Auch der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, unser ehemaliger Kollege Prof. Dr. Beyer, fordert eine rechtssichere Lösung, die eine sozialpolitisch katastrophale Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen verhindert, so Thomas Beyer, unser ehemaliger Kollege und jetziger Vorsitzender der AWO in Bayern. Die SPD fordert ständig Unterstützung für sozial Schwache, bessere Leistungen gerade für Kinder aus einkommensschwächeren Familien, mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Gerechtigkeit überhaupt. Jetzt, da die SPD einmal etwas für die einkommensschwächsten Familien tun könnte, tut sie das Gegenteil. Sie sind verantwortlich dafür, dass gerade die einkommensschwächsten Familien nicht vom Bayerischen Familiengeld profitieren können.
(Markus Rinderspacher (SPD): Sie sind dafür verantwortlich! – Dr. Simone Strohmayr (SPD): So was Verlogenes!)
Das ist in höchstem Maße unsozial. Wenn Sie noch den Anspruch hätten, Volkspartei zu sein, würden Sie Familien, die unserer besonderen Unterstützung bedürfen, nicht das Familiengeld verweigern. Das gebietet schon der Respekt vor den Menschen, für die wir Verantwortung tragen.
Respekt heißt vor allem Wahlfreiheit, was Sie vermissen lassen. Diese haben wir im Dreiklang immer im Blick. Ich habe Ihre Anträge angeschaut. Wir stehen erstens für flächendeckenden Ausbau, bedarfsgerecht und im Einklang mit den Kommunen und den Trägern. Kein anderes Bundesland investiert so viele Landes
(Beifall bei der CSU – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Stimmt doch gar nicht! Warum fehlen dann 50.000 Plätze?)
Im laufenden Förderzeitraum, also seit 2008, wurden für den Kitaausbau in Bayern Bewilligungsmittel in Höhe von über 1,6 Milliarden Euro eingesetzt. Davon wurden knapp 700 Millionen Euro vom Bund und über 900 Millionen Euro Landesmittel eingesetzt.
Bis 2020 schaffen wir 30.000 neue Plätze. Wir setzen uns für eine Abdeckung der Ferien- und Randzeiten ein.
Zweitens. Die Qualität. Bayerns Kommunen stehen hervorragende Förderkonditionen für die Kinderbetreuung zur Verfügung. Die Landesmittel für die Betriebskostenförderung erreichen allein im Jahr 2018 knapp 1,7 Milliarden Euro. Davon sind fast 500 Millionen Euro für die Unter-Dreijährigen. Für das vierte bis sechste Lebensjahr starten wir eine Qualitätsoffensive für alle Kindertageseinrichtungen. Statt nur auf Gebührenfreiheit zu setzen, steigern wir lieber die Qualität der Betreuung.
Drittens. Das Familiengeld als echte Komponente der Wahlfreiheit. Beim Familiengeld darf nicht zulasten der Menschen mit zweierlei Maß gemessen werden.
Wie bereits ausgeführt, haben Rechtsexperten der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit wie die Bayerische Staatsregierung das Familiengeld in vollem Umfang als anrechnungsfrei eingeordnet. Wir fordern Bundesminister Heil auf, die im Sozialrecht bestehenden Ausnahmeregelungen anzuwenden, und bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.
Das Bayerische Familiengeld ist entgegen der Annahme im Antrag der SPD rechtssicher ausgestaltet. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Danke schön, Herr Kollege Reiß. – Die Kollegin Celina hat sich für eine Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Celina.
Sehr geehrter Herr Kollege! Es wird bereits mit zweierlei Maß gemessen. Sie haben auf die Bundesagentur für Arbeit hingewiesen. Fakt ist aber, dass Sie mit dem zuständigen Bundesministerium keinen direkten Kontakt hatten und es zuvor nicht abgesprochen hatten. Sie warten den Rechtsstreit nun entspannt ab. Dieser kann zwei bis drei Jahre dauern, wie wir aus den Medien erfahren haben. In dieser Zeit haben die Optionskommunen ausbezahlt, entgegen geltendem Recht, so wie es der Bundesminister sagt. Wenn die Optionskommunen in dieser Zeit zu Unrecht auszahlen, wird sich eine sehr hohe Geldmasse ansammeln, die Sie an den Bund zurückzahlen müssen. Wenn Sie den Rechtsstreit verlieren, werden Sie den Optionskommunen dann das Geld, das Sie an den Bund zurückzahlen müssen, auch zurückzahlen?
Das Entscheidende ist, dass wir zu einer schnellen Einigung kommen. Das hat auch unsere Ministerin bereits gefordert. Dann wird auch dieser Berg nicht auflaufen. Es gibt auch die Anhörung im anderen Verfahren. Dafür gibt es Fristen bis Anfang Oktober. Im Laufe des Oktobers wird es sicherlich Entscheidungen geben. Es geht nicht um die Frage, ob es ein lang dauerndes Gerichtsverfahren geben wird. Es geht darum, dass wir zeitnah Rechtssicherheit für die Familien schaffen, dann kann auch der Berg an Rückzahlungsverpflichtungen, den Sie in den Raum stellen, nicht auflaufen. Wir gehen davon aus, dass das Familiengeld in Bayern rechtskonform ist und nicht auf Hartz IV anzurechnen ist.
Danke schön, Herr Kollege Reiß. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Rauscher. Bitte schön, Frau Rauscher.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Reiß, Sie haben das Gesetz handwerklich wirklich schlecht gemacht.
Das möchte ich gleich zu Beginn erwähnen. Sie hatten eine schlechte Kommunikation und Verunsicherung auf allen Seiten. Jetzt schieben Sie dem Bund auch noch den Schwarzen Peter zu. Sie machen das
auf Kosten der finanziell schwächeren Familien in unserem Land. Dieses Bild zeigt die Staatsregierung im Umgang mit der Familienpolitik. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir freuen uns, wenn Familien in unserem Land Unterstützung bekommen.
Aber Sie gehen mit einer unausgewogenen Familienleistung an die Öffentlichkeit und wussten und wissen sehr genau, dass der Vorstoß rechtlich heikel und noch dazu mit dem Bund nicht abgestimmt war. Aber Sie dachten sich: Versuchen kann man es ja mal. Ganz offensichtlich – das ist mein Eindruck – haben Sie den Streit mit der Bundesebene dadurch provoziert. Jetzt geben Sie den anderen die Schuld. So leicht können Sie sich nicht vom Acker machen.
Aus meiner und unserer Sicht ist das eine wirklich unanständige Vorgehensweise. Das ist all den Familien gegenüber unanständig, die sich auf diese Unterstützung des Staates verlassen und jetzt tatsächlich in der Luft hängen. Es ist auch unanständig, weil Sie den Familien immer noch keine Rechtssicherheit darüber geben können, wer nach derzeitiger Gesetzeslage am Ende das Geld behalten darf und wer es im schlimmsten Fall nicht erhält oder sogar zurückzahlen muss. Damit führen Sie im schlimmsten Fall Familien in die Überschuldung. Es ist auch deshalb unanständig, weil Sie als CSU auf Landes- und auf Bundesebene immer wieder dafür gesorgt haben, dass auch Leistungen für Kinder auf Sozialleistungen angerechnet werden müssen – als Anreiz und Motivation. Denken Sie an Herrn Seehofers Äußerungen und die Debatten im Sozialausschuss, dem Sie damals im März noch nicht angehörten. Denken Sie einmal daran, wie sehr immer wieder auf den fehlenden Anreiz und die fehlende Motivation verwiesen wurde, wenn Hartz-IVFamilien staatliche Leistungen für Kinder erhalten sollten.
Es ist auch deshalb unanständig, weil Sie sich seit Ankündigung Ihres Familiengeldes im April offensichtlich auch nicht wirklich Mühe gegeben haben, als Teil der Bundesregierung in Berlin über Änderungen der geltenden Gesetze zu diskutieren. Sie haben genau gewusst, dass es diese Fallstricke gibt. Wir haben es Ihnen gesagt. Das Bundessozialministerium hat es Ihnen bereits im April mitgeteilt. Soll sich ein Bundesminister über geltende Gesetze hinwegsetzen? – Diese Frage möchte ich Ihnen einmal stellen. Muten Sie uns wirklich zu, uns über Gesetze hinwegzusetzen?
Frau Ministerin, Sie forderten heute vor der Presse einen sachlichen Austausch mit sachlichen Argumen
ten. Noch eine Woche vorher mussten wir uns aber den Vorwurf der Polemik gefallen lassen, weil wir eine zügige rechtssichere Lösung gefordert haben. Wo war da Ihr sachlich geforderter politischer Stil?
Selbiger fehlt im Übrigen bei Zitaten aus der CSULandtagsfraktion, die jetzt verkürzt in Ihrem Antrag stehen, weil es dem strategischen Scharmützel Ihres Wahlkampfes dient. Was Sie und die Ihren in den vergangenen Wochen betrieben haben, ist aus unserer Sicht Populismus. Auch der Ministerpräsident und Sie, Herr Reiß, haben mit Ihrer Rhetorik geschadet. Sie sagten, die SPD sei nicht für die Ärmsten da und es wäre unsozial, wie wir uns verhielten. Das ist doch reinster Quatsch. Das wissen Sie auch.
Sie wissen, dass Änderungen von gesetzlichen Vorgaben ins parlamentarische Verfahren müssen. Beim Pflegegeld sind es andere Voraussetzungen. Das wissen Sie auch. Ich fordere Sie auf, sich auf Bundesebene konstruktiv daran zu beteiligen. Setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass alle Leistungen, die Kindern zugutekommen, nicht auf Hartz IV angerechnet werden. An uns liegt es nicht. Wir wollen die Familien stützen, die finanziell echt zu kämpfen haben.
Doch im Moment haben wir den Salat. Sie beklagen ein Dilemma, an dem genau Sie schuld sind. Da brauchen Sie sich wirklich nicht zu wundern, wenn die Menschen in unserem Land das Vertrauen in die Politik verlieren. Sie schieben dem Bundessozialministerium die Schuld in die Schuhe. Das ist das Schlimmste daran.
Kolleginnen und Kollegen, hören Sie auf, den Bund dafür verantwortlich zu machen, dass Sie auf Landesebene Ihre Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht haben. Die Arme der SPD waren und sind sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene weit ausgestreckt für eine wirklich gute gemeinsame Familienpolitik. Wir sind uns darin einig, dass Familien mehr Unterstützung für sich und ihre Kinder brauchen. 250 Euro im Monat sind viel Geld, das Familien den Alltag erleichtert. Das allein reicht aber nicht. Aus unserer Sicht braucht es einen größeren Wurf, damit wirklich alle Familien, vor allem die bedürftigen Familien, profitieren. Die Familien benötigen eine direkte und nachhaltige Unterstützung sowie eine Entlastung im Alltag statt nicht abgestimmter Schnellschüsse.
Das bedeutet – das haben wir in unserem Antrag formuliert – den wirklichen Ausbau der Kindertagesbetreuung inklusive einer Qualitätsoffensive, einer Verbesserung für das pädagogische Personal sowie
einer Beitragsfreiheit von Anfang an. Das wäre übrigens günstiger als das Familiengeld, das Sie eingeführt haben. Diese Bemerkung mache ich nur am Rande. Die Familien brauchen auch eine echte Entlastung bei den Kosten für Unterrichtsmaterial und den Schulwegkosten. Sie sollten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit einer Finanzierung der Randzeiten unterstützt werden. Sie wissen ganz genau, dass die Finanzierung der Randzeiten in den Kitas nicht dargestellt ist. Die Finanzierung geht nicht über neun Stunden hinaus.
Die Träger und Einrichtungen haben zu kämpfen. Wir müssen die Kinderarmut abschaffen. In Bayern leben 245.000 Kinder, die von Armut bedroht sind. Dass das Familiengeld kein wirklich wirksames Instrument gegen Kinderarmut ist, haben unter anderem die Wohlfahrtsverbände belegt. Es ist fast heuchlerisch, jetzt den Messias für die Familien zu spielen. Ihre Partei ist es doch, die den Ärmsten bisher nichts vergönnt hat. Nicht einmal die kostenfreie Kita können Sie unterstützen.
Für die Ärmsten schon. Sie denken jedoch nicht an diejenigen, die an der Grenze stehen. Die bekommen die Wirtschaftliche Jugendhilfe, das ist schon klar. Sie wissen genau, dass es genug Familien gibt, die mit dem vorhandenen Geld zu kämpfen haben. Im Fall einer kostenfreien Kita hätten die Familien Monat für Monat deutlich mehr im Geldbeutel, unabhängig von der Anzahl der Kinder.