Protocol of the Session on February 14, 2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade einmal 2 % des öffentlichen Waldes sind geschützt. Das ist bei Weitem nicht das, was der Artenschutz auf Bundesebene vorschreibt. 50 % des Waldes sind geschädigt. Alles das war möglich, obwohl der Wald in Artikel 141 Absatz 1 Satz 4 unserer Verfassung explizit als besonderes Schutzgut aufgeführt ist.

Wir hatten in der 15. Legislaturperiode tatsächlich einen eigenen Entwurf zum Klimaschutz eingebracht; Herr Dr. Fahn hat zu Recht darauf hingewiesen. Aber wir erleben seit drei Jahren, dass unsere Verfassung vom Ministerpräsidenten und der gesamten Staatsregierung als Spielball missbraucht wird, um populistische Eintagsfliegen zu verkünden, nach dem Motto: Ich bin Pippi Langstrumpf und mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Pippi Langstrumpf war Frau Haderthauer schon verkleidet. Vielleicht kann der Herr Ministerpräsident nächstes Mal in Veitshöchheim als Pippo Langstrumpf auftauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe bei der CSU)

Wir werden jedenfalls in diesen vielstimmigen Chor der wöchentlich neuen populistischen Forderungen nicht einstimmen; dieser Tage haben wir den Vorschlag gehört, es solle eine Volksabstimmung über das Rettungspaket für den Euro geben. Was die Schuldenbremse angeht, so hätten Sie es in der Hand, den Staatshaushalt schuldenfrei zu gestalten. Es geht um die vielen Vorschläge, die hier in den letzten Jahren zur Verfassungsänderung aufgetaucht sind, zum Beispiel auch um Integration in die Verfassung, wie Herr Seehofer es möchte. Dieses Thema wiederum wird nicht benützt, um Bürgerrechte oder die Rechte von Migranten und Migrantinnen zu stärken, sondern um rechtskonservative Politik festzuschreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn es Ihnen mit einer Verfassungsreform wirklich ernst wäre, dann sollten Sie so konsequent sein und nicht nur hier und da ein neues Etikett reinkleben, sondern dann sollten Sie einen Verfassungskonvent durchführen. Laden Sie dazu alle gesellschaftlich relevanten Gruppen ein. Dann können wir den Vorschlag der FREIEN WÄHLER, den Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen, nochmal diskutieren. Wir können die Schuldenbremse nochmal diskutieren. Wir können all die Vorschläge, die in den letzten Jahren aufgekommen sind, diskutieren. Das sollten wir aber mit

den Bürgerinnen und Bürgern, mit den zivilgesellschaftlich relevanten Gruppen in einem Konvent tun. Dann könnten wir ein Gesamtpaket schnüren, das von Bildungsgerechtigkeit - da gab es schon entsprechende Forderungen der SPD - bis hin zu einer unabhängigen Justiz unter Volksbeteiligung alles auf den Tisch bringt. Wenn man eine Verfassungsreform will, dann eben auf diesem Weg.

Das stille Kämmerlein der Staatskanzlei, wo angeblich zurzeit alle Vorschläge geprüft werden - ich bin gespannt, wann das Ergebnis endlich kommt; der Ministerpräsident hat gesagt, er lasse die Vorschläge prüfen -, das stille Kämmerlein der Biedermeierzeit hat absolut ausgedient. Das politische Geschäft gehört in den öffentlichen Raum und damit auch die Debatte, wenn man meint, unsere Verfassung ändern zu müssen.

Die CSU ist für mich in dieser Frage mit ihrer Ablehnung jedenfalls nicht glaubwürdig. Ich würde mir wünschen, dass Herr Heike genauso offensiv, wie er hier den Vorschlag der FREIEN WÄHLER abgelehnt hat, auch die Vorschläge seines Ministerpräsidenten ablehnen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Stahl. Als Nächster erhält Kollege Dr. Fischer das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal hat man den Eindruck, man ist auf der falschen Veranstaltung. Gerade hatte ich das Gefühl, dass ich in der falschen Debatte bin. Es geht nicht um einen Gesetzentwurf der Koalition, sondern um einen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER. Es geht nicht um Schuldenbremse, Integration oder irgendwelche anderen Dinge, sondern es geht um den Klimawandel. Wenn man die Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf liest, fällt einem das Lied ein: "Ich muss noch schnell die Welt retten."

(Tobias Thalhammer (FDP): 324 Mails checken!)

Das Ganze war so aufgebaut, als ob es um die Frage ginge, ob der Klimawandel eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist. Darum geht es aber nicht. Es geht auch nicht um die Frage, ob die Umstellung auf eine regionale, dezentrale und erneuerbare Energieversorgung grundsätzlich wünschenswert ist. Um diese Frage geht es auch nicht.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Doch! )

Es geht vielmehr um die profane Frage, ob wir diese beiden Dinge in die Bayerische Verfassung schreiben sollen oder gar müssen. Um es gleich zu sagen: Beide Fragen wird die FDP-Fraktion mit einem klaren Nein beantworten, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Das Erste betrifft das Argument: Es ist schlicht und einfach nicht notwendig. Denn Artikel 141 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung regelt schon jetzt:

Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut.

Gehört denn der Klimaschutz nicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen? Geht es nicht gerade bei diesem Thema um die Verantwortung für die kommenden Generationen?

In Artikel 141 Absatz 1 Sätze 3 und 4 der Bayerischen Verfassung heißt es:

Mit Naturgütern ist schonend und sparsam umzugehen. Es gehört auch zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Boden, Wasser und Luft als natürliche Lebensgrundlagen zu schützen…

Ich erspare es mir, den weiteren Text vorzulesen. Er ist detailreich und vorausschauend. Er ist so vorausschauend gefasst, dass das Wort Klimaschutz, wenn wir es heute einfügen würden, überhaupt nichts mehr ändern würde. Und dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER, wollen Sie nun die bayerischen Bürgerinnen und Bürger an die Wahlurnen bemühen?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER))

Dafür wollen Sie überschlagsweise 13 Millionen Euro ausgeben - so viel hat in etwa der Volksentscheid für das Rauchverbot gekostet -, für ein Ziel, das von allen unstreitig geteilt wird und das ebenso unstreitig bereits jetzt in der Bayerischen Verfassung enthalten ist, für eine Auswirkung von null Komma null? Ich muss Ihnen sagen, das halte ich für verantwortungslos.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Damit komme ich zum zweiten Änderungsvorschlag. Das ist ein völlig anderes Thema: Da geht es um Artikel 152 Satz 2 der Bayerischen Verfassung. Da stelle ich die Frage: Wie kleinteilig wollen Sie die Bayerische Verfassung noch regeln, wenn Sie den Kommunen dezidiert Aufgaben in der Verfassung vorgeben wollen, gerade Ihre Fraktion, die immer die Fahne der Kommunen hochhält? Kollege Fahn, ich verstehe beide Ansatzpunkte nicht. Sie sind beide nicht der richtige Weg, die Bayerische Verfassung fortzuentwickeln. Nur über diese Vorschläge diskutieren wir heute. Wir lehnen beide Vorschläge aus Überzeugung ab. Wir glauben, die Bayerische Verfassung ist so, wie sie ist, gut für Bayern.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Fischer. Jetzt hat Kollege Streibl das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Philosoph Peter Sloterdijk sagte einmal: "Die Menschen sind Zukunftsatheisten. Sie glauben nicht an das, was sie wissen, selbst wenn man ihnen stringent beweist, was kommen muss."

Meine Damen und Herren, das Klima ändert sich. Der Tropengürtel weitet sich aus. Die Meeresspiegel steigen an. Die Polkappen schmelzen, die Ozonlöcher wachsen nicht mehr zu. Wir haben Tragödien von apokalyptischem Ausmaß. Wir haben Flutkatastrophen, Dürre, Flächenbrände, Kältewellen. Das alles ist da. Selbst der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon hat 2007 schon gesagt: Der Zustand des Planeten Erde ist extrem gefährdet. Die Menschheit hat nur noch wenige Jahrzehnte Zeit, diese Probleme selbst in den Griff zu bekommen. So weit Ban Ki-moon.

Das ist eine Folge des Klimawandels, der uns alle angeht, der uns alle letztlich in unserer Existenz angeht und uns dahingehend angeht, wie es in Zukunft mit den Generationen weitergeht. Wir müssen uns schon die Frage stellen, was wir aus der Schöpfung gemacht haben. Wir müssen erkennen, dass es unser Auftrag ist, die Schöpfung zu bewahren, anstatt sie zu vernichten. Darum müssen wir weiterarbeiten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Andreas Fischer (FDP))

Darum, sage ich, hat der Klimaschutz einen legitimen Platz in der Bayerischen Verfassung. Denn durch den Prozess, den Klimaschutz in der Verfassung zu implementieren, stoßen wir eine große gesellschaftliche Diskussion an. Eine solche Verfassungsänderung

kann zu einer Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung führen, eine Bewusstseinsänderung, die nicht nur in der Gesellschaft, sondern bei jedem Einzelnen, bei jedem Mann und jeder Frau eintritt und klarmacht, dass gehandelt werden muss. Wir sind dafür, dass der Klimaschutz in die Verfassung aufgenommen wird, damit die Bevölkerung sich beteiligen kann und die notwendigen Abstimmungen und Regelungen treffen kann. Das sind keine Tagesthemen, das ist keine Verfassungslyrik, sondern das ist unsere Aufgabe, wenn wir verantwortungsvoll mit der Schöpfung umgehen wollen.

Herr Kollege Streibl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen?

Nein. Er kann danach eine Zwischenbemerkung machen. Meine Redezeit ist sowieso kurz bemessen.

Wenn wir sagen, wir wollen erneuerbare Energien zur regionalen Wertschöpfung in die Verfassung implementieren, dann ist das nichts anderes als der Ruf, gleichwertige Lebensverhältnisse in die Verfassung aufzunehmen. Das ist ein Baustein hierzu, damit wir in der Region, in den Dörfern, in den Kommunen eine lokale Wertschöpfung generieren können, wodurch wir wiederum finanzielle Mittel in der Region halten können, die dann nicht ins Ausland fließen.

Daher könnten Sie jetzt diese Chance ergreifen, mit zuzustimmen und für unser Bayernland etwas zu tun. Sie können den Gesetzentwurf aber auch ablehnen. Es besteht die Möglichkeit zu versuchen, sich zusammenzusetzen, um diese Verfassungsänderungen, die jede Fraktion auf dem Tablett hat, zu diskutieren und entsprechende Regelungen einzuführen. Ich bitte deshalb um Ihre Unterstützung.

Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Philipp Graf von und zu Lerchenfeld.

Herr Streibl, eigentlich ist es eine Zwischenfrage, die ich zur Intervention machen muss, weil Sie mir keine Gelegenheit gegeben haben, die Frage gleich zu stellen. Sie hätte dann beantwortet werden können.

Sie haben sehr eindrucksvoll dargestellt, was uns in Bezug auf den Klimawandel, auf die Katastrophen und Ähnliches erwartet. Sind Sie, lieber Herr Kollege Streibl, ernsthaft der Auffassung, dass Sie alle diese Dinge, die Sie umfassend aufgezählt haben, verhindern können, indem Sie Dinge zusätzlich in eine wunderbare Verfassung schreiben, die bereits so gut gefasst ist, dass sie eigentlich keinerlei Ergänzung mehr

bedarf? Ich glaube, hier herrscht ein bisserl Größenwahn vor.

(Beifall bei der CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege, über Größenwahn möchte ich in diesem Hause nicht diskutieren, weil ich sonst sagen müsste: Der lag in der Vergangenheit oder liegt vielleicht auch heute noch ganz woanders.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe Ihnen bereits gesagt: Durch die Diskussion über eine Verfassungsänderung können wir eine Bewusstseinsänderung generieren und auf dieses Problem hinweisen. Dazu dient auch die jetzige Diskussion. Wenn die Bürgerinnen und Bürger zur Wahlurne gehen, um über diese Verfassungsänderung abzustimmen, dann müssen sie sich auch ihre Gedanken dazu machen. Damit trage ich diese Diskussion in die Bevölkerung hinein. Daher kann ich zumindest Stück für Stück etwas in dieser Richtung bewirken. Wer die Hände in den Schoß legt und abwartet, bewirkt natürlich nichts. Dann passiert wirklich nichts.

Wir müssen unbedingt versuchen, die Dinge in die Hand zu nehmen und jeden Strohhalm, der sich uns bietet, zu ergreifen. Unsere Verfassung ist aber kein Strohhalm, sondern ein gutes Gewächs, das noch verbessert werden kann. Insofern sollten wir in diese Richtung weiterarbeiten.