Ich möchte heute noch einmal an Sie appellieren und denjenigen Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, die mir signalisiert haben, dass sie diesem Gesetzentwurf gern zustimmen würden, die Gelegenheit dazu geben. Wir haben zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt. Hier geht es um keine Frage, die eine Regierung berührt. Hier geht es einzig und allein um das Parlament. Es geht auch nicht um einen Koalitionsvertrag, sondern um das Recht des Parlaments. In dieser Frage sollte jeder einzelne Abgeordnete seiner Verantwortung gerecht werden. Wenn ihr meint, die öffentliche Petition sei eine gute Sache, dann stimmt bitte zu. Heute habt ihr Gelegenheit dazu.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Werner, dieser Gesetzentwurf ist gut gemeint, aber er ist
Herr Kollege Werner, ich weiß, dass Ihre Fraktion oft das Argument der Zahl mit dem Argument der Qualität verwechselt.
Bei den Petitionen kann man sicherlich nicht nach der Anzahl von 4.000, 5.000 oder 6.000 beurteilen, ob das Petitionsrecht gut oder schlecht ist. Wir alle, die wir Petitionen behandeln, wissen, dass es nicht auf die Zahl ankommt. Es handelt sich um einzelne Petitionen, mit denen wir uns auseinandersetzen und für den Bürger und sein Anliegen kämpfen. Es gibt aber genauso viele Petitionen, die wir über alle Parteigrenzen hinweg nicht ernst nehmen können. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Petition im Rechtsausschuss, in der gefordert wurde, gegen sämtliche Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland Strafanzeige zu stellen. Solche Petitionen gibt es auch. Es geht nicht um die Zahl der Petitionen, sondern darum, wie wir echte Bürgeranliegen bestmöglich behandeln können.
Bayern ist hier mit seinem Petitionsrecht in ganz Deutschland führend. Herr Kollege Werner, Kolleginnen und Kollegen der SPD, Ihr Vorschlag zielt nicht auf die Einführung einer Online-Petition. Dies wäre vernünftig. In Bayern gibt es das übrigens schon. Jeder bayerische Bürger kann per E-Mail eine Petition an den Bayerischen Landtag richten. Sie wollen keine Petition, sondern eine Internet-Plattform auf der Seite des Bayerischen Landtags.
Unser Argument lautet, dass damit die Staatswillensbildung, die im Parlament geschieht, mit der Diskussion in der Gesellschaft vermischt würde. Ich habe nichts dagegen, dass sich Bürger mit ihren Anliegen zusammentun, darüber diskutieren und diese Anliegen gemeinsam ins Parlament bringen. Das halte ich für wichtig. Dafür gibt es in den neuen Medien genügend Möglichkeiten, zum Beispiel Portale wie Facebook. Im Internet gibt es bessere und schlechtere Diskussionsforen. Ich will das überhaupt nicht bewerten. Wir müssen die Diskussion in solchen Foren jedoch von der Staatswillensbildung in dem entscheidenden, von der Demokratie dafür vorgesehenen Gremium, nämlich dem Parlament, trennen.
Bayern ist beim Petitionsrecht vorbildlich. Herr Kollege Werner, wir sollten hier nicht das Beispiel des Bundes heranziehen. Das ist zwar ein netter Versuch, das
System im Bund ist jedoch anders. Im Bund wird über Petitionen in der Regel nichtöffentlich verhandelt. Deshalb ist es beim Bund vielleicht sinnvoll, eine öffentliche Internet-Plattform zu eröffnen. Bayern muss aber nicht jeden Quatsch mitmachen, den der Bund vormacht. Bayern muss auch nicht sein System an ein anderes System anpassen. So selbstbewusst sollten wir hier sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, verfolgen Sie die Überlegungen zur Strukturverbesserung Ihrer Partei. Frau Nahles hat unlängst einen interessanten Vorschlag gemacht, dass nämlich die Aufstellungsversammlungen nicht mehr von der Partei, sondern von den Bürgern durchgeführt werden sollten. Dieser Vorschlag wird vielleicht dazu führen, dass die SPD ihre Krise überwindet. Solche Vorschläge sollten Sie mit allem Nachdruck verfolgen. Lassen Sie aber bitte das vorbildliche bayerische Petitionssystem unangetastet und verwischen Sie es nicht durch eine staatlich organisierte Internet-Plattform. Diese Plattform könnte dazu führen, dass die dort gemachten Vorschläge als Meinung des Bayerischen Landtags wahrgenommen werden.
Ich plädiere dafür, diesen Gesetzentwurf aus Überzeugung abzulehnen und unser gutes bayerisches Petitionssystem so eigenständig und qualitätvoll zu erhalten, wie es derzeit ist.
Wenn Sie am Ende Ihrer Rede sind, machen wir daraus eine Zwischenbemerkung. Bitte, Herr Kollege Pfaffmann.
Mir wäre es schon recht, wenn Herr Professor Dr. Bausback antworten würde. Deshalb wäre mir eine Frage lieber. Ich habe zwar keine Hoffnung, dass er eine gescheite Antwort geben wird, aber man kann es ja einmal versuchen.
Herr Professor Dr. Bausback, ich habe Ihnen zugehört. Wir leben im Zeitalter der Internetkommunikation. Wir diskutieren darüber, ob in Schulen der Internetzugang erlaubt werden soll. Wir leben in einem Zeitalter, in dem jedes Ministerium eine Internetseite
Wollten Sie dem Parlament mit Ihrem Redebeitrag sagen, dass Sie dagegen seien, dass der Bayerische Landtag auf seiner Internetseite, die keine interne, sondern eine nach außen gerichtete Kommunikationsplattform ist, Bürgern die Möglichkeit gibt, sich offensiv an einer parlamentarischen Diskussion und einem Dialog bei Petitionen zu beteiligen? Sind Sie dagegen oder dafür? Mir würde zur besseren Transparenz ein Ja oder ein Nein genügen.
Mit den Antworten Ja oder Nein ist es so eine Sache. Ich frage Sie auch nicht: Schlagen Sie Ihre Frau immer noch? Da würde es Ihnen auch schwerfallen, mit Ja oder Nein zu antworten.
Lesen Sie Ihren Gesetzentwurf doch einmal mit Verstand. Dort heißt es, dass es keinen Rechtsanspruch auf Veröffentlichung geben kann, dass aber Näheres die Geschäftsordnung regelt. Ich bin sehr dafür, dass wir ein lebendiges Parlament sind, das bei allen Fragestellungen - das ist unsere Aufgabe als Abgeordnete - die Diskussionsbeiträge und Meinungen der Bürger aufnimmt, aber nicht dafür, dass wir die Diskussion, die hier im Parlament stattfindet, mit der Diskussion, die in der freien Gesellschaft stattfindet, vermengen und vermischen. Warum sind Sie dagegen, dass wir sagen, die neuen Medien bieten die Möglichkeiten jetzt schon? Wenn Sie über eine Frage in Facebook diskutieren, haben Sie sehr schnell ein breites Band von Meinungen, die es dazu gibt. Zum Teil sind diese Meinungen einsichtig, zum Teil weniger einsichtig. Warum sollen wir noch eine weitere Plattform für eine solche allgemeine Diskussion aufmachen? Damit bestünde nur die Gefahr, dass die Darstellung des Parlaments in seiner Gesamtheit, die die Internetplattform des Bayerischen Landtags leisten soll, mit der allgemeinen Diskussion vermischt wird. Lassen Sie doch die gesellschaftliche Diskussion in der Gesellschaft, wo auch wir Abgeordnete als Teil der Gesellschaft sie aufnehmen können.
Lassen Sie uns die Meinungen, die wir dort finden, dann in den formalisierten Prozess des Parlaments
einbringen. Das bayerische Petitionsrecht ist so, wie es ist, vorbildlich. Das sollte so bleiben. Das, was Sie wollen, ist eine Verwischung.
Leider reicht mir die Redezeit nicht mehr, um mit Ihnen über das Verständnis von Demokratie zu diskutieren. Ich glaube auch nicht, dass ich Sie vom richtigen Verständnis überzeugen könnte. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir diesen Gesetzentwurf, der nicht durchdacht ist, ab.
Sehr verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich an dieser Stelle sagen, es freut mich, dass durch eine solche Diskussion wieder Stimmung in die Bude kommt.
Das gibt einem gleich ein ganz anderes Gefühl. Ein bisschen erstaunt war ich aber darüber, Herr Kollege Bausback, dass Sie in Ihrem Redebeitrag zum Petitionsgesetz auf die Strukturen der SPD eingegangen sind. Ich habe vor meinem inneren Auge schon die Kollegin Gottstein gesehen, die dazu zu sagen pflegt: Setzen, sechs, Thema verfehlt!
Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Für die Mitglieder des Petitionsausschusses ist es zunächst gar kein Unterschied, ob sie über eine einzelne Petition oder eine Online-Petition, wie sie im Deutschen Bundestag üblich ist, beschließen. Genauso wenig ist es ein Unterschied, ob ein Anliegen von zehn, hundert oder gar von hunderttausend Personen mit unterzeichnet wird. Schließlich geht es um die Beurteilung eines Sachverhalts und darum, einer Petition schnell und effektiv Rechnung zu tragen.
Sie werden mir aber sicher zustimmen, meine Damen und Herren, dass eine Petition mit zigtausend Unterstützern ein Seismograph für die Stimmung in der Bevölkerung ist. Sie ist ein untrügliches Zeichen dafür, was die Menschen bewegt und wie die Menschen über ein bestimmtes Thema denken, welches gerade zur Abstimmung ansteht. Solche Massenpetitionen verdienen den Dialog mit der Politik, nicht zuletzt deshalb, weil die damit einhergehenden Diskussionen ein unschätzbares Wissen für politische Entscheidungen liefern können.
Die Online-Petition, die der Deutsche Hebammenverband im Mai 2010 auf die Internetseite des Bundestags stellte, ist ein Paradebeispiel dafür, wie soziale Netzwerke heute Meinungen bilden und in politischen Willen umsetzen. Bei dieser Petition ging es um die steigenden Haftpflichtversicherungsbeiträge und die allgemein schlechte Bezahlung freiberuflicher Hebammen. Über die Internet-Community verbreitete sich diese äußerst brisante Problematik der Hebammen in rasanter Geschwindigkeit und wurde damit auch zu einem Topthema in den Medien. Innerhalb von nur drei Tagen bekam diese Petition 50.000 Unterstützer. 50.000 in drei Tagen! Wikipedia listet diese Petition mit heute über 186.000 Mitzeichnern als die bislang erfolgreichste Online-Petition auf. Wir alle wissen ganz genau, wie zeit- und kostenintensiv es gewesen wäre, wenn diese eindrucksvolle Zahl auf herkömmliche Weise, also durch das Sammeln von Unterschriften hätte erreicht werden müssen. In früheren Zeiten hätte der Hebammen-Verband sehr viel Medienmacht im Rücken haben müssen, um eine derartige Präsenz und Resonanz in der Öffentlichkeit zu erreichen.
Das Medium Internet ist heutzutage gar nicht mehr aus dem privaten und dem beruflichen Alltag wegzudenken und wegzudiskutieren, wie man es aus politischen Diskussionen auch kennt. Meinungsbildung findet mittlerweile überwiegend in Internetforen statt und nicht mehr bei Versammlungen oder Wahlveranstaltungen.