Protocol of the Session on March 29, 2017

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn man sich in diesem Gremium vor sieben Jahren dafür entschieden hat, diese Regelung abzuschaffen, sie aber dann, wenn man die absolute Mehrheit wieder hat, wieder einführen will, ist das in meinen Augen Machtmissbrauch. Der ist zu stoppen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie haben vor, die parteipolitische Konkurrenz mit einfachen Mitteln auszuschalten. Das halten wir nicht für gut. Ich darf Ihnen anhand des Beispiels der Stadt Regensburg sagen, wozu das führt: In Regensburg hätte die CSU, wenn man das d’hondtsche Verfahren statt des Hare/Niemeyer-Verfahrens angewandt hätte, zwei Stimmen dazugewonnen, die SPD hätte eine Stimme dazugewonnen und die kleinen Gruppierungen hätten diese drei Stimmen verloren. Hier wäre der Wählerwille nicht berücksichtigt worden; mit diesem Verfahren wird der Wählerwille nicht entsprechend abgebildet. Das ist kein Spiegelbild mehr!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Sitzverteilung muss den Willen des Wählers widerspiegeln. Das ist eine ganz klare Forderung. Wenn Sie die Spiegelbildlichkeit anschauen, die im Grundgesetz, in der Bayerischen Verfassung geregelt ist, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde und in den Gemeindewahlgesetzen berücksichtigt ist, sehen Sie: Sie wird durch das d’hondtsche Verfahren gerade noch eingehalten. Dazu gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Aber auch dort ist sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das ein Grenzverfahren ist. Das wollen Sie allen Ernstes der kommunalen Ebene wieder aufs Auge drücken. Wir sagen Nein zu dieser Absicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben eine Anhörung im Innenausschuss beschlossen. Bei diesem Antrag auf eine Anhörung haben wir mitgestimmt, weil wir der Meinung sind, dass in dieser Anhörung alle drei Verteilungssysteme, die gängige Praxis sind, nämlich Sainte-Laguë/Schepers, Hare/Niemeyer und d’Hondt, beleuchtet werden und man die Möglichkeit hat, sich mit diesen Verfahren auseinanderzusetzen.

Ganz klar ist dies das Ziel unseres Dringlichkeitsantrags. Wir sind der Auffassung, dass d’Hondt in unseren Gesetzen nichts mehr zu suchen hat.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Lassen Sie mich in der verbleibenden kurzen Redezeit einmal vorlesen, was Ihr Ministerpräsident der Presse zufolge zu Ihrer Absicht sagt: Ich pflege eine Koalition mit den Bürgern. Wenn man die absolute Mehrheit hat, dann darf man kein Wahlrecht verabschieden, das nur einem nutzt, nämlich der CSU. Mein Projekt ist das nicht, dem werde ich nicht zustimmen. – Dieses Zitat ist in der Presse so abgedruckt, ohne Widerspruch.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das wollen wir nicht, und deshalb liegt unser Dringlichkeitsantrag vor. Wir wollen ein Wahlsystem, das den Wählerwillen ordentlich abbildet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion: Herr Kollege Scheuenstuhl. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung hat in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und weiterer Kommunalgesetze vorgelegt. Neben zahlreichen Änderungen aufgrund entsprechender Rechtsprechung sowie redaktionellen Anpassungen an die aktuelle Rechtslage in den Gesetzen beinhaltet der Gesetzentwurf der Staatsregierung auch Vorhaben, die nicht mit unserer Zustimmung verabschiedet werden können.

Um es kurz auszudrücken: In einigen der geplanten Änderungen zeigt die CSU, wie sie wirklich ist, nämlich überheblich und machthungrig. Gleichzeitig hat sie Angst vor einem Machtverlust.

(Beifall bei der SPD)

Dies kann man eindeutig an den geplanten Änderungen erkennen. Hier geht es nicht nur um die Sitzverteilung. Ohne Notwendigkeit kippen Sie das bewährte Verbot der Scheinkandidaturen. Auch wenn jedem klar ist, dass ein amtierender Rathaus- oder Landratsamtschef ein ehrenamtliches Mandat zulasten seiner hauptamtlichen Beschäftigung wohl niemals antreten wird, meint die Staatsregierung, mit der Zulassung einer solchen Scheinkandidatur einen Beitrag zur Deregulierung zu leisten. Das stößt mir besonders auf. Ich frage mich: Haben Ihre Bürgermeister und Ihre Landräte es wirklich nötig, auf solch eine schäbige und hinterhältige Art und Weise Stimmen zu haschen?

(Beifall bei der SPD – Zuruf)

Den lassen S' lieber daheim!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedem von uns ist klar, dass das eine reine Wahlkampfmaßnahme ist, mit der die CSU ihre Macht in den Kommunen festigen und ausbauen will. In die gleiche Richtung zielt die Änderung des Wahlgesetzes, mit der die Staatsregierung die seit Jahren umstrittenen Tarnlisten gesetzlich legitimieren will – nur weil sie vielerorts ihre Mehrheit in Gefahr sieht und doppelt absahnen will. Nur das ist Ihr Ziel, sonst nichts.

Außerdem ist beabsichtigt, bei der Regelung über den Ausschussvorsitz die Gemeinde- und Stadträte zu entmachten, indem im Falle der Verhinderung des Bürgermeisters nicht mehr wie bisher die Geschäftsordnung oder der Rat über den Vorsitz bestimmt, sondern alleine der Bürgermeister über die Übertragung an ein anderes Ratsmitglied. Dies führt zu einer Entmachtung des demokratisch gewählten Gemeinderats und kann im schlimmsten Fall die Mehrheitsverhältnisse in dem Ausschuss verschieben.

Hinzu kommt – und das ärgert mich besonders – die Abschaffung der Listenverbindung. Erst argumentiert man: Weil wir bisher das Verfahren Hare/Niemeyer haben, bräuchten wir die Listenverbindung nicht mehr. Und dann kommt man hinterrücks mit dem Messer und sagt, man wolle wieder d’Hondt, und die Listenverbindung will man auch noch abschaffen. So geht es nicht! Ganz offen und unverfroren greift die CSU unsere demokratische Ordnung an. Da ist sie wieder, die alte, rotgesichtige CSU, die Staat sagt und Partei meint, die nimmersatte, die sich alles einverleibt, die unvermeidliche, die auf allen Festen tanzt, auch wenn sie gar nicht eingeladen ist.

Nun zum aktuellen parteipolitischen Tiefpunkt: Mit einem Änderungsantrag zum Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz fordert die CSU-Fraktion die Rückkehr zum bereits genannten d’hondtschen Verfahren.

Kurz vor der Ausschussberatung hat sie einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Er hat zur Folge, dass die Änderung den großen Parteien zugutekommt und die kleinen leiden werden. Die Macht der Mehrheitspartei in den Kommunen und Landkreisen zu zementieren ist das Ziel. Als Nächstes folgt dann wahrscheinlich der Landtag. Die Demokratie zeigt ihre Größe vor allem durch ihren Umgang mit Minderheiten und nicht dadurch, dass man die Muskeln spielen lässt, sondern dass man die Minderheiten berücksichtigt. Das gibt ein einvernehmliches demokratisches Verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Wertes Haus, mit der Rückkehr zum Sitzverteilungsverfahren nach d’Hondt wird eine sinnvolle und einstimmig beschlossene Änderung der letzten Legislaturperiode wieder rückgängig gemacht. Die Berechnung der Sitzverteilung kann Auswirkungen bis in die kleinste Gemeinde haben. Unter Umständen kann es passieren, dass all jene Wählergruppen mit nur einem Sitz, obwohl demokratisch gewählt, nicht mehr in den Kommunalparlamenten vertreten sein werden. Aber das ist ja Ihre Absicht, wie Kollege Lorenz im Ausschuss unverblümt erklärt hat. Sie nennen es Zersplitterung, aber ich nenne es undemokratisch. Das Sitzverteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer, das die CSU erst vor sieben Jahren – wohlgemerkt und nochmal zur Wiederholung: erst 2010 – zusammen mit der FDP und dem gesamten Landtag beschlossen hat, soll jetzt wieder abgeschafft werden. Eines sage ich Ihnen auch: Mit uns geht das nicht. Dieses Katz-und-Maus-Spiel, einmal rein in die Kartoffeln, einmal raus aus den Kartoffeln, wollen wir nicht haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir von der SPD erklären uns hier und heute solidarisch mit allen demokratischen Bürgerlisten, Ortsteillisten und Wählervereinigungen in ganz Bayern; denn diese sind am meisten betroffen. Selbst dem Ministerpräsidenten geht das alles zu weit. Der Ministerpräsident stellt sich auf unsere Seite. Das war ungewohnt; aber wir nehmen seine Rückkehr zur Vernunft gerne an. Sie, Herr Ministerpräsident, müssen dafür sorgen, dass Ihre Partei wieder vernünftig wird und zu einem demokratischen Einvernehmen zwischen allen Parteien zurückkehrt. Nicht die Stärke ist das Wichtige, sondern das Einvernehmen.

Wir bitten um Unterstützung unseres Antrags. Dem Antrag der FREIEN WÄHLER werden wir selbstverständlich auch zustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen – so nenne ich Sie auch alle – und Verteidiger unserer demokratischen Prinzipien im Freistaat, es

lebe die Demokratie und die Freiheit! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Vielen Dank. – Bevor ich in der Reihe der Wortmeldungen fortfahre, darf ich bekannt geben, dass die SPD-Fraktion zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Ich darf auch gleich bekannt geben, dass auch noch die FREIEN WÄHLER zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt haben. – Jetzt für die CSU-Fraktion: Herr Kollege Zellmeier. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, hier wird Stimmung gemacht mit etwas, was zur Stimmungsmache nicht geeignet ist.

(Zurufe von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN: Oh! – Lachen bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Was sagt denn da der Ministerpräsident?)

Lieber Kollege Pfaffmann, die CSU ist wohl die vielfältigste demokratische Volkspartei, die man sich vorstellen kann. Da darf man eine abweichende Meinung haben, und da gibt es keine 100-Prozent-Ergebnisse, wie das bei Ihrem Kanzlerkandidaten der Fall ist.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Blanker Neid ist das!)

Vielfalt ist bei uns grundgelegt. Manchmal kommt es zu kleinen Konflikten; aber wir haben sie bisher zum Wohl des Landes und zum Wohl unserer Wahlergebnisse auch immer gütlich beigelegt. Sie brauchen sich also um uns nicht zu sorgen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das tun wir nicht; keine Sorge! Wir machen uns keine Sorge!)

Wir werden uns darüber nicht zerstreiten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten das Thema doch ernsthaft angehen. Deshalb sage ich etwas, was ich normal zum Schluss bringe: Wir werden die beiden Dringlichkeitsanträge ablehnen, weil Sie viel zu schnell dran sind und das Ergebnis der Anhörung vorwegnehmen. Die GRÜNEN haben eine Anhörung beantragt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich gebe Ihnen nicht oft recht; aber Ihr Weg, erst einmal zu hören, dann zu denken und dann zu entscheiden, war der richtige.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Zu eurer Rettung! Ihr seid auf uns angewiesen!)

Nicht richtig ist der Weg, wie es die SPD und die FREIEN WÄHLER machen, zuerst zu entscheiden, dann anzuhören und dann nachzudenken. Sie schlagen den falschen Weg ein. Wir sollten zuerst einmal hören, was uns Experten sagen,

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Der Ministerpräsident hat seine Meinung gesagt!)

und Sie werden feststellen, dass es durchaus viele gute und seriöse Argumente für alle Verfahren gibt. Das will ich jetzt einmal sagen. Weder ist Hare/ Niemeyer noch Sainte-Laguë/Schepers noch d’Hondt des Teufels. Alle Verfahren haben etwas für sich, und alle haben etwas gegen sich. Sie haben bei der Sitzverteilung unterschiedliche Wirkungen. Diese Wirkungen kommen im Übrigen nicht nur einer Partei zugute, sondern je nach Stärkeverhältnis auch anderen Parteien. Diese sind in den Kommunen sehr unterschiedlich. Auf dem Land sind die FREIEN WÄHLER in der Regel Zweiter und oft auch Erster.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Trotzdem wollen wir das nicht, obwohl wir teilweise profitieren würden! Es geht nicht um eine Parteisicht, sondern um Demokratie!)

Lieber Kollege Aiwanger, jetzt einmal in aller Ruhe. Sie sitzen ja außer in den Kommunen nur hier im Landtag. Ich werde Ihnen noch Beispiele bringen, wie das andere Bundesländer machen. Da sind Sie nicht betroffen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie auch nicht!)

Deshalb dürfen Sie hier natürlich auch etwas anderer Meinung sein. Aber wir werden sehen, dass SPD und GRÜNE dort, wo sie regieren, durchaus differenzierte Meinungen zu Sitzverteilungsverfahren haben.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)