Protocol of the Session on July 18, 2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon interessant, heute in dem Gesetzentwurf genau die Argumente zu lesen, die wir hier in den letzten zwei, drei Jahren für eine Verlängerung auf neun Jahre vorgebetet und dafür in der Regel nur Hohn und Spott und die Feststellung geerntet haben, man brauche eigentlich keine Änderung des Gymnasiums, das G 8 sei erfolgreich. Wenn man genau hinschaut, zumindest auf das, was man im Problemaufriss lesen kann, findet man nach wie vor die Widersprüche, die Sie, liebe CSU-Fraktion, offensichtlich immer noch mit sich herumtragen. Einerseits beschreiben Sie im ersten Absatz, wie erfolgreich und gut das G 8 doch gewesen sei. Ich frage mich, warum Sie es dann ändern.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Lesen!)

Genau, Herr Kollege Prof. Waschler!

Im zweiten Absatz schreiben Sie andererseits genau die Dinge nieder, die für ein G 9 sprechen, die auch wir vorgetragen haben: die gestiegene Heterogenität, mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung als Voraussetzung für umfassende Aufgaben- und Problemlösekompetenz, die neuen Lerninhalte wie Digitalisierung, die gestiegene Bedeutung der Naturwissenschaften und der fremdsprachlichen Kompetenz im Berufsleben, den Wunsch nach zeitlicher Entlastung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das haben auch wir die letzten zwei, drei Jahre immer gesagt. Jetzt tun Sie so, als ob das Ihre Gedanken wären. Nein, die Gedanken waren schon vorher bei uns richtig und sind es jetzt auch bei Ihnen. Genau das sind die Anforderungen, die das G 8 eben nicht hat erfüllen können. Deshalb sind wir ganz bei Ihnen, wenn man heute den ersten und entscheidenden Schritt macht, um das G 9 in Bayern wieder einzuführen.

Allerdings bleibt heute die inhaltliche Ausgestaltung, also der Innenbau dieses Gymnasiums, immer noch relativ vage. Ob Sie das mit oder ohne viel Empathie vortragen, Herr Kultusminister, ist Ihr Problem. Außer Überschriften haben wir heute eigentlich nichts gehört. Es gibt noch immer keine klaren Ansagen, wie sich dieses Gymnasium verändert, um die neuen Inhalte wie Digitalisierung oder mehr politische Bildung, mehr naturwissenschaftliche Orientierung oder mehr Empathie für diese Themen, mehr fremdsprachliche Kompetenz – das alles sind Ihre Worte – tatsächlich einzuführen.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Frau Kollegin Heckner, wir wissen, dass Sie nach wie vor in der 6. Klasse mit der zweiten Fremdsprache beginnen wollen. Hierzu findet offensichtlich keine Diskussion statt; das wäre aber diskussionswürdig. Wir wissen auch, dass wir nach der 10. Klasse die Mittlere

Reife bekommen – eine Selbstverständlichkeit bei neun Jahren. Wir wissen auch, dass die Oberstufe im Wesentlichen offensichtlich nicht geändert wird; gleichzeitig messen Sie der Oberstufe hohe Bedeutung bei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will damit andeuten, dass die Kuh sozusagen noch lange nicht vom Eis ist, wenn es darum geht, eine zufriedenstellende neue Form eines neunjährigen Gymnasiums zu bekommen. Der sogenannte Schulfriede, den sich alle für das Gymnasium wünschen, ist noch immer in Gefahr, wenn wir all die Dinge, die jetzt zu klären sind, nicht in aller Ruhe klären. Welcher Ort ist denn besser dafür geeignet als das Hohe Haus? Sie sollten das nicht in kleinen, geheimen Zirkeln mit Verbänden oder wem auch immer tun. Hier muss eine Klärung stattfinden. Ich bin gespannt, ob Ihre Fraktion dem Ausschuss für Bildung und Kultus nach der Sommerpause eine umfassende Anhörung anbieten wird, in der wir all die Wünsche erörtern, die jetzt an uns herangetragen werden, wie das Gymnasium ausschauen soll und was es berücksichtigen soll. Vermutlich wird es andersherum sein: Wir werden wieder vor vollendete Tatsachen gestellt und haben wie immer zu schlucken, was Sie ausklamüsern. Ich glaube, das kann nicht Ziel und Zweck dieser grundlegenden Neuaufstellung des neunjährigen Gymnasiums sein.

Ich hoffe, dass das Hohe Haus in die inhaltliche Ausgestaltung noch intensiver und besser einbezogen wird. Ich hoffe das nicht nur, sondern ich erwarte von Ihnen, dass Sie das hier in entsprechendem Maße umsetzen werden. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Kollege Güll. – Für die CSU-Fraktion ist die nächste Wortmeldung vom Kollegen Lederer. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! 2014 haben uns alle Experten unisono bei einer Anhörung zum Thema Gymnasium gesagt: Ob G 8 oder G 9 sei die völlig falsche Frage; wichtiger sei, zunächst die Inhalte festzulegen und aufgrund derer dann die Struktur. – Wir haben uns daraufhin bereits 2014 in Banz mit den Inhalten beschäftigt. Ich bin der Meinung, dass das achtjährige Gymnasium in Bayern gut aufgestellt ist.

(Thomas Gehring (GRÜNE): War! Es ist Vergangenheit!)

Das zeigen uns verschiedenste Dinge:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Warum ändern Sie es dann ab?)

die Abiturdurchschnitte, die gesunkene Wiederholerquote, die seit vielen Jahren stabile Übertrittsquote. Das zeigen uns aber insbesondere auch nationale Vergleichsstudien wie die IQB-Studie 2015.

Aber: Wie wir alle wissen, des Guten Feind ist das Bessere. Wir alle wissen, dass wir im 21. Jahrhundert große Herausforderungen, insbesondere im Schulsystem, speziell im Gymnasium, zu bewältigen haben. Wir haben eine gestiegene Heterogenität, wir haben gestiegene Anforderungen in puncto Studium und Beruf. Ich denke an die Internationalisierung und den ganzen technischen Bereich, der unglaublich forciert wird. Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Neben der Technik spielen zunehmend auch die Werte eine Rolle, sodass wir hier auch die gesellschaftliche Entwicklung im Auge haben müssen.

Wir haben auch eine ganze Reihe von Wünschen vonseiten der Eltern und der Schüler, zum Beispiel den Wunsch nach mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung oder den Wunsch nach mehr Zeit für inner- und außerschulisches Engagement. Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu finden, hat Kultusminister Dr. Spaenle einen Dialog mit der Schulfamilie ins Leben gerufen. Am Ende dieses Dialoges steht Gott sei Dank ein breiter Konsens, nämlich das Bildungspaket, das wir in Bayern auf den Weg bringen. Darin ist das neue bayerische Gymnasium enthalten: ein neunjähriges Gymnasium aus einem Guss.

In der Verbände-Anhörung und in vielen Gesprächen haben wir ein sehr positives Echo erhalten. Herr Kollege Güll, es ist mitnichten so, dass der Schulfrieden in Gefahr ist, sondern wir werden von den Verbänden und von den Eltern und Schülern bestärkt.

Ziel des neuen bayerischen Gymnasiums ist es nicht, zurück zu einem alten G 9 zu gehen, ist es nicht, Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 ab der 5. Jahrgangsstufe zu initiieren. Ziel ist es nicht, ein G 9 light zu etablieren, so wie dies zum Beispiel die SPD in ihrem ersten Entwurf vorgeschlagen hat, bei dem keine einzige Stunde mehr im Gymnasium unterrichtet worden wäre. Wir unterfüttern unsere Aussagen mit mehr Stunden im System.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte am Ende eine Zwischenbemerkung. – Wir möchten auch kein neunjähriges Gymnasium, das die KMK-Anforderungen missachtet, sondern wir wollen ein neues bayerisches Gymnasi

um, dass dreimal mehr bietet, nämlich mehr Qualität, mehr Zeit und mehr Individualisierung.

Zu Punkt eins, mehr Qualität. Oberste Richtschnur ist nach wie vor die vertiefte Allgemeinbildung, die Reflexionsfähigkeit, das Verantwortungsbewusstsein und dadurch insgesamt auch die Studierfähigkeit, nicht nur die Studierberechtigung. Ein zusätzliches Schuljahr heißt in etwa 17 bis 19 zusätzliche Wochenstunden. Damit wollen wir die digitale Bildung und die politische Bildung stärken. Wir wollen die Studien- und Berufsorientierung stärken. Wir wollen die Kernfächer stärken, ohne dass andere Fächer schlechtergestellt werden. Wir wollen Fremdsprachen und den MINTBereich fördern. Deswegen wollen wir auch die zweite Fremdsprache ab der 6. Jahrgangsstufe beibehalten. Wir wollen die Profilbildung in der Ausbildungsrichtung ab der 8. Jahrgangsstufe beibehalten, damit diese Bereiche von diesem zusätzlichen Lernjahr profitieren.

Wir wollen den mittleren Schulabschluss nach der 10. Jahrgangsstufe. Wir möchten die 11. Jahrgangsstufe so konzipieren, dass sie als Einführungsphase für die Oberstufe gilt und dass propädeutisch gearbeitet werden kann. Das Ganze wird unterfüttert mit einem Lehrplan, der auf neun Jahre ausgelegt ist und der Kompetenzsteigerungen zum Beispiel durch zusätzliche Inhalte in digitaler Bildung, in politischer Bildung und im Hinblick auf Berufs- und Studienorientierung vorsieht.

Zweitens wollen wir mehr Zeit, mehr Zeit für inner- und außerschulisches Engagement. Beim innerschulischen Engagement kommen uns diese 17 bis 19 zusätzlichen Wochenstunden zugute: Es gibt mehr Zeit für Kompetenzerwerb durch Vertiefung, durch Wiederholung, aber auch mehr Zeit für zusätzliche Anforderungen, zum Beispiel um der Globalisierung oder der technischen Entwicklung gerecht zu werden; mehr Zeit für die Berufsorientierung; mehr Zeit für Internationalisierung, und zwar nicht nur im Unterricht, sondern vielleicht auch dadurch, dass während der Schulzeit wieder das eine oder andere Auslandsjahr genommen wird, zum Beispiel in der 11. Jahrgangsstufe. Dies wollen wir auch durch Stipendien weiter fördern und unterstützen.

Durch die Reduzierung des verpflichtenden Nachmittagsunterrichts wollen wir mehr Zeit für nichtverpflichtende Angebote in der Schule: Musik, Theater, Schulgarten, Sport usw. Aber auch das außerschulische Engagement der Schüler kann dadurch erhöht werden, indem sie am Nachmittag mehr Zeit haben, um sich in Vereinen, Organisationen usw. zu entwickeln. Das trägt auch zur Persönlichkeitsbildung bei.

Drittens wollen wir mehr Individualisierung. Kultusminister Spaenle sagt schon seit Jahren: G 8 für alle ist genauso überholt wie G 9 für alle. Deswegen wollen wir eine einzigartige Überholspur etablieren. Durch das individuelle Auslassen der 11. Jahrgangsstufe bieten wir eine echte achtjährige Alternative an. Die Schüler sollen gezielt informiert, gefördert und durch Begleitmodule bis zu vier Wochenstunden pro Schuljahr unterstützt werden. Dabei ist das Auslassen aber nicht zwingend. Zum Beispiel kann man auch das Auslandsjahr in Anspruch nehmen oder eben das Ganze als zusätzliche Förderung in Anspruch nehmen. Dennoch wollen wir am bewährten System der Intensivierungsstunden festhalten und diese nicht abschaffen, sondern entsprechend weiterentwickeln.

Ich meine, auch der Zeitplan für die Einführung ist sinnvoll gewählt, sodass ich fest davon überzeugt bin, dass das neue bayerische Gymnasium einen sehr guten Weg nimmt. – Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lederer. – Jetzt haben wir noch die Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Stamm. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Kollege Lederer, danke, dass Sie uns noch einmal gesagt haben, was Sie wollen. Relativ oft ist das Wort "wir" gefallen. Ich habe mich gefragt, ob mit dem Ausdruck "wir" auch der Minister gemeint ist. Es war nämlich definitiv nicht zu verstehen, was der Minister meinte. Das war ein Heruntergeleiere; das war ein Dialog mit sich selbst. Vielleicht können Sie noch einmal kurz ausführen, was der Minister bei der Einbringung dieses Gesetzes meinte. Ich finde, das hat überhaupt nicht der Ernsthaftigkeit dieses Reformprojekts entsprochen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie noch einmal kurz darlegen würden, ob das "wir", das Sie so oft genannt haben, auch den Minister einschließt, und wenn Sie vielleicht kurz zusammenfassen können, was er sagte. Ich bin nicht die Einzige, die ihn nicht verstanden hat. Das ging durch die Reihen. Dass er keine Empathie zeigt, finde ich nicht so wichtig. Wichtig wäre aber etwas Ernsthaftigkeit bei der Ersten Lesung.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Liebe Kollegin Stamm, ich sage es jetzt einmal so: Wenn Sie meinen Ausführungen gelauscht haben, werden Sie sehr viel dessen erkannt haben, was auch der Minister ausgeführt hat. Darüber

hinaus kann ich Ihnen empfehlen, wenn Sie nicht alles wortwörtlich verstanden haben, einfach das Protokoll nachzulesen.

(Beifall bei der CSU)

Ansonsten können wir uns auch gerne im Anschluss noch einmal intensiv über das neue bayerische Gymnasium unterhalten.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Heute Abend beim Sommerempfang!)

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Damit kommen wir zur nächsten Wortmeldung. Kollege Prof. Piazolo, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Endlich, endlich ist es so weit: Wir haben einen Gesetzentwurf zum neunjährigen Gymnasium, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, war das zäh, die CSU auf die Spur zu bringen; war das zäh; hat das lange gebraucht. Mir würden jetzt viele Beispiele aus dem Tierreich einfallen, aber diese verkneife ich mir, weil das nicht unbedingt parlamentarisch wäre.

Zwei Volksbegehren, eines davon von den FREIEN WÄHLERN, viele, viele Vorschläge der Lehrerverbände, der Eltern und der Schüler und vieles mehr – trotzdem steht im Gesetzentwurf immer noch – daran merkt man, wie zäh und wie schwierig es war –, dass sich die achtjährige Form bewährt habe. Ich habe mir die Rede von Herrn Lederer angehört. In den ersten zwei Minuten ging es darum zu begründen, warum das achtjährige Gymnasium so toll ist. Ich frage Sie: Warum ein neunjähriges Gymnasium, wenn das achtjährige so toll war?

(Zuruf von der CSU: Zuhören!)

Ich habe schon zugehört. Es ist schon peinlich, in einen Gesetzentwurf hineinzuschreiben, wie schwer im Grunde genommen der Abschied gefallen ist. Ich sage Ihnen: Eine ganze Schülergeneration hat unter Ihrer Bockigkeit gelitten, eine ganze Schülergeneration.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich wiederhole den Satz, den ich beim letzten Meinungsaustausch hier im Plenum gesagt habe: Die CSU-Fraktion ist der Fußkranke bei der G-9-Völkerwanderung. Sie sind als Letzte von allen hier ins Ziel gekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.