Sehr geschätzter Kollege Pohl, Sie haben gerade von Klientelpolitik gesprochen. Ich frage mich: Wollen Sie angesichts der Zahlen, die Sie eben von mir gehört haben, ernsthaft von Klientelpolitik sprechen? Homosexuelle Jugendliche bringen sich viermal öfter um als heterosexuelle Jugendliche. Und es ist wirklich kein Pipifax, es geht wirklich auch um Leben und Tod.
Es geht darum, dass Homosexuelle nach wie vor diskriminiert werden. Ich finde es wirklich eine Schande, dass Sie nicht einmal davon sprechen, dass sie strukturell nach wie vor diskriminiert werden. Das Beispiel der Beschimpfungen habe ich versucht aufzudröseln. Dass es eben sowohl g’standenen Bayern passiert als auch auf dem Schulhof. Dann bin ich eben weitergegangen zur Selbstmordrate. Ja, und da kann man nicht einfach davon sprechen: Es gibt ja immer Menschen, die diskriminiert werden oder sich diskriminiert fühlen. Sondern es ist faktisch so, es handelt sich vielmehr um eine strukturelle Diskriminierung, die nach wie vor besteht. Ich glaube, das kann man auch gerade dem einen oder anderen Redebeitrag oder Zwischenruf im Plenum entnehmen.
Frau Kollegin Stamm, wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie vernommen, dass ich nicht bestritten habe, dass es zu Verbalinjurien, zu Ehrverletzungen und auch zu Verletzungen der Privatsphäre kommt. Aber Sie picken sich eine Gruppe heraus. Ich sagte - dazu stehe ich -, dass das nicht die einzigen Menschen sind, die
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie mit der Selbstmordrate argumentieren. Ihr Antrag suggeriert, dass Sie mit einer Koordinierungsstelle Menschen vor dem Selbstmord retten. Das ist, um es vorsichtig zu sagen, sehr ambitioniert, wenn nicht gar vermessen.
Vielen Dank, Herr Kollege. Wir würden noch 30 Sekunden Redezeit einräumen, wenn sich jemand von den FREIEN WÄHLERN zu Wort melden möchte. - Das ist nicht der Fall.
Herr Arnold, ich werde mich nicht für ein Sowohl-als-auch entscheiden, sondern ich werde Ihnen am Ende des kurzen Statements sagen, ob ich für oder gegen den Antrag bin. Wir sollten die Diskussion wieder sachlich führen, sie entemotionalisieren und die extremen Argumentationsweisen auf beiden Seiten beenden. Tatsache ist das hat Frau Stamm gesagt -, dass die Selbstmordrate bei Homosexuellen deutlich höher als bei Heterosexuellen ist. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Tatsache ist auch, dass eine deutliche Diskriminierung in diesem Bereich vorhanden ist. Das sind die Fakten, mit denen wir in unserer Gesellschaft umgehen müssen.
Es hieße, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, wenn wir das nicht zur Kenntnis nehmen würden. Hier geht es also um die Diskriminierung von - in Anführungszeichen - Randgruppen. Das kann man auch auf andere Randgruppen übertragen. Wir als Bürger müssen uns die Frage stellen, wie wir mit diesen Randgruppen umgehen wollen und wie in der Vergangenheit mit diesen Randgruppen umgegangen wurde.
Wir haben heute Morgen über das Thema Inklusion diskutiert. Inklusion definiere ich als "mitten in der Gesellschaft". Inklusion heißt für mich aber auch: Wenn man anders ist, dann ist man ein Teil der Normalität dieser Gesellschaft. Die queeren Lebensformen sind für mich ein Teil der normalen Gesellschaft. Sie sind anders, aber sie gehören mit zur Gesellschaft.
(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und Abgeord- neten der SPD - Horst Arnold (SPD): Was sind die Konsequenzen?)
Gleichberechtigung darf nicht nur in den Gesetzen herrschen, sie muss vor allem in den Köpfen der Menschen, im echten Leben verankert sein. Für Gerechtigkeit in den Gesetzen haben wir in der Bundestagsfraktion und in den Landtagsfraktionen in hohem Maße gesorgt. Dank unserer liberalen Politik sind gleichgeschlechtliche Partner inzwischen im Erbschaftsteuerrecht, bei der Grunderwerbsteuer, beim BAföG, aber auch im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht gleichgestellt. Ein Transsexuellengesetz haben wir in der Planung.
Warum werden wir diesen Antrag ablehnen, liebe Frau Stamm? Ich sage es Ihnen: Wir lehnen ihn ab, weil wir der Meinung sind, dass es nicht der richtige Weg ist, eine Koordinierungsstelle bei der Staatskanzlei oder bei Ministerien anzusiedeln. Es gibt eine Koordinierungsstelle in München. Sie ist da, wo die Bürger sind. Diese haben direkten Zugang zu ihr. Das ist eine Koordinierungsstelle vor Ort, was dem Subsidiaritätsprinzip entspricht. Sie suggerieren hier, dass es ein Vorteil sei, wenn eine Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei oder in einem Ministerium eingerichtet würde. Ich will jetzt nicht einen Exkurs in grüne Gesellschaftspolitik machen. Solche Koordinierungsstellen müssen vor Ort angesiedelt werden. Die Münchener Koordinierungsstelle ist ein Erfolgsmodell. Es gibt viele Möglichkeiten, auf die Probleme aufmerksam zu machen. Es gibt die Regenbogenstiftung und Jahresberichte, ich erinnere an die Musikszene, es gibt Fachberatungen und Fachgespräche. All das sind Maßnahmen, mit denen die Probleme vor Ort angegangen werden. Wenn Sie eine solche Stelle wollen, dann sorgen Sie dafür, dass sie vor Ort angesiedelt wird. Dort ist sie effektiver. Das ist der Grund, warum wir Ihren Antrag ablehnen. Wir wollen keine Politik von oben nach unten, sondern eine von unten nach oben.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bertermann. - Ich erteile Frau Kollegin Stamm zu einer Zwischenbemerkung das Wort. Bitte schön.
Lieber Herr Kollege Bertermann, ich danke Ihnen zuerst einmal für den einzig ernsthaften Beitrag in dieser Debatte, abgesehen von der Rede des Kollegen von der SPD. Es war wirklich so, dass sich die anderen Reden durch diskriminierende Äußerungen ausgezeichnet haben - hauptsächlich. Sie haben die anderen diskriminierten Gruppen angesprochen. Ich frage mich, warum es als staatli
che Aufgabe betrachtet wird, gegen die Diskriminierung dieser Gruppen vorzugehen. Das betrifft die Gleichstellung von Mann und Frau - es gibt eine Gleichstellungsbeauftragte bei der Staatsregierung. Es gibt auch Beauftragte für die Behinderten. Für die Migration/Integration gibt es jemanden. Warum ist es da staatliche Aufgabe, aber für die Gruppe, die wir in unserem Antrag ansprechen und die 5 bis 10 % der Bevölkerung ausmacht, soll der Schutz vor Diskriminierung keine staatliche Aufgabe sein. Es gibt auf Bundesebene eine Stelle, die sich genau darum kümmert. Das ist die Antidiskriminierungsstelle, die nach dem Motto arbeitet: Vielfalt statt Einfalt.
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass wir als Liberale der Meinung sind, dass Politik vor Ort zu geschehen hat. Es nützt nichts, wenn wir staatlich verordnete Koordinierungsstellen haben, die bestimmen, was die Menschen machen sollen. Hier muss man auf ein lebendiges Miteinander abstellen, das auf einer ganz anderen Ebene liegt.
Wir sind der Meinung, dass staatliche Koordinierungsstellen, egal, wie sie ausgerichtet sind, nicht die richtige Lösung darstellen. Lassen Sie uns die Dinge adressieren. Lassen Sie es zu, dass man in der Gesellschaft darüber spricht. Dies halten wir für den besseren Weg.
Herr Kollege Dr. Bertermann, die Kommunikation sollte von unten nach oben stattfinden. Wir empfinden ja auch die Staatskanzlei als das Kronjuwel der Kompetenz, das auf irgendeine Art und Weise politische Meinungen transportiert.
In dem Zusammenhang sagen Sie, Sie wollen es gerade nicht bei der Staatskanzlei angesiedelt sehen. Trauen Sie der Staatskanzlei nicht, oder wollen Sie es nicht?
Das hat mit der Staatskanzlei nichts zu tun. Wir sind der Meinung, dass es der bessere Weg ist, die Dinge subsidiär unten anzusiedeln, statt die Menschen von oben beglücken zu wollen. Wir sollten keine Vorschriften machen, sondern die Themen bei den Menschen lassen. Bei den
Menschen sollte die Kommunikation stattfinden. Das ist besser, als wenn sich die Politik in diese Sphäre einmischt und ein Glücksgefühl staatlich verordnet wird.
Zu weiteren Zwischenbemerkungen liegen keine Wortmeldungen vor. Die letzten zwei Minuten stehen jetzt der SPD-Fraktion zu. Das Wort hat Kollege Dr. Förster.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, ich verstehe zwar nicht, dass Sie dagegenstimmen wollen, aber ich könnte es noch akzeptieren.
Ich verstehe nicht, dass Sie zu diesem Thema den Kollegen Pohl haben reden lassen. Denn eigentlich ist er das Extrembeispiel dafür, dass wir eine Koordinierungsstelle brauchen.
- Das finde ich nicht unverschämt. Man muss einmal versuchen, die Realität zu sehen. Er redet von Problemen, die Leute mit anderen Leuten haben. Aber in Wirklichkeit hat er ein Problem mit dieser Thematik.
Diese Auseinandersetzung beinhaltet eine Schwierigkeit. Sie ist auch emotional. In manchen Bereichen kann sie für diejenigen, die damit ein Problem haben, verletzend wirken. Unsere Aufgabe ist zwar, mit bestimmten Vorstellungen hierher zu kommen und sie zu vertreten. Aber die Realität sieht so aus, dass 5 bis 10 % der Menschen davon betroffen sind. Jeder von uns versucht, zu suggerieren, dass er dafür Verständnis habe.
Wir brauchen eine professionelle Stelle, die koordiniert. Wir brauchen eine Koordinierungsstelle, weil koordiniert werden soll, dass wir lernen, mit dieser Situation umzugehen. Nennen wir es Problematik bei Herrn Pohl oder einfach Realitäten bei den GRÜNEN und der SPD. Wir brauchen also die Koordinierungsstelle.
Die Debatte zeigt ein bisschen die Hilflosigkeit, wie wir mit diesem Thema umgehen. Lassen Sie uns den Mut beweisen, die Koordinierungsstelle einzurichten.
Ich verstehe den Ansatz, dass man sagt, die Kommunikation müsse vor Ort stattfinden. Aber München ist nicht das Zentrum der Welt, auch wenn es manche
gern hätten. Bayern ist das Zentrum der Welt. Deshalb muss Bayern die Koordinierungsstelle schaffen, damit wir regional in der Lage sind, Sprachrohr zu sein und aktiv zu werden. Wir brauchen eine Koordinierungsstelle, die die regionalen Aktivitäten bündelt und mit initiiert.
Deswegen bitte ich Sie, liebe Kollegen, springen Sie über Ihren Schatten! Haben Sie den Mut, trotz Ihres Gefühls - Sie haben zwar Verständnis dafür, aber irgendwo ist es doch nicht soweit - Ihre Grenzen zu überwinden und dem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich finde es äußerst verquer, wie Sie unseren werten Kollegen Pohl hier despektierlich angreifen und behandeln.