Das Problem ist nur: Was ist mit den Besitzern von Euro-4- und Euro-5-Dieselfahrzeugen, die nicht das spezifische Modell fahren, um das es in der Sammelklage geht?
Gerade hat das Bundesverkehrsministerium eingeräumt, dass von Fahrverboten allein in deutschen Städten rund 1,3 Millionen Fahrzeuge betroffen sein könnten. Da sind die gesamten Pendlerinnen und Pendler, die in diese Städte hineinfahren, noch gar nicht mitgezählt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, warum sollten eigentlich die betroffenen Autobesitzer die Dummen sein? Warum müssen sie die Suppe auslöffeln, die ihnen andere eingebrockt haben? Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist doch ganz klar: Es gilt das Verursacherprinzip.
Das heißt, die Schadensverursacher, also die Autohersteller, müssen für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen. Konkret kann das nur heißen: Wo ein Software-Update nicht ausreicht, um die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten, muss die Hardware mit dem so genannten SCR-Katalysator nachgerüstet werden, und zwar auf Kosten der Autohersteller, nicht der Kunden. Der ADAC hat diese Nachrüstung getestet und hält sie für möglich. Wir wissen natürlich auch, dass es viele technische Faktoren gibt, die berücksichtigt werden müssen, und dass es komplexe Anforderungen bei der Typzulassung gibt. Aber auch das kann – mit Verlaub – nicht das Problem der Kunden sein. Es ist das Problem der Hersteller, die für diesen Schlamassel verantwortlich sind.
Natürlich sind aus unserer Sicht auch andere Formen der Einigung mit Kunden denkbar. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert zum Beispiel eine Umtauschprämie mit einem Rückkauf alter Diesel mit einem deutlichen Aufschlag auf den Zeitwert. Das wäre natürlich auch in Ordnung. Es kann und darf aber nicht sein, dass die Geschädigten die Zeche für diesen Skandal, für diesen Schwindel zahlen.
Kurz vor der Landtagswahl in Hessen hat die dortige schwarz-grüne Koalition unter Volker Bouffier von der CDU dieses Thema entdeckt. Auch die CDU-Generalsekretärin deutet ein Umdenken in ihrer Partei an. Allein die CSU, allein Herr Scheuer, will sich nach Medienberichten nur technische Gedanken machen. Technische Gedanken, liebe Kolleginnen und Kollegen, reichen nicht aus; Herr Scheuer lehnt nach wie vor eine Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Hersteller ab. Das ist falsch. Das ist eine Politik auf dem Rücken der Betroffenen, auf dem Rücken der Bevölkerung in den betroffenen Städten. Die Hersteller müssen jetzt für Hardware-Nachrüstungen, für eine Umtauschprämie oder eine andere Form der Entschädigung in die Pflicht genommen werden. Nur so errei
chen wir die beiden wesentlichen Ziele, dass die Luft in unseren Städten wieder sauberer wird und dass die betroffenen Dieselbesitzer zu ihrem Recht kommen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege von Brunn. – Für die Staatsregierung erteile ich Staatssekretär Zellmeier das Wort. Bitte schön, Herr Zellmeier.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Fünf bayerische Städte sind von den Überschreitungen des NO2-Wertes betroffen: München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Würzburg. Ihnen gilt also unsere Aufmerksamkeit. Wir freuen uns nicht – das sage ich ganz deutlich –, dass es Dieselfahrverbote geben soll. Das ist der falsche Weg. Wir müssen sie vermeiden.
Wir müssen festhalten: Die Werte werden besser. Die Luft war noch nie so sauber wie heute. Trotzdem müssen wir natürlich die Grenzwerte, die ja sehr streng sind, einhalten und tun dafür auch alles. 2016 hatten wir in Deutschland 90 Städte mit Grenzwertüberschreitung. 2017 waren es noch 65.
Herr Kollege, Sie haben recht. Natürlich sind 65 zu viel. Aber wie bei vielen Dingen auf dieser Welt geht es nicht auf einmal. Wir arbeiten ganz gezielt und konzentriert in die richtige Richtung. Und da helfen uns keine Schaufensteranträge.
Da helfen uns keine Schaufensteranträge, wie sie von Ihrer Seite kommen. Die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, wirken. Hinzu kommt, dass die älteren Dieselmodelle, zum Beispiel Euronorm 4 – das sind 3,1 Millionen Fahrzeuge in Deutschland –, nach und nach auslaufen und von den Straßen verschwinden.
Dennoch verunsichert natürlich die Debatte die Menschen in unserem Land. Das Ziel unserer Anstrengungen ist deshalb klar: Durch unsere Maßnahmen zur Luftreinhaltung wollen wir pauschale Verkehrsverbote vermeiden. Wir haben dazu ein eigenes Paket aufgelegt. Wir wollen die Mobilität der Menschen im Land erhalten und zugleich die Gesundheit als oberstes Gut schützen.
Unser Maßnahmenpaket zur Luftreinhaltung ist wuchtig und wichtig. Es umfasst 404 Millionen Euro für den Zeitraum 2018 bis 2022. Die Kommunen können über
den gesamten Zeitraum Anträge stellen, und sie tun es auch: heuer 9,25 Millionen Euro, die komplett mit Projekten hinterlegt sind. Die ersten Maßnahmen werden auch bereits umgesetzt.
In München haben wir ein Modellprojekt mit einem zusätzlichen Gratismonat beim Neukauf eines MVV-Jahresabos gestartet. Das Ergebnis stimmt; Sie wissen es. Die Zahl der Neuabonnenten hat sich verdoppelt. Außerdem ist in München bereits die City-RingbusLinie gestartet; weitere Expressbusse sind in Planung. Wir wollen damit erreichen, dass der Verkehr nicht nur auf das Zentrum ausgerichtet ist. Daneben verbessern wir das Angebot für die Bürgerinnen und Bürger durch zusätzliche Straßenbahnen und U-Bahnen, durch Taktverdichtungen und durch emissionsarme Busse.
Auch der Bund hat ein "Sofortprogramm Saubere Luft" aufgelegt. Beim Bundesverkehrsministerium gibt es eine Lotsenstelle für die Kommunen. Die Verfahren für die Förderung von Elektrobussen sind bereits angelaufen. Die Kommunen können auch Anträge auf die Förderung der Nachrüstung von Dieselbussen stellen. Sie sehen, es passiert sehr, sehr viel. In den Städten mit geringer Überschreitung des Grenzwertes werden wir durch unser Maßnahmenpaket zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte schon bald Erfolg haben und die Werte unterschreiten. Auch in München werden die Werte durch unsere Maßnahmen sinken. Verkehrsverbote und Fahrverbote sind dann unverhältnismäßig und dürfen nicht mehr verhängt werden. Und genau das ist unser Ziel.
Natürlich geht nicht alles auf einmal; das wissen Sie. Aber zusammengenommen haben wir einen wirkungsvollen Instrumentenkasten für die Reinhaltung der Luft in Bayern. Ich will klipp und klar sagen: Wir sollten unseren wirtschaftlichen Erfolgsgaranten,
nämlich die Automobilindustrie, nicht zusätzlich beschädigen. Lassen Sie uns die Stärken des Freistaates Bayern nicht zerreden. Bayern ist Automobilland und wird es und soll es auch bleiben. Wir müssen Lösungen finden, die nicht den Autofahrer enteignen und nicht eine Deindustrialisierung einleiten. Wir wollen den Umstieg fördern. Umstiegsangebote und Umrüstungen, soweit sie technisch und wirtschaftlich möglich und sinnvoll sind, sind das richtige Mittel. Und wir sollten Busse und kommunale Fahrzeuge sauberer machen, und genau das tun wir auch.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat ein Konzept zur Verringerung der Abgasemissionen von Altfahrzeugen angekündigt und sieht dabei auch die Automobilindustrie in der Pflicht. Laut Bundesminister Scheuer müssen alle Optionen aus technischer, rechtlicher und finanzieller Sicht geprüft werden. Das ist
auch der richtige Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es bringt uns doch nichts, Dinge zu fordern, die sich nicht umsetzen lassen und nicht sinnvoll sind. Also offen alle Optionen prüfen und das Richtige entscheiden.
Die Bundesregierung hat eine schnelle Entscheidung angekündigt. Die Luft muss noch sauberer werden, ohne die Bürger in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Wir rechnen fest mit einer schnellen Entscheidung der Bundesregierung in den kommenden Wochen. Deshalb geht der CSU-Antrag in die richtige Richtung; das ist die richtige Zielsetzung. Die anderen Anträge sind aus unserer Sicht abzulehnen.
Herr Staatssekretär, bitte bleiben Sie noch am Pult. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Arnold. Bitte schön, Herr Arnold.
Herr Staatsekretär Zellmeier, Sie haben davon gesprochen, die Stärken des Freistaats auszuspielen. Ich gehe davon aus, eine Stärke des Freistaats ist der Rechtsstaat. Sie sagen in diesem Zusammenhang, es sei das Richtige zu entscheiden. Wir haben ein Urteil, das vom VGH im Februar 2017 bestätigt worden ist und das die
Staatsregierung verpflichtet, den Luftreinhalteplan zu ergänzen. Diesbezüglich sind bekanntlich schon ein Zwangsgeld und ein weiteres Zwangsgeld erhoben worden. Wie gedenkt denn die Staatsregierung mit derartigen Entscheidungen umzugehen, sich an die Gerichtsentscheidung zu halten und das umzusetzen? Oder will man weiterhin Gerichtsentscheidungen des Freistaates Bayern ignorieren und Zwangsgelder, immerhin Steuergelder, dafür zahlen, dass man sich nicht rechtsstaatlich verhält? Das würde mich erstens einmal interessieren. Dann wäre ganz entscheidend, ob es tatsächlich dazu kommt, dass Sie zu einem anderen Ergebnis kommen.
Herr Kollege Arnold, die neue Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder hat gerade in dem Bereich, den Sie ansprechen, wirklich Meilensteine gesetzt.
Lassen Sie mich ausreden. Die Mittel, die wir verwenden, sind ja wirkungsvoll, und wir haben sie gerade in den letzten Monaten massiv verstärkt. Sie kennen doch die Zahlen. Sie wissen, welche Mittel wir im Nachtragshaushalt bereitgestellt haben, um den Umstieg der Menschen zu fördern, um die Luftreinhaltung zu verbessern und um all das zu tun, was Sie sagen. Wir werden in Kürze Erfolge erzielen. Aus meiner
Sicht sind damit die Vorgaben der Gerichte erfüllt. Wir handeln in bewährter Weise, indem wir das, was bisher schon Erfolg hat, fortsetzen und intensivieren. Wir haben heute schon weniger Städte, die betroffen sind, und Sie werden sehen, dass wir im nächsten Jahr noch weniger haben werden. Genau das ist der richtige Weg.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Ich erfahre gerade, dass die CSU-Fraktion für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Die Frist ist natürlich nicht erfüllt. Wir werden also die Abstimmung jetzt nicht durchführen, sondern erst den nächsten Dringlichkeitsantrag behandeln.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Tobias Reiß, Ingrid Heckner u. a. und Fraktion (CSU) Bayern ist Familienland - Bayerisches Familiengeld für alle Familien (Drs. 17/23750)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Ilona Deckwerth u. a. und Fraktion (SPD) Familien direkt im Alltag entlasten - Kindern Teilhabe ermöglichen - Bayern zum Familienland Nr. 1 machen! (Drs. 17/23765)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Herr Kollege Reiß. Bitte schön, Herr Reiß.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Präsidentin, liebe Frau Staatsministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 3. September wird das Bayerische Familiengeld ausbezahlt, im April in der Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten angekündigt, zum 1. August in Kraft getreten und jetzt im September für circa 240.000 Kinder erfolgreich gestartet. Das beweist, die Politik in Bayern ist handlungsfähig und setzt die richtigen Schwerpunkte. Entscheidend dabei ist für mich: Das Familiengeld gibt den Familien echte Wahlfreiheit. Familien können selbst entscheiden, was sie mit dem Geld für ihre Kinder und das Familienleben tun wollen.
Wir als CSU wollen im Gegensatz zu GRÜNEN und SPD den Familien nichts vorschreiben. Wir wollen den Familien kein Familien- und Betreuungsmodell aufzwingen; wir wollen ihnen eigenen Spielraum geben. Eltern wissen am besten selbst, was für ihre Familien am besten ist.
Die vom SPD-Bundessozialminister Hubertus Heil per Weisung an die Bundesagentur für Arbeit durchgesetzte Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende läuft diesem Zweck völlig zuwider und ist im höchsten Maße unsozial.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales sorgt mit dieser Weisung dafür, dass gerade die einkommensschwächsten Familien nicht vom Familiengeld profitieren werden. Hier darf es aber keine Ideologie und keine Parteipolitik geben. Hier geht es um das Wohl von einkommensschwächeren Familien, die unserer besonderen Unterstützung bedürfen.
Klar ist auch, dass beim Familiengeld und beim Landespflegegeld nicht mit zweierlei Maß gemessen werden darf. Beim Landespflegegeld hat das Bundessozialministerium seine ursprüngliche Haltung inzwischen aufgegeben und geht nun von der Nichtanrechnung des Landespflegegeldes auf Leistungen der Grundsicherung aus. Beim Familiengeld muss das Gleiche gelten. In Artikel 1 des Familiengeldgesetzes ist das Familiengeld als Weiterentwicklung des Landeserziehungsgeldes definiert. Bei diesem wurde auch keine Anrechnung vorgenommen. Mit dem Familiengeld sollen Eltern, unabhängig vom gewählten Lebensmodell der Familie, eine besondere Anerkennung ihrer Erziehungsleistung erhalten. Mit dem Gesetz sollen frühe Erziehung, Bildung und Gesundheit gefördert werden. Im Gesetz heißt es unmissverständlich, völlig klar und konsequent: Das Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden. Das Familiengeld verfolgt einen anderen Zweck als Hartz IV. Es geht klar über die bloße Existenzsicherung hinaus. Vielleicht kann einer der SPD-Kollegen diesen Gesetzestext mit nach Berlin nehmen und ihn dem Bundessozialminister vorlegen.
Das Gesetz hat eine klare Zweckbestimmung und ein klar definiertes Ziel: Alle Eltern, vor allem Eltern mit wenig oder gar keinem Einkommen, sollen zusätzlichen Spielraum für die frühe Förderung ihrer Kinder bekommen. Deshalb haben die Rechtsexperten der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und auch die Staatsregierung das Bayerische Familiengeld in vollem Umfang als anrechnungsfrei eingeordnet. Dennoch hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales am 10. August völlig überraschend die Weisung herausgegeben, dass die Bundesagentur das Familiengeld auf Hartz IV anrechnen muss. Das lehnen wir ab und stellen uns auf die Seite der betroffenen Familien.
Wir stehen damit nicht alleine. Wir stehen beispielsweise Seite an Seite mit dem Landes-Caritasverband Bayern. Dieser fordert schnelle Rechtssicherheit und fordert dazu auf, im Sinne derjenigen zu entscheiden, die das Geld am dringendsten brauchen. Die Caritas fordert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf, Hartz IV-Beziehern diese Leistung nicht auf die Grundsicherung anzurechnen. Vielmehr solle der Bund dankbar sein, dass die Staatsregierung Familien mit kleinen Kindern stärker unter die Arme greifen wolle.