Menschen mit Behinderung haben einen Anspruch auf Integration und Inklusion, wobei vor allen Dingen die gezielte und individuelle Förderung entsprechend der jeweiligen Behinderungsart unterschiedliche Antworten erforderlich macht. Es gibt nicht nur einen richtigen Weg der Inklusion. Das gilt sowohl in der Bildung, beim Wohnen und in der Arbeit als auch im sonstigen gesellschaftlichen Leben. Schließlich fordern die Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern Staat, Kommunen
und die Träger der Wohlfahrtspflege sowie Kirchen und das großartige ehrenamtliche Engagement besonders. Ich darf an dieser Stelle nochmals, auch wenn es immer wieder mal schlechtgeredet worden ist, dieses wunderbare Engagement von Ehrenamtlichen in unserem Land gerade auch in der Flüchtlingsarbeit ausdrücklich wertschätzen und meinen Dank dafür aussprechen.
Dabei müssen wir den Integrationsprozess tatsächlich als einen zweiseitigen Ansatz sehen. Die Ergebnisse dieses Integrationsprozesses sind insgesamt positiv zu bewerten, wenn man die Situation im Kontrast zu anderen Ländern betrachtet, die mit uns vergleichbar sind.
Ich möchte noch zwei Aspekte in besonderer Weise thematisieren. Wie auch Kollege Imhof als Pflege- und Patientenbeauftragter meint, darf die Situation der Pflege trotz der Änderung der Zuständigkeiten der Ressorts nicht aus dem Bericht zur sozialen Lage verdrängt werden. Es ist notwendig, den Stellenwert der Pflege in der Politik insgesamt mindestens auf den Bewusstseinsstand zu heben, der in der Bevölkerung schon besteht. Für die pflegenden Angehörigen ist es notwendig, in der ambulanten und stationären Pflege bei neuen Wohn- und Pflegeformen die Herausforderung anzunehmen und diesen Schwerpunkt als Bestandteil des sozialen Bayern zu akzeptieren.
Alles, was an Weiterentwicklungen erörtert wird, erfordert neben dem herausragenden ehrenamtlichen Engagement Personal, das in den unterschiedlichen Strukturen arbeitet. Soziale Arbeit hat Zukunft. Diese Zukunft muss intensivere Perspektiven in der Personalgewinnung, in der Refinanzierung der Kosten in den unterschiedlichen Bereichen und bei Studienplätzen finden. Die Perspektiven der sozialen Arbeit sind eine Herausforderung, die uns auch in diesem Haus künftig besonders beschäftigen muss. Hinsichtlich der Arbeit von Menschen in sozialen Berufen muss es eine deutlich positive Entwicklung geben. Diese sollten wir nachdrücklich unterstützen.
Das Wohnen und der Wohnungsbau stellen nicht nur aufgrund der Migrationsentwicklung eine besondere Herausforderung dar. Sowohl die hohe Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen mit Bleibeperspektive als auch individuelle Lebenssituationen der Trennung, Scheidung oder Krankheit und andere Problematiken, die zu einer Gefährdung der Wohnung führen, machen die Frage der Vermeidung der Obdachlosigkeit
gerade in den Ballungsräumen zu einer zentralen Herausforderung. Mit dem Wohnungspakt Bayern mit 28.000 zusätzlichen neuen Wohnungen sind wir hier auf einem guten Weg. Allerdings muss, wie ich auch aufgrund aktueller Entwicklungen meine, die jeweils zuständige Kommune im Wohnungsbau ernsthaft die Bevölkerung mitnehmen und in den Strukturen, zum Beispiel im Quartiersmanagement, stärker in die Wohnungsbauförderung einbeziehen, damit diese großen Herausforderungen bewältigt werden.
Lassen Sie mich abschließend die Situation der Menschen mit Behinderung ansprechen. Wir müssen sehen, dass wir mit der Förderung von Menschen mit besonderen Behinderungsarten einen klaren Weg gehen, und zwar bei Blinden, bei Gehörlosen und insbesondere bei Schwerstsehbehinderten mit dem TeilBlindengeld, das wir in den kommenden Wochen und Monaten beraten werden. Es ist eine Herausforderung für die Politik, Politik für und mit Menschen mit Behinderung zu machen, die wir ganz zentral in den Fokus stellen, meine Damen und Herren.
Die Fragestellungen Integration, Familienpolitik und Arbeitsmarktpolitik werden die Kollegen Kerstin Schreyer und Thomas Huber noch darstellen. Erlauben Sie mir abschließend noch den Hinweis, dass wir in der Sozialpolitik gut aufgestellt sind angesichts der Herausforderungen, die in gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem Integrationsprozess, der Flüchtlingsbewegung, der demografischen Entwicklung und dem Digitalisierungsprozess – Stichwort: Wirtschaft und Arbeit 4.0 – zu sehen sind. Das sind alles Herausforderungen, denen wir uns sozialpolitisch stellen. Wir sind dazu bereit. Der Sozialbericht, den die Ministerin hervorragend dargestellt hat, bietet uns dafür eine gute Grundlage.
Danke schön, Herr Unterländer. – Unser nächster Redner ist der Kollege Dr. Fahn. Bitte schön, Herr Fahn.
Frau Ministerin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir danken Ihnen für Ihren Bericht. Es ist aber so: Sie haben viele positive Dinge genannt. Diese sind alle richtig; aber Sie haben nur für 70 % der bayerischen Bevölkerung gesprochen. Das muss ich ganz klar sagen. 30 %, nämlich die Problemgruppen, haben Sie praktisch weggelassen. Deswegen ist es selbstverständlich, dass wir hier schwerpunktmäßig auf diese 30 % eingehen. Herr Unterländer, Sie haben das unter Verweis auf die Durchschnittswerte kritisiert. Aber es sind Durchschnittswerte. Manche Leute, die arm, gefährdet und
schwach sind, haben nichts von diesen Durchschnittswerten. Um diese Leute müssen wir uns besonders kümmern.
Deswegen hat Herr Thomas Beyer natürlich recht, der vor einer Spaltung der Bevölkerung warnt, wenn wir uns immer nur mit diesen 70 % beschäftigen, nicht mit den 30 %.
Ich habe sechs Punkte, Frau Ministerin. Erster Punkt. Leider gilt der Satz "Jeder muss von seiner Arbeit leben können" heute nicht mehr. Wir müssen feststellen: Es ist ein Schattenreich der Arbeit geschaffen worden. Da wird nicht etwa schlecht gearbeitet, sondern die Löhne und die soziale Absicherung sind schlecht. Wir haben ein Schattenreich der Leiharbeit, der Dumpinglöhne, der Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit usw. Deswegen ist das ein Problem geworden. Vor allem darf die Leiharbeit nicht ausufern und für eine unsoziale Kostensenkung oder Verdrängung der Stammbelegschaften missbraucht werden.
"Sozial ist, was Arbeit schafft", sagte einmal der Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung. Doch genau dieser Satz verleugnet die Ungleichheit, die ich gerade benannt habe. Deshalb gilt dieser Satz heute nicht mehr in dieser Form, meine Damen und Herren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil Sie "Sozial ist, was Arbeit schafft" immer wieder hervorheben.
Zweiter Punkt. Altersarmut. Sie haben in Ihrem Bericht sogar zugegeben, dass Bayern bei der Armutsgefährdung älterer Menschen schlechter als der Bundesdurchschnitt liegt. Bayern hat eine Quote der Armutsgefährdung älterer Menschen von 16,7 % aufzuweisen und liegt damit um zwei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Das stimmt. Deswegen müssen wir das Thema Altersarmut ganz konkret aufnehmen. Arme sterben früher. Zum Beispiel liegt im Landkreis Starnberg – das ist ein reicher Landkreis – die durchschnittliche Lebenserwartung bei 83,6 Jahren, im armen Landkreis Hof nur bei 73 Jahren. Daran sehen Sie: Armut schafft Probleme, Arme sterben früher. Die Frau Rauscher hat es richtig gesagt. Es sind in Bayern insgesamt 1,4 Millionen Betroffene. Tun Sie etwas für diese Leute! Das ist wichtig und notwendig.
Nun werde ich zwei Beispiele nennen: Es gibt eine Rentnerin Martha P. aus Kürnach im Landkreis Würzburg. Ihr Mann wurde als Autolackierer berufsunfähig und erhielt eine geringe Rente. Martha war zeitlebens Hausfrau und zog vier Kinder groß. Sie konnten sich keinen Urlaub leisten, fuhren aber jedes Jahr mit dem Seniorenclub über ein Wochenende weg. Nach dem
Tod des Ehemannes konnte sich die Witwe mit ihrer kleinen Rente nichts mehr leisten. Auch den Beitrag zum Sportverein musste sie einsparen. Sie verlor ihren Freundeskreis, wurde einsam und ist seit einigen Monaten ein Pflegefall. Frau Ministerin, tun Sie etwas für solche Menschen! Das ist wichtig. Die Frau aus dem Beispiel gehört zu den 30 %, um die wir uns verstärkt kümmern müssen.
Das zweite Beispiel: Ludwig und Martina, ein Rentnerehepaar, lebten am Stadtrand von München. Ludwig erhielt als ehemaliger Dreher eine gute Rente. Das Ehepaar konnte sich eine gute Wohnung leisten, welche die beiden seit Jahrzehnten bewohnten. Nach dem Tod des Mannes musste die Witwe aus der Wohnung ausziehen, da sie sich die Miete nicht mehr leisten konnte. Sie zog zu einer Freundin. Als die Freundin verstarb, musste die Witwe lange nach einer bezahlbaren Wohnung suchen. Sie zog schließlich in ein Hochhaus. Dort vereinsamte sie zunehmend und beging schließlich Selbstmord.
Solche Beispiele müssen wir jeden Tag in den Zeitungen lesen. Die Beachtung dieser Fälle ist sehr wichtig. Die genannten Fälle sind keine Einzelfälle. Diese Menschen gehören zu den benachteiligten 30 %. Frau Ministerin, tun Sie etwas für diese Leute! Das ist wichtig und insgesamt notwendig.
Dritter Punkt. Die Renten sind eindeutig zu niedrig. Das können wir immer und überall lesen. Das ist sehr unbefriedigend. Daher erheben wir, die FREIEN WÄHLER, vier Forderungen: Erstens. Das Rentensystem muss bereinigt werden. Die sogenannten versicherungsfremden Leistungen müssen raus. Zweitens. Die weitere Absenkung des Rentenniveaus muss sofort ausgesetzt werden. Drittens. Alle Mütter sollen das Recht auf gleiche Rentenansprüche haben, unabhängig vom Geburtsdatum ihrer Kinder. Jedes Kind muss uns gleich viel wert sein.
Viertens. Der Faktor Arbeit darf nicht erheblich verteuert werden. Darum müssen die Beiträge zur Rentenversicherung langfristig bei maximal 20 % bleiben. Frau Ministerin, tun Sie etwas dafür! Die CSU ist in der Bundesregierung und kann entscheidende Weichen stellen.
Vierter Punkt. Viele Arbeitnehmergruppen haben in Bayern Probleme. Hierzu zählen die Pflegekräfte, die
unsere Mütter und Väter zwar unter großer körperlicher Anstrengung betreuen, aber nicht angemessen bezahlt werden. Erst kürzlich wurde bei einer Veranstaltung in Würzburg, bei der auch Claus Fussek zu Gast war, mitgeteilt, dass ein Pfleger nur durchschnittlich acht Jahre an seinem Arbeitsplatz bleibt. Danach ist er körperlich derart aufgearbeitet, dass er den Beruf wechseln muss. Das kann nicht sein. Wir müssen für die Pfleger in Deutschland bessere Bedingungen schaffen. Die Pflege wird die große Herausforderung der Zukunft sein. Deswegen müssen wir uns dafür einsetzen. Wir müssen uns außerdem für die Erzieherinnen und Erzieher engagieren. Wir müssen uns natürlich auch für die vielen jungen Menschen einsetzen, die nach teilweise sehr guten Berufsausbildungen oder nach dem Studium von einem Praktikum zum nächsten hasten, keine berufliche Perspektive haben und nicht auf eigenen Füßen stehen können. Frau Ministerin, tun Sie etwas für diese jungen Menschen! Das sind gut ausgebildete Leute, die einen Job suchen.
Fünfter Punkt. Der Ausbau der Barrierefreiheit ist ein weiteres Thema, das zum Großteil auch nur heiße Luft ist. Der Ausbau der Barrierefreiheit erfolgt zu langsam. In Bayern sind wir vom flächendeckenden Ausbau der Barrierefreiheit bis 2023 noch weit entfernt. Auch im Bereich des Tourismus müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Die Ferienregionen müssen barrierefrei ausgebaut werden. Das ist ganz wichtig. Von unseren 3.250 öffentlichen Gebäuden sind inzwischen lediglich 1.000 barrierefrei. Sie werden bis 2023 nicht alle öffentlichen Gebäude barrierefrei gestalten können. Das hat aber Ihr Ministerpräsident vorgegeben. Deswegen sage ich: Engagieren Sie sich, damit das auch umgesetzt wird!
Sechster Punkt. Das Ehrenamt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Es ist toll, dass mittlerweile 50 % der Bevölkerung Bayerns ehrenamtlich tätig sind. Das ist gut, und wir loben alle, die sich ehrenamtlich betätigen. Das ist klar. Jedoch gilt auch: Das Ehrenamt, welches die Staatsregierung sehr stark fördert, darf kein Ersatz für zurückgehendes staatliches Engagement in der Sozialpolitik sein. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich hier anführen möchte.
Die Ehrenamtskarte ist ein Modell und ein Projekt. Das Modell läuft sehr gut an. Aber die Kommunen erhalten für ihre Einführung nur 5.000 Euro. Hier könnte noch mehr gemacht werden. Bei der Betreuung von Flüchtlingen leisten Ehrenamtliche eine unersetzbare Hilfestellung. Wir möchten uns recht herzlich bei die
sen Ehrenamtlichen bedanken. Nur durch die vielen Helfergruppen vor Ort konnten wir den Flüchtlingsstrom so gut bewältigen. Diese Helfergruppen setzen sich ein.
Übrigens ist der Beschluss der Staatsregierung, die dezentralen Unterkünfte aufzulösen, vielfach ein Schlag gegen die vielen ehrenamtlichen Helferkreise. Dazu gibt es im Sozialausschuss immer mehr Petitionen. Diese verschiedenen Helferkreise haben bisher die dezentralen Unterkünfte mustergültig betreut. Deshalb fordern wir, die örtlichen Gegebenheiten und Strukturen zu beachten; dazu werden wir auch einen Antrag einbringen. Ansonsten werden uns die zahlreichen Helferkreise komplett wegbrechen. Frau Ministerin, bitte beachten Sie das.
Frau Ministerin, ich komme nun zu Ihrem neuesten Projekt der Integrationslotsen. Das ist zunächst einmal gut. Sie wollten dieses Projekt zuerst nur in 15 Kommunen laufen lassen. Jedoch haben sich 27 Kommunen beworben, die alle das Modellprojekt anbieten können. Das ist zunächst einmal gut und richtig. Es geht um 40.000 Euro. Aber das Modell läuft zum 31.12.2017 aus. Ich stelle mir die Frage: Wie geht es weiter? Was machen Sie? – Sie möchten anschließend evaluieren. Aber ich sage Ihnen jetzt schon, dass das ein gutes Projekt ist. Geben Sie doch jetzt schon Ihr Wort, dass wir dieses Projekt bayernweit ausdehnen werden! Geben Sie den Kommunen eine gewisse Bestandsgarantie! Sie initiieren immer wieder Modelle, aber wenn es um die Fortsetzung der Projekte geht, werden die Kommunen alleingelassen. Es wäre sinnvoll, das Projekt zu einer Regelförderung auszuweiten. Das ist ganz wichtig. Eine Regelförderung statt eines Modellprojekts wäre sinnvoll.
Frau Ministerin, dasselbe gilt übrigens für die Mehrgenerationenhäuser. Jeder lobt diese Häuser, aber die Häuser zittern jedes Jahr, wie es weitergeht.
Ich komme jetzt zum Schluss, weil meine Kollegin Gabi Schmidt den zweiten Teil vorträgt. Es ist ganz klar, da gebe ich Frau Rauscher völlig recht, die Schere zwischen Arm und Reich geht in Bayern weit auseinander. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Schere schließt. Ich komme auf das zurück, was ich am Anfang bereits gesagt habe: In Bayern gilt nicht nur der Durchschnittswert. Wir müssen alle Menschen in Bayern betrachten. Engagieren Sie sich deshalb für alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat und nicht nur für die 70 %, denen es gut geht! Engagieren Sie sich auch für die übrigen 30 %! Nehmen Sie diese 30 % beim nächsten Mal auch in Ihre Rede auf! Dann
Vielen Dank, Herr Dr. Fahn. – Unsere nächste Rednerin ist Frau Katharina Schulze. Bitte schön, Frau Schulze.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ach, Frau Sozialministerin, was haben Sie aus dem Sozialbericht gemacht? – Er wurde damals auf Antrag der GRÜNEN eingeführt. Er war dafür gedacht, eine ehrliche Analyse vorzustellen. Danach hätten sich Überlegungen zu Handlungsempfehlungen angeschlossen. Aus Ihrem Ministerium kommt nun aber eine Art Leistungsschau im Wahlkampf. Das ist eine Selbstdarstellung mit einer gehörigen Portion Schönrechnerei. Das ist bitter. Es wäre sinnvoll, sich ernsthaft mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Obwohl wir in Bayern eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben, was sehr positiv ist, ist nicht alles Gold, was glänzt. Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen.
Stellen wir uns zwei 40-jährige Männer vor. Einer hat ein gutes Einkommen und bewohnt mit seiner Familie eine ruhige, großzügige Wohnung mit Garten und lebt gesundheitsbewusst. Der andere Mann arbeitet für ein Gehalt, das knapp über dem Mindestlohn liegt, und hat ebenfalls Familie. Aber der Lohn reicht nur für eine zu kleine Wohnung an einer lauten und vielbefahrenen Straße. Für Sport reicht die Zeit nicht. Für gesunde Ernährung fehlt das Geld. Im Durchschnitt wird ein Mann, der in Bayern lebt und jetzt 40 Jahre alt ist, 80 Jahre alt. Wohlgemerkt: Die Lebenserwartung hängt vom Wohlstand ab. Wer arm ist, stirbt früher, und wer reich ist, lebt länger. 15 Jahre beträgt der Unterschied bei 40-jährigen Männern. Der ärmere Mann aus dem gerade genannten Beispiel wird vermutlich nur etwas über 70 Jahre alt werden. Der reichere Mann wird weit über 80 Jahre alt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut man auf den Durchschnitt, geht es uns in Bayern gut. Es gibt hohe Einkommen und wenig Armut. Darüber können wir uns freuen. Aber auch im reichen Bayern gibt es arme Menschen. Das ist mir in Ihrem Bericht etwas zu kurz gekommen. Mit dem Durchschnitt ist es bekanntlich immer ein kleines Problem. Die mittlere Temperatur ist zwar wunderbar, aber wenn Sie mit den Füßen im Eiswasser stehen und Ihre Hände in kochendes Wasser tauchen, werden Sie das trotzdem nicht schadlos überstehen.
Auch unsere Gesellschaft wird beschädigt, wenn die soziale Ungleichheit immer größer wird und die Einkommen immer weiter auseinanderklaffen. Wir, die GRÜNEN, möchten das ändern. Menschen, die in Armut feststecken, brauchen eine Perspektive, wie sie da wieder rauskommen. Doch dafür muss man erstens mit offenen Augen durch die Welt gehen und zweitens auch den Willen haben, dies zu ändern. Denn auch wenn der Wohlstand in Bayern wächst, haben nicht alle etwas davon. Betrachten wir eine Gruppe: die Kinder. In Augsburg, Bayreuth und Würzburg ist jedes siebte Kind arm; in Aschaffenburg, Weiden, Fürth und Coburg ist es jedes sechste Kind; und in Nürnberg, Schweinfurt und Hof ist jedes fünfte Kind arm. Sie alle sind auf Hartz IV angewiesen. Meine Damen und Herren, Sie alle können sich vorstellen, was das für die Kinder bedeutet. Diese Erfahrung prägt einen für das ganze Leben. Kein Geld für die Kinokarte oder den Besuch im Zoo, zusehen, wenn die anderen Kinder sich ein Eis kaufen können, und man selbst kann es nicht.