Protocol of the Session on October 20, 2011

Sie haben zu früh abgebrochen. Frau Kollegin Stewens, sind Sie meiner Meinung?

Ich bin Ihrer Meinung, wenn Sie feststellen, dass ich eine gute Gesundheitsministerin in Bayern war.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich bin nicht Ihrer Meinung, wenn Sie feststellen, dass ich resigniert habe.

(Alexander König (CSU): Das ist völlig verkannt!)

Sie verkennen das völlig und Sie schätzen mich völlig falsch ein; denn ich stecke noch voller Idealismus. Dennoch bin ich mittlerweile der festen Überzeugung, dass dieses System nur mit langsamen Reformschritten verändert werden kann. Mit jeder radikalen Strukturveränderung werden Sie Schiffbruch erleiden, das sage ich den FREIEN WÄHLERN vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrung.

Ich möchte auf die Regierungserklärung des bayerischen Gesundheitsministers eingehen, weil Sie in fast allen Redebeiträgen die Verantwortungsebenen vermischt haben. Worum ging es Markus Söder? - Wir haben vier zentrale Entwicklungen: die demografische Entwicklung sowohl bei den Ärzten als auch bei der Bevölkerung, die Verweiblichung des Berufes - 75 % der Erstsemester sind Frauen -, die Fehl-, Über- und Unterversorgung mit Ärzten in Bayern und die steigenden Kosten im Gesundheitssystem. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund wollte Markus Söder ausloten, was Bayern in eigener Verantwortung auf den Weg bringen kann; und das ist die entscheidende Frage. Dabei wissen wir doch alle, dass das SGB V ein Bundesgesetz ist. Hier die Verantwortungsspielräume auszuloten und mit den richtigen Maßnahmen auszufüllen, darum ging es. Das haben Sie alle in Ihren Reden völlig verkannt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich möchte auf die 15 Maßnahmen eingehen, die hier aufgezeigt wurden. Das waren unter anderem die Ärztehäuser mit den familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen, die Gemeinschaftspraxen, das Mentoring-Programm, die Fahrdienste, die Telemedizin. Die Telemedizin können Sie übrigens auch mit Analogtechnik bedienen, das ist überhaupt kein Problem. In dieser Frage informieren Sie falsch. Schließlich ging es noch um den großen Bereich Prävention. All das sind Dinge, wo die Länder verstärkt Verantwortung übernehmen können. Das ist ein positives Signal für unsere Ärzte auf der einen Seite, aber auch für die Patienten im Land auf der anderen Seite, um die Qualität der Versorgung zu verbessern. Hier lag der Schwerpunkt der heutigen Regierungserklärung. Das sollten wir positiv und dankbar aufnehmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen im Rahmen der Aussprache sind nicht vorgemerkt. Dann darf ich Herrn Staatsminister Dr. Söder das Wort zu einer zusammenfassenden Stellungnahme geben. Wir würden diesen Punkt damit abschließen. Herr Dr. Söder, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich will nur einige Anmerkungen und ein paar Klarstellungen machen. Vielen Dank, Christa Stewens, dass du die Debatte auf den Kern zurückgeführt hast, um den es heute eigentlich ging. Heute ging es um Bayern, es ging nicht darum, eine Debatte des Deutschen Bundestages zu führen. Es ging darum zu überlegen - und das wird schon lange angemahnt -, was man eigentlich in Bayern machen kann. Wir haben uns deshalb überlegt, was wir vor Ort machen, und ich hätte mir erwartet, dass Sie sich mehr mit diesen Themen auseinandersetzen.

Liebe Frau Sonnenholzner, liebe Frau Dittmar, Sie haben gesagt, es müsse mehr Regionalität geben. Ich habe aber bemerkt, dass Frau Sonnenholzner über Sambia und Oberbayern gesprochen hat. Ich bin auch nicht ganz sicher, und das meine ich wirklich ernst, ob Sie mit dem Thema Regionalität in der medizinischen Versorgung wirklich vertraut sind; denn der Spitzenkandidat der SPD in Bayern für die nächste Landtagswahl hat in einem Interview zur Frage der Regionalität wie folgt geantwortet. Die Frage war: "Lieber Herr Ude, wann waren Sie zuletzt in Ober- und Unterfranken?" - Ude: "Ich habe enge Kontakte nach Oberfranken, nach Aschaffenburg." - Nach Aschaffenburg, meine Damen und Herren!

(Markus Rinderspacher (SPD): Hier spricht nicht der Generalsekretär, Herr Söder!)

Auf den Hinweis "Das liegt aber in Unterfranken" antwortete Ude: "Ach, das ist aber auch kompliziert, bei uns in Oberbayern ist oben oben und unten unten." Meine Damen und Herren, das muss man sich schon einmal anhören.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer so über Bayern denkt, der kann von Regionalität in der Medizin nichts verstehen.

(Beifall bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): Mann, Mann, Mann! - Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Und was hat Herr Stoiber gesagt, wie man vom Hauptbahnhof zum Flughafen kommt?)

- Herr Pfaffmann, das war eine müde Antwort von Ihnen, normalerweise sind Sie pfiffiger.

Nun zum Thema Prävention. Vielen Dank für die vielen Vorschläge und für die Ideen, sowohl von Frau Schopper als auch von Frau Sonnenholzner. Der eigentliche Punkt ist aber, und hier gebe ich Frau Schopper recht: Man muss aufpassen, dass die Prä

vention nicht ein Sammelsurium, ein Bauchladen voller Flyer ist nach dem Motto: Machen wir zu jedem Thema, das gerade interessant ist, einen Flyer und eine Pressemeldung, und das war es. Wir wollen die Prävention deshalb bündeln, weil wir genauso empfinden. Auch wir meinen, es gibt Themen, die einer besonderen Sensibilität, einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen und wo man durch einen Anstoß zur Prävention oder die direkte Ansprache etwas erreichen kann. Deshalb sollen die Aktionen auch wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Sonst setzen sich Präventionsbemühungen nach dem Motto fort: Wir haben letztes Jahr einen Flyer dazu gemacht, machen wir auch in diesem Jahr wieder einen Flyer. Deshalb soll die Prävention wissenschaftlich evaluiert und mit einer Stelle in der Versorgungsforschung verbunden werden.

Wenn hier über das Thema Jungs und Männer gelacht wird, dann muss ich sagen, dass ich dieses Thema nicht albern finde. Wir haben versucht, das Thema ohne Moralkeule anzusprechen. Es ist schon bezeichnend: Junge Mädchen haben von der Pubertät an eine Beziehung zu Ärzten und kein Problem, sich damit zu beschäftigen. Für die jungen Männer ist das ganz anders, sie haben große Schwierigkeiten. Wir haben mit Urologen, mit Kardiologen, mit Nephrologen und vielen anderen Ärzten Gespräche geführt; denn diese Ärzte drängen uns seit Jahren, etwas zu machen. Im Jahr 1999 gab es den ersten nationalen Bericht zur Frauengesundheit. In diesem Jahr wird es den allerersten Bericht zur Männergesundheit geben. Bei aller geschlechterspezifischen Aufgabenstellung handelt es sich hier auch um eine gemeinsame Aufgabe. Wir müssen unsere Männer darauf hinweisen, dass sie länger leben können, wenn sie mehr Vorsorge betreiben. Ich glaube, hier haben wir eine gemeinsame Aufgabe, meine Damen und Herren!

Noch ein letztes Argument: Frau Dittmar, Sie haben vor starren Regelungen gewarnt. Wir haben jetzt flexible Regelungen, und das ist eine echte Chance. Ich freue mich, dass alle mitmachen. Ich muss aber schon sagen, und das hat auch Herr Kollege Bertermann angesprochen: Wer hat denn jahrelang jede Form von Föderalismus in Deutschland verhindert? Wer hat jahrelang dem Zentralismus im Gesundheitssystem das Wort geredet? - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war Ulla Schmidt! Wir korrigieren nun mühsam, was acht oder neun Jahre lang verschlechtert wurde.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Noch eine Anmerkung zu Frau Schopper. Die letzten Male fand ich Sie etwas besser, heute war das nicht so spritzig. Die Piraten hätten das vielleicht pfiffiger

gemacht. Das kommt aber noch. - Nun aber im Ernst: Mich besorgt an Ihrem Beitrag, dass ein Feindbild durchschimmert. Sie haben hier relativ lange und ausführlich gesprochen und beim Thema Überversorgung begonnen. Sie haben dabei eine eigene Staatsanwaltschaft gegen Ärzte gefordert und die Veruntreuung in einer Art und Weise betont, dass ich schon einmal sagen muss: Bei 20.000 Ärzten mag es durchaus ein schwarzes Schaf geben, wir aber meinen, unsere Ärzte und Ärztinnen haben es nicht verdient, in diese Ecke gestellt und diskriminiert zu werden. Wir lehnen eine Sonderstaatsanwaltschaft für Ärzte ab.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der SPD)

Nun zu den FREIEN WÄHLERN. Herr Vetter, Sie haben völlig recht, ich stimme Ihnen hundertprozentig zu, wenn Sie sagen: Sie haben das Gesundheitssystem nicht verstanden.

(Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER): Sie aber auch nicht!)

- Darüber kann man sicher reden. Die AOK hat jedenfalls eine Pressemitteilung herausgeschickt, in der sie die Vorschläge, die wir gemacht haben, begrüßt. Auch andere, von den Ärzten bis zur Ärztekammer, begrüßen den Weg, den wir eingeschlagen haben. Wissen Sie, was mir Sorge macht? - Wer hier im Parlament auftritt und sagt, Punktwerte müssten die Politik verändern, der hat es nicht verstanden; denn die Punktwerte werden von der Selbstverwaltung bestimmt. Wer also als Arzt fordert, die eigene Selbstverwaltung müsste abgeschafft werden, der redet einer Staatsmedizin das Wort. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, lieber Herr Vetter! Wer nicht weiß, lieber Herr Bauer, was ein Entlastungsassistent ist, wer nicht weiß, welche enormen Möglichkeiten die Lockerung der Residenzpflicht bietet, wer ein Gesundheitswesen auf den Weg bringen will, indem wir quasi experimentieren, wie die medizinische Zukunft aussehen soll, zu dem kann ich nur sagen: Lieber Herr Prof. Bauer, ein solches Gesundheitssystem mag vielleicht in Lima funktionieren, in Bayern aber nicht. Das akzeptieren wir nicht.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (FREIE WÄHLER): Das ist eine Herabsetzung! Das verbitte ich mir, das ist unverschämt!)

Zu den Hausärzten: Wer hat die Verträge gekündigt? Die Hausärzte selbst haben im vergangenen Jahr alles unternommen, diesen Hausarztvertrag zu begraben. Sie kennen die Hintergründe. Wir haben vor all diesen Dingen gewarnt.

Wir sind Recht und Gesetz verpflichtet; darauf setzen wir. Wir sind Partner der Hausärzte, aber auch Anwalt der Patienten. Wir können nur dafür sorgen - und das immer wieder -, dass Recht und Gesetz eingehalten werden. Das Schiedsverfahren ist der gesetzlich vorgesehene Weg, um eine Situation fehlender Einigung zu klären. Am 17. August wurde ein entsprechender Antrag gestellt, einen Monat später waren die Schiedspersonen bestellt. Das Schiedsverfahren läuft. Schneller und effektiver kann man nicht arbeiten.

Eine letzte Anmerkung zu dem Thema: Herr Vetter, Sie haben die Anfrage von letzter Woche angesprochen und behauptet, wir müssten die Zahl der Praxen kennen. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer sind für die Selbstverwaltung zuständig richtig? Haben Sie als Arzt dem Gesundheitsministerium berichtet oder doch eher dem Selbstverwaltungsorgan, von dem Sie Ihre Zulassung erhalten haben? Deswegen wird bei uns im Ministerium nicht die Zahl der Praxen registriert. Bei aller Liebe, aber wir können nicht an einem Tag das System der ärztlichen Selbstverwaltung komplett neu justieren. Das geht wirklich nicht. Das ist eine rechtliche Frage.

Ich fasse zusammen. Vieles an Kritik, die hier vorgetragen wurde, nehme ich auf. Ein großer Teil davon ist durchaus gesellschaftlich relevant. Herr Professor Bauer, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie vor der Gefahr der Zwei-Klassen-Medizin warnen. Wir werden jedoch nicht vorankommen, wenn wir immer nur jammern und fordern, andere sollten die Aufgaben erledigen. Es reicht nicht zu erklären, wir bräuchten eine gesundheitspolitische Weltrevolution. Wir müssen auch selbst etwas tun, wir müssen handeln. Gerade ältere Patienten können nicht darauf hoffen, dass sich das Gesundheitssystem irgendwann so radikal ändert. Die Patienten, die unsere Fürsorge brauchen, dürfen wir nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertrösten.

Wir versuchen, den Kranken mit eigenständigen Maßnahmen jetzt zu helfen. Wir können sicherlich in den Ausschüssen darüber debattieren, wie die Maßnahmen wirken und welche Verbesserungen wir vornehmen können. Dennoch wiederhole ich meine herzliche Bitte: Machen Sie mit! Wir müssen die Chance nutzen, die wir heute aufgezeigt haben. Unser aller Ziel sollte es sein, für die Patienten in Bayern etwas zu erreichen. Jeder Beitrag ist wichtig, auch wenn nicht jeder wirkt. Wir setzen eigene Akzente, auch mit der Debatte am heutigen Tag.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Da die Aussprache schon ge

schlossen war, war leider auch eine Zwischenbemerkung nicht mehr möglich.

Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Dr. Bauer für eine persönliche Erklärung, worum er gebeten hat. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Staatsminister Herr Söder! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verwahre mich gegen die Herabwürdigung meines privaten Engagements in Peru. Ich habe das auf eigene Kosten realisiert. Mein Engagement in Lima als Tätigkeit in einer "Pampa-Republik" abzustempeln, ist unverschämt. Das verbitte ich mir. Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Der Tagesordnungspunkt "Regierungserklärung" ist damit abgeschlossen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Was ist denn jetzt?)

- Das war eine persönliche Erklärung.

(Zurufe von der CSU)

- Ich bitte, jetzt von Zurufen abzusehen. Wir machen in der Tagesordnung weiter.

Wir haben für das heutige Plenum eine Mittagspause verabredet. Ich schlage Ihnen vor, dass wir sie nach der Aktuellen Stunde einlegen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der FDP-Fraktion "Der Münchner Flughafen als Wachstumsmotor gute Gründe für die 3. Startbahn"

In der Aktuellen Stunde - das wissen Sie - dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner zu sprechen.