Nein, ich habe Sie vorhin dahinten reden sehen. Ich habe das schon mitbekommen. -Sicherlich muss der Staat seine Aufgaben erfüllen, aber die Zivilgesellschaft muss das auch tun. Ich komme gleich zu meiner konkreten Frage. Sie haben verschiedene Programme aufgeführt, mit denen die Zivilgesellschaft vom Freistaat Bayern unterstützt wird. Die meisten davon sind Bundesprogramme, zu denen Bayern gerade einmal die Kofinanzierung leistet. Meine konkrete Frage: Warum sind Sie nicht dazu bereit, dass der Freistaat Bayern ein eigenes Landesprogramm zur Stärkung der Zivilgesellschaft auflegt? Das gibt es in anderen Bundesländern. Sie bekommen das nicht hin. Das finde ich höchst fragwürdig und kann ich nicht ganz verstehen.
Meine letzte Bemerkung: Sie tun die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Fake News ab. Dieser Begriff wird von der Wissenschaft verwendet. Damit beschäftigen sich sehr kluge Menschen.
Es tut mir leid für Sie, aber das ist ein wissenschaftlicher Terminus. Damit beschäftigen sich sehr, sehr kluge Menschen. Vielleicht müssen Sie einfach die einschlägigen Stellen noch einmal nachlesen, damit Sie nachvollziehen können, worum es dabei inhaltlich geht und welcher wissenschaftliche Terminus das ist. Das einfach abzuwischen und zu sagen, damit arbeiten wir nicht, ist hoch unseriös.
Liebe Kollegin Schulze, wir haben uns sehr intensiv über diese Fragen ausgetauscht. Wir haben im Innenausschuss sehr intensiv darüber diskutiert. Wir sind nicht immer einer Meinung in diesen Fragen, was aber auch nicht schlimm ist, solange man auf dasselbe Ziel hinarbeitet. Dieselbe Zielrichtung geht aber manchmal verloren, wenn Diskussionen ausgebremst werden oder wenn andere bewusst ausgegrenzt werden. Sie können uns ernst
nehmen in der Absicht, dass wir die Zivilgesellschaft weiter fördern wollen. Wir fördern die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus beim Bayerischen Jugendring – das ist ein bayerisches Programm – mit jährlich über 80.000 Euro. Dafür setzen wir auch eigene bayerische Mittel ein. Wer sich dort ein bisschen umhört, weiß auch, dass wir sehr engagiert tätig und auch mit unseren eigenen Stellen tätig sind. Deswegen fördern wir auch Projekte wie "Schule ohne Rassismus", die vieles machen. Auch das ist ein bayerisches Programm, das bayernweit getragen wird. Dafür engagieren wir uns stark. Wir haben in der Opferberatung auch zusammen mit der Zivilgesellschaft eigene Strukturen aufgebaut, die wir selber finanzieren. Damit leisten wir einen Beitrag, auf den wir stolz sind und den wir fortsetzen werden.
Was die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit anbelangt, möchte ich nur einen Punkt herausgreifen. Ich habe gedacht, wir seien uns darin einig. Die vergangenen Wochen, Monate und sogar Jahre sollten uns eine Lehre sein. Wir sollten Ängste gewisser Teile der Bevölkerung, die auch einen signifikanten Teil der Bevölkerung darstellen, ernst nehmen. Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in der Wissenschaft umstritten. Das wissen Sie selber. Viele Wissenschaftler sagen, das ist kein Instrument, auf das ich mich verlassen kann. Man arbeitet dabei mit ganz pauschalen Aussagen und Wertungen, die an manchen Sätzen festgemacht werden, bei denen es um Ängste vor Überfremdung geht.
Ich glaube, wir müssen tiefer gehen. Wir müssen die Ängste aufgreifen und fragen, was dahintersteckt. Wir dürfen jemanden nicht sofort in eine Ecke stellen. Deswegen lehnen wir diese Wertung ab. Wir werden Ihren Forderungen nicht nachkommen. Wir können gerne in eine wissenschaftliche Diskussion einsteigen. Das haben wir auch im Rahmen der Anhörung schon gemacht. Ich befürchte aber, dass wir bei dem Punkt leider nicht zusammenkommen werden.
Danke schön, Herr Reichhart. Bitte bleiben Sie noch. Sie durften jetzt noch weiterreden, weil Sie noch Redezeit haben. Wir haben es umgestellt. Falls Sie bei der nächsten Zwischenbemerkung auch länger antworten wollen, Sie haben noch Redezeit. – Jetzt kommt die Zwischenbemerkung vom Kollegen Ritter.
Zum einen möchte ich einen Hinweis, den Sie gegeben haben, richtigstellen. Sie haben gesagt, wir forderten in den Anträgen, die Aus
steigerberatung auf die zivilgesellschaftlichen Anbieter zu übertragen. Das ist mitnichten der Fall. Wir haben gefordert, eine zweite Schiene neben der staatlichen einzuführen. Das ist dann tatsächlich schon mal eine andere Geschichte als das, was Sie dargestellt haben.
Der zweite Punkt ist: Mitnichten spricht aus diesem Antragspaket das Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden. Aber es gibt schlicht und ergreifend Dinge in der politischen Auseinandersetzung über Rassismus, über Antisemitismus, die nicht Aufgaben der Ermittlungsbehörden oder des Verfassungsschutzes sind. Das heißt: In dem Augenblick, in dem nicht die hohe Stufe erreicht ist, bei der gegen eine Aussage wegen Volksverhetzung vorzugehen ist, oder bei der eine Meinung vertreten wird, die nicht in einen organisatorischen, rechtsextremen Rahmen eingebettet ist, haben der Verfassungsschutz und natürlich auch die Polizei ein Problem. Da enden ihre Aufgaben. Deshalb ist es so notwendig, die Zivilgesellschaft zu stützen, um eine politische Diskussion auf breiter Basis in diesem Land zustande zu bringen. Das ist letzten Endes der Hintergrund.
Die zweite Geschichte, die ich noch sagen muss: So, wie Sie die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit dargestellt haben, muss ich feststellen: Offensichtlich haben Sie sich nicht damit beschäftigt.
Bei gesellschaftspolitischen Fragestellungen gibt es immer unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze. Sie sagen, Sie verlassen sich nur auf den einen, den Sie haben, nämlich denjenigen der Extremismustheorie, es gibt keinen anderen. – Das hat im Übrigen auch dazu geführt, dass Sie die "Reichsbürger" so lange falsch eingeschätzt haben.
Fangen Sie wenigstens damit an, unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze einzubeziehen in die Ansätze. Da müssen Sie sich noch nicht einmal auf eine andere Seite schlagen.
(Beifall bei der SPD – Georg Rosenthal (SPD): Das war jetzt ein Privatissimum – et non gratis, Herr Reichhart!)
den es in vielen Diskussionen auch im Innenausschuss, in dem Sie ja manchmal zu Gast sind, mitbekommen haben –, dass wir sehr wohl die Zivilgesellschaft fördern und auch dementsprechend Maßnahmen ergreifen. – Punkt eins.
Punkt zwei: Sie haben selber ausgeführt, dass man wissenschaftliche Überlegungen, wissenschaftliche Anstrengungen, wissenschaftliche Punkte in der einen und in der anderen Richtung sehen kann. Wir haben für uns festgehalten, dass der Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit nicht der Punkt ist, dem wir folgen wollen, dass das nicht der Punkt ist, den wir sehen. Er weist aus meiner Sicht methodische Schwächen auf; deswegen möchte ich mich ihm nicht anschließen. Das ist, glaube ich, genauso zu akzeptieren, wie ich eine andere Sicht akzeptieren muss und auch akzeptieren werde. Es gibt in der Wissenschaft immer verschiedene Meinungen, verschiedene Punkte, verschiedene Aspekte, die für das eine oder für das andere sprechen. Irgendwann mal bildet man sich ein Urteil, und dieses Urteil haben wir uns, habe ich mir gebildet. Deswegen komme ich für mich zum Schluss – und ich habe mich sehr, sehr intensiv mit der Materie beschäftigt –, dass das eben für mich nicht der Standard ist, dem ich folgen möchte, nicht der Standard, den ich als fundiert, als sachlich ansehe, und den ich auch als wissenschaftlich ansehe. Und deswegen lehne ich die Folgerungen, die die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der Methodik anwendet, vielfach ab und komme zum Schluss, dass wir Ihnen deswegen auch bei diesen Anträgen nicht folgen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Rechte Gewalt nimmt zu. Das ist unstrittig. Rechte Gewalt ist ein Sicherheitsrisiko. Das ist ebenfalls unstrittig. Rechte Gewalt wird nach wie vor oft kleingeredet und verniedlicht. Kollege Ritter hat gerade die "Reichsbürger" erwähnt; das ist für mich auch ein Beweis dafür, dass man eigentlich viel zu spät reagiert hat. Ich meine: Bei ganz normaler Betrachtungsweise hätten die Alarmglocken wesentlich früher angehen können.
Das Antragspaket der GRÜNEN und der SPD ist in Zusammenarbeit auf der Grundlage der Ergebnisse der Expertenanhörung im Innenausschuss entstanden. Die Expertenanhörung wurde im Übrigen zu
nächst nicht gewünscht. Sie war aber sehr erfolgreich, denke ich. Die Anträge I mit V spiegeln in erster Linie die Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Expertin Frau Dr. Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie hier in München, wider, einer Dame, die nicht total verdächtig ist, so sehr ideologisch zu sein. Im Übrigen war die Anhörung ideologisch geprägt. Der Ton war nicht gut. Sie wissen, Herr Dr. Reichhart, dazu haben Sie sehr beigetragen.
Wir FREIEN WÄHLER gehen das Antragspaket pragmatisch an. Wir werden zustimmen bzw. zwei Anträge ablehnen, wie wir es schon im Ausschuss gemacht haben. Wir fragen uns ganz konkret und ohne Ideologie, die man uns FREIEN WÄHLERN bestimmt nicht unterstellen kann: Was bringen die Anträge in der Praxis, um diesem gemeinsamen Ziel – das wurde ja auch von Ihnen, Herr Dr. Reichhart, nicht bezweifelt –, den Rechtsextremismus einzudämmen, näherzukommen?
Wir unterstützen – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – ganz klar das bisherige Konzept. Also bitte nicht daraus lesen, die FREIEN WÄHLER lehnen das bisherige Konzept ab! Aber es ist verbesserungswürdig, optimierungswürdig. Es konzentriert sich in erster Linie auf Repression und auf sicherheitspolitische Maßnahmen, die wir natürlich sehr wohl unterstützen und mittragen. Aber es lässt doch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht.
Mei, und dann muss man schon sagen, Herr Dr. Reichhart: Jetzt komme ich wieder auf das Argument, dass Sie jung sind und ich alt. Aber Sie reden hier so quasi: Ich beurteile das halt einfach als nicht wissenschaftlich. – Uh! – Eigentlich Respekt vor Ihrem Selbstbewusstsein, dass Sie so locker andere wissenschaftliche Ansätze negieren. Das würde ich mir nicht zutrauen. Das habe ich mir nicht einmal zugetraut, als ich noch jung war.
Der erste Antrag verlangt eine Evaluation der bisherigen Maßnahmen. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso Sie das ablehnen. Es kann doch eigentlich nichts Besseres passieren, als dass man in einer Evaluation feststellt, dass Sie bisher schon alles gut machen. Dass Sie den Antrag ablehnen, verstehe ich nicht. Wir stimmen dem zu, auch wenn es natürlich dann nicht gemacht wird. Aber eigentlich wär’s doch toll: schriftlich – wir machen gute Arbeit – haben wir den Beweis.
sellschaft und Kommunen. Das ist doch eine Bereicherung Ihres bisherigen Konzepts. Herr Ritter hat es ja gerade noch einmal sehr schön gesagt: Es geht um die zweite Schiene, die man hier aufmacht. Alles, was Prävention heißt – das wissen wir aus Erfahrung –, ist doch gut. Je mehr Angebote ich habe, umso besser ist es. Hier zu sagen, der Staat macht das, das genügt, ist uns zu oberflächlich.
Beim dritten Antrag geht es wieder darum, den Handlungsbedarf wissenschaftlich zu untersuchen. Aber Sie haben ja vorhin schon gesagt: Von Wissenschaft halten Sie nicht viel, und deswegen lehnen Sie das ab.
Der nächste Antrag möchte die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle. Ich habe auch das Protokoll der Ausschusssitzung hier, Herr Dr. Reichhart. – Gut, Sie müssen jetzt dem Herrn Kollegen Huber zuhören, macht nichts. Sie können es im Protokoll nachlesen.
Ich habe das Protokoll nachgelesen, und Sie haben jetzt im Prinzip genau das gesagt, was Sie laut Protokoll schon im Innenausschuss gesagt haben. Das ist in Ordnung. Aber da sagen Sie sehr wohl, die Ministerien arbeiten so gut zusammen, und deswegen brauchen wir keine Koordinierungsstelle. Da sage ich Ihnen: Allein das Kultusministerium ist nicht imstande, in seinem Bereich mit vier verschiedenen Unterabteilungen zusammenzuarbeiten, geschweige denn die verschiedenen Ministerien. Da brauchen wir auf jeden Fall eine Koordinierungsstelle; denn die eine Hand weiß nicht, was die andere tut.
Beim Landesprogramm, Antrag V, gehen wir nicht mit. Wir haben das begründet. Wir meinen, wenn alle Ihre Punkte, die Sie sonst fordern und die wir unterstützen, verwirklicht werden, sollte man mehr Geld in die Hand nehmen, zum Beispiel für den Bayerischen Jugendring, aber hier nicht noch ein weiteres Programm auflegen. Da gehen wir nicht mit. Das haben wir aber, glaube ich, gut begründet, weil wir eben glauben, dass man die Gelder in die bestehenden Maßnahmen stecken sollte.
Im nächsten Antrag steht wieder die Forderung nach einer Beratungsstelle. Natürlich sagen Sie, Herr Dr. Reichhart, heute wie im Innenausschuss: Da gibt’s
ja schon so eine. – Aber auch das ist doch noch zu wenig. Wir brauchen hier ein niedrigschwelligeres Angebot, wir brauchen hier eine zentrale Beratungsstelle.
Genauso gehen wir beim nächsten Punkt mit, einer zivilgesellschaftlichen Ausstiegsberatung. Da verstehe ich Ihre Argumentation sowieso überhaupt nicht. Da sagen Sie auch wieder: Hamma doch, und das kann nur der Staat! Die Ausstiegshilfen bei der Prostitution leistet aber zum Beispiel die Zivilgesellschaft, und sie macht es hervorragend. Es macht mir keiner weis, dass das nur der Staat kann. Ganz im Gegenteil, der Staat ist eigentlich immer die hochschwelligste Instanz. Wir brauchen aber niederschwellige Ausstiegsberatung.