Dem Großteil der Menschen in unserem Land geht es gut, zum Teil richtig gut. Auch das ist Realität. Was Sie aber nicht erwähnen, ist zum Beispiel, dass Bildung in Bayern nach wie vor vom Geldbeutel der Eltern abhängt, dass uns nach wie vor 33.000 Krippenplätze fehlen und die Betreuung in den Randzeiten eben nicht so ist, dass Eltern ihrem Beruf ausreichend nachgehen könnten. Das bedarfsgerechte Ganztagsangebot für Grundschüler fehlt ebenfalls.
Sie erwähnen auch nicht, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur mit Geschick und sehr viel Energie möglich ist. Ich muss Sie da schon einmal fragen, ob es im Sinne einer Regierung sein kann, dass nur die ganz Hartnäckigen es schaffen, beides zu bekommen: einen Beruf – im Idealfall nicht nur auf 450-Euro-Basis – und Familie. Haben denn alle anderen in unserem Land wirklich Pech? – Das kann doch wirklich nur ein schlechter Scherz sein und hat nichts mit echter Bedarfsgerechtigkeit zu tun.
"Guter Lohn für gute Arbeit" wird für viele immer mehr zum Fremdwort. Die Tarifbindungen nehmen ab. Gegenmaßnahmen? Fehlanzeige!
Fehlanzeige herrscht auch bei der Chancengerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Frauen in der ersten Führungsriege nimmt sogar ab anstatt zu. Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau stagniert bei rund 25 %.
Bildungs- und Chancengerechtigkeit wären aber nötig, um Armut heute und im Alter effektiv zu verhindern. Doch auch hier verschließt die Staatsregierung aus unserer Sicht gern beide Augen.
Nun zu den Rentnern. Fast jedem fünften Rentner in Bayern droht Armut, unter anderem deshalb, weil die Durchschnittsrente unter dem Schwellenwert für Armutsgefährdung liegt. Da kann der Durchschnittswert aller Rentner noch so sehr über dem Bundesniveau liegen. Für zu viele ist das lediglich ein unerreichbarer Traum, wenn ihre eigene Rente dennoch unter der Armutsschwelle liegt. Da hilft Ihre Betrachtungsweise des Durchschnitts den Betroffenen leider gar nichts. Gehen Sie einmal hinaus und sprechen Sie mit Betroffenen! Schauen Sie sich an, wie die Situation im Alltag und vor Ort aussieht!
Auf die überdurchschnittlich hohe Langzeitarbeitslosenquote, gerade auch in der älteren Generation, findet die Staatsregierung ebenfalls keine passende Antwort. Erst letzte Woche haben Sie einen Vorschlag der SPD-Landtagsfraktion für Gegenmaßnahmen im Sozialausschuss abgelehnt.
Nun noch kurz zum Thema Inklusion. Menschen mit Behinderung sind überdurchschnittlich von Armut betroffen. Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung steigt weiterhin. Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse stagniert bei gerade einmal 3 %.
Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Auf die Lippenbekenntnisse der Staatsregierung folgte prompt die Halbierung der Landesmittel für die Wohnraumförderung. 50.000 Sozialwohnungen fehlen heute. Die Tendenz – das ist uns allen bekannt – ist steigend.
Mit wenig Geld ein gutes Zuhause für sich selbst und seine Kinder zu finden, wird immer schwieriger. Echte Hilfe ist mit Ihnen leider nicht in Sicht.
Frauen, die von Gewalt betroffen sind, erhalten nicht die Hilfe, die sie brauchen, weil Sie von der CSU und der Staatsregierung jede Aufstockung der Mittel für Frauenhäuser verweigern.
Dass wir einen eklatanten Pflegenotstand haben, bleibt im Bericht gleich ganz unkommentiert. Stattdessen heißt es: Alles spitze in der Pflege! – Ich setze dahinter ein Fragezeichen. Benennen Sie doch einmal ehrlich, dass die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land immer weiter auseinander geht, und hören Sie auf, lediglich die Erfolge zu zelebrieren!
Wenigstens einmal hätten Sie ehrlich zu sich und zu uns und zu den Menschen im Land sein können. Wieder haben Sie es vorgezogen, die Tatsachen am Ende doch eher so hinzudrehen und zu beschönigen, wie es für Sie am besten erscheint. – Alles halb so schlimm im Land? Die Zahlen zur sozialen Lage in Bayern wurden im Vergleich zum letzten Bericht zwar durchschnittlich besser. Im Detail betrachtet wird die Schere zwischen Arm und Reich dennoch weiter auseinander gehen und der nächste Bericht zur sozialen Lage ein Dokument der Spaltung sein, wie Prof. Dr. Beyer von der Arbeiterwohlfahrt formuliert hat. Nur wenn dies nicht geschieht, wird Bayern endlich sozial gerecht sein, und nur dann werden mehr als lediglich 37 % der bayerischen Bevölkerung sagen, dass es in unserem Land gerecht zugeht. Die meisten haben nämlich selbst Angst davor, dass sie in Armut abrutschen könnten. Gehen Sie die Herausforderungen in unserem Land endlich an, und lassen Sie sich endlich auf die Vorschläge von uns, aber auch von vielen Verbänden und Gewerkschaften ein, denen an dieser Stelle ganz herzlich für ihren unermüdlichen Einsatz zur Verbesserung der sozialen Lage in Bayern gedankt werden darf.
Danken möchte ich auch den vielen Vereinen und Ehrenamtlichen, die sich oftmals genau für jene Personengruppen einsetzen, die sich nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden. Sie alle sind eine wertvolle Stütze in unserer Gesellschaft.
Allerdings möchte ich auch erwähnen, dass es unredlich ist, staatliche Aufgaben bis zur Schmerzgrenze auf ehrenamtliche Schultern zu legen und lediglich auf das Beste zu hoffen oder Ehrenamtlichen sogar oftmals Steine in den Weg zu legen. Das hat zuletzt der große Unmut bei Asylhelfern deutlich gezeigt: Einsatz ja, Ausnutzen aber nein. Vielmehr braucht es auch für das Ehrenamt eine kontinuierliche Unterstützung, und das nicht immer nur kurzfristig; denn nur dann sind die vielen Freiwilligen auch weiterhin bereit, sich zu engagieren. Warme Worte auf Empfängen reichen irgendwann halt dann doch nicht mehr aus. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Unterländer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Trotz aller Herausforderungen aber ein sozialpolitisches Bild zu zeichnen, das die Entwicklungen und Leistungen ignoriert und
ist nicht redlich. Das ist nicht der Stil, in dem wir uns in diesem Hause auseinandersetzen sollten.
Ich beziehe mich dabei ausdrücklich nicht nur auf die Vorrednerin, sondern auch auf die Diskussion, die in den letzten Tagen stattgefunden hat.
Wir wollen den Bericht zur sozialen Lage in unserem Land insgesamt, wie dies auch Frau Staatsministerin Emilia Müller schon angesprochen hat. Ich danke ihr und dem Staatssekretär Hintersberger sehr herzlich für ihr Engagement,
ebenso dem gesamten Ministerium für die unermüdliche Arbeit. Wir wollen den Diskurs kontinuierlich fortsetzen. Wir wollen ihn in den Gremien fortsetzen, die im Bericht zur sozialen Lage dafür vorgesehen sind. Wir wollen ihn im sozialpolitischen Ausschuss in den nächsten Wochen und Monaten fortsetzen. Wir wollen insgesamt in diesem Hohen Haus und darüber hinaus im gesamten sozialen Bayern auf der Basis dieses Sozialberichts Sozialpolitik zu einem Schwerpunkt der Politik machen. Das ist unsere Aufgabe.
Bevor ich meine grundsätzlichen Überlegungen äußere, möchte ich eine Bemerkung machen. Ich weise darauf hin, dass es sich bei Werten, die in einem Bericht enthalten sind, der wissenschaftlich erstellt worden ist und eindeutig nachvollziehbare Kriterien erfüllt, um Durchschnittswerte handelt. Das ist doch üblich; das ist normal. Das muss auch so sein. Konzentrieren Sie sich also bitte auf die Dinge, die für die Zukunft
notwendig sind, nicht auf vermeintlich negative Berechnungen. Der Sozialbericht ist eine seriöse und wertvolle Grundlage, auf der wir gut arbeiten können, meine Damen und Herren.
Aus meiner Sicht gibt es Grundbotschaften, die wir als Konsequenz aus diesem Sozialbericht ziehen müssen. In Bayern funktioniert die soziale Marktwirtschaft besser, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überdurchschnittlich gut sind. Ich sage noch einmal ganz deutlich: Wir brauchen klar die Verbindung von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hierin unterscheiden wir uns bei allen Gemeinsamkeiten, die wir auch in der praktischen Arbeit haben. Die Wirtschaftspolitik und erfolgreiches Handeln sind die Voraussetzung dafür, dass wir auch eine gute Sozialpolitik machen können. Dieses Miteinander ist notwendig.
Das Durchschnittseinkommen von rund 26.000 Euro im Jahr liegt deutschlandweit im Spitzenbereich. Das ist eine gute Grundlage. Durch diese guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind auch sozialpolitische Leistungen realisierbar, die in anderen Ländern nur schwer umsetzbar sind. Ich darf noch einmal – die Frau Ministerin hat es schon angesprochen – an das Betreuungsgeld, an das Landeserziehungsgeld und an den intensiven Ausbau der Kinderbetreuungsangebote, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ, erinnern. Wir, also der Staat und die Kommunen im Freistaat Bayern, haben nicht nur die Plätze ausgebaut, sondern wir haben auch bei der Qualität entsprechende Akzente gesetzt. Dies ist zugunsten unserer Kinder.
Die Strukturen des sozialen Bayerns sind gut. Dies ist auch ein Verdienst derjenigen, die im sozialen Bereich tätig sind. Dies gilt für die sozialen Dienstleister in der Vielzahl von sozialen Berufen, die trotz gewachsener Anforderungen ihre Arbeit gut und erfolgreich machen. Dafür auch an dieser Stelle einen herzlichen Dank.
Das freiwillige Engagement hat eine sehr gute und wertvolle Struktur. 47 % und damit fast jeder Zweite sind in diesem Bereich tätig. Es ist sehr erfreulich, dass der Anteil der Frauen am ehrenamtlichen Engagement in den letzten Jahren sehr stark gestiegen ist. Ich darf auch noch darauf hinweisen – das fällt mir nämlich in diesem Zusammenhang, was die Situation der Frauen anbelangt, gerade ein –: 73 % der Frauen
im Freistaat Bayern sind erwerbstätig. Das zeigt, dass das Bild, das häufig gezeichnet wird, völlig unrealistisch ist.
Wir haben die Gleichberechtigung realisiert. Das soziale Bayern funktioniert. Dies ist neben den Ehrenamtlichen auch ein Verdienst der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege. Ein besonderer Dank geht an die Wohlfahrtsverbände. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Caritas, die Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt, den Paritätischen Wohlfahrtsverband, die Israelitische Kultusgemeinde und die Lebenshilfe, Frau Rauscher. Insgesamt sind auch die Kommunen diejenigen, die in diesem Bereich sehr viel tun, wobei es aus meiner Sicht schon darauf ankommt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Subsidiaritätsprinzip gerade in der Sozialpolitik besonders zum Tragen kommt. Sozialpolitik hat verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Es muss aber nicht immer die Kommune oder der Staat tätig sein, sondern wir können das den Gruppierungen in unserem Lande in stärkerem Maße überlassen.
Meine Damen und Herren, wir müssen in der Sozialpolitik Schwerpunkte setzen, was die Zukunft anbelangt: Hilfe zur Selbsthilfe, um in ausreichendem Maße Lebensbedingungen mit einer guten Perspektive zu ermöglichen; die proaktive Vermeidung von Armut durch gute Beschäftigungsmöglichkeiten, eine entsprechende Qualifizierung und – ich habe es gerade schon angesprochen – die Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Sozialpolitik; und die Umsetzung einer Armutsvermeidungsstrategie insbesondere bei Alleinerziehenden, kinderreichen Familien und Älteren sowie bei chronisch Kranken. Das muss man in diesem Zusammenhang mal ansprechen: Menschen, die aus einer nicht verschuldeten persönlichen Krankheitssituation heraus einen Lebensweg nicht mehr gehen können und auf Unterstützung angewiesen sind, bedürfen unserer vollen Unterstützung und Solidarität, meine Damen und Herren.
Menschen mit Behinderung haben einen Anspruch auf Integration und Inklusion, wobei vor allen Dingen die gezielte und individuelle Förderung entsprechend der jeweiligen Behinderungsart unterschiedliche Antworten erforderlich macht. Es gibt nicht nur einen richtigen Weg der Inklusion. Das gilt sowohl in der Bildung, beim Wohnen und in der Arbeit als auch im sonstigen gesellschaftlichen Leben. Schließlich fordern die Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern Staat, Kommunen