Sollte es so bleiben, dass dem Abitur nur ganz wenige privilegierte Berufe der Niveaustufe 5 zugeordnet werden und dass die Mehrzahl der drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufe der Niveaustufe 4 zugeordnet werden, so ist auch zu befürchten, dass die Attraktivität der dualen Berufsausbildung in Deutschland und damit auch hier in Bayern abnimmt, was auch negative Auswirkungen auf die Nachwuchssicherung im Wirtschaftsbereich haben würde.
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung hat zur Entscheidung der Kultusministerkonferenz noch Ende November 2011 eine Stellungnahme verabschiedet und gesagt, der Beschluss der KMK, wonach das Abitur bei der Ausgestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens auf Niveaustufe 5 und damit höher als viele Abschlüsse der beruflichen Bildung eingeordnet werden solle, sei weder inhaltlich unterlegt noch nachvollziehbar.
Meine Damen und Herren, er sei nicht inhaltlich unterlegt und nicht nachvollziehbar. Ich bitte Sie darum, dass Sie heute Ihre Entscheidung revidieren und dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN zustimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin einigermaßen überrascht, lieber Kollege. Der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN besagt ausdrücklich, dass es darum geht, eine gleiche Stufe für das Fachabitur, für das Abitur und für die dreijährige Berufsausbildung vorzusehen. Welche Stufe das sein soll, ist überhaupt nicht ausgeführt. Ich kann auch nicht erkennen, wo das Problem liegt. Ich denke, es ist eine Grundsatzentscheidung darüber erforderlich, ob wir berufliche und schulische, akademische Ausbildung einander gegenüberstellen oder auf eine Stufe stellen wollen. Ich denke, unter dem Gesichtspunkt, den meine Kollegin von der SPD gerade erwähnt hat, dass wir die Attraktivität der beruflichen Ausbildung erhöhen, ist es eine gute Chance, ein positives Zeichen an unsere Jugendlichen, einen Beruf zu ergreifen.
Gerade im Hinblick auf die gestern wieder geäußerte Meinung der Bundeskanzlerin, es sollten - so möchte ich es fast bezeichnen - noch mehr Jugendliche ins Abitur gedrängt werden, halte ich es für hervorragend, dass wir diesen Antrag heute beraten; denn es geht darum, die berufliche Ausbildung mehr in den Vordergrund zu rücken. Wir haben ausdrücklich nichts davon, wenn wir nur noch Akademiker haben. Ich frage mich: Wer soll denn unsere Häuser bauen?
Man muss natürlich - das gestehe ich zu - den Antrag anschauen bzw. man muss sich einmal ansehen, was DQR und EQR eigentlich bedeuten. Ich kann Ihnen sagen: Als Unternehmer beurteile ich diesen DQR durchaus kritisch; denn ich behaupte: Weder ein Personalchef eines Industrieunternehmens noch ein einfacher Handwerksmeister wird großen Wert darauf legen, dass auf der Bewerbungsmappe oder auf dem Zeugnis steht: Dieser Qualitätsrahmen oder diese Nummer ist erhalten. Am Schluss muss - da gebe ich Ihnen recht - die Qualität über die Einstellung entscheiden, und diese wird nur über die Ausbildung gewährleistet, die ein Jugendlicher entweder durch die Schule, durch das Abitur, oder aber als berufliche Ausbildung erhalten hat. In meinen Augen geht es auch nicht um den rein formalistischen Gedanken, der dahintersteckt, sondern es geht darum, ob wir die Gleichwertigkeit dieser Ausbildungen gewährleisten
Wir brauchen eine vernünftige Qualität, und diese äußert sich nicht allein in der Ausbildung. Menschen sind also nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung zu beurteilen. Ich behaupte, dass ein Gutteil der Schüler, die heute aufs Gymnasium gehen, und durchaus auch ein Gutteil der Schüler, die heute auf die Realschule gehen, in der jeweils anderen Schulart besser aufgehoben wären. Ich sage ganz deutlich: Für mich sind nicht alle Schüler, die auf dem Gymnasium sind, und auch nicht alle Schüler, die auf der Realschule sind, für jeweils diese Schulart geeignet. Diesem Thema muss man sich widmen, weil das für uns hinsichtlich der Frage Bedeutung hat, wie wir in Zukunft unsere berufliche Landschaft darstellen können.
Zum Schluss stelle ich fest, dass es keine sozialistische Gleichmacherei ist. Dazu kann ich keinen Bezug herstellen. Es geht um die Gleichwertigkeit der beruflichen und der schulischen Ausbildung. Mit diesem Antrag wird dieses Anliegen unterstützt. Ich muss es noch einmal sagen: In dem Antrag werden die Stufen nicht dargestellt. Nach der Meinung unserer Fraktion spielt es auch keine große Rolle, ob wir beides auf Stufe 4 oder Stufe 5 stellen. Die Gleichwertigkeit muss sich in der Zuordnung zu einer Stufe widerspiegeln.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben das Thema DQR schon erläutert. Sie sind auf das Fachabitur, die dreijährige Berufsausbildung usw. eingegangen. Darauf will ich nicht mehr eingehen.
Ich will aber noch einmal kurz aufgreifen, um was es hier eigentlich geht. Es geht um die nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens in einen Deutschen Qualifikationsrahmen bis 2012. Wichtig sind bei der Umsetzung nicht die Inputfaktoren wie zum Beispiel die Dauer eines Ausbildungsgangs, sondern die Outputfaktoren, die sich an den tatsächlich erzielten Lernergebnissen orientieren. Wir müssen weg von einem abschlussorientierten System und hin zu einem kompetenzorientierten System. Der DQR kann dazu beitragen, dass in Deutschland er
worbene Qualifikationen in Europa schneller und unkomplizierter anerkannt werden. Mit dem DQR werden Transparenz, Mobilität und Durchlässigkeit gefördert.
So weit, so gut. Wir Liberale begrüßen es sehr, dass sich alle Beteiligten auf die DQR-Matrix mit den einzelnen Niveaubeschreibungen geeinigt haben. Die FDP unterstützt dabei ausdrücklich die Berücksichtigung der Besonderheiten des deutschen Bildungssystems, nämlich des dualen Ausbildungssystems, welches nicht nur eine Vielfalt von Abschlüssen hervorbringt, sondern auch Garant für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist. Der DQR bietet nun die Chance, dieses höchst erfolgreiche System der deutschen dualen Ausbildung im europäischen Bildungssystem besser verständlich zu machen.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung für uns Liberale unabdingbar ist. Gleichwertig heißt aber nicht, dass alle Abschlüsse in der Berufsbildung gleichwertig sein können, denn sie sind nicht gleichartig. Es gibt Unterschiede - Herr Kollege Donhauser hat es ausgeführt - zwischen dem Krankenpfleger, dem Mechatroniker und dem Verkäufer. Seit dem 21. Oktober 2011 liegt nun der Vorschlag der KMK vor.
Die KMK hat den Beschluss gefasst, dass Gesundheitsberufe sowie ein Teil der drei- bzw. dreieinhalbjährigen dualen Ausbildungen dazugehören. Unter anderem sollen Fachinformatiker, Kfz-Servicetechniker und Steuerfachangestellte in Stufe 5 eingeordnet werden. Viele vergleichbare deutsche berufliche Erstausbildungen werden in anderen europäischen Ländern in Kurzzeit auf Ebene 5 oder sogar in Bachelor-Studiengängen auf Ebene 6 angeboten. Auch die allgemeine Hochschulreife und die fachgebundene Hochschulreife wurden von der KMK in Ebene 5 des DQR eingeordnet - und dies zu Recht, denn mit der Hochschulreife ist in Deutschland ein unmittelbarer und uneingeschränkter Hochschulzugang verbunden. Es ist nicht so wie in anderen europäischen Ländern, wo vor Beginn des Studiums weitere Prüfungen oder Vorkurse absolviert werden müssen.
So weit, so gut. Doch wir wollen auf die Schwierigkeiten einer richtigen Einordnung und die damit verbundene Kritik eingehen. Schließlich wollen wir alle einen
einheitlichen Vorschlag Deutschlands an die Europäische Union übermitteln. Vielfach wird gefordert, alle dreijährigen Ausbildungen und das Abitur in Stufe 4 einzuordnen. Trotzdem haben sich die vier Expertengruppen aus Gesundheit, Handel, Informationstechnologie und Metall auch bei anspruchsvollen Erstausbildungen auf die Einordnung in Stufe 4 und Stufe 5 ausgesprochen. Die Einordnung durch die genannten Expertengruppen zeigt, dass Spielräume für Interpretationen bestehen und diese auch von den Vertretern des Bundes und der Sozialpartner so gesehen werden. Deshalb kann ich nicht einfach die dreijährige Berufsausbildung und das Abitur gleichsetzen, wie es die GRÜNEN fordern. Ich muss bei jedem Ausbildungsberuf genau prüfen, welche Anforderungen vorliegen und vor allem welches Wissen, welche Fertigkeiten und welche sozialen Kompetenzen tatsächlich erworben werden. Deshalb schlage ich vor, eine Erprobungsphase zu vereinbaren, um die getroffenen Entscheidungen in einigen Jahren überprüfen zu können.
Gleichzeitig müssen wir auf der anderen Seite - das sage ich ganz deutlich - endlich dafür sorgen, dass auch das Abitur bundesweit vergleichbar wird. Die Umsetzung des DQR erfordert meiner Meinung nach, dass alle Länder dem bundesweiten Aufgabenpool für das Abitur beitreten. Wir werden Brüssel auch im Hinblick auf die Niveaustufe des Abiturs eine Antwort liefern müssen.
Frau Kollegin, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen, die Sie schon um 59 Sekunden überzogen haben.
Natürlich wollte ich noch darauf hinweisen, dass Frau Löhrmann bei der KMK anders abgestimmt hat und jetzt folgen Sie mit diesem Antrag den andern Ministerien. Wir müssen zum Dialog zurückkehren und gemeinsame Anstrengungen unternehmen, damit wir zu einem Ergebnis kommen, ohne dass wir uns auseinanderdividieren.
Frau Kollegin Will, darf ich Sie darum bitten, am Redepult zu bleiben. Frau Kollegin Tolle hatte sich für eine Zwischenbemerkung zu Wort gemeldet. Sie hat jetzt das Wort.
Frau Kollegin Will, zunächst einmal möchte ich Folgendes anmerken: Natürlich haben wir bei unseren Ministern und Ministerinnen
nachgefragt. Sie haben uns gesagt, dass es interne Protokolle gibt, die sie nicht weitergeben. Ich möchte feststellen, dass sich die GRÜNEN auf Bundesebene daran gehalten haben, die CSU und Sie dagegen anscheinend nicht. Deshalb können wir beide nicht überprüfen, ob das, was Sie hier behaupten, stimmt.
Sie haben eine Erprobungsphase vorgeschlagen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen, dass der DQR bereits bearbeitet wurde und sich seit 2009 in einer Erprobungsphase befindet. Zuvor wurde er in langer Arbeit verfasst. Ich frage Sie, ob Sie glauben, dass man jetzt in einer Erprobungsphase neuere Erkenntnisse gewinnen kann, wenn in Deutschland alle, also Wirtschaftsministerien, Sozialministerien, Sozialpartner, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände - außer der KMK fällt mir keiner mehr ein - der gleichen Meinung sind. So wurde es auch im Antrag artikuliert. Ich muss mich wirklich fragen, ob eine Erprobungsphase dann noch eine mentale Änderung herbeiführen wird - vielleicht nur noch bei der KMK. Ich möchte Sie aber auch fragen, ob Sie der Anerkennung des dualen Systems in Europa einen Gefallen tun, wenn Sie es gegenüber dem Abitur abstufen.
Meine letzte Anmerkung: Sie haben von der Gleichwertigkeit des beruflichen Weges und des Abiturs gesprochen. Sie entscheiden sich heute - deshalb ist die namentliche Abstimmung wichtig -, ob dieser Weg für die Regierungskoalition in Bayern noch gleichwertig bleibt oder nicht. Wenn Sie mit Nein stimmen, werden Sie diese Behauptung nie mehr aufrecht erhalten können.
Es bleibt also gleichwertig. Ich habe deutlich ausgeführt, dass ich es für zu früh halte. Ich weiß, dass die Erprobung erfolgt ist, jedoch nur in Bezug auf die Ausbildungszeit. Deshalb habe ich betont, dass es auf das Ergebnis ankommt, und das ist die Besonderheit unserer dualen Ausbildung, die in Europa ihresgleichen sucht. Die Ausbildungsstufen sind nicht verglichen worden. Wir wollen uns in Europa einordnen, wenn wir von den Voraussetzungen mit den Vorkursen bzw. mit der universitären Ausbildung sprechen, die teilweise unserer dualen Ausbildung gleichgesetzt werden, um dann in den Bologna-Prozess bzw. Bachelor-/Master-Studiengang einzusteigen. Das macht den Unterschied aus. Deswegen brauchen wir zwischen den Beteiligten einen Dialog, um die Ausbildung wirklich passgenau zu machen. Es stimmt: So,
wie es jetzt ist, hinkt das Ganze. Deswegen werde ich heute diesem Antrag nicht zustimmen. Ich betone nochmals: Für mich ist die Gleichwertigkeit dann gegeben, wenn die kognitiven Kompetenzen in allen Bereichen - und nicht nur die Ausbildungszeit - festgestellt sind.
Als letzter Redner hat nun Herr Staatssekretär Bernd Sibler das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind überzeugt, dass wir in Bayern im akademischen bzw. schulischen wie im beruflichen Bereich hoch qualifizierte und sehr hochwertige Abschlüsse vermitteln. Der Freistaat Bayern hat das in der Bertelsmann-Studie bescheinigt bekommen, die sowohl die berufliche als auch die schulische Bildung bewertet hat. Die Bertelsmann-Studie hat deutlich gemacht, dass es ein klares Nord-Süd-Gefälle gibt. Deshalb sind wir der Meinung, dass das Abitur und Teile der beruflichen Bildung unbedingt in die fünfte und nicht in die vierte Stufe gehören, wie von manchen angestrebt wird.
Frau Kollegin Will hat bereits berichtet, dass es noch eine ganze Reihe von Anträgen zu diesem Thema gibt. Für die letzte Verhandlungsrunde der KMK am 08.12.2011 war ein solches Gespräch zwischen den Vertretern der Ministerien, den Berufsverbänden, den Sozialpartnern und betroffenen Gruppen geplant. Aufgrund von Terminüberschneidungen kam dieses Gespräch leider nicht zustande. Trotzdem darf ich berichten, dass sich die A- und B-Länder ebenso wie die grüne Regierung in Baden-Württemberg insofern einheitlich positionierten, dass Stufe 5 des DQR sowohl für das Abitur als auch für die höchste Stufe der beruflichen Erstausbildung angestrebt werden soll.
Ich darf nochmals darauf hinweisen: Bayern hat bereits festgeschrieben, dass ein Studium mit dem Meisterbrief, einem vergleichbaren Abschluss oder einer beruflichen Qualifizierung aufgenommen werden kann. Das macht deutlich, dass wir sowohl das schulische und duale System als auch den Hochschulbereich mit der beruflichen und akademischen Bildung auf Augenhöhe sehen. Das wird durch die Gespräche auf KMK-Ebene unterstrichen. Diese Gespräche sollen weiter geführt werden, sodass es zu einer weiteren Konkretisierung der verschiedenen Berufsgruppen kommt; denn vor allem die Vertreter gesundheitlicher Berufe haben auf ihre hohen Qualitätskriterien verwiesen.
haben mehrfach sichergestellt, dass die Augenhöhe zwischen akademischer, schulischer und beruflicher Bildung gegeben ist. Ein gutes Beispiel dafür, wie weit man mit einer Maurerausbildung kommen kann, ist der zitierte Kollege Eck auf der Kabinettsbank.