Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich, Frau Kollegin Jung, ist der Antrag logisch und entspricht unserer Auffassung; denn frühkindliche, vorschulische und schulische Bildung gehören zusammen. Sie sind vernetzt und sollten in einem Ministerium für Bildung zusammengefasst werden. Dass wir den Antrag trotzdem ablehnen, hat zwei Gründe. Einen davon haben Sie selbst angesprochen. Es geht um die etwas verwaschene und ungenaue Formulierung; denn welches Alter, welches Konzept soll gelten? Soll es ab null Jahren gelten, und sollen alle Kindertagesstätten einbezogen werden, oder soll es nur das BayKiBiG betreffen? Die Antragsformulierung ist zu unklar. Sie selbst haben während der Ausschussberatung diesbezüglich Überlegungen angestellt. Sie haben angesprochen, dass das konkretisiert werden müsste. Das war das eine.
Zum anderen lehnen wir den Antrag ab, weil es rein praktische Überlegungen gibt, die mit dem jetzigen Staatsministerium für Unterricht und Kultus zusammenhängen. Dort ist keine klare Linie in der Bildungspolitik zu erkennen. In regelmäßig unregelmäßigen Abständen wird schulpolitisch - Entschuldigung, dass ich das etwas drastisch ausdrücke - eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Die SPD-Fraktion hat begründete Bedenken, dass frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung bei dem jetzigen Zuschnitt des Kultusministeriums ein Schattendasein führen werden.
Das können wir nicht zulassen; denn gerade in der frühkindlichen Bildung, der vorschulischen Bildung und Betreuung werden die Grundsteine gelegt für die weitere Entwicklung eines Kindes. Anders würde es aussehen, wenn aus dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus ein echtes Bildungsministerium werden würde, das für die Bildung von Anfang an bis hinauf zum Abitur zuständig ist. Dann könnte man sagen, dass wirklich alles in einer Hand ist. Die einzelnen Stufen müssen gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Darüber reden und entscheiden wir im Herbst 2013. Unser Ansinnen ist es, ein Bildungsmi
nisterium zu schaffen, in dem die frühkindliche Bildung den gleichen Stellenwert hat wie die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis zum Abitur. Aus diesen Gründen lehnen wir derzeit den Antrag ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vereinheitlichung, das heißt die Zusammenfassung von frühkindlicher und schulischer Bildung in einer Hand ist eine alte Forderung der GRÜNEN. Wir wollen, dass die Bildung in einem Ministerium zusammengefasst wird. Das ist logisch, weil frühkindliche Bildung ebenso Bildung ist wie Schulbildung, und sie sollten nicht in zwei getrennten Ministerien sein.
Dazu haben wir in der Vergangenheit Anträge gestellt. Deshalb werden wir heute dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen.
Ich will erklären, weshalb wir uns im Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit der Stimme enthalten haben. Es gibt bestimmte Dinge, die uns Bauchgrimmen verursachen. Zum Beispiel haben wir nicht gänzlich verstanden, dass die FREIEN WÄHLER diesen Antrag inmitten der Legislaturperiode stellen. Normalerweise müsste ein solcher Antrag zu Beginn der Legislaturperiode kommen. Wir wollen aber nicht kleinlich sein und gehen davon aus, dass die FREIEN WÄHLER der Meinung sind, dass das Bildungssystem bis zum Beginn der nächsten Legislaturperiode umgebaut werden sollte, sodass die Zusammenlegung möglich wird. Insofern macht der Antrag Sinn.
Ein zweiter Punkt verursacht uns Bauchgrimmen, dass nämlich das Kultusministerium aus unserer Sicht sehr viele Kritikpunkte aufweist. Zum Beispiel wird am dreigliedrigen Schulsystem festgehalten, und um die Altenpflegeschulen wird ein Trauerspiel aufgeführt. All das begeistert uns nicht für die Politik des Kultusministeriums. Da wir aber grundsätzlich der Meinung sind, dass die gesamte Bildung in ein Ministerium gehört, werden wir heute zustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Frühkindliche Bildung und Erziehung unter dem Dach des Kultusministeriums, wie es von den FREIEN WÄHLERN gefordert wird, ist auch für uns keine neue Idee. Wir haben das 2008 in unserem Wahlprogramm gefordert. Frühkindliche Bildung als Gesamtkonzept gehört in eine Hand. Die Forderung, die frühkindliche Bildung in das Kultusministerium zurückzuführen, ist nicht neu, weil sie dort schon mal war.
Wir sind im Moment aber nicht bei "Wünsch dir was". Wir können nicht sagen, dass wir das so machen, weil wir in dieser Legislaturperiode Prioritäten setzen mussten. Für die frühkindliche Bildung müssen wir Geld in die Hand nehmen. Ich bin der Meinung, dass wir mit dem Einstieg in das kostenfreie letzte Kindergartenjahr den ersten richtigen Schritt getan haben. Wir haben im Sinne der Steuer zahlenden Eltern gehandelt. Im Prinzip muss man sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler umgehen. Mit der Verlagerung der frühkindlichen Bildung in den Bereich des Kultusministeriums sind Kosten verbunden. Diese Mittel lassen wir lieber in den Ausbau der Kitas fließen.
Der Antrag der FREIEN WÄHLER suggeriert, dass mit der veränderten Zuordnung automatisch die Bildungsfunktion von Kindertageseinrichtungen verstärkt werden würde. Das ist mitnichten der Fall. Funktionierende Strukturen umzuwerfen, ohne zu sagen, auf welche Weise das geschehen soll, wird nicht funktionieren. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir den Antrag ablehnen.
Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe wurde vom Ministerrat beauftragt, gemeinsame Leitlinien für die Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen zu entwickeln. Das ist wirklich ein gutes Konzept. Die gemeinsame Bildungsleitlinie soll einen Orientierungs- und Bezugsrahmen schaffen sowie ein einheitliches Bildungsverständnis beschreiben, nach dem alle Institutionen ihre Arbeit gestalten.
Ich möchte schon noch einmal betonen, dass es außer Frage steht, dass beide Bereiche zunehmend verzahnt werden müssen, wie das richtigerweise der Aktionsrat Bildung festgestellt hat. In dieser Richtung passiert aber bereits viel. Ein Beispiel dafür ist die gemeinsame Fortbildungskampagne "Vorkurs Deutsch 240" bei der seit dem Jahr 2010 Tandems aus den Kindertageseinrichtungen und den Grundschulen gemeinsam Fortbildungen für die Fachkräfte durchführen. Das Wichtigste ist, dass die Fachkräfte darauf eingestellt werden, dass wir von der Betreuung hin zur frühkindlichen Bildung kommen.
Ich nenne auch die ressortübergreifenden Arbeitskreise der Fachberater und der Schulräte der Regierungen sowie die gemeinsame Fortbildungskampagne "Übergang als Chance". Das letztliche Ziel ist auch hier das Erreichen der Schulfähigkeit des Kindes. Die Eltern, die Kindertageseinrichtungen und die Schule sollen dabei unterstützt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Natürlich ist es unbestritten - und wird von Fachleuten immer wieder bestätigt und angemahnt -, dass frühkindliche Bildung ein Teil der Bildungspolitik ist. Aus diesem Grunde sollte sie nicht in starre bürokratische Formen mit dem Risiko gepresst werden, dass Funktionierendes zerstört wird. Bevor wir in dieser Legislaturperiode ein weiteres bürokratisches Fass aufmachen, sollten wir uns lieber auf das konzentrieren, was bei den Kindern und Eltern direkt ankommt. Wir sollten weitermachen mit dem Einstieg in ein kostenloses Vorschuljahr, was wir begonnen haben. Wir sollten den Schlüssel weiter verbessern.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe die Hände der Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenprobe? - Ich sehe die Hände der Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CSU, der FDP und der SPD. Gibt es Enthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Bernhard Roos, Dr. Paul Wengert, Annette Karl u. a. (SPD) Gigaliner-Feldversuch der Gigantonomie im LkwVerkehr stoppen (Drs. 16/6315)
Herr Präsident, lieber Herr Kollege Rohde, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gigaliner gehören nicht auf die Straße. Sie sind eine Fehlentwicklung in der aktuellen Verkehrspolitik, die von der Bayerischen Staatsregierung mitbetrieben wird und von der Bundesregierung vor Kurzem beschlossen wurde. Dieser Antrag der SPD-Fraktion datiert vom 11. November 2010. Er wurde vor Jahresfrist eingereicht.
In dem Bericht, den Herr Staatssekretär Gerhard Eck im August abgegeben hat, wurde eine Fülle von Beruhigungspillen verteilt, etwa, dass es sich nur um maximal 44 Tonnen und nicht um 60 Tonnen handle, dass sich die Last auf sieben oder gar acht Achsen verteile, dass die letzte Meile in den Kommunen organisiert werde und und und. Diese Beruhigungspillen haben die Gegner jedoch keineswegs beruhigt. Warum ist das so? Herr Kollege Staatssekretär, das liegt wohl auch an der Semantik, da vonseiten der Industrie von Lang-Lkw oder Öko-Lkw gesprochen wird. Dies ist eine völlige Umkehrung der Tatsachen.
Richtiger wäre: Hier sind Giganten, Ungetüme auf den Straßen, Bundesstraßen und Bundesautobahnen geplant. Deswegen zählen für uns die Argumente kontra deutlich mehr. Giganten, Gigaliner, gehören nicht auf die Bundesstraßen.
Argumente kontra gibt es in Fülle. Im Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg - dem Vertrag der grünroten Regierung - steht zu lesen, dass die Einführung überlanger Lkw dem Ziel der Verlagerung des Mittel und Langstreckengüterverkehrs weg von der Straße entgegenstehe. Deshalb werde sich Baden-Württemberg nicht an dem Modellversuch der Bundesregierung beteiligen. Gegenüber dem Bund werde sich Baden-Württemberg für angemessene, kostenorientierte Lkw-Mautsätze einsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen steht für Aktivitäten gegen die Interessen der Bahn und gegen Aktivitäten lediglich für die großen Speditionen. Diese Meinung teilen wir. Der DGB, der Deutsche Gewerkschaftsbund, fordert uns als Landtag auf: Bitte halten Sie Abstand. Der Landtag soll den Feldversuch stoppen. Der ACE, der AutoClub Europa, sieht eine Gefährdung des Verkehrs wegen der Überholproblematik, des Querverkehrs und den Spurbreiten. Dadurch wird der Verkehr eher gefährdet, als ihn sicherer zu machen, was notwendig wäre.
Die Europäische Verkehrsgewerkschaft - EVG - bemüht ein Fraunhofer-Gutachten, wonach entgegen der Erwartung und der Argumentation von SchwarzGelb mittelfristig mehr CO2 ausgestoßen werde, weil die Ersparnisse dadurch konterkariert würden, dass die Bahn nicht mehr so gut laufe. Der Bayerische Ge
meindetag - das sollten vor allem die Kommunalpolitiker unter Ihnen sehen - ist gegen die notwendigen Verteilstationen, gegen die Belastung der letzten Meile und gegen die Belastung seiner Infrastruktur. Die "Süddeutsche Zeitung" titelt: "Boeing auf der Landstraße". Aus Boeing wird schnell Peng. Deshalb sollten wir das Erreichen der CO2-Ziele, das wir uns vorgegeben haben, durchaus ernst nehmen.
Die Gewerkschaft der Polizei lehnt Gigaliner wegen des Sicherheits- und Kontrollbedarfs, des Parkplatzmangels an den Bundesautobahnen und wegen der prekären Situation an den Parkplätzen ab. Hier bin ich Herrn Kollegen Mütze für eine Anfrage dankbar, die er eingebracht hat. Die Parkplätze sind deutlich zu kurz. Ihr Ausbau würde einen riesigen Investitionsbedarf nach sich ziehen. Der Bund Naturschutz spricht ebenfalls von einer CO2-Mehrung. Warum will die Bundesregierung dennoch diese Maßnahme ergreifen? Sie macht sich zum Büttel der Großen und der Industrie. Viel Feind, viel Ehr - Hauptsache, die Lobby ist zufrieden. Das ist nicht das, was wir Sozialdemokraten unter Politik verstehen.
Ich komme zu den rechtlichen Bedenken. Das Gutachten von Herrn Prof. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin spricht eine deutliche Sprache: Diese Regelung kann nicht am Bundesrat vorbei getroffen werden. Hier bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung. Ich fordere Sie auf, diesem unrechtmäßigen Treiben der Bundesregierung - und mittelbar der Staatsregierung - ein Ende zu setzen. Die SPD-Bundestagsfraktion mit den Kollegen Florian Pronold und Martin Burkert an der Spitze wird ein Organstreitverfahren anstrengen. Das Land Baden-Württemberg wird Gleiches tun.
Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, Gigaliner zu verbannen. Die Haushaltsmittel sind woanders deutlich besser aufgehoben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hören Sie mir einmal zu, wie die Überschrift dieses Antrags lautet: "Gigaliner-Feldversuch der Gigantonomie im Lkw-Verkehr stoppen". Wenn Sie nur nicht immer so maßlos übertreiben würden, dass man Sie wirklich nicht mehr ernst nehmen
Worum geht es denn eigentlich? - Es geht keineswegs um das, was man als Gigaliner bezeichnet hat. Das waren Lkws, die mit 60 Tonnen fahren sollten. Auch ich hätte Bedenken gehabt, ob das beispielsweise unsere Brücken aushalten können und ob unsere Infrastruktur dadurch zu stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Nunmehr geht es um Lang-Lkws. Sie tragen wiederum diese Fehlinformation vor, und das kann ich nicht ernst nehmen.