Wenn Sie vermitteln, dass es um Macht geht und dass es nicht um die Sache geht, dann haben eben die Bürger inzwischen uns alle als Politiker satt, dann treiben wir sie an die Ränder. Das wollen wir alle nicht. Das sollten Sie sich vielleicht mal überlegen.
Deswegen ist dieser Antrag hinterfotzig, weil Sie jeden, der gegen diesen Antrag stimmt, in die Ecke stellen und sagen: Ihr habt kein Herz für die Kinder, die es wirklich brauchen. Das ist unmöglich von Ihnen. Es geht um den Ansatz, es geht um Rechtssicherheit. Darum haben Sie sich nicht gekümmert. Machen Sie bitte Ihre Hausaufgabe in Berlin. Polarisieren Sie nicht dauernd, verunsichern Sie nicht dauernd. Wir müssen es alle büßen, weil keiner mehr richtig an uns und unser Tun für die Bevölkerung glaubt.
Wir werden deshalb den Mut haben, Ihren Antrag abzulehnen. Wir glauben, dass man den Familien helfen muss, aber nicht auf diese hinterfotzige Art, die in dem Fall nicht hilft.
Das ist so. Sie sorgen für Rechtsunsicherheit. Sie sagen den Leuten: Zehn Leute bekommen es bei zehn Arbeitsagenturen und die anderen 60 nicht. Das ist nicht seriös, und das wissen Sie selber.
Der Antrag der SPD enthält ganz viele richtige Weichenstellungen. Aber wir enthalten uns – das habe ich der Kollegin gesagt – wegen des einen Punktes mit
der Grundsicherung. Für die Grundsicherung haben wir FREIEN WÄHLER uns bisher nicht ausgesprochen, machen das auch nicht, und deswegen enthalten wir uns. Alle anderen Punkte – das möchte ich ausdrücklich sagen –, Rahmenbedingungen usw., sind in unserem Sinne. Darüber werden wir heute auch noch reden, dass der richtige Ansatz die richtigen Rahmenbedingungen sind: Ich habe einen Kitaplatz, und ich kann ihn zahlen bzw. der Freistaat zahlt ihn.
Danke schön, Frau Kollegin Gottstein. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Celina. Bitte schön, Frau Celina.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Eva, für die Rede, die gezeigt hat, wie sehr die CSUKollegen sich verrannt haben mit ihren Wahlkampfgeschenk-Gesetzen, die sie mit heißer Nadel produziert haben und in die sie lauter Löcher gemacht haben. Heute setzen Sie dieser Familiengeld-Posse, die den ganzen Sommer über immer neue, irrwitzige Nachrichten lieferte, mit Ihrem Dringlichkeitsantrag noch eines drauf. Der Antrag zeigt erneut, dass Sie schlicht und einfach nicht fähig sind einzusehen, welche fatalen Fehler Sie bei der Vorbereitung gemacht haben.
Aber die Menschen lassen sich nicht einfach mit Geld ködern, so wie Sie sich das in der CSU vorstellen. Sie wollen keine Luftschlösser versprochen bekommen, sondern sie wollen Verlässlichkeit und saubere Arbeit. Genau das haben Sie mit Ihren WahlkampfgeschenkSchnellschüssen eben nicht geliefert. Im Gegenteil, Sie haben es gründlich verbockt,
und zwar nicht nur beim Familiengeld, sondern auch beim Landespflegegeld. Der Mist, den Sie angezettelt haben, und vor allen Dingen die Art, wie Sie damit umgehen, diese unglaubliche Rechthaberei, statt Lösungen zu suchen, das geht zulasten von so vielen Bürgern; das geht zulasten derjenigen, die eben kein Familiengeld bekommen. Das geht zulasten der Mitarbeiter in den Job-Centern, die abziehen müssen; das geht zulasten der Richter in den Gerichten, die nach der Widerspruchsfrist die eingereichten Klagen bearbeiten müssen.
Freuen können sich höchstens die Rechtsanwälte. Aber die kämen in unserem Land auch ohne diese Extraaufträge zurecht. Die werden nämlich in den
nächsten Monaten viele Klagen einreichen, weil bei den Familien das Familiengeld schneller wieder abgezogen wird, als es auf ihrem Konto eingegangen ist. Sie als CSU-Fraktion, Sie als Staatsregierung wussten, wo die Probleme bei der Anrechnung lagen. Sie haben sie bewusst ignoriert und gegen alle Warnungen, die Ihnen aus den zuständigen Ministerien mit Sicherheit vorlagen, einen nicht mit der Bundesregierung abgestimmten Wahlkampfgesetzentwurf durchgezogen. Sie haben wie ein trotziges kleines Kind ein Familiengeldgesetz geschrieben, ohne überhaupt direkt mit dem für die Anrechnung zuständigen Bundesministerium zu sprechen, weil Sie genau wussten, wie die Reaktion sein würde, wie die Reaktion des SPDMinisters aufgrund der Gesetze, die Sie selbst gemeinsam mit der SPD und der FDP beschlossen haben, sein muss. Sie von der CSU haben nämlich gemeinsam mit der SPD und auch mit der FDP schon im Jahr 2011 bei der damaligen Hartz-IV-Gesetzesänderung beschlossen, dass die Erziehungsleistung von Hartz-IV-Empfängern nichts wert ist. Seit Ihrer gemeinsamen Reform wird das Elterngeld als Einkommen auf Hartz IV angerechnet. Vorher, in den Jahren 2007 bis 2010, blieb der Sockelbeitrag von 300 Euro anrechnungsfrei.
Beim Betreuungsgeld haben Sie im Jahr 2016 erneut gemeinsam beschlossen, dass die Erziehungsleistung der Hartz-IV-Empfängerfamilien nichts wert ist. HartzIV-Empfängerfamilien werden auch vom Kindergeld ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund habe ich mir, als Sie das Familiengeldgesetz in den Bayerischen Landtag eingebracht haben, nicht einmal im Traum vorstellen können, dass Sie einen derartigen Gesetzestext
vorstellen, ohne ihn mit Ihren Kollegen in der Bundesregierung abzusprechen. Das ist so maßlos arrogant, das musste scheitern. Die Quittung dafür werden Sie am 14. Oktober bekommen.
Was war der Grund für Ihre Selbstherrlichkeit und Arroganz? – Sie wussten, dass ein Teil der Wähler, die der AfD zugeneigt sind, genau jene sind, die jeden Monat um ihre Existenz kämpfen, die mit kleinen Kindern von wenig Geld leben, in Städten mit hohen Mieten, die seit Jahren finanziell andere an sich vorbeiziehen sehen und kaum Perspektiven haben. Diese Bürger und Bürgerinnen wollten Sie zur CSU zurückholen, weg von der AfD und weg von der SPD. Sie haben gepokert, dass der zuständige Bundesminister von der SPD Ihre vage Zweckbestimmung im Gesetz akzeptiert, obwohl Sie wussten, dass das Geld dem allgemeinen Haushaltseinkommen zufließt und deswegen angerechnet werden muss.
Sie haben gepokert, dass bei der SPD angesichts der Wahlumfragen genauso die nackte Angst grassiert wie bei Ihnen von der CSU und dass sie sich deshalb jetzt nicht oder jedenfalls noch nicht wehrt. Aber es hat Ihnen nichts genutzt. Sie haben sich verzockt. Dieses Mal haben Sie überzogen. Die alten Rezepte wirken nicht mehr.
Am Anfang meiner Rede sprach ich davon, dass Sie diesen Gesetzentwurf wie ein trotziges Kind eingebracht haben. Jetzt, ein paar Wochen später, nachdem das Desaster angerichtet ist, verharren Sie in dieser Rolle und werfen mit Sand um sich wie ein Kleinkind, dem man die Schaufel weggenommen hat.
Sie sind im Bund eine Partei von etwas mehr als 6 %, das kleinste Licht in dieser Regierungskoalition, und Sie zetteln trotzdem jede Woche einen neuen Streit an.
Bescheidenheit und Kompromissfähigkeit, die angesichts dieser 6 % angemessen wären, gibt es nicht. Stattdessen brüllt der arrogante, blau-weiße bayerische Löwe sein ständiges "Wir wissen es besser!" in die Republik.
Ich gebe Ihnen einen Rat: Kommen Sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Beenden Sie die Rechtsunsicherheit für einkommensschwache Familien. Treffen Sie auf Bundesebene eine Regelung für alle Kinder. Schaffen Sie endlich eine Kindergrundsicherung, wie wir GRÜNE und alle Fachverbände sie schon lange fordern. Treffen Sie eine bundesweite Regelung mit einem Sockelbetrag und einem einkommensabhängigen Bonus. Hören Sie den Fachleuten zu, hören Sie den Fachverbänden zu, und setzen Sie endlich einmal gescheite Sozialpolitik um, und zwar für alle Kinder.
Danke schön, Frau Kollegin Celina. – Für die Staatsregierung spricht jetzt Staatsministerin Schreyer. Bitte schön, Frau Schreyer.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Einzige, was bis jetzt arrogant war, war der Beitrag von Ihnen, Frau Celina. Er war wirklich unterirdisch.
Wir haben jetzt sehr viele Dinge gehört. Die meisten hatten mit dem Gesetz überhaupt nichts zu tun, aber das ist egal. Ich werde versuchen, es noch einmal darzustellen. Vielleicht interessieren irgendwen auch die Fakten an der Stelle.
Frau Celina, Sie haben gerade das Landespflegegeld angesprochen. Das Landespflegegeld ist durch einen Fehler von Herrn Heil mittlerweile anrechnungsfrei. Herr Heil hat die Situation so entschieden, dass er gesagt hat, bei Hartz IV ist es anrechnungsfrei. Das sind circa 3 %. Bei der Hilfe zur Pflege hat er gar nicht mitzureden. Das entscheiden ausschließlich die Bezirke. Die Bezirke haben entschieden: anrechnungsfrei. Die Landesebene könnte das, wenn sie anderer Auffassung ist, einkassieren. Wir haben aber bereits mitgeteilt: anrechnungsfrei. Deswegen ist jetzt das Landespflegegeld komplett anrechnungsfrei. Ich freue mich über den Applaus, den Sie für unsere Leistung an dieser Stelle sicherlich gleich abgeben werden.
Die Kollegin Gottstein hat übersehen, dass das Familiengeld bereits indexiert ist. Das, was wir vom Bundesrat beim Kindergeld fordern, ist also beim Familiengeld bereits umgesetzt, Frau Kollegin. Wenn es ins Ausland gezahlt wird, ist es indexiert und an die Lebenshaltungskosten gebunden. Der Punkt stimmt halt einfach nicht, wie fast alles in Ihrer Rede, die Sie gerade gehalten haben.
(Beifall bei der CSU – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Wahnsinn! Da sieht man mal wieder Ihre Arroganz!)
(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Das ist doch keine sachliche Auseinandersetzung! – Zuruf von der CSU: Sie ignorieren die Fakten! – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Sie ignorieren auch die Fakten! – Glocke der Präsidentin)
Wir zahlen jedem ein- und zweijährigen Kind 250 Euro im Monat aus, dem dritten Kind 300 Euro. Die Alleinerziehenden, die von Frau Gottstein zu Recht angesprochen wurden, sind im Übrigen Gott sei Dank fast immer über die Wirtschaftliche Jugendhilfe abgebildet. Die Finanzschwächeren haben also diese Situation bei der Kita-Beitragsfreiheit überhaupt nicht. Das Thema ist insofern einfach ein Stück weit anders.
Mir ist noch wichtig, den Ablauf klarzumachen. Im April hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung klar formuliert, was er möchte. Im Mai haben wir es im Kabinett beschlossen. Im Juli hat der Bayerische Landtag beschlossen. Seit dem 1. August ist das Gesetz in Kraft. Die Bescheide gehen seitdem hinaus, und am 10. August wurde mein Ministerium erstmalig von Herrn Heil informiert – erstmalig; das ist wichtig an der Stelle.
Ich erkläre es Ihnen gleich, Herr Rinderspacher. Warten Sie einfach ab, bevor Sie dagegen sind. Fakten wären jetzt schön; denn es waren viele Fehler darin.
Es wäre schön, wenn wir uns an den Fakten orientieren könnten. – Ich nenne Ihnen nachher noch zwei Fehler, die ich gemacht habe, aber erst besprechen wir noch kurz die Sachverhalte.