Protocol of the Session on May 15, 2018

und ich werde mich auch nicht bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich 25 Jahre in dieser bayerischen Polizei Dienst verrichtet habe.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Vielen Dank. – Jetzt erteile ich für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Schindler das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Protest der Opposition und der vielen Tausend, die auf die Straße gegangen sind, richtet sich ausdrücklich nicht gegen die Polizei.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Der Protest richtet sich ausdrücklich gegen diese Staatsregierung und ihr Gesetz,

(Zuruf von der CSU)

das im Übrigen auch in Reihen der Polizei durchaus kritisch gesehen wird.

Zweitens. Meine Damen und Herren, wir – damit meine ich die Sozialdemokratische Partei – sind und waren immer für einen starken Staat und für eine wehrhafte Demokratie, und das schon immer und ewig.

(Alexander König (CSU): Aber gegen Videoüberwachung!)

Das müssen Sie uns nicht sagen. Schon viel länger als die CSU!

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Drittens. Es geht wie immer – da hat der Herr Kollege Kreuzer natürlich recht – um die Frage, ob die Balance von Sicherheit und Freiheit durch dieses Gesetz gewahrt bleibt oder nicht. Darüber kann man streiten. Das tun wir.

(Alexander König (CSU): Das ist ja in Ordnung!)

Das ist auch okay. Wir werden es hier letztlich nicht ausstreiten können. Und ich kündige an, was Sie alle schon wissen: dass diese Frage ohnehin von den Verfassungsgerichten zu überprüfen sein wird. Ich bin gespannt, wie es dann endet.

(Zuruf von der CSU: Das werden wir sehen! – Ingrid Heckner (CSU): Wir nicht! Wir sind nicht gespannt!)

Viertens, meine Damen und Herren, unterstellen Sie, wir würden hier Lügenpropaganda betreiben und darauf hoffen, dass die Menschen unbedarft sind. Ich empfehle einen Blick in den Pressespiegel von gestern. Dort finden Sie einen Artikel aus der "Süddeutschen Zeitung" von Heribert Prantl,

(Unruhe bei der CSU)

in dem er schreibt – immerhin Heribert Prantl; da jaulen Sie schon auf, wenn er schreibt –:

Am Dienstag wird die CSU im Bayerischen Landtag das neue Polizeirecht verabschieden. Das ist ein Fehler. Das Gesetz … schadet der Sicherheit im Recht. Das Gesetz ist ein Verstoß gegen das Übermaßverbot. … Das neue Polizeigesetz verstößt vorsätzlich gegen die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren in seinem Urteil zum BKA-G … gemacht hat.

Weiter schreibt er:

Der Ansatzpunkt für polizeiliche Eingriffsmaßnahmen wird mit diesem Gesetz weit nach vorn verlagert – weit vor den Beginn einer konkreten Gefahr, weiter nach vorn als in jedem anderen deutschen Polizeigesetz.

So weit Heribert Prantl. Er ist nicht der Einzige. Blättern Sie weiter. Es folgt ein Artikel von Constanze Kurz aus der "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die nicht unbedingt verdächtig ist, auf der Seite der SPD oder der GRÜNEN zu stehen. Sie schreibt:

Das Gesetz sei kaum lesbar und auch für Experten schwer verstehbar.... An der Tendenz des Vorhabens hin zu immer mehr Befugnissen und zu mehr Überwachung änderte das

was die CSU an Änderungsanträgen eingebracht hat –

jedoch wenig.

Dann schreibt sie:

... gleichzeitig mit den geplanten neuen Befugnissen geht die Anzahl der Straftaten... zurück. Da fragen sich zu Recht immer mehr Menschen, warum nicht auch mal die Überwachung und Freiheitseinschränkung zurückgeschraubt statt ausgebaut werden kann.

Sie verweist darauf, was der Herr Innenminister gesagt haben soll, dass das subjektive Sicherheitsgefühl etwas anderes ist, und stellt dann die Frage – nicht ich, sondern Constanze Kurz in der "FAZ" –: "Wer von gestern: Wer schürt denn die Ängste und läuft rechter Rhetorik hinterher?", sodass das subjektive Sicherheitsgefühl immer schlechter wird?

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Das sind nicht wir, das sind schon andere.

Dann blättern Sie weiter und kommen zur "Passauer Neuen Presse" – auch nicht unbedingt als linksrevolutionäres Blatt bekannt. Dort heißt es:

Dass quasi alles, was nach "drohender" und nicht wie bisher "konkreter Gefahr" aussieht, von der Polizei weggesperrt werden kann, dass Menschen leichter und länger präventiv inhaftiert werden …

(Alexander König (CSU): Das ist doch Unsinn! – Peter Winter (CSU): Glauben Sie das, Herr Kollege?)

Das ist gefährlich, und das wird der CSU noch auf die Füße fallen. – Das schreibt die "Passauer Neue Presse" von gestern.

(Jürgen W. Heike (CSU): Die schreiben doch viel!)

Meine Damen und Herren, ich meine, es spricht Bände, dass das nicht nur böse Linksradikale oder die Opposition hier so sehen, sondern die bürgerliche Presse das genauso sieht.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden es hier nicht ausstreiten können. Ich kündige deshalb für meine Fraktion an, dass eine verfassungsgerichtliche Überprüfung ansteht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Wir werden eine Normenkontrolle im Wege der Meinungsverschiedenheit geltend machen, und ich rüge für meine Fraktion, dass wesentliche Bestimmungen des Entwurfs des Gesetzes gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bzw. das Übermaßverbot und die Gebote der Bestimmtheit und Normenklarheit verstoßen. Im Einzelnen rüge ich insbesondere die Einführung der drohenden Gefahr als neuer Kategorie bei all den polizeilichen Befugnissen, bei denen diese Kategorie durch das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen aus dem Jahr 2017 noch nicht

eingeführt worden ist. Das ist der Fall bei der zwangsweisen Durchsetzung einer Vorladung, bei der Sicherstellung von Sachen, bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, bei der Verwendung besonderer Mittel der Datenerhebung, beim Einsatz automatisierter Kennzeichen-Erkennungssysteme, beim Einsatz automatisierter Kfz-KennzeichenErkennungssysteme, bei der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, bei der TKÜ, bei der Überwachung räumlich getrennter Kommunikationssysteme, bei der Quellen-TKÜ, beim Einsatz von IMSI-Catchern, bei der Telekommunikationsüberwachung zu Schutzzwecken, bei der Unterbrechung, Verhinderung und Entziehung von Kommunikationsverbindungen, beim Auskunftsersuchen betreffend Telekommunikationsverkehrsdaten und Vorratsdaten und betreffend Telekommunikationsbestandsdaten bei der Online-Durchsuchung und beim Übermittlungsersuchen. Ich rüge außerdem die Meldeanordnung, die Durchsuchung räumlich getrennter Speichermedien und die Verwendung automatischer Mustererkennungssysteme als unverhältnismäßig und möglicherweise verfassungswidrig.

Es steht uns nicht zu, darüber zu entscheiden, sondern das ist Sache des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Möglicherweise wird es auch Überprüfungen beim Bundesverfassungsgericht geben. Danach sprechen wir weiter.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Guttenberger. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Schindler, nur, um die Koordinaten wieder zurechtzurücken: Erinnern Sie sich an die Anhörung? In der Tat haben weder Sie noch irgendeine andere Fraktion Herrn Prantl als Experten für Verfassungsrecht dort berufen.

(Beifall bei der CSU – Ingrid Heckner (CSU): Bravo!)

Ich darf aber daran erinnern, dass namhafte Verfassungsrechtler dort Ihre Sicht der Dinge ganz klar nicht geteilt haben. Das möchte ich hier noch einmal feststellen und klarlegen, damit die Koordinaten wieder richtig auf die Waage kommen.

(Beifall bei der CSU)

Das ist eine gute Idee, Frau Kollegin Guttenberger; vielleicht benennen wir beim

nächsten Mal Herrn Prof. Heribert Prantl als Sachverständigen.