist in unseren Augen wirklich ein schlechter Witz. Gerade haben wir es schon einmal erwähnt: Obwohl der Bundesgesetzgeber noch keine

Kompetenzen weitergegeben hat, behandeln wir heute diese Geschichte. Das ist mehr als absurd. Die Staatsregierung beweist an dieser Stelle, wie stümperhaft sie mit der ganzen Initiative umgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Herrmann, in Ihrem Eingangsstatement haben Sie erwähnt, dass die Windräder immer höher würden. Sie haben ein Bild von 200 Metern Höhe und mehr gezeichnet. Sie haben von einer bedrängenden Wirkung gesprochen. Ich möchte Sie an ein Gerichtsurteil vor ein paar Jahren für Schnelldorf aus meinem Landkreis erinnern. Dort hieß es: Beträgt der Abstand mehr als die dreifache Gesamthöhe der Anlage, ist keine bedrängende Wirkung mehr vorhanden. Sie setzen auf einmal eine zehnfache Höhe an. Das ist reine Willkür. Von einem objektiven Kriterium sind wir weit weg.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Der Bau eines Windrades unterhalb von 10 H soll nur dann möglich sein, wenn die Gemeinde einen Konsens erzielt. In diesem Fall wäre nach wie vor die kommunale Selbstverwaltung gegeben. Das ist nicht mehr der Fall. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben Sie das verstärkt. Jetzt müssen selbst Nachbarkommunen zustimmen. Die Nachbarkommunen haben jetzt ein Vetorecht. Das ist ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen; denn unsere Gemeindegebiete sind nicht so groß, dass ausreichend Windkraftgebiete ausgewiesen werden könnten, ohne die Zustimmung der Nachbarkommunen einzuholen. Das ist nicht der Fall. Das ist wirklich das Totenglöckchen für die Windenergie. Dieser Zusatz – die Notwendigkeit der Zustimmung der Nachbarkommunen - macht eine Windkraftnutzung in Bayern nicht mehr möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Huber, manchmal sind wir uns im Wirtschaftsausschuss völlig einig. In dem Punkt, dass die Kommunen nichts mitzuschnabeln hätten, sind wir uns nicht mehr einig. Wenn die Regionalen Planungsverbände ihre Arbeit geleistet haben, gibt es mittlerweile überall – in Franken ist das so – ausreichend ausgewiesene Flächen. Jede Gemeinde kann, selbst wenn sie in ihrem Gebiet keine Flächen ausgewiesen hat, sagen: Jawohl, Investor, geh doch bitte in die Nachbarkommune, aus den und den Gründen unterstützen wir diese Planungen nicht. Eine Kommune muss keine Flächen ausweisen. Das ist jetzt schon Fakt. Wenn Oberbayern das Ganze verschläft und nach wie vor keine Vorrangflächen ausweist, wessen Schuld ist das dann? Ist das die Schuld der einzelnen Regiona

len Planungsverbände, die Windkraft verhindern wollen? Herr Herrmann, Sie sagen, dort, wo zugestimmt werde, solle der Bau von Windrädern immer noch möglich sein. Mit Verlaub, das ist Schwachsinn. Das wird nicht umsetzbar sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben Bayern mit Baden-Württemberg verglichen. Ich möchte einmal den Vergleich zu Rheinland-Pfalz ziehen. Rheinland-Pfalz verfügt über 3.600 Megawatt installierte Windkraftleistung. Wir in Bayern krebsen irgendwo bei 1.000 Megawatt herum. Man darf nicht Äpfel mit Birnen und Saumägen mit Schweinsbraten vergleichen, sondern muss nur einen 1 : 1-Vergleich ziehen. Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fachlich ist die 10-H-Regelung wirklich ein Fiasko. Juristisch gibt es ebenfalls massive Zweifel. Die 10-HRegelung lässt der Windkraft keinen Raum mehr. Im Bundesgesetz wird betont, dass ein substanzieller Raum vorhanden sein müsse. Windkraft ist nach wie vor privilegiert. Das wird mit der 10-H-Regelung nicht mehr möglich sein. Deswegen sagen wir: Wir müssen die 10-H-Regelung in die Tonne treten. Sie ist juristisch nicht haltbar.