Protocol of the Session on October 12, 2011

Bitte sehr, Herr Professor Bausback.

Herr Kollege Schindler, Sie haben aus einem Urteil zitiert, das vielen bekannt ist. Was mich wundert ist, warum Sie nicht auch die Randnummer 190 zitieren, wo das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, dass Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes der alleinige Maßstab ist, wenn durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt ist, dass eben nur diese Telekommunikationsvorgänge überwacht werden. Das ist im Grunde der entscheidende Ansatz. Den lassen Sie aus. Das lässt tief blicken im Hinblick auf Ihren Antrag.

(Zurufe von der SPD)

Bitte, Herr Kollege Schindler.

Herr Professor Dr. Bausback, die Antwort auf Ihre Frage ergibt sich aus meinen weiteren Ausführungen.

Meine Damen und Herren, trotz der von mir genannten Umstände und in Kenntnis der Rechtsprechung hat das Landeskriminalamt zur Ausführung von - das gebe ich zu - auf richterlichen Beschlüssen beruhenden Ermittlungsmaßnahmen in Bayern eine Software eingesetzt, die nach allem, was ich jetzt weiß, nicht nur die zulässig zu erhebenden Daten abgleicht und übermittelt, sondern auch noch Funktionen enthält, die es erlauben, beliebige Programme zu starten, um auf Informationen auf dem Zielrechner einwirken zu können. Es kann damit nach Angaben des Chaos Computer Clubs - die haben Fachleute; das darf man nicht unterschätzen! - auch ein großer Lauschangriff gestartet werden und es können Beweise gefälscht und das Mikrofon und die Kamera am PC ein- und ausgeschaltet sowie Screenshots angefertigt werden.

All das muss das LKA gewusst haben. Insbesondere seit dem Beschluss des Landgerichts in Landshut konnte bekannt sein, welche Hintergründe es hier gibt.

Wenn das allerdings bekannt war und dennoch gemacht worden ist, muss man wohl sagen: Wir haben es hier nicht mehr mit einer rechtlich ohnehin fragwürdigen Quellen-TKÜ zu tun, sondern mit einer im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen unzulässigen Online-Durchsuchung.

Die Frage ist nun, welche Funktionen die vom LKA eingesetzte Software im Einzelnen hatte, ob zutrifft, was behauptet wird, dass die Software wesentlich mehr konnte und kann, als sie rechtlich durfte.

(Alexander König (CSU): Genau das ist die Frage!)

Fraglich ist auch, wer Bescheid wusste und wer Bescheid hätte wissen müssen, oder wer dafür zuständig war oder ist, dass eine Quellen-TKÜ nicht in eine Online-Durchsuchung ausartet. Das wird wohl nicht der Mitarbeiter im hintersten Büro des LKA gewesen sein oder der Hausmeister. Nein, ich nehme an, dass die Verantwortlichkeit höher anzusiedeln ist. Da die angeblich genutzte Software bereits vor Jahren auf Bundesebene vorgestellt worden ist und Bundesbehörden damals auf den Einsatz der Software verzichtet haben, weil sie die beschriebenen Funktionen enthält, stellt sich natürlich auch die Frage, ob man in Bayern darüber Bescheid wusste und wenn ja, warum man es ignoriert hat.

(Beifall bei der SPD)

Man hätte es wissen können und man hätte es möglicherweise auch wissen müssen, und zwar dann, wenn man die Leistungsbeschreibung der angeblich beauftragten Firma, deren Namen ich hier jetzt nicht nennen will, gelesen hätte.

Fraglich ist auch, warum der Landesbeauftragte für den Datenschutz erst jetzt eingeschaltet und mit der Prüfung beauftragt wurde und nicht, bevor jeweils Software erworben, angemietet, geleast und dann auch noch aufgepeppt und angewendet wurde.

(Beifall bei der SPD)

Diese Fragen müssen ebenso beantwortet werden wie die Frage, wo außer beim LKA bei sonstigen Behörden in Bayern - ich denke an das Landesamt für Verfassungsschutz - eine entsprechende Software eingesetzt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe wohl vernommen, Herr Dr. Fischer, dass Ihr Antrag darauf abzielt, Vertrauen in die Rechtstaatlichkeit wiederherzustellen. Ich nehme an, dass der Herr Innenminister sagen wird: Wie kann man daran überhaupt zweifeln? Selbstverständlich verhalten wir uns immer und jederzeit rechtstaatlich und verfassungstreu.

(Zuruf von Staatsminister Joachim Herrmann (CSU))

Herr Dr. Beckstein stimmt schon zu. Ich nehme an, dass Sie so argumentieren werden. Sie werden dann Ihrem Koalitionspartner FDP erklären müssen, wie Sie diese unterschiedlichen Sichtweisen in der Koalition vereinbaren können. Wir sind auf das Ergebnis gespannt.

(Zurufe von der CSU - Unruhe)

Es geht nicht, Herr Dr. Fischer, dass Sie hier ganz große Worte von sich geben, die ich gerne gehört habe, dann aber gemeinsam mit der CSU einen Dringlichkeitsantrag einbringen, in dem Sie schreiben, der Landtag geht davon aus, dass alles in Ordnung ist.

(Beifall bei der SPD - Dr. Andreas Fischer (FDP): Wir brauchen von Ihnen keine Ratschläge!)

Das steht in Ihrem Dringlichkeitsantrag. Das geht nicht. Entweder Ihre großen Worte stimmen; dann geht es darum, wie Sie gefordert haben, aufzuklären bis ins Detail. Dann aber kann ich nicht in einem Dringlichkeitsantrag beschließen lassen, dass alles in Ordnung ist. Ich müsste dann formulieren: "Der Landtag erwartet …" oder "Der Landtag fordert von der Staatsregierung …". Das ergäbe einen Sinn und

würde zu Ihren Ausführungen passen. Ansonsten ist das nichts.

In diesem Sinne werden wir dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zustimmen und uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten müssen, falls er nicht präzisiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tausendfreund. Ihr folgt Herr Kollege Pohl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bisher war aufgrund unserer Anfragen nur bekannt worden, dass das Bayerische Landeskriminalamt in fünf Fällen die Spionagesoftware mit Bildschirmfotofunktion eingesetzt hat. Nachdem wir die Anfragen beantwortet bekommen haben, haben wir sofort einen Antrag auf Stopp dieser Maßnahme gestellt. Denn uns war sofort klar, dass dies nicht mehr von der Quellen-TKÜ gedeckt sein kann, sondern dass hier ein fließender Übergang zur rechtswidrigen Online-Untersuchung besteht.

Die CSU hat gesagt, es gebe hier unterschiedliche Meinungen zwischen dem Landgericht Landshut und der Fraktion. Sie seien der einen Auffassung, Landshut der anderen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Eine Gerichtsentscheidung kann man nicht einfach so wegwischen.

Für die FDP war bezeichnend, dass die Kollegen Fischer und Rohde bei der Abstimmung im Innenausschuss nicht anwesend waren.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist deren Einsatz für den Rechtsstaat! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Das ist meines Erachtens bezeichnend. Wenn ein so wichtiger Punkt auf der Tagesordnung steht, muss man da sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Außerdem haben Sie in Ihrer Koalition nicht verhindern können, dass der bayerische Sonderweg in der Online-Durchsuchung im Gefahrenabwehrbereich weiterhin existiert. Sie haben nur dafür gesorgt, dass er etwas abgemildert wird. Das reicht aber nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Landgericht Landshut hat im gerichtlich überprüften Fall den Einsatz der Spionagesoftware mit Bildschirmfotofunktion bereits im Januar für rechtswidrig erklärt. Trotzdem sind keine Konsequenzen gezogen worden. Das Innenministerium hätte hier sofort in die Prüfung eintreten müssen.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Obwohl diese Maßnahme von einem Gericht für rechtswidrig erklärt worden ist, behauptet Innenminister Herrmann immer noch, dass alle rechtlichen Vorgaben eingehalten worden seien. Das gibt es einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Mit den Analysen des Chaos Computer Clubs haben wir es seit dem Wochenende mit einer ganz neuen Dimension illegaler Datenausforschung zu tun. Die Analyse der staatlich eingesetzten Spionage-Software zeigt, dass sie von vornherein über die Erweiterungsmöglichkeiten und über umfangreiche illegale Ausspähfunktionen verfügt: Durchsuchen, Schreiben, Lesen, Manipulieren von Daten, Fernsteuerung von Mikrofonen, Kamera und Tastatur; beliebige Schadprogramme können nachgeladen werden. Erhebliche Sicherheitslücken ermöglichen, dass Dritte auf den Rechner zugreifen können - so die Analyse des CCC. Nicht nur der konkrete Einsatz dieser Funktionen, sondern bereits ihr möglicher Einsatz ist verfassungswidrig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sobald das Programm auf dem Rechner ist, gibt es keinen wirksamen technischen Schutz mehr vor den illegalen Funktionen, so wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt. Der Einsatz ist also illegal. Außerdem werden nach der CCC-Analyse die ausgeleiteten Daten und Kommandos zur Bedienung des infizierten Rechners über einen Server in den USA geleitet. Das ist ein unkalkulierbares Risiko; da lesen möglicherweise noch andere mit. Dort gelten andere rechtliche Vorgaben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Warum wurde überhaupt ein Trojaner mit all diesen Funktionen angeschafft? Das muss ich mich wirklich fragen. Warum, wenn man die rechtlichen Vorgaben einhalten will? Wahrscheinlich war es so: In Bayern gibt es den Sonderweg der Online-Durchsuchung durch Verfassungsschutz und Polizei im Vorfeld, allein auf Verdacht, in Gefahrenmomenten; nehmen wir doch gleich die Komplettversion; diese können wir dann für die bayerische Online-Durchsuchung ver

wenden; und genau das gleiche Tool verwenden wir dann auch für die Quellen-TKÜ. Wenn es dann nicht so ganz passt, dann macht es nichts. - So geht es nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wurde überhaupt die vom Verfassungsgericht geforderte strikte Trennung von Telekommunikationsüberwachung und einem generellen Schnüffelangriff, also Online-Durchsuchung auf den privaten Computern gewünscht? Diese Frage möchte ich schon beantwortet haben. Warum gab es beim Generalbundesanwalt und beim BKA Bedenken, ob dieses Programm eingesetzt werden kann, und warum gab es diese in Bayern nicht? Meldungen zufolge wurden jedenfalls auf der Bundesebene Nachbesserungen verlangt. Nach allen Erkenntnissen, die wir gesammelt haben, stammt die vom Chaos Computer Club untersuchte Software von der Festplatte des Landshuter Falls, ist also ein Bayern-Trojaner. Dies hat der CCC bestätigt. Auch Spezialisten der Firma, die diese Software entwickelt haben, haben ihr eigenes Produkt erkannt, das für Bayern erstellt worden ist.

Herr Herrmann, hören Sie zu: Wenn dies zutrifft,