Protocol of the Session on January 30, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Osgyan, da es die sogenannte Parteienfreiheit gibt, darf jede Partei für

sich entscheiden. Sie dürfen Ihren Weg nehmen, wir werden unseren Weg nehmen.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Ich habe mit Ihnen keinen Beratervertrag, Frau Kollegin, und deshalb dürfen Sie Ihre Wege gehen, und wir werden unsere gehen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Aber was ist denn Ihr Weg?)

Ich sage es noch einmal: Qualität wird sich in jedem Fall durchsetzen. Das zeigt sich auch an der steigenden Zahl.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): In einhundert Jahren!)

Wir waren noch nie für ordnungsrechtliche Regelungen. Wir sind für Anreize. Für uns ist es wichtig, dass Mandate auch für Frauen attraktiv sind, sodass sie sich darum bewerben.

(Thomas Gehring (GRÜNE): In der CSU sind sie nicht attraktiv!)

Die Rezepte von vorgestern – ich verlange, dass das so und so und so gemacht wird – sind nicht unser Weg. Diesen Weg werden wir nicht gehen. Wir halten es für verfassungsrechtlich nicht machbar zu verlangen, dass immer ein Paar aufgestellt werden muss. Vielleicht will der Bürger in freier, geheimer Wahl den Kandidaten A wählen, aber die Kandidatin B nicht oder die Kandidatin B, aber den Kandidaten A nicht, muss diese aber mitwählen. Das ist nicht unsere Vorstellung von Wahlrecht und auch nicht die Vorstellung von Wahlrecht, die sowohl das Grundgesetz als auch die Bayerische Verfassung beschreiben.

(Verena Osgyan (GRÜNE): Gewagte Aussage!)

Was Sie als gewagt empfinden, steht Ihnen frei. Das ist eine Wertung. Unsere Wertung ist die, dass dieser Antrag den falschen Weg aufzeigt und wir ihm deshalb keinesfalls folgen werden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin Guttenberger. – Für die SPD-Fraktion darf ich jetzt Frau Kollegin Dr. Strohmayr das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Es ist schon gesagt worden: Wir feiern in diesem Jahr 100 Jahre Freistaat Bayern und damit verbunden 100 Jahre Frauenwahlrecht. Was liegt also näher, als

sich die Situation der Frauen in den Parlamenten einmal näher anzusehen? Wenn man das tut, sieht man sehr schnell, dass hier im Bayerischen Landtag seit dem Jahr 1946 – ich habe mir das einmal angeschaut – die männlichen Abgeordneten unentwegt in der Mehrheit, und zwar teilweise in der überwiegenden Mehrheit waren. Liebe Kollegen und liebe Frau Guttenberger, ich führe das einmal ganz konkret aus, damit Sie die Situation vor Augen haben. 1946: 1,7 % Frauen. 1950: 3,4 % Frauen. 1954: 2,9 % Frauen. 1970 – da gab es einen kleinen Sprung –: immerhin 7,8 % Frauen. 1986: immerhin schon 13,2 % Frauen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Da waren die GRÜNEN dabei!)

Nein, der richtige Sprung kommt jetzt erst. 1994: erstmals 21 % Frauen. Das war das Jahr, in dem die GRÜNEN hereinkamen und wir – also die SPD – eine Quote in den Parteistatuten hatten.

(Karl Freller (CSU): Sie waren seit 1986 dabei!)

2008: endlich 31 % Frauen; da haben wir Frauen einmal die 30-Prozent-Hürde geknackt. Jetzt sind wir wieder bei 28 %.

(Zuruf von der CSU: Das sind die FREIEN WÄH- LER!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist also überhaupt nicht so, dass es automatisch immer aufwärts geht. Es geht sogar rückwärts, und selbst in der Legislaturperiode ab dem Jahre 2008, also 90 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts, als die meisten Abgeordneten hier im Landtag saßen, waren die Frauen immer noch erheblich in der Minderheit. Ich nenne Ihnen einmal die Verhältnisse damals: Es waren 59 Frauen und 128 Männer. So viel zur Situation der Frauen hier im Bayerischen Landtag, und das, obwohl wir Frauen in Bayern 51 % der Bevölkerung ausmachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen sollten uns wirklich zum Nachdenken bringen. Das Grundgesetz, liebe Frau Guttenberger, verpflichtet den Gesetzgeber, die Chancengleichheit für Kandidaten effektiv durchzusetzen. Sie kennen das Grundgesetz und den Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung; dort steht es nämlich. Dieser Absatz ist im Jahr 1994 eingefügt worden und soll bewirken, dass die Chancengleichheit umgesetzt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss also feststellen, dass das im Grundrecht verankerte Recht auf Chancengleichheit von Kandidatinnen und Kandidaten gegeben sein muss. Das ist aus meiner Sicht mehr als ein reiner Programmsatz. Liebe Frau Gutten

berger, Sie haben hier sehr juristisch dargelegt, warum ein Paritätsgesetz aus Ihrer Sicht nicht verfassungsgemäß sein kann. Dem möchte ich widersprechen. Es wird durchaus in Juristenkreisen argumentiert, dass das Demokratiegebot gerade dafür spricht, dass der Satz, der 1994 ins Grundgesetz aufgenommen wurde, endlich umgesetzt werden muss.

Trotzdem fehlen bis heute jegliche gesetzliche Vorgaben hier in Bayern und auch in anderen Bundesländern, obwohl seit Langem bekannt ist, dass für die geringe Anzahl der weiblichen Abgeordneten die Nominierungsverfahren in den Parteien maßgebend sind. Ich möchte das ganz konkret darstellen. 2013 haben sich in Bayern 1.769 Personen zur Wahl gestellt. 977 waren Direktkandidaten. Was meinen Sie, wie viele davon Frauen waren?

(Zuruf von der CSU: 1.000!)

Es waren gerade einmal 354. Dann ist aber klar: Wenn sich in den Parteien so wenig Frauen als Direktkandidaten durchsetzen, werden letztendlich viel weniger Frauen als Männer gewählt werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe vorhin schon ausgeführt, dass die SPD in ihren Parteistatuten zwei sehr effektive Regelungen für die Aufstellung hat. Das sind die Quote und der Reißverschluss. Deswegen ist auch unsere Fraktion mit dem höchsten Frauenanteil hier im Bayerischen Landtag vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Das ist kein Wunder; wir haben ja heute schon darüber gestritten, wer das Frauenwahlrecht eingeführt hat. Ich kann Ihnen sagen, die SPD kämpft seit August Bebel für die Frauen. Wir als SPD-Fraktion stehen da gut da. Aber wir wünschen uns, dass die Regelungen, die wir in unseren Statuten haben, zu gesetzlichen Regelungen werden. Deswegen unterstützen wir den Antrag und bitten Sie, desgleichen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächste Wortmeldung: Kollege Aiwanger. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute darüber, ob es für dieses Land und für die Demokratie besser wäre, wenn mehr Frauen im Parlament säßen. Auch wir FREIEN WÄHLER sind der Überzeugung: Jawohl, der Frauenanteil dürfte und

sollte gerne höher sein. Wir unterscheiden uns nur auf dem Weg dorthin.

Ich glaube, es ist der falsche Weg, das Wahlrecht so zu gestalten, dass man das Ergebnis vorwegnehmen will, also das Wahlrecht so zu ändern, dass am Ende mindestens 50 % Frauen herauskommen. Damit würden wir mit Sicherheit nicht nur in die Aufstellungsversammlungen eingreifen, sondern das ginge fast darüber hinaus. Man müsste dann sogar trotzdem noch weiter verschieben. Vielleicht müsste man dann für fünf Kandidaten drei Frauen aufstellen, um als Wahlergebnis 50 : 50 herauszubekommen.

(Zurufe von der SPD)

Dann stellen wir uns noch die Frage, ob es das einzige Ziel sein muss, den Anteil von Frauen und Männern 50 : 50 abzubilden. Wir haben in diesem Staat einen zunehmenden Anteil an Migranten. Sie werden sehr bald sagen: Die Liste ist so aufzustellen, dass Leute mit Migrationshintergrund mindestens in demselben Prozentsatz auftauchen. In der Bevölkerung draußen wird häufig kritisiert, dass hier Lehrer und Juristen überrepräsentiert seien.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Also werden wir darauf hinwirken müssen, dass in der Liste auch genügend Arbeiter Plätze bekommen, damit für die Arbeiterschaft genügend Prozente herauskommen. Warum unterscheiden wir in dieser Gesellschaft nur zwischen Mann und Frau und nicht nach anderen Kriterien?

(Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Allein schon deshalb ist die Frage zu stellen, worauf Sie am Ende hinauswollen.

Ich sage Ihnen, was der Ansatz der FREIEN WÄHLER ist. Ich glaube, dass wir Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Frauen eine größere Chance geben, in der Gesellschaft Karriere zu machen. Da sind wir im Bereich der Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich bin davon überzeugt, dass wir das Frauenbild auch im Bereich der Bildung ändern und Frauen dazu ermutigen müssen, selbstbewusster zu sein, weil Frauen häufig sogar besser qualifiziert sind. Wir sehen das anhand der Schulnoten und der Abiturnoten. Die besseren Zeugnisse haben in der Regel die Frauen. Karriere aber machen nachher die Männer mit den schlechteren Noten, weil Frauen in der direkten Konkurrenz zum Mann häufig zurückziehen. Wenn bei der Listenaufstellung ein Mann und eine Frau in der Debatte sind und gefragt wird, wer den Platz besetzen soll, wird der

Mann häufig robuster auftreten und die Frau sich eher wegducken.

(Zurufe – Unruhe)

Das führt dann zu der ersten Entscheidung, dass mehr Männer auftauchen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Aber das werden wir nicht erreichen, indem wir gesetzlich verbieten, dass in einer Aufstellungsversammlung so viele Männer aufgestellt werden, wie es ihr beliebt, sondern das werden wir dadurch erreichen, dass wir Frauen selbstbewusster machen, damit sie die Konfrontation nicht scheuen. Sonst muss der Staat ständig an der Seite der Frauen mitlaufen und aufpassen.

Es geht weiter beim Besetzen der Posten von Ministern, Staatssekretären usw. Dann werden Sie auch dort staatlicherseits Quoten verordnen müssen, weil sich sonst ein Ministerpräsident-Aspirant gegen eine Ministerpräsidentin-Aspirantin durchsetzt. Da können Sie doch nicht sagen: Hier kommen wir mit der Quote, weil jetzt die Frau ran muss und nicht der Mann.