Protocol of the Session on April 3, 2014

Meine Damen und Herren, die Europawahl am 25. Mai ist keine nachrangige Wahl. Sie ist nicht weniger wichtig als die Bundestagswahl, die Landtagswahl oder die Kommunalwahl. Ganz im Gegenteil, die Wahl zum Europäischen Parlament entscheidet ganz unmittelbar über die Alltagswelt der Bürgerinnen und Bürger nicht nur in Lissabon oder Riga, sondern auch in Passau, in Traunstein, in Hof, in Lindau und in allen Orten Bayerns. Am 25. Mai geht es um eine sehr grundlegende und sehr weitreichende Richtungsentscheidung. Die Europawahl entscheidet über die Zukunft des Jahrhundertprojekts europäische Einigung. Die Europawahl entscheidet auch darüber, ob mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker ein Konservativer Kommissionspräsident wird – aus meiner Sicht wäre das ein Signal für ein "Weiter so" - oder ob der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz neuer Kommissionspräsident wird, der die Europäische Union reformieren wird. Sein Ziel ist weniger Bürokratie und Regulierung nur da, wo es wirklich wichtig ist, da dann aber auch kraftvoll, zum Beispiel auf dem Finanzmarkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, Europa gemeinsam besser zu machen, damit Europa für die junge Generation das Versprechen einer guten Zukunft bleibt.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rinderspacher. Die nächste Rednerin ist Frau Judith Gerlach von der CSU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei Frau Staatsministerin Dr. Merk für ihre Ausführungen bedanken. - Am vergangenen Montag war an den Schulen Bayerns der EU-Projekt

tag. Wie viele andere hier im Parlament habe auch ich mich den Fragen der Schülerinnen und Schüler in der Schule gestellt. Die Diskussion stand unter dem Motto: "Was geht uns eigentlich Europa an?" Gute Frage!

Die Europäische Union hat in den gut fünfeinhalb Jahrzehnten ihrer Existenz viel erreicht. Sie ist zweifellos eine der großen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das mit zwei Weltkriegen unsägliches Leid und Zerstörung über unseren Kontinent gebracht hat. Die europäische Einigung ist das größte Friedenswerk der Nachkriegsgeschichte. Sie hat viel zum Wohlstand und Erfolg auch in Bayern beigetragen. Die Regierungserklärung zeigt die wichtige Rolle der Europäischen Union für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Sie zeigt aber auch, dass erfolgreiche und selbstbewusste Regionen wie Bayern in Brüssel etwas bewegen können. Die Einheit Europas ist heute nicht mehr nur eine Frage von Krieg oder Frieden. Bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union in den nächsten Jahren geht es darum, das Wohlstandsniveau Europas auf sozialem, ökologischem und kulturellem Gebiet durch gemeinsames Wirtschaften, Forschen sowie eine starke Währungsund Handlungsunion zu sichern und auszubauen.

Diese Kraft zu generieren, gelingt allerdings nur in einem Europa mit starken Regionen. Bayern liegt im Herzen Europas. Wir wollen und brauchen daher die europäische Integration. Wir wollen aber ein Europa der Regionen und keinen europäischen Zentralstaat. Nationen und Regionen gehören zur Identität Europas und müssen in einem Europa der Zukunft ihren festen Platz haben. Das Europa der Zukunft braucht starke und eigenständige Regionen wie Bayern. Wir müssen den Europagegnern ein klares Bekenntnis zu einem Europa der Einheit und Vielfalt entgegensetzen.

(Beifall bei der CSU)

Nur ein klares Bekenntnis zu einem Europa der Zukunft, das sich auf seine wesentlichen Aufgaben konzentriert und die Individualität seiner Mitgliedstaaten akzeptiert, nimmt auch die Skepsis der Bürger ernst.

Einen Schwerpunkt unserer Europapolitik bildet die Frage nach der künftigen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union im weltweiten Wettstreit. Grundsätzlich ist es notwendig, dass die hohen Staatsschuldenquoten einiger europäischer Länder zurückgeführt werden. Schuldentilgungsfonds und Euro-Bonds-Anleihen werden aber von der CSU abgelehnt. Sie dienen nicht einer Lösung.

(Beifall bei der CSU)

Sie sind eher Auslöser für eine neue Schuldenkrise. Europa wird nicht dadurch stärker, dass man die Schwachen schwächt, sondern es wird durch Verbesserungen bei den Schwachen stärker. Das, was von uns beim Länderfinanzausgleich gefordert wird, muss auch für Europa gelten. Krisenstaaten dürfen Hilfen nur erhalten, wenn sie die Auflagen erfüllen und Reformen durchführen. Dieser Kurs hat sich bewährt und zu einer beginnenden Stabilisierung im Euroraum geführt. Wir wollen, dass Krisenstaaten künftig eine noch stärkere Eigenbeteiligung an der eigenen Krisenbewältigung leisten und mehr eigene Ressourcen einsetzen. Einem zu befürchtenden Protestvotum bei den Europawahlen muss durch ein klares Nein zu einer Schuldenunion entgegengesteuert werden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Da seid ihr ja voll drin!)

Aufgabe für unsere Politik in Deutschland wie auch auf europäischer Ebene muss es sein, den Aufbau einer Stabilitätsunion voranzutreiben und die Menschen in Europa dabei auch mitzunehmen.

Am 25. Mai finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Die Bürgerinnen und Bürger haben hier die Möglichkeit, über die Geschicke der Europäischen Union für die nächsten fünf Jahre mitzubestimmen. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung zuletzt bei den Kommunalwahlen müssen wir alle darauf hinwirken, dass die Menschen diese Chance auch wahrnehmen. Es gibt bei allen Erfolgen auch viel berechtigte Kritik an Europa. Desinteresse und Resignation sind aber der falsche Weg. Nur wer mitredet, kann auch etwas verändern. Den ersten Schritt haben viele Schülerinnen und Schüler Bayerns schon gemacht, indem sie in den Diskussionen zu dem Ergebnis kamen, dass Europa sie sehr wohl etwas angeht. Ich hoffe, dass noch mehr Menschen zu dieser Erkenntnis kommen und zur Wahl gehen, statt sich fremdbestimmen zu lassen. Ich hoffe aber auch, dass es uns als Verantwortlichen in der Politik gelingt, die Wählerinnen und Wähler zu motivieren, an den Wahlurnen ein Zeichen für ein starkes Europa zu setzen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Gerlach. Als Nächste hat Frau Ulrike Müller von den FREIEN WÄHLERN das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich wurde Ihnen allen wie auch mir klar, dass die Rede der Frau Staatsministerin keine Regierungserklärung, sondern eine Zustandsbeschreibung war. Sie haben so geredet, als wären Sie in Europa nicht in der Verantwortung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Diana Sta- chowitz (SPD): Genauso war es!)

Es war eher ein Wahlkampfgetöse der CSU. Aus diesem Grund war auch vorhersehbar, dass sich die CSU so darstellt, als würde sie die Interessen der bayerischen Bürgerinnen und Bürger in Europa unabhängig und bis aufs Herzblut verteidigen.

Traurig fand ich es in diesem Zusammenhang, dass wir die Regierungserklärung nicht vorher bekommen haben. Aus dem Agrarressort bin ich es gewöhnt, dass Herr Minister Brunner uns seine Reden zukommen lässt, sodass wir uns auf die Inhalte einstellen können.

(Markus Rinderspacher (SPD): Da stand doch sowieso nichts drin!)

- Richtig, es stand nichts drin.

Gelobt sei, was Stimmen bringt. Aus diesem Grund wurde Herr Gauweiler am Aschermittwoch von der CSU aus der Versenkung geholt.

(Widerspruch der Abgeordneten Kerstin Schrey- er-Stäblein (CSU))

- Vielleicht ist "Versenkung" nicht das richtige Wort. Ich glaube aber, es war ein taktischer Schachzug der CSU, den Wadlbeißer Gauweiler aus dem Zwinger zu lassen, um die vollständige Klientel im Kampf um die Wählerstimmen unabhängig vom Abstimmungsverhalten der letzten Jahre einzufangen.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Das war aber nicht schlecht!)

- Das war nicht schlecht, Herr Ministerpräsident.

Wir FREIE WÄHLER stehen natürlich zur Einigung Europas. Wir stehen dazu, Europa positiv darzustellen. Wir wollen Europa positiv mitgestalten. Ich glaube, darin sind wir uns alle hier im Hause einig. Wenn ich mich aber mit Detailabstimmungen beschäftige, dann sehe ich, dass das Haus Europa von vielen Bauherren gebaut wurde, die teilweise nicht auf der Baustelle zugegen waren. Ich möchte hier klar und deutlich herausarbeiten: Die CSU hat in den letzten Jahren eben nicht die Interessen der bayerischen Bürgerinnen und Bürger vertreten. Hierfür möchte ich ein paar Beispiele nennen:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hört jetzt gut zu!)

Beginnen wir mit dem Euro. Die Verantwortlichen haben das Vertrauen in den Euro durch eine intransparente und oft widersprüchliche Politik sehr beschä

digt. Die Menschen wollen den Euro erhalten, aber nicht überall und um jeden Preis. Kurz gesagt: Eine Haftung ohne Einfluss auf das Geschehen, eine Vergemeinschaftung von Schulden ist inakzeptabel. Wir müssen klar und deutlich sagen, dass die CSU mit in der Verantwortung steht. Sie haben diese 190 Milliarden Euro Steuergelder mit zu verantworten; denn Sie haben durch die Ratifizierung des ESM am 29. Juni 2012 die damals in Maastricht hart verhandelte Nichtbeistandsklausel ausgehebelt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das wurde von der CSU mitgetragen.

(Die Rednerin trinkt einen Schluck Wasser)

- Tut mir leid, ich bin erkältet, ich muss etwas trinken.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Prost!)

Dafür trägt die CSU ebenso die Verantwortung. Wir FREIE WÄHLER lehnen den ESM und den Fiskalpakt in der heutigen Form ab. Wir wollen das Europaparlament stärken und mehr Mitspracherecht verankern. Das alternative Herumdoktern an Symptomen bringt uns nicht weiter. Wir müssen neue Wege beschreiten. Wir FREIE WÄHLER wollen wieder eine Parallelwährung zulassen.

In vielen Bereichen spielt das Europaparlament eine Statistenrolle nach dem Motto: Hast du einen Opa, dann schick ihn nach Europa.

(Zuruf: Das ist lange her!)

- Leider ist das nicht lange her. Es sind noch genügend Ältere drin.

(Lebhafter Widerspruch – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Keine Altersdiffamierung! Das geht fei nicht! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich komme jetzt noch zu dem ganz extremen Thema Freihandelsabkommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, in der Öffentlichkeit wird das Thema Freihandelsabkommen recht emotional behandelt. Wir FREIE WÄHLER stehen zum Verbraucherschutz, zu Umwelt und Sozialstandards. Das, was Sie hier mit zu verantworten haben, wollen Sie verschweigen: die mangelnde Transparenz. Sie ist ein Dauerbrenner rund um Brüssel und Straßburg. Wir wollen diese Transparenz. Wir wollen die Bürger ehrlich informieren, nicht nur einige Lobbygruppen. Bisher sind die Aussagen der CSU gebetsmühlenartig und nicht besonders überzeugend. Wer schützt uns denn vor Klagen gegen unser System der öffentlichen Daseinsvorsorge?

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Wer schützt uns vor den FREIEN WÄHLERN?)

Wie kann es sein, dass solche Klagen nicht vor ordentlichen Gerichten verhandelt werden? Die Menschen haben berechtigte Zweifel an der Belastbarkeit immer wiederholter Phrasen. Diese Zweifel werden noch bekräftigt, indem die CSU auch noch Spenden der Großindustrie annimmt, nämlich 565.000 Euro, empfangen vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie im Oktober 2013, passend zur Vorbereitung des Europawahlkampfs und zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir lehnen so etwas entschieden ab.

Herr Ministerpräsident, einen Vorwurf müssen Sie sich schon gefallen lassen: Der Ministerrat hat die EU-Kommission bevollmächtigt, hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. "Der Ministerrat" bedeutet aber: die Regierung von CDU/CSU und FDP im Bund. Daran waren Sie maßgeblich beteiligt. Sie haben weder die öffentliche Daseinsvorsorge durch die Bereichsausnahme geschützt noch haben Sie eine Herausnahme des Investorenschutzes angesprochen. Wenn Wirtschaftsminister Gabriel aktuell noch nachzubessern versucht, darf das nicht auf Kosten einer ansonsten kritiklosen Zustimmung Deutschlands in diesen Bereichen erfolgen. Diese Sorge treibt mich um.

Die althergebrachten Spielchen der CSU haben auch einen guten Teil zur Europaskepsis in der Bevölkerung beigetragen: Das gibt uns Brüssel vor, wir können nicht anders, wir würden gerne, aber - - Wir haben es auch heute von der Ministerin gehört.

Ich möchte ein paar Stichworte nennen und zunächst an das Landesbankdesaster erinnern.