Blinde könnten dann in den Schulen und den Kindergärten oder als Beamtinnen und Beamte in der öffentlichen Verwaltung gar nicht mehr ihre Aufgaben erfüllen. Bedeutet das, dass Blinde ihre Aufgaben nicht mehr adäquat erfüllen können, weil sie nicht in der Lage sind, Mimik und Gestik wahrzunehmen?
In der Absolutheit der Formulierung der Begründung dieses Gesetzentwurfs sehe ich tatsächlich eine Diskriminierung dieser Mitmenschen.
Frau Kollegin, das ist eine durchaus interessante Fragestellung, die Sie hier aufwerfen. Gleichwohl meine ich, dass man auch bei dieser Frage differenzieren muss. Es kommt weniger darauf an, ob jemand fähig ist, Gesten und Mimik wahrzunehmen, weil er sehen kann oder nicht. Vielmehr kommt es auf das pädagogische Ziel an, das in Kindertageseinrichtungen und Schulen verfolgt wird. Dieses Ziel sollte uns daran hindern, es den Lehrerinnen und den Erzieherinnen zu ermöglichen, auf diese Möglichkeit der Kommunikation zu verzichten. Das ist aber trotzdem eine interessante Frage, die wir bei der Diskussion im Ausschuss sicherlich noch vertiefen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. – Was Veitshöchheim angeht, denke ich, dass eine Verkleidung als Sheriff nach wie vor zulässig sein dürfte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Kollege Schindler, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass wir den ganzen Sachverhalt im Ausschuss natürlich zunächst einmal sehr engagiert und interessiert bearbeiten und dann beantworten müssen. Das wird auch geschehen; das haben wir bisher immer so gemacht. Ich halte es aber für problematisch und für ein bisschen zu kurz gesprungen, wenn Sie von "Bekleidungsvorschriften" reden. Hier geht es doch um viel mehr, nämlich um Regeln für das Zusammenleben und die Integration. Da können natürlich auch wenige Einzelne, auf die Sie hier abgestellt haben, gefährlich sein.
Dieses Gesetz müssen wir auch schaffen, weil wir nicht davon ausgehen können, dass bisher nichts geschehen ist. Andernfalls könnten wir mit dem Gemeinderat verglichen werden, der die Feuerwehr abschafft, weil es fünf Jahre lang nicht mehr gebrannt hat. Klar und deutlich: Wir brauchen das Gesetz, und deswegen haben wir dem Ministerium alle Unterstützung zugesagt und versichert, es auch von unserer Seite voranzutreiben.
Ich muss zunächst feststellen: Grundlage ist die Berliner Erklärung vom August 2016, die von allen Innenministern und Innensenatoren der Länder gemeinsam vereinbart worden ist. Identifikation ist auch für die Sicherheit der Bürger notwendig. Stellen Sie sich bitte vor, jemand geht vermummt übers Oktoberfest – Sie haben dieses Beispiel gebracht. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich möchte gern, dass unsere Sicherheitsbehörden nachkontrollieren und eine Identifikation vornehmen können.
Das Verbot, das wir hier vorschlagen, ist eigentlich relativ klar umrissen: Es soll nämlich für Beamtinnen und Beamte und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gelten. Auch bei Schülerinnen und Schülern müssen wir uns da Gedanken machen; denn wie kann Integration geschehen, wenn jemand genau gegen diese arbeitet, indem er sich verhüllt? Ich will nicht von Vermummung sprechen. Es ist auch zu fragen, ob die Verhüllung überhaupt ein religiöses Zeichen oder vielleicht doch etwas ganz anderes ist. Darüber streiten sich bekanntlich die Gelehrten.
Regelungsbereiche sind also der öffentliche Dienst, die Hochschule, das Schulrecht, Kindertageseinrichtungen, Tagespflege, auch das Landeswahlgesetz. Darauf hat der Minister hingewiesen. Warum und wieso das so ist, ist vollkommen verständlich, und wir werden dazu natürlich auch Bestimmungen in unseren jetzigen gesetzlichen Grundlagen überarbeiten müssen, wie Sie das vorhin schon selbst angesprochen haben: das Polizeiaufgabengesetz, das Landesstraf- und Verordnungsgesetz sowie die Landeswahlordnung, die Gemeinde- und Landkreiswahlordnungen. Das Bundesrecht sieht Ähnliches vor, und deswegen ist es wohl auch selbstverständlich, dass wir uns hier mit einbringen, soweit es keine konkurrierende Gesetzgebung ist.
In der politischen Diskussion sollten wir, meine ich, nicht vergessen, dass solche Gesetze schon in Frankreich, in Belgien, auch im Tessin in der Schweiz vorhanden sind. Die Niederlande und Österreich diskutieren solche Gesetze ebenfalls bereits und bringen sie auf den Weg. Wir werden im Ausschuss besprechen müssen, dass und inwieweit wir hier in Probleme mit unserer Verfassung kommen können. Aber diese Diskussion werden wir, glaube ich, bestehen können. Vor allem muss ich dazu sagen: Unsere Verfassungsgerichte haben schon mehrfach erklärt, dass die Sicherheit der Allgemeinheit sehr wohl wichtig ist und dass die Freiheit in bestimmtem Umfang in Situationen, wie wir sie hier haben, durchaus einschränkbar ist, wobei das noch nicht einmal eine Einschränkung im eigentlichen Sinne ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, aus diesem Grunde bitte ich um Unterstützung. Wir werden dieses Gesetz auf jeden Fall positiv begleiten. Aber wir werden uns auch dafür starkmachen, dass wir hier im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, ihrer Sicherheit und im Interesse derjenigen, die bereit sind, sich hier zu integrieren, eine gemeinsame Lösung finden, die letztendlich allen hilft und uns gemeinsam eine weitere sichere Zukunft ermöglicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollege Heike. – Auf der Rednerliste geht’s weiter mit dem Kollegen Streibl für die FREIEN WÄHLER. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf über Verbote der Gesichtsverhüllung ist sehr interessant. Für mich ist die Gesichtsverhüllung letztlich ein Relikt aus einer archaischen Ständegesellschaft und nicht unbedingt religiös motiviert; denn nicht einmal der Koran fordert eine Verhüllung des Gesichts. Die Gesichtsverhüllung widerspricht letztlich unseren freien westlichen, demokratischen Werten und behindert eine offene Kommunikation. Sie ist ein Angriff auf die Identität und Würde der Person; denn das Gesicht ist Ausdruck unserer Identität, unserer Gefühle und unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Durch unser Gesicht und seine Erkennbarkeit werden wir zur Person und kontakt- und gemeinschaftsfähig.
Von daher passt die Gesichtsverhüllung nicht in unsere demokratische, offene Gesellschaft, die von der Gleichheit der Personen ausgeht. Sie fördert eher eine Parallelgesellschaft und stört damit den Gedanken der Einigkeit, von dem in unserer Nationalhymne die Rede ist. In einer offenen Gesellschaft ist es wichtig, dass wir offen aufeinander zugehen.
Eine Gesichtsverhüllung ist nach meiner Meinung zum einen frauenfeindlich, weil die Frau unter einer solchen Verhüllung verschwindet und ihre Individualität im öffentlichen Raum verliert. Es wird auch gesagt, die Verhüllung sei notwendig, um die Frauen vor Übergriffen der Männer zu schützen. Sie ist insofern zum anderen männerfeindlich; denn sie stellt dar, dass der Mann absolut kulturrestistent und immer noch ein Tier ist, vor dem man die Frauen schützen muss. Dagegen wehre ich mich auch.
Von daher ist eine Gesichtsverhüllung eigentlich nicht mit unserer freiheitlichen Demokratie vereinbar. Aber, meine Damen und Herren, wir können in unserer freiheitlichen, westlichen Demokratie nicht alles verbieten, was uns nicht passt. In einem pluralen Rechtsstaat müssen wir manches erdulden, was unserem Wertekanon widerspricht; denn genau unser Wertekanon sagt, dass wir so etwas tolerieren müssen. Deshalb kommt ein komplettes Verbot der Gesichtsverhüllung, wie es in Frankreich, in Österreich oder in anderen Ländern gilt, nicht infrage. Das wäre mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar.
Aber die Schaffung von Regelungen für gewisse Bereiche ist sicher sinnvoll, etwa für den öffentlichen Dienst. Hierbei ist allerdings zu überlegen, was für den Innendienst gilt; darüber muss man reden. Oder wie soll es an den Hochschulen sein? Wo sind da die Grenzen? Wie ist es mit den Kommunen? Hierbei geht es um Ermächtigungsnormen für die Kommunen. Von den kommunalen Spitzenverbänden werden diese sehr kritisch gesehen, weil wir durch eine solche Ermächtigungsnorm die Diskussion letztlich in die Kommunalparlamente tragen. Damit geben wir vielleicht gerade Kräften Futter, die wir in diesen Parlamenten nicht haben wollen und die religionsfeindliches Gedankengut zutage bringen und ausleben wollen. Das wäre eine Steilvorlage für diejenigen, die wir da nicht haben wollen.
Dann muss man fragen: Wie viele betrifft ein solches Verbot letztlich eigentlich? Sind irgendwo in Europa schon Attentate bekannt geworden, die von Burkaträgerinnen begangen worden sind? – Meines Wissens kein einziges.
Man muss also genau hinschauen. Wir werden hier auch im Ausschuss sehr differenziert diskutieren müssen; denn ein Teil der Regelungen ist sinnvoll – da, wo es um den Kontakt zwischen Staat und Bürger geht, ist das absolut notwendig. Anders ist es bei den Fragen zur Hochschule oder in dem Bereich, in dem es um das Handeln der Kommunen geht. Da muss man noch genau hinschauen.
Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages sieht ein generelles Verbot der Gesichtsverhüllung beispielsweise kritisch. Es käme letztlich, objektiv gesehen, einer Berufswahlregelung gleich, wobei Artikel 12 des Grundgesetzes nur für deutsche Staatsangehörige gilt. Es soll aber auch sol
che geben, die ihr Gesicht verhüllen. Deshalb sollte man da noch einmal genau hinsehen. Wir werden – wie es so schön heißt – das Gesetz konstruktiv im Ausschuss begleiten. Wir sind auf die Ergebnisse gespannt. Viel Vergnügen bei der Diskussion!
Danke schön, Herr Kollege Streibl. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Gote. Bitte schön.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Burka und Niqab sind Ausdruck eines patriarchalischen, frauenfeindlichen Gesellschaftsbildes, das wir ablehnen und verurteilen.
Niemand darf Frauen vorschreiben, was sie aus religiösen Gründen anzuziehen haben. Wir GRÜNEN haben uns schon immer gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften zu deren Vorstellungen von Geschlechterrollen und deren Sexuallehre geäußert und dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Genauso werden wir auch gegen frauenfeindliche Haltungen im Islam streiten.
Wer Frauen dazu zwingt, eine Burka zu tragen, verletzt diese Frauen in ihrer Menschenwürde und missachtet die Menschenrechte von Frauen allgemein. In unseren Schulen sollen Frauen und Mädchen keine Burka und auch keinen Niqab tragen. Sie sollen ihr Gesicht nicht verhüllen. Dafür gibt es gute Gründe. Das ist richtig. Das gilt es auch durchzusetzen. Das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen und das Bayerische Beamtengesetz bieten aber eine ausreichende und gute Grundlage dafür, dies durchzusetzen. In der Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf heißt es dazu, für Schülerinnen und Schüler ergibt sich ein Verbot der Gesichtsverhüllung bereits aus dem geltenden Artikel 56 Absatz 4 Satz 1 und 3 des BayEUG. Für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen folgt ein Verbot der Gesichtsverhüllung bereits – bereits! – aus dem geltenden Artikel 59 Absatz 2 des BayEUG. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift ist bisher in Bayern nicht aufgetreten.
Die Mitwirkungspflichten von Menschen bei ihrer Identitätsfeststellung sind unverzichtbar. Selbstverständlich muss es Behörden, Einsatzkräften und anderen Institutionen in Ausübung staatlicher Gewalt möglich sein, die Identität von Personen festzustellen. Eine Gesichtsverhüllung darf dies nicht verhindern. Hierzu haben wir auf Bundes- und Landesebene gute und ausreichende Gesetzesgrundlagen, beispielsweise
auf Bundesebene das Gerichtsverfassungsgesetz; denn es werden immer wieder Gerichtsverfahren angeführt. Das Gerichtsverfassungsgesetz erlaubt in § 176 dem Vorsitzenden, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen zu treffen. So kann er auch anordnen, dass eine Gesichtsverhüllung abgenommen wird. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz lautet in Artikel 13 Absatz 2:
Die Polizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Es ist also bereits jetzt klar geregelt, dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden können. Der Begriff "insbesondere" in diesem Gesetz sagt in diesem Zusammenhang, dass weitere, nicht explizit aufgeführte Maßnahmen getroffen werden können. Das ist beispielsweise die Anordnung, die Gesichtsverhüllung abzunehmen. Deshalb ist das Beispiel, dass jemand beim Oktoberfest mit Gesichtsverhüllung herumgeht und die Polizei die Identität nicht feststellen kann, völlig absurd. Das kann die Polizei tun; sie kann die Person anhalten und darauf bestehen, die Gesichtsverhüllung abzunehmen.
Das ist geregelt, und zwar ausreichend, in unserem Polizeiaufgabengesetz. Es braucht keine weitere Regelung. Sie wollen auch das Landesstraf- und Verordnungsgesetz ändern. Das geltende Recht kennt aber bereits jetzt ein strafbewehrtes Vermummungsverbot während der Teilnahme an Versammlungen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen.
Sie sehen, Kolleginnen und Kollegen, wir haben gute und ausreichende gesetzliche Grundlagen, um die Kultur eines offenen Miteinanders in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft zu sichern und zu schützen. Darüber hinaus haben wir eine gelebte Wirklichkeit in unserem Land. Darin kommt die Gesichtsverhüllung von Frauen gar nicht vor, Kolleginnen und Kollegen. Es gibt sie schlichtweg nicht. Es gibt sie im Sommer auf der Maximilianstraße in München, wenn die arabischen Touristinnen in den teuren Läden einkaufen gehen. Aber ansonsten: Wo, bitte, sind denn die Burka-Trägerinnen in Bayern oder in Deutschland? – Das Problem, das hier gelöst werden soll, existiert überhaupt nicht. Dieser Gesetzentwurf ist eine Beleidigung für unseren Rechtsstaat. Er ist
überflüssig und redundant. Wer so etwas vorlegt, der will nicht bestehende Probleme lösen, der will auch nicht bestehende Probleme verfassungskonform, rechtssicher und im Rahmen unserer gelebten Verfassungswirklichkeit lösen. Dieser Gesetzentwurf dient nur der weiteren Hetze gegen den Islam. Er zerstört den gesellschaftlichen Frieden, und er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Danke, Frau Kollegin Gote. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen.