Protocol of the Session on July 10, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Gehring. Natürlich haben Sie mit etwas Positivem Ihre Rede begonnen. Das war Ihr Feigenblatt. Jedoch hat das Ende Ihres Redebeitrags die wahre Gesinnung gezeigt. Lassen Sie mich zu Ihrer Frage klar Stellung nehmen. Die Frage bezieht sich auf etwas Selbstverständliches: Natürlich sind wir bereit, über den Gesetzentwurf zu diskutieren. Das ist schließlich unsere Aufgabe im Parlament. Dafür sit

zen wir auch im Bildungsausschuss. Wenn Sie allerdings der Meinung sind, dass interfraktionelle Zusammenarbeit bedeutet, dass wir zu dem, was Sie vorschlagen, Ja und Amen sagen, wenn noch nicht einmal die Änderungsanträge vorliegen,

(Unruhe bei den GRÜNEN)

dann sage ich Ihnen vor diesem Hintergrund: So sehe ich eine interfraktionelle Zusammenarbeit nicht.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Sie brauchen sich darüber gar nicht aufzuregen. Ich sagte gerade: Wenn das so wäre, dann wäre das keine interfraktionelle Zusammenarbeit. Dieses Versprechen werde ich Ihnen vor diesem Hintergrund nicht geben. Ansonsten aber sind wir gerne bereit, die Änderungsanträge, wenn sie denn vorliegen, zu beraten.

(Beifall bei der CSU)

Noch einen kleinen Moment, Herr Kollege Hofmann. Kollege Güll hat sich auch noch gemeldet.

Wenn ich an diesem Pult schon einmal reden darf – –

Bitte schön.

Ja, Herr Kollege, da muss man die Gelegenheit wahrnehmen. – Herr Präsident, Herr Kollege! Das ist jetzt aber doch etwas eigenartig. Ist es Ihre Vorstellung von gemeinsamer Arbeit, dass wir abnicken, was Sie vorgeben? – Das kann es doch auch nicht sein.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Rich- tig!)

Ich habe Ihnen extra eine Brücke gebaut, indem ich Sie darauf hingewiesen habe, wie die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats, bisher wirklich interfraktionell, aufgrund der notwendigen Aufgaben zusammengearbeitet haben. Herr Kultusminister, ich hoffe wirklich, dass das nicht Ihr Stil ist, wie er jetzt in dieser Debatte aufscheint. Sie, Herr Kultusminister, sind für dieses Thema verantwortlich. So können wir jedenfalls nicht weitermachen. Im Parlamentarischen Beirat haben wir uns darauf verständigt, dass wir das eine oder andere noch anpassen müssen. Da haben Sie gesagt, und zwar ganz richtig, wie ich finde: Wir müssen darüber reden. – Leider ist es dem Zeitdruck geschuldet, dass wir nicht vernünftig darüber reden können, denn eigentlich hätten wir uns erst im Parlamentarischen Beirat verständigen müssen. Dafür

ist aber keine Zeit gewesen. Nun müssen wir das im Bildungsausschuss öffentlich austragen. Deshalb müssen wir solche Mittel wählen wie den Änderungsantrag. Ich stimme Herrn Kollegen Gehring zu: Wir würden die Änderungsanträge selbstverständlich zurückziehen, wenn wir uns noch verständigen könnten. Wir haben nur noch die Möglichkeit, das am Donnerstag zu klären. Ich verstehe nicht, warum Sie diese Schärfe in die Debatte bringen, Herr Kollege Hofmann. Ich glaube, eigentlich müssten Sie Ihr Verhalten einmal überdenken.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es steht Ihnen frei zu antworten, Herr Kollege Hofmann.

Lieber Herr Kollege Güll, was das mit Schärfe zu tun haben soll, weiß ich nicht. Es ist schlicht und ergreifend so, dass es zum parlamentarischen Prozess gehört, das Gesetz im Parlament zu beraten. Ich sehe hier kein Problem. Wir beschäftigen uns mit jedem Änderungsantrag, den Sie vorlegen. Wir werden uns mit jedem Änderungsantrag sachlich auseinandersetzen. Wenn darin gute Ideen enthalten sind, werden wir ihnen nähertreten. Wenn wir der Meinung sind, dass die Ideen nicht so gut sind, dann werden wir im Bildungsausschuss unsere Auffassung dazu vertreten. Das ist doch parlamentarische Gepflogenheit. Ich verstehe gar nicht, wo Sie jetzt mit meiner Haltung ein Problem haben. Wir sehen in der Vorgehensweise keinen Dissens. Ich danke Ihnen deshalb, dass Sie so interessiert mitdiskutiert haben. Ich freue mich auf die Diskussion am Donnerstag, auch wenn diese erst nach der Plenarsitzung stattfinden wird. Da müssen wir uns halt noch ein bisschen Zeit nehmen. Ich glaube aber, das sollte uns die Bayerische Landeszentrale für Politische Bildung allemal wert sein.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Herr Kollege Hofmann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung und Kultus als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zum Artenschutz in Bayern - Bayerisches Artenschutzgesetz (Drs. 17/23106) - Erste Lesung

Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit hat die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN zehn Minuten Redezeit. Ich eröffne damit zugleich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung auch bei diesem Tagesordnungspunkt 24 Minuten. Jetzt darf ich Herrn Kollegen Hartmann das Wort erteilen. Bitte schön.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Liebes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich eines Tages mal erleben darf und das Glück haben sollte, Opa zu werden,

(Tobias Reiß (CSU): Das hängt nicht allein vom Glück ab!)

dann kann es durchaus sein, dass mein Enkelkind fragt: "Opa, waren Igel eigentlich gefährlich?" Oder mein Enkelkind fragt zum Beispiel an Ostern: "Haben Hasen wirklich Eier gelegt?" – Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das mag witzig klingen, aber es ist wirklich nicht zum Lachen. Wir erleben gerade einen Artenschwund, wie wir ihn in unserem Land noch nie erlebt haben. Er findet weltweit statt, aber auch hier in Bayern. Dieser größte Artenverlust seit dem Aussterben der Dinosaurier ermahnt uns, endlich politisch zu handeln und die Weichen anders zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ob Igel, Hase, Rebhuhn, Grasfrosch oder Hamster – all diese Tiere waren Jahrhunderte Mitbewohner unserer von der Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft. Heute sieht man sie in den Fluren unseres Landes kaum noch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, man muss es sich einmal wirklich vorstellen: Über die Hälfte unserer Brutvogelarten sind, im Beamtendeutsch gesagt, in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Bei vielen bekannten Arten, beispielsweise der Feldlerche, gibt es eine erhebliche Verschlechterung im Kurzzeittrend. Die Hälfte unserer Libellenarten ist gefährdet, genauso rund die Hälfte der Heuschreckenarten. Dramatisch ist auch die Situation der Schmetterlinge. Die Rote Liste wird bei jeder Veröffentlichung länger, nicht kürzer. Das Artensterben betrifft nicht nur die Insekten, sondern es betrifft auch die Tierarten, die die Insekten fressen, also beispielsweise unsere Vogelarten. Knapp die Hälfte

aller wild lebenden Säugetiere in Bayern ist vom Aussterben bedroht, ein Großteil unserer heimischen Reptilien genauso wie viele Blumen, Kräuter und Pflanzenarten. Sie alle sind vom Aussterben bedroht, weil ihre Lebensräume immer weiter zurückgehen. Sie finden im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Gewerbeparks und Agrarmonokulturen keinen Lebensraum mehr. Das muss sich ändern!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Durch dieses Aussterben einer Tier- und Pflanzenart nach der anderen gerät unser Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Man kann es auch anders sagen: Wir stehen wirklich knapp vor einer Katastrophe. Es geht um nichts Geringeres als darum, das zu erhalten, was uns erhält.

Wir, die Fraktion der GRÜNEN, haben deshalb ein Artenschutzgesetz vorgelegt. Wir wollen, dass die CSUPolitik der schönen Worte, der Appelle und der Freiwilligkeit, endlich beendet wird. Das alles haben wir beim sparsamen Umgang mit Grund und Boden, beim Thema Flächensparen, schon erlebt. Sie sind mit Ihrer Politik in diesen Bereichen gescheitert. Da muss sich jetzt etwas ändern. So kommen wir nicht mehr weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt geht es wirklich darum, für den Artenschutz in Bayern anzupacken. Das ist das Gebot der Stunde. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Artenschutz braucht eine Lobby in Bayern. Der Artenschutz braucht eine feste Verankerung in der bayerischen Gesetzgebung. Die Landwirte haben den Bauernverband, die Kommunen haben ihren Städte- und Gemeindetag, die Wirtschaft hat die Industrie- und Handelskammern. Unsere Tiere und Pflanzen brauchen ebenfalls starke Fürsprecher für ihre Lebensinteressen. Da sie selbst aber nicht sprechen können, muss das der Staat übernehmen. Das machen wir mit unserem Artenschutzgesetz für Bayern, das wir heute vorlegen. Das ist die nötige Antwort auf eine Entwicklung, die ich nicht mehr bereit bin, weiter zu akzeptieren und ihr tatenlos zuzusehen.

Unser "Gesetzentwurf zum Artenschutz in Bayern – Bayerisches Artenschutzgesetz" umfasst eine Reihe von Maßnahmen. Wir wollen im Bayerischen Naturschutzgesetz neue Regelungen schaffen. Wir wollen Gesetzestexte wie das Wassergesetz, das Waldgesetz und das Agrarwirtschaftsgesetz anpassen. Ziel unseres Maßnahmenpakets ist es, dem Schutz unserer Tier- und Pflanzenwelt einen festen Platz in der bayerischen Gesetzgebung zu geben. Das müssen wir hier in Bayern entscheiden, nirgendwo anders. Nur so können wir die Artenvielfalt für unsere Kinder

und Enkelkinder wirklich erhalten. So können wir auch die Artenvielfalt wieder zurückgewinnen.

Im Kern geht es um drei konkrete Ansätze. Wir wollen den Einsatz der Ackergifte und des Düngers in der Landwirtschaft und im staatlichen Bereich deutlich zurückdrängen. Wir wollen Lebensräume für wildlebende Tiere und Pflanzen sichern, schützen und dort, wo es notwendig ist, auch neue schaffen. Auch darum muss es gehen. Außerdem wollen wir den Förderrahmen des Bayerischen Agrarwirtschaftsgesetzes anpassen. Wir wollen ökologisch wertvolle Kleinstrukturen. Sie müssen erhalten und wieder geschaffen werden können.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, was den Pestizideinsatz anbelangt, so ist es doch wirklich ein Unding, dass bei uns in Bayern auch heute noch Insektenvernichtungsmittel bei der Bewirtschaftung staatlicher Flächen eingesetzt werden. Es ist doch ein Unding, dass Privathaushalte viel zu einfach an Pflanzengifte kommen, die dann in den Gärten und Vorgärten eingesetzt werden.

Was für mich persönlich aber wirklich unglaublich war – man kann es sich wirklich kaum vorstellen –: Bei uns in Bayern dürfen in Naturschutzgebieten, in gesetzlich geschützten Biotopverbünden, noch immer Insektenvernichtungsmittel ausgebracht werden. Das muss sich ändern. Das wollen wir endlich stoppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern ein klares Verbot von Giften in Naturschutzgebieten. Keine konventionelle Landwirtschaft auf Naturschutzflächen! Wir müssen zu einer giftfreien Landwirtschaft kommen. Das geht natürlich nur, wenn wir die Landwirte mitnehmen und nicht gegen sie arbeiten. Aber diesen Weg müssen wir gehen, wenn wir die Artenvielfalt wirklich erhalten wollen.

Damit die Nitratwerte in unserem Grundwasser abnehmen und weniger Nitrat in die Bäche und Flüsse gelangt, wollen wir im Bayerischen Wassergesetz endlich die hier so oft diskutierten Gewässerrandstreifen von zehn Metern, auf denen die Ackernutzung verboten sein soll, festschreiben.

Wir wollen Biotope weiter stärken und schützen. Biotope sind die einzigen Rückzugsorte von Arten und die Hotspots der Artenvielfalt. Wir müssen sie ausweiten und stärken. Nicht ohne Grund unterstehen bei uns aktuell beispielsweise Moorwälder und alpine Hochstaudenfluren einem besonderen Schutz. Wir wollen die Liste geschützter Biotope endlich erweitern und zusätzlich Streuobstwiesen und magere Flachlandmähwiesen aufnehmen, um Insekten und Vögeln wieder einen Lebensraum zu geben, in dem sie bes

sere Lebensbedingungen vorfinden und in dem ihre Population steigen kann.

Ein großer Teil unseres Artenschutzgesetzes betrifft die Natura-2000-Gebiete. Sie machen 11 % der Landesfläche aus. Wir wollen sie aufwerten und unter einen starken Schutz stellen, um den Kampf gegen das Artensterben noch gewinnen zu können.

Unser Gesetzentwurf greift in mehrere Gesetze ein. Ich habe das vorhin schon kurz angesprochen. Uns geht es darum, vorhandene Regeln weiterzuführen und ganzheitlich zu denken, damit wir ein ganzheitliches Artenschutzprogramm für Bayern bekommen. Wir ändern und ergänzen das Bayerische Naturschutzgesetz. Dadurch schützen wir zum Beispiel Alleen, schieben vor allem den vogel- und insektenschädlichen Himmelsstrahlern einen Riegel vor. Wir wollen eine Grundlage dafür schaffen, dass eine Biotopkartierung endlich regelmäßig stattfindet; mein Kollege Christian Magerl hat es oft genug erwähnt. Das wollen wir festlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir gehen das Thema umfassend an und ändern auch das Bayerische Wassergesetz. Neben der Einführung von sinnvollen Regeln für Landwirte wollen wir festlegen, dass künstliche Beschneiungen in Wasser- und Naturschutzgebieten eingeschränkt bzw. unterbunden werden.

Wir wollen im Bayerischen Waldgesetz den Biotopschutzwald als besonders erhaltenswerte Waldgesellschaft fest verankern. Dies ist ein für die Artenvielfalt äußerst wichtiger Lebensraum, den wir dringend schützen und ausbauen müssen.

Wir wollen aber auch im Fischereigesetz etwas ändern. Wir wollen ganz klar festlegen, dass der Besatz unserer Gewässer mit gentechnisch veränderten Organismen unterbunden wird und nicht stattfinden darf.

Wir stärken Biotopverbünde in der Landesplanung und bäuerliche Kleinstrukturen, die für die Artenvielfalt enorm wichtig sind. Letzteres können wir durch eine Änderung des Agrarwirtschaftsgesetzes in Bayern endlich anpacken.