Sie haben die Macht, das durchzudrücken. Aber ich sage Ihnen: Mit dieser Macht geht eine Verantwortung
einher. Das ist die Verantwortung, Zweifel und Widerspruch tatsächlich ernst zu nehmen. Herr Reiß, dieser Verantwortung werden Sie nicht gerecht.
Wenn Bayern eine starke Regierung hätte, dann stünde das PAG heute nicht auf der Tagesordnung. Wenn Bayern einen souveränen Ministerpräsidenten hätte, dann würde er dieses Gesetz nicht durchpeitschen. Stärke besteht nämlich nicht darin, etwas mit der Brechstange durchzusetzen. Eine starke Regierung nimmt Kritik ernst und respektiert die Meinung anderer, Herr Reiß. Eine starke Regierung geht auf die Menschen zu, die Kritik üben und Zweifel äußern, und zwar vor der Entscheidung. Ein souveräner Ministerpräsident würde in dieser Debatte,
Danke schön. – Der Kollege Streibl von den FREIEN WÄHLERN hat sich als nächster Redner zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die FREIEN WÄHLER, werden die beiden Anträge der SPD-Fraktion und der GRÜNEN unterstützen. Unserer Ansicht nach ist es wichtig, dass nachgesteuert wird und Zeit zum Nachdenken und Nachbessern gegeben wird. Landauf, landab ist sichtbar, dass das Gesetz, wie es nun verabschiedet werden soll, den Menschen Angst macht und die Gesellschaft letztlich spaltet.
Daher befürworten wir eine Atempause. Allerdings hat sich die CSU-Fraktion selbst in Zugzwang gebracht, nachdem Sie das Gesetz mit den notwendigen Änderungen hinsichtlich der Datenschutz-Grundverordnung verbunden hat. Die Datenschutz-Grundverordnung tritt am 25. Mai in Kraft. Daher wäre eine Trennung tunlichst angeraten. Es wäre notwendig, wichtige und unschädliche Änderungen hinsichtlich des Datenschutzes zu beschließen und über strittige Themen noch einmal nachzudenken. Wenn der Ministerpräsident und die CSU-Fraktion selbst eine Kommission ins Leben rufen, dann sollten sie deren Ergebnisse
Deshalb würde es dem Hohen Hause gut anstehen, den Tagesordnungspunkt zu verschieben, wohlwissend, dass die CSU-Fraktion die Macht hat, das Gesetz heute durchzuboxen. Aber, meine Damen und Herren von der CSU, Sie müssen sich dessen gewahr sein: Macht ist nicht immer gleich Recht. Macht kann auch missbraucht werden. Seien Sie deshalb vorsichtig.
Danke sehr, Herr Kollege. Nachdem die CSU-Fraktion dem Antrag widersprochen hat, ist der Antrag abgelehnt.
Die CSU-Fraktion hat den Antrag gestellt, den Tagesordnungspunkt 6 – das ist die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts, Drucksache 17/20425 – unmittelbar nach der Beratung der Dringlichkeitsanträge aufzurufen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem das öffentliche Interesse in den letzten Minuten hinreichend deutlich gemacht wurde, wollen wir hier weder etwas durchpeitschen noch durchboxen. Wir wollen vielmehr nach dem Verfahren handeln, das wir gemeinsam im Ältestenrat beschlossen haben, nämlich die Erste Lesung im Februar, die Anhörung im März, die Ausschussberatung im April und die Zweite Lesung im Mai
das Ganze zog sich also über ein Vierteljahr hin –, und damit die Beratung nach dem parlamentarischen Verfahren heute zum Abschluss bringen. Zudem haben wir insbesondere – Kollege Streibl hat darauf hingewiesen – aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung der EU den 25. Mai als Termin einzuhalten.
Nach der Tagesordnung, die wir gemeinsam im Ältestenrat festgelegt haben, würde die Zweite Lesung um 21.00 Uhr beginnen und sich dann womöglich die Dritte Lesung heute Nacht anschließen. Um nun der Öffentlichkeit Gelegenheit zu geben, tagsüber an dieser Debatte teilzunehmen, schlagen wir vor, die Tagesordnung zu ändern und nach der Beratung der Dringlichkeitsanträge sofort die Zweite Lesung des PAG vorzunehmen. Das wird dann um circa 18.00 Uhr der Fall sein, also zu einer Zeit, die Gelegenheit gibt, dieses Gesetz in allen Einzelfragen zu diskutieren und damit der Öffentlichkeit deutlich zu machen, mit welcher Ernsthaftigkeit wir diesen Gesetzentwurf gemäß dem parlamentarischen Ablauf behandeln. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Geschäftsordnungsantrag, die Tagesordnung entsprechend zu ändern, das heißt, die Zweite Lesung nach der Beratung der Dringlichkeitsanträge vorzunehmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie waren falsch beraten, der Empfehlung der Opposition nicht zu folgen. Nach diesen großen Demonstrationen und den Wortmeldungen von Ministerpräsident und Innenminister, die ich noch einmal in Erinnerung rufen darf, kann ich natürlich verstehen, dass Sie diesem Antrag nicht zustimmen wollen. Die Sache wird dadurch aber nicht besser.
Dafür, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben, Ihre Durchpeitschmethode zur Nachtzeit zu praktizieren, habe ich Verständnis. Ich denke, die CSU hat Angst davor, dass morgen in der Zeitung zu lesen ist, sie habe das Verfahren des Durchpeitschens zu nachtschlafender Zeit praktiziert. Deshalb ist Ihr Antrag Ihrem schlechten Gewissen geschuldet, aber nicht der Sache. Wir stimmen allerdings zu, den Gesetzentwurf so früh wie möglich zu diskutieren.
Aber Kollege Reiß, ich bitte schon, bei der Wahrheit zu bleiben. Nicht Vertreter der Opposition, sondern der Ministerpräsident selbst hat die Informationspolitik zu diesem Gesetzentwurf massiv kritisiert. Es geschah dies im Rahmen diplomatischer Lesart zwischen den Zeilen. Ich könnte Ihnen die Zitate vorhalten. Er hat sich sogar in gewisser Weise davon distanziert mit dem Hinweis, dass dieser Gesetzentwurf nicht aus seiner Amtszeit stammt. Das ist in meinen Augen schon eine ziemlich starke Distanzierung.
Er hat thematisiert, dass er die Bedenken ernst nimmt und Dialogforen bzw. Kommissionen braucht, um überhaupt mit diesem Gesetzentwurf umzugehen. Ich hoffe, Sie haben Verständnis, dass wir meinen, das ist keine Methode, um zu sagen: Lassen Sie uns das noch einmal ansehen. Sie verweigern sich. Wir freuen uns jetzt darauf, dass wir noch bei Tageslicht Ihre Methode, mit den Freiheitsrechten der Bürger umzugehen und deren Bedenken zu achten, thematisieren können.
Wir kündigen auch an, dass noch eine Dritte Lesung stattfinden muss. Damit können wir deutlich machen, dass die CSU in diesem Landtag den Gesetzentwurf durchpeitscht ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf Bedenken und ohne Rücksicht auf wirklich qualifizierte Wortmeldungen, die deutlich machen, dass es nicht nur um die Abarbeitung von Ältestenratsbeschlüssen geht, sondern auch darum, die aktuellen Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.
Danke, Herr Kollege. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Nach § 101 Absatz 2 Satz 2 der Geschäftsordnung genügt die Mehrheit. Wer dem Antrag der CSU folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU und SPD, die FREIEN WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Abgeordneten Stamm (fraktionslos) und Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist das so beschlossen.
Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Verantwortung angemessen honorieren - soziale Berufe endlich aufwerten!"
Die fraktionslosen Abgeordneten Claudia Stamm, Günther Felbinger und Alexander Muthmann können jeweils bis zu zwei Minuten sprechen.
Erste Rednerin ist die Frau Kollegin Natascha Kohnen von der SPD. Bitte sehr, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube übrigens nicht, dass die Kollegen von der CSU-Fraktion wieder aufstehen
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vergangenen Samstag war der Internationale Tag der Pflege. Gestern war der Tag der Kinderbetreuung. Beides sind Branchen mit immensem, ja stetig wachsendem gesellschaftlichem Stellenwert. Es sind beides Branchen, in denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich aufreiben. Warum? – Aufgrund der schweren Arbeitsbedingungen, aufgrund geringer Bezahlung und aufgrund von Anerkennung und Wertschätzung, die sie nach wie vor nicht bekommen, obwohl sie ihnen zutiefst zustünden.
Diese Entwicklung ist alarmierend. Ich nenne das Beispiel Pflege. Die durchschnittliche Verweildauer des Personals in der Altenpflege beträgt hierzulande gerade einmal 8,4 Jahre. In der Krankenpflege sind es sogar nur 7,5 Jahre. In kaum einem anderen europäischen Land verdienen ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger gemessen am mittleren Einkommen aller Beschäftigten so wenig wie in Deutschland, ganz zu schweigen von den Pflegehelferinnen und Pflegehelfern. Belegt ist all das durch die Hans-Böckler-Stiftung.
Nehmen wir das Beispiel Kinderbetreuung. 20 % aller Beschäftigten arbeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen. Bei Fachkräften unter 30 Jahren ist es sogar ein Drittel. Hinzu kommt: Knapp 60 % der Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat erhalten lediglich Teilzeitverträge.
Ich weiß nun nicht, ob Sie jetzt so unheimlich viel zu ratschen haben oder ob wir vielleicht langsam zur politischen Thematik übergehen können. Das wäre sehr freundlich von Ihnen.
Die Zahlen, die ich gerade genannt habe, weisen deutlich darauf hin, wo die Politik ganz besonders anpacken müsste. Wir müssen die Arbeitsbedingungen in den sozialen Berufen substanziell verbessern. Das heißt vor allem, wir müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse beseitigen, Perspektiven schaffen und den Beruf deutlich attraktiver machen. Kurz gesagt: Diejenigen, die in sozialen Berufen arbeiten, müssen endlich sozial behandelt werden.