Protocol of the Session on April 6, 2017

Herr Präsident, verehrtes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Staatsminister hat angesprochen, dass es jetzt eine verkürzte Beratungsfrist gibt. Wir als FREIE WÄHLER kritisieren das sowohl bezüglich des Baukammerngesetzes als auch bezüglich des Dolmetschergesetzes. Kolleginnen und Kollegen, es ist aus unserer Sicht schon nicht nachvollziehbar, wieso man diese wichtigen Änderungen, die das Baukammerngesetz betreffen, nach der Fristverletzung im Jahr 2016 jetzt im Jahr 2017 diskutiert. Es geht hier um einen wichtigen Berufsstand. Die Ingenieure und Architekten sind wichtige Arbeitgeber. Sie bilden einen Teil des Mittelstandes in Bayern. Für diesen Mittelstand, für diese Berufsgruppe brauchen wir gute Regelungen. "Gute Regelungen" bedeutet für uns FREIE WÄHLER, dass wir nach Abschaffung des Ingenieurs den hohen Standard, den die Europäische Union in der Berufsfreizügigkeit einfordert, auch verteidigen und in ein gutes Gesetz einbringen. Für uns FREIE WÄHLER ist nicht nachvollziehbar, dass wir hier schon wieder eine Fristverletzung haben, dass wir das so wichtige Baukammerngesetz nicht schon beraten haben, sondern dass wir jetzt sozusagen im Eilverfahren noch die wichtigen Themen im Ausschuss behandeln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das ist aus unserer Sicht ein Problem. Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen hier von Mindeststudiendauer. Scheinbar ist während der Vorberatung bei der CSU-Fraktion nicht angekommen, dass es hier um den wichtigen Berufsstand der Bauingenieure und Architekten geht, der um die Mindeststudienzeit und auch um die damit einhergehende Vorlageberechtigung ringt. Diese Vorlageberechtigung ist notwendig, um Projekte umzusetzen. Die Ingenieurekammer bemängelt zu Recht, dass die Gleichsetzung von beratenden Ingenieuren und Architekten in Bayern momentan in der Umsetzung des Gesetzes nur bedingt gegeben ist. Aus unserer Sicht ist es notwendig, die praktische Ausbildungszeit in den Studiengängen gut und sauber zu fixieren. Kolleginnen und Kollegen, schicken Sie mal einen Bachelor mit sechs Semestern oder drei Jahren Studium auf die Baustelle. Das ist weder für den jungen Absolventen noch für Ihr Unternehmen noch für die auf der Baustelle Tätigen eine Freude. Mit so kurzen Ausbildungszeiten wird man auf der Baustelle wenig entscheiden können. Mit so

wenig Erfahrung geht man meist eher beschämt nach Hause, als dort wirklich Entscheidungen treffen zu können. Insofern ist es wichtig, dass wir die Zeiten für Praxiserfahrungen, die neben einem Studium notwendig sind, im Baukammerngesetz ordentlich fixieren.

Wir als FREIE WÄHLER sind der Meinung, dass die Anregungen, die sowohl von der Bayerischen Architektenkammer als auch von der IngenieurekammerBau kommen, unbedingt noch einmal im Ausschuss beraten werden müssen, um Qualität und Wertschätzung der Kammern zu dokumentieren. Wir werden unseren fachlichen Beitrag in den Ausschüssen einbringen, um dieses wichtige Gesetz noch einmal ein Stück weit zu verbessern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Glauber. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Änderung des Baukammerngesetzes wird ein erforderlicher und – was wir kritisieren – zeitlich höchst überfälliger Schritt getan, um die erwünschte europaweit durchgängige Anerkennung von erworbenen Berufsqualifikationen zu ermöglichen und die Verfahren zur Anerkennung von mitgebrachten Qualifikationen zu erleichtern. Aufgrund der zeitlichen Brisanz hoffen wir auf eine baldige Beschlussfassung sowie auf eine baldige klärende Regelung zu den Themen Mindeststudiendauer und Weiterbestehen von Erfordernissen von Mehrfacheintragungen, die uns unsinnig erscheinen. Wir hoffen, dass wir trotz der langen Vorlaufzeit, die die Staatsregierung verursacht hat, zu einer baldigen Lösung dieser Fragen kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kamm. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung über Verbote der Gesichtsverhüllung in Bayern (Drs. 17/16131) - Erste Lesung

Den Gesetzentwurf begründet Herr Staatsminister Herrmann. Danach eröffne ich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, Hohes Haus! Zum freiheitlich-demokratischen Werteverständnis unserer Staats- und Gesellschaftsordnung gehört zweifellos ein offener Dialog, gehört, wie jetzt in diesem Moment, der Blickkontakt der Menschen untereinander, wenn sie miteinander reden. Dazu gehört auch die Wahrnehmung von Mimik und Gestik des jeweiligen Gesprächspartners. All das bildet die Grundlage unseres zwischenmenschlichen Miteinanders und ist damit ein wesentliches Element unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung; denn Demokratie lebt davon, dass Menschen miteinander kommunizieren, und das nicht nur über Facebook und Twitter.

Zu unserem Werteverständnis gehört gleichzeitig die Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Deshalb wird durch unsere Verfassung die Religionsfreiheit ganz stark geschützt. Sie wird auch geschützt, wenn es etwa um die Befolgung von religiösen Bekleidungsvorschriften geht. Die Religionsfreiheit kann aber in dieser Hinsicht nicht schrankenlos gelten. Sie kann eingeschränkt werden, wenn dies mit Blick auf andere verfassungsimmanente Belange unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Eine Gesichtsverhüllung – ich denke, da sind wir uns in diesem Hohen Haus weitgehend einig – widerspricht unserer offenen Kommunikationskultur. Sie verhindert überdies in bestimmten Situationen eine Identifizierung der betreffenden Personen. Ich weiß bei jemandem, der sein Gesicht komplett verhüllt, zumindest auf den ersten Blick überhaupt nicht, wer das ist. Ist das mutmaßlich die Person, von der ich das annehme? Oder verbirgt sich hinter dieser Hülle jemand anderer?

Wir versuchen, in diesem Gesetzentwurf diejenigen Bereiche zu benennen, in denen die Verhüllung des Gesichts untersagt werden muss. Wir halten insgesamt Gesichtsverhüllungen in unserer Gesellschaft nicht für richtig; aber es ist ein Unterschied zwischen dem, was einem gefällt und was man für richtig hält, und dem, wo man die Notwendigkeit sieht, dass der Staat regelnd eingreift.

Das Verbot der Gesichtsverhüllung soll auf jeden Fall für die bayerischen Beamtinnen und Beamten sowie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gelten. Als Repräsentanten unseres Gemeinwesens sind sie in besonderer Weise zu offener Kommunikation gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Hier sehen wir uns in breiter Übereinstimmung mit der Bundesregierung, die in den Bundestag ebenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist ein bundesweit geltendes Gesichtsverhüllungsverbot für Beamte. Würde ein solches Verbot auf Bundesebene wie vorgesehen im Beamtenstatusgesetz festgeschrieben, wäre der nunmehr in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf entsprechend anzupassen.

Das Gesichtsverhüllungsverbot soll auch an bayerischen Hochschulen gelten; denn eine Gesichtsverhüllung in der Hochschule widerspricht dem Gebot des offenen wissenschaftlichen Diskurses und einer effektiven Wissensvermittlung. Das Verbot findet seine Grenze allerdings dort, wo Hochschulbelange entgegenstehen. Die Hochschule kann zudem zur Vermeidung unbilliger Härten Ausnahmen zulassen.

Eine Gesichtsverhüllung lässt sich auch nicht mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag vereinbaren, den die Schulen in Bayern zu erfüllen haben. Unser Gesetzentwurf verankert daher die Kultur der offenen Kommunikation innerhalb der Schulfamilie ausdrücklich im Gesetz und stellt klar, dass Schülerinnen und Schüler bei Schulveranstaltungen ihr Gesicht nicht verhüllen dürfen. Zur Vermeidung unbilliger Härten können Ausnahmen zugelassen werden. Für Lehrer gilt das Verbot der Gesichtsverhüllung ohnehin bereits infolge der Regelungen für Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Sowohl für Lehrer als auch für Schüler ist es wichtig, sich gegenseitig in die Augen zu schauen, um die Reaktionen des Gegenübers besser einschätzen zu können. Vor allem aber machen Gründe der sachgerechten und fairen Bewertung und Benotung von Schülerinnen und Schülern eine offene Kommunikation unabdingbar.

Offene Kommunikation muss nicht nur an Schulen und Hochschulen gewährleistet sein, sondern auch im frühkindlichen Bereich. Gerade bei der Betreuung von Kleinstkindern ist die Mimik entscheidend. Nur so können die verschiedenen Ausdrucksformen der menschlichen Kommunikation erlernt und Bindungen aufgebaut werden. Wer sein Gesicht total verhüllt, den kann man zum Beispiel kein einziges Mal lächeln sehen. Das sind Dinge, die uns selbstverständlich erscheinen. Aber man muss es begreifen: Bei totaler Gesichtsverhüllung sieht man einen Menschen weder weinen noch lachen. Das ist aber notwendig für die

Kommunikation. Das müssen auch Kleinstkinder schon im Kindergarten erleben.

Neben dem Schutz der offenen Kommunikationskultur erfordern auch Sicherheitserwägungen im Einzelfall ein Verbot der Gesichtsverhüllungen. Im Gesetzentwurf wird klargestellt, dass bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung Gesichtsverhüllungen auf Verlangen abzunehmen sind. Auch bei Menschenansammlungen oder an bestimmen öffentlichen Orten kann es unter Umständen notwendig sein, dass die Gemeinden und Kreisverwaltungsbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Gesichtsverhüllungen untersagen. Das ist immer der Fall bei Gefahren für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Sachgüter, die die Erkennbarkeit von Personen erfordern. Es kann zum Beispiel auch – darum wird das auch im Wahlrecht eingeführt – notwendig sein, dass der Wahlvorstand in einem Wahllokal, wenn sich jemand als Wahlberechtigte ausweist, überprüfen kann, ob diejenige, die vor ihm steht, tatsächlich diejenige ist, als die sie sich ausgibt. Dazu muss ich das Gesicht der Wahlberechtigten sehen können.

Der Gesetzentwurf stellt also einen maßvollen Ausgleich zwischen dem Interesse der Gemeinschaft an offener Kommunikation und Sicherheit auf der einen Seite und den Grundrechten der Betroffenen auf der anderen Seite her. Mit diesem Gesetzentwurf können wir Rechtssicherheit mit Blick auf gesellschafts- und integrationspolitisch bedeutsame Fragen schaffen, deren Klärung andernfalls der Verwaltungspraxis oder den Gerichten überantwortet wäre. Unseres Erachtens ist hier der Gesetzgeber selbst gefordert, sowohl der Praxis als auch der Rechtsprechung klare Rechtsgrundlagen an die Hand zu geben, und zwar aus rechtsstaatlichen Gründen.

Meine Damen und Herren, in der bisherigen öffentlichen Diskussion habe ich wiederholt wahrgenommen, dass gefragt worden ist, wie oft das heute schon in Bayern vorkomme. Ich sage offen: Ja, man begegnet auch hier in München auf den Straßen manchen Frauen mit totaler Gesichtsverhüllung. Im öffentlichen Dienst ist das in Bayern bislang, soweit ich das beurteilen kann, nicht vorgekommen. Auch in unseren Schulen kommt das bislang nicht vor. Aber wir kennen beispielsweise einen Fall aus Niedersachsen aus dem vergangenen Jahr. Dort hat eine Schülerin, nachdem es ihr zunächst untersagt worden ist, eine Petition an den Niedersächsischen Landtag gerichtet mit der Bitte, weiterhin in Gesichtsverhüllung am Unterricht teilnehmen zu können. Für mich unverständlicherweise hat die rot-grüne Mehrheit im Niedersächsischen Landtag dieser Petition entsprochen und dieser jungen Schülerin erlaubt, in Gesichtsverhüllung am Unterricht teilzunehmen. Ich sage klipp und klar aufgrund

dessen, was ich vorhin dargelegt habe, wie wir heute die normale Kommunikation unter Menschen verstehen und wie das gerade in einer Schule gelebt werden soll: Lehrerin und Schülerin müssen sich gegenseitig in die Augen sehen können. Da muss man sich gegenseitig ins Gesicht sehen können. Da geht es am Schluss nicht nur um Einzelfälle, sondern es könnten irgendwann drei oder fünf oder zehn Schülerinnen in der Klasse sein, die das Gesicht verhüllen. Das hat mit unserem Verständnis eines Unterrichts an unseren Schulen und mit unseren hergebrachten Grundsätzen nichts mehr zu tun.

Deshalb sagen wir in der Tat: Wir wollen hier in Bayern Klarheit schaffen. Wir wollen von Anfang an deutlich machen: So etwas wollen wir in Bayern nicht erleben. Deshalb wollen wir mit einer klaren gesetzlichen Regelung die Richtung vorgeben, noch bevor solche Fälle in Bayern in größerer Zahl aufgetreten sind. Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf in der anschließenden Diskussion nach Kräften zu unterstützen. Wir wollen ein klares Signal geben, dass auch in Bayern eine offene Kommunikation von Angesicht zu Angesicht stattfinden soll.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Schindler für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, mich wundert schon, dass Sie zu dem Thema, für das Sie eigentlich zuständig sind, nämlich das Landesstraf- und Verordnungsgesetz, überhaupt kein Wort gesagt haben. Das muss noch erklärt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Staat sollte sich mit Bekleidungsvorschriften tunlichst zurückhalten. Es ist immer schlecht, wenn ein Staat, egal ob es ein islamistischer Gottesstaat oder ein moderner demokratischer Staat ist, meint, seinen Bürgern Vorschriften machen zu müssen, was sie anziehen dürfen oder sollen und was nicht. Das gilt umso mehr dann, wenn ein Kleidungsstück auch als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung dient.

Meine Damen und Herren, im Zeitalter des E-Governments überzeugt es nicht so richtig, ist es jedenfalls undifferenziert und oberflächlich, wenn es zum Beispiel im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt, dass für die Erledigung der staatlichen Aufgaben die Möglichkeit, Beamtinnen und Beamten ins Gesicht schauen zu können, essenziell sei. Im Gesetzentwurf der Staatsregierung heißt es, dass offene Kommunikation ein wesentliches Element von staatlichem und

staatlich anerkanntem Handeln sei. Immer mehr Verwaltungsvorgänge, für die früher die persönliche Vorsprache bei einer Amtsperson erforderlich war, können heute unter bewusstem Verzicht auf diese Kommunikation per Mausklick elektronisch erledigt werden. Sie sollen sogar so erledigt werden.

Meine Damen und Herren, so richtig dringlich sind die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der Staatsregierung nicht, weil, wie eingeräumt worden ist, die Zahl der Beamtinnen und Beamten, der Soldatinnen und Soldaten, der Richterinnen und Richter und der Wahlvorstände, die ihren Dienst bzw. ihr Amt partout mit verhülltem Gesicht ausüben wollen, sehr überschaubar ist. Jetzt kann man natürlich argumentieren, wie das der Minister getan hat, man wolle ein Signal setzen für den Fall, dass einmal so etwas passiert. Man könnte aber auch den alten Montesquieu heranziehen und argumentieren, dass es dann, wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, notwendig ist, kein Gesetz zu machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Unabhängig davon halten wir es für richtig, Beamtinnen und Beamten, Mitgliedern von Hochschulen, Lehrkräften an Schulen, Beschäftigten in Kinderbetreuungseinrichtungen und Wahlvorständen zu verbieten, bei der Ausübung ihres Dienstes bzw. ihres Amtes bzw. in Hochschuleinrichtungen und bei Veranstaltungen ihr Gesicht vollständig zu verhüllen – und nur darum geht es heute. Heute geht es nicht um das Kopftuch. Die offene Kommunikation des Staates mit seinen Bürgerinnen und Bürgern ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Dabei ist es völlig egal, ob diese Errungenschaft aus dem christlich-abendländischen Werteverständnis stammt, wie das die Staatsregierung in ihrem Gesetzentwurf behauptet, oder ob sie auf die Aufklärung zurückzuführen ist. Dies gilt gerade für Tätigkeiten, bei denen die nonverbale Kommunikation, also Gestik und Mimik, eine Rolle spielt. Das ist insbesondere in den Schulen und in den Kindertageseinrichtungen der Fall, wie das bereits gesagt wurde.

Meine Damen und Herren, diese Regelung muss zwar nicht für verdeckt ermittelnde Polizeibeamte und V-Leute gelten, wohl aber für die Polizei insgesamt, weswegen wir schon mehrfach versucht haben zu regeln, dass Polizeibeamte auch in geschlossenen Einsatzgruppen identifizierbar sein müssen. Das aber nur am Rande.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sollte die Staatsregierung den in ihrem Gesetzentwurf herausgehobenen hohen Stellenwert des offenen Dialogs und der Kultur der offenen Kommunikation ernst nehmen und nicht nur taktieren, um ein Signal zu set

zen und ihr anmaßendes Leitkulturmodell in den Mittelpunkt zu rücken, würde sie auch auf diesem Gebiet endlich einmal eine Entscheidung treffen. Wir haben dies oft genug beantragt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, erstaunlich ist, dass die Bundesregierung glaubt, in ihrem Gesetzentwurf mit keinem Wort darauf eingehen zu müssen, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit gewährleistet und dass dazu auch gehört, religiös bedingte Kleidungsvorschriften zu beachten. Richtigerweise räumt die Staatsregierung ein, dass das Verbot der Verhüllung des Gesichts bei Ausübung des Dienstes von Beamtinnen muslimischen Glaubens einen Eingriff in die Religionsfreiheit und eine Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Das ist zutreffend, aber auch nach unserer Überzeugung bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt, weil das Vertrauen in die Neutralität des Staates und die Integrität staatlichen Handelns nur dann gewährleistet werden kann, wenn Beamtinnen und Beamte den Bürgern mit freiem Gesicht gegenübertreten und auf Kleidungsstücke dieser Art verzichten. Insoweit tragen wir den Gesetzentwurf mit, auch wenn noch geklärt werden muss, ob das absolute Verbot der Gesichtsverhüllung auch für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes gelten soll, die gerade keinen Publikumskontakt haben. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für die vorgeschlagene Änderung des PAG, weil eine Identitätsfeststellung natürlich voraussetzt, dass die Betroffenen ihr Gesicht zu erkennen geben.

Problematisch erscheint nicht nur uns, sondern auch dem Städtetag und dem Gemeindetag die vorgeschlagene Änderung des LStVG, wonach die Gemeinden und die Kreisverwaltungsbehörden ermächtigt werden sollen, durch Einzelanordnung oder Verordnung für Vergnügungen und Ansammlungen oder an bestimmten öffentlichen Orten zur Verhütung rechtswidriger Taten bzw. von Straftaten und zur Gefahrenabwehr das Verhüllen des Gesichts zu verbieten. Ich verweise dazu auf die Anfrage meines Kollegen Dr. Wengert. Diese Ermächtigung geht über das für Versammlungen bereits geltende Vermummungsverbot weit hinaus und betrifft auch Volksfeste, zum Beispiel das Oktoberfest, und reine Menschenansammlungen, zum Beispiel bei Sportveranstaltungen. Fraglich ist, inwieweit bei solchen Veranstaltungen das Verbot der Gesichtsverhüllung erforderlich und geeignet sein soll, rechtswidrige Taten zu verhüten oder Gefahren abzuwehren.

Die Begründung der Staatsregierung überzeugt hier nicht. Die vorgeschlagene Vorschrift kommt einem ge

nerellen Verbot der Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit gleich. Das ist nicht nur nicht erforderlich, sondern auch verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar und nicht vertretbar. Das Tragen einer religiös motivierten Gesichtsverhüllung ist für sich alleine weder eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne noch eine Straftat und sollte daher von einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft ausgehalten werden. Weil das so ist, erlauben wir uns, diesen Gesetzentwurf weiterhin sehr sorgfältig zu behandeln. Ich hoffe, dass die Staatsregierung dazu bereit ist, diesen Gesetzentwurf an der einen oder anderen Stelle nachzubessern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schindler, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Gote.

Herr Kollege Schindler, gerade Ihre letzten Ausführungen haben mich darauf gebracht, dass wir in den kommenden Jahren in Veitshöchheim ganz andere Masken- und Verkleidungskulturen erwarten dürfen.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Ich nicht! Ich kann so bleiben!)

Ja, Sie sind da außen vor. Aber Herr Minister Söder wird dann dort gar nicht mehr auflaufen können.

Staatsminister Herrmann hat gerade vehement auf die Bedeutung der Mimik, der Gestik und der Wahrnehmung derselben beim Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern in der Verwaltung, den Schulen und den Hochschulen gepocht. Ich würde Sie deshalb gern um eine Einschätzung bitten: Ist dieses Gesetz nicht diskriminierend für alle die Menschen, die nicht sehen können, also gegenüber Blinden?

(Dr. Florian Herrmann (CSU): So ein Schmarrn! Das ist ein völlig absurder Vergleich!)