Protocol of the Session on May 15, 2018

Sollen nur die bairischen Dialekte berücksichtigt werden?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Richtig!)

Konsequenterweise sollten auch alle anderen deutschen Dialekte Grundlagen für die Anerkennung sein. Was machen wir mit einer Pflegekraft, die in Kiel anerkannt wurde, die Plattdeutsch nachweisen musste und nun nach Niederbayern zieht?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Entlassen!)

Unterziehen wir diese Pflegekraft einem neuen Anerkennungsverfahren? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wie vielfältig die deutsche Sprache und die bairischen Dialekte sind? Allein für eine Magen-Darm-Grippe fallen mir die unterschiedlichsten Begriffe ein. Das fängt bei Durchfall an, es könnte aber auch "Dünnpfiff" heißen. Ein Kranker könnte aber auch angeben, dass er oder sie "die Sucht" hat. Der oder die Betroffene könnte aber auch

sagen: "Mi ramt´s durch!". Dem niederbayerischen Abgeordneten und Mitantragsteller Hubert Aiwanger, der zuvorderst auf dem Dringlichkeitsantrag steht, ist sicher auch der derbe niederbairische Ausdruck bekannt, der in unserer Region auch als "Montezumas Rache" betitelt wird. Diesen Ausdruck möchte ich hier allerdings lieber nicht zitieren. Allein dieses Beispiel macht deutlich, dass der Antrag völlig praxisfremd ist. Mir würden noch zahlreiche weitere Krankheiten einfallen, die alle mit regionalen Besonderheiten betitelt werden. So gibt es in den meisten Teilen Bayerns keinen Unterschied zwischen Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Haxn!)

Alles ist irgendwie der Hax, genau. Wenn man die Grammatik anspricht, dann ist es im Übrigen durchaus nicht unerheblich, ob man eine Tablette schon genommen hat oder ob man sie vielleicht "noch nemma muaß". Trotzdem san mia als Bayerinnen und Bayern durchaus in der Lage, im Krankheitsfall des Hochdeutschen mächtig zu sein und die genaue Bezeichnung zu wählen, sodass jede Pflegekraft in der Lage ist, die Schmerzen oder unser Krankheitsbild zuzuordnen.

Jenseits der Diskussion um den richtigen Dialekt für ausländische Pflegekräfte sollten wir unsere Kräfte aber darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass die Anerkennungsverfahren schneller laufen. Angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels sollten wir uns nicht im Klein-Klein verstricken, zumal es hinten und vorn an Personal fehlt.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus sollten wir für die Zukunft daran denken, dass sowohl in der Alten- als auch in der Krankenpflege verstärkt Pflegekräfte mit einem anderen kulturellen und sprachlichen Hintergrund benötigt werden, wenn die ehemaligen Gastarbeiter aus allen Teilen Europas krank und pflegebedürftig in unseren Krankenhäusern oder Seniorenheimen sind. Zuwanderer, die in diesen Berufen tätig werden wollen, bringen oft unterschiedliche Qualifikationen mit, die über ein Anerkennungsverfahren bei den Bezirksregierungen geregelt werden. Dazu haben wir, die SPD-Landtagsfraktion, einen Haushaltsantrag gestellt, um die Bezirksregierungen mit genügend Personal auszustatten. Anstatt Dialektprüfungen auf den Weg zu bringen, wären frühzeitige Sprachförderprogramme und berufsorientierte, arbeitsplatzbezogene Sprachkurse für Migranten und Migrantinnen ein besseres Ziel, um Integration voranzubringen und für Menschen eine Erwerbsmöglichkeit zu schaffen. In einem vereinten Eu

ropa sollten wir uns als Bayerischer Landtag dafür einsetzen,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

dass es eine EU-weite Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse gibt. Wir sollten das Sprechen von regionalen Dialekten nicht als Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel in der Pflege verordnen. Am 21. Februar, am Tag der Mundart, wäre dies ein ganz gschmeidiger Antrag gewesen, um auf die vielen Dialekte in unserem Bayern hinzuweisen. I hätt ma dann denkt: Do legst di nieder. – Für eine ernsthafte Debatte im Bayerischen Landtag zur Verbesserung der Situation der Pflege in unserem Land ist dieser Antrag aber ganz sicher nicht geeignet. Deswegen dat i moana, dass ma ihn ablehna solladn, weil er eigentlich überflüssig wia a Kropf is.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Müller. – Nächster Redner ist Herr Kollege Leiner. Bitte schön, Herr Leiner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Ursache für diesen Antrag ist sehr ernst. Wir haben nämlich in der Tat einen eklatanten Mangel an Pflegekräften in ganz Bayern, und zwar sowohl in der Alten- als auch in der Krankenpflege. Es ist auch ein Versäumnis der Bayerischen Staatsregierung, dass es in diesem Bereich viel zu wenig Personal gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der eklatante Pflegekräftemangel ist nicht vom Himmel gefallen, sondern er war absehbar. Wir haben die demografische Entwicklung, wir haben den medizinischen Fortschritt. Wir wissen, dass die Menschen älter werden. Deshalb haben wir mehr Pflegebedarf, und deshalb haben wir einen größeren Bedarf an klinischer Versorgung. Die Bayerische Staatsregierung hatte viereinhalb Jahre Zeit, aber sie hat in der Pflege insgesamt betrachtet viel zu wenig getan. Das ist die Ursache für diesen Antrag. Das muss man auch sehen. Dieser Antrag soll ein kleiner Baustein sein, um die Situation zu verbessern. Der Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER zielt darauf ab, die Beschäftigung von ausländischen Pflegekräften zu erleichtern.

Mit dem Antrag wird gefordert, die B2-Sprachprüfung hinsichtlich ihrer Praxisorientierung zu überprüfen. Im Antragstext selber wird aber auf die streng hochdeutsche Ausrichtung der B2-Prüfung hingewiesen. Darauf werde zu viel Wert gelegt. Ich muss die FREIEN WÄHLER fragen: Ist das Ihr Ernst? – Es geht um die Dialekte. Die Deutschprüfung soll mit bestimmten Dia

lekten verbunden werden. Herr Aiwanger, jemand, der in der Oberpfalz Dialekt spricht, versteht jemanden, der in Oberstdorf Dialekt spricht, nicht. Da gibt es keine Übereinstimmung. Wenn wir die B2-Prüfung ernst nehmen, besteht bei den vielen Dialekten die einzige Chance darin, Hochdeutsch zu lernen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus sage ich Ihnen noch etwas: Gut integrierte Pflegekräfte – um die geht es hier – lernen von selber Dialekt. Wenn sie sich in ihrer Region integrieren, dort Freunde haben und dort leben wollen, lernen sie auch den Dialekt. Ich nenne beispielhaft die Menschen mit dunkler Hautfarbe in Bayern, die hervorragend Bairisch sprechen.

Der Punkt, dass es bei einer abgeschlossenen Berufsausbildung zu einer Erleichterung bei der B2-Prüfung kommen soll, geht mir etwas unter. Im Rahmen der B2-Prüfung werden tatsächlich Dinge abgefragt, die für den Sprachgebrauch in der Pflege überflüssig sind. Dazu gehört die detaillierte Kenntnis der Grammatik. Wenn Sie dort den Hebel ansetzen, sage ich: Okay, wir können darüber reden, dass wir Erleichterungen in der Prüfung für die Pflegekräfte einführen. Wir sollten überprüfen, ob wir wirklich detaillierte Grammatik, Fachjargon und Vorkenntnisse – übrigens auch in Englisch – bei der B2-Prüfung brauchen. Dieser Teil des Antrags ist richtig. Sie haben den Teil – das sage ich ganz freimütig – erst aufgrund meiner Intervention aufgenommen.

Der Pflegenotstand ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sogar die Bayerische Staatsregierung hat ihn erkannt. Dieser Antrag stellt nur einen Bruchteil der Gesamtproblematik in den Vordergrund. Wir GRÜNE haben die letzten viereinhalb Jahre ein Bündel von Maßnahmen vorgelegt, um die Situation zu verbessern. Leider wurden viele dieser Anträge nicht umgesetzt oder nicht genügend umgesetzt. Das führte zu der Situation, wie wir sie jetzt haben. Wir müssen uns an jeden Strohhalm klammern. Wir werden uns beim Antrag der FREIEN WÄHLER auch bedingt durch die Änderung enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Leiner. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Claudia Stamm. Bitte schön, Frau Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER! Welcher Dialekt darf es denn sein? – In der Region in Unterfranken, wo die Familie meines Vaters herkommt, gibt es zwei Orte, die sich direkt nebeneinander befinden, Frammersbach und

Partenstein. Untereinander versteht man sich aufgrund der Dialekte gar nicht – aber Spaß beiseite. Ihr Antrag ist absurd, absurder geht es kaum. Gerade im Pflegeberuf – wir haben es mehrfach gehört – haben wir einen eklatanten Fachkräftemangel. Wir haben ganz früh angefangen, Menschen aus anderen Ländern anzuwerben. Ich sage nicht, dass jeder Mensch einfach pflegen kann. Das ist ein Beruf wie jeder andere, den man professionell ausüben muss. Trotzdem geht es darum, es den Pflegekräften leichter zu machen und nicht die Hürden anzuheben. Das ist der Grund, warum ich einen Antrag gestellt habe, der sich im parlamentarischen Verfahren befindet. Menschen, die schon bei uns sind, Vorkenntnisse haben und sich für die Pflege als geeignet erwiesen haben, soll ein erleichterter Zugang zu einer Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnis ermöglicht werden. Als Stichwort nenne ich hier in diesem Hohen Hause die 3+2-Regelung für Geflüchtete.

Sie sollten lieber Hürden abbauen, statt Hürden aufzubauen. Dialektkenntnisse sind überflüssige Hürden. Wir sollten dem boomenden Schwarzmarkt etwas entgegensetzen. Es ist in niemandes Interesse, dass Menschen, die nicht Deutsch sprechen, oft in üblen Abhängigkeitsverhältnissen bei Familien pflegen. Nur mit etwas Mut, Menschlichkeit und Vertrauen können wir dem Pflegekräftemangel Paroli bieten.

Danke schön, Frau Kollegin Stamm. – Letzte Rednerin in diesem Block ist Staatsministerin Melanie Huml. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Dialekt ist heute schon einiges, beispielsweise von Herrn Kollegen Steffen Vogel oder Frau Kollegin Ruth Müller, gesagt worden. Deshalb möchte ich mich auf ein anderes Thema konzentrieren, das den eigentlichen Sinn des Antrags der FREIEN WÄHLER aufzeigt. Das Thema wurde in meinen Augen jedoch sehr weit gefasst. Deshalb ist es schwierig, dem Antrag heute zuzustimmen. Die Frage lautet: Welches Sprachniveau brauchen wir für Pflegekräfte? – Das ist immer eine gewisse Gratwanderung. Bei der Pflege ist es enorm wichtig, dass sich die Pflegekräfte und die zu Pflegenden austauschen können und verstehen. Das ist enorm wichtig. Deshalb sind Sprachkenntnisse für diejenigen, die bei uns in der Pflege arbeiten, super wichtig. Aus diesem Grund brauchen wir auch das B2-Niveau. Gleichzeitig gibt es die Gratwanderung: Schafft es jeder, der durchaus aufgrund seiner empathischen Persönlichkeit ein guter Pfleger wäre, das hohe Sprachniveau von B2 zu erreichen? – In dieser Spannung befinden wir uns. Einige fallen vielleicht raus, die in der Pflege

gut gebraucht werden könnten. Deshalb ist es eine Gratwanderung. Das Spannungsfeld ist vorhanden. Trotzdem ist es mir wichtig, das Sprachniveau zu erhalten, damit man sich gegenseitig verständigen kann.

Formal kann ich sagen, dass Ihr Antrag in diesem Landtag nur schwer umgesetzt werden kann, weil es Bundesgesetze gibt, die dieses Sprachniveau vorschreiben. Ich denke, wir sollten uns insgesamt gemeinschaftlich darum bemühen, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, in den Pflegeberuf zu gehen. Herr Kollege Ulrich Leiner, wir haben die letzten viereinhalb Jahre viel auf den Weg gebracht. Ich darf an unsere Kampagne "Herzwerker" erinnern, welche die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege um 30 % gesteigert hat. Das ist ein schöner Erfolg.

(Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Es ist wichtig, dass wir diesen Weg weitergehen. Gleichzeitig sollten wir uns dafür einsetzen, dass die Altenpflegekräfte flächendeckend nach Tarif bezahlt werden. Zum Wertschätzen gehört auch, dass uns die Menschen, die in den Pflegeberufen arbeiten, etwas wert sind. Das gilt auch für den Verdienst.

In meinen Augen ist der Antrag, der sich Gedanken über das Sprachniveau macht, richtig. Er fordert jedoch auch die Aufnahme von Dialekten und die Absenkung des B2-Niveaus. Auf der einen Seite soll das B2-Niveau abgesenkt werden, weil zu viel Grammatik verlangt wird, auf der anderen Seite wird der Dialekt draufgesetzt. Ich habe den Eindruck, dass es damit schwieriger wird, jemanden in den Beruf zu bekommen. Deswegen kann man dem Antrag heute nicht zustimmen. Wir sollten jedoch gemeinsam dafür werben, dass ausreichend Pflegekräfte in Bayern arbeiten. Das ist das gemeinsame Interesse. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. Bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. – Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Kollege Bauer gemeldet. Bitte schön, Herr Bauer.

Frau Staatsministerin, ist Ihnen entgangen, dass es sich um einen Prüfantrag handelt? Kennen Sie die Fortbildungsmaßnahmen im zukünftigen Universitätsklinikum Augsburg? – Die haben genau dieses Programm aufgelegt. Dazu gibt es ein extra Lehrbuch. Die B2-Prüfung wird speziell für die Pflegeberufe noch einmal aufbereitet. Das ist die Grundlage unseres Antrags. Ich

finde es richtig, dass man die Sprache lernt, die man in der Pflege spricht. Der Schwerpunkt sollte jedoch nicht auf der Grammatik liegen. Ist Ihnen das Modell aus Augsburg bekannt? Wenn nicht, würde ich Sie bitten, bei den Mitarbeitern nachzufragen.

Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Mir ist bekannt, dass immer wieder über dieses Niveau und die Frage, was abgeprüft wird, diskutiert wird. Deshalb sage ich ja, es ist ein Spannungsfeld: Was braucht man, was braucht man nicht? Gleichzeitig müssen wir vergleichbar in ganz Deutschland sein.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Diese Menschen arbeiten ja nicht nur an einem Ort in Bayern, zum Beispiel in Oberfranken oder in Schwaben, sondern werden vielleicht auch einmal ganz woanders eingesetzt. Deshalb braucht es ein gewisses gemeinsames Niveau. Die Frage ist immer: Verlangen wir zu viel oder zu wenig? Das ist die Diskussion, die wir immer führen. Ich finde das B2-Niveau gut, aber ich verstehe, dass es ein hohes Niveau ist, das nicht jeder schafft. Schade ist, dass wir deshalb einige verlieren.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir müssen uns deshalb darum bemühen, dass wir alle gut auf die Sprachprüfung vorbereiten. Wir können hier gemeinsam etwas dafür tun, dass das B2-Niveau bestanden werden kann, um die Betreffenden auch in der Pflege einsetzen zu können. Das muss unser Ziel sein.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich Gäste aus unserem Nachbarland Österreich begrüßen. Auf der Ehrentribüne hat eine Delegation des Landtags der Steiermark unter Leitung von Frau Landtagspräsidentin Dr. Bettina Vollath Platz genommen.

(Allgemeiner Beifall)