Protocol of the Session on May 25, 2011

Dann bitte ich um Geduld.

Dies zeigen uns die vielen Themen, die heute schon über Netzwerke, Blogs und Foren auf der politischen Agenda landen. Dem Deutschen Bundestag ist es sehr hoch anzurechnen, dass er bereits vor sechs Jahren mutig genug war, einen Modellversuch zu starten, der sowohl die Einreichung als auch die Mitzeichnung von

Petitionen über das Internet ermöglicht hat. Sicherlich hatte man auch im Bundestag Zweifel, ob sich die damit verbundenen Hoffnungen auf erhöhte Transparenz und Beteiligung durch den Einsatz neuer Medien erfüllen werden. Jedenfalls haben wir mit der E-Petition ein wirksames Instrument an der Hand, um uns Gehör zu verschaffen und Aufmerksamkeit für ein Anliegen zu gewinnen.

Nebenbei gesagt verdanken wir es einer Studie zufolge den erfolgreichen Massenpetitionen, dass das Petitionswesen wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Seien wir doch einmal ganz ehrlich, Kolleginnen und Kollegen: Wer weiß denn überhaupt, dass es einen Ausschuss für Eingaben und Beschwerden gibt? Wer weiß vor allem, was der so genau macht? Ein nicht minder interessantes Ergebnis der Studie war auch, dass die Petenten deutlich jünger geworden sind. Natürlich ist die E-Petition noch lange kein echtes Instrument zur Mitbestimmung oder direkten Einflussnahme. Bürgerentscheide und Volksentscheide sind nach wie vor die besseren Mittel. Die Potenziale zur Modernisierung und Stärkung von Bürgerbeteiligung liegen bei Online-Petitionen ebenso auf der Hand wie bei den von der SPD vorgeschlagenen öffentlichen Petitionen. Bei öffentlichen Petitionen können sich möglichst viele Menschen an einem öffentlichen Diskussionsprozess beteiligen. Gerade zu Themen der Bildungspolitik, aber auch der Energiepolitik, kommen immer mehr Massenpetitionen in den Landtag, die die Staatsregierung letztlich zwingen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Wir können doch nicht allen Ernstes die Augen davor verschließen und so tun, als hätte sich in der politischen Meinungsbildung bis heute nichts geändert, und uns dann auch noch über die Politikverdrossenheit der Wähler, vor allem der jüngeren Wähler, beschweren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weil dem so ist, sollten auch wir im Bayerischen Landtag den Mut haben, unseren Bürgerinnen und Bürgern ein Forum für öffentliche Diskussionen zu bieten. Wenn wir es nicht tun, machen es andere. Sie machen es uns bereits vor. Seit gut einem Jahr steht die Plattform "openPetition" im Netz. Sie ist aus einer privaten Initiative entstanden, der die Vereinfachung und Weiterentwicklung der Instrumente der partizipativen Demokratie am Herzen liegt. Jeder, der hier eine Petition einstellt, kann damit rechnen, schnell und unkompliziert Mitunterzeichner für sein Anliegen zu finden, bevor er diese Petition dann wieder auf traditionellem Weg beim Landtag einreicht. Klicken Sie doch einfach mal rein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sehen Sie, welche Themen die Menschen derzeit bewegen und wofür durch ganz Deutschland Mit

unterzeichner gesucht werden. Allein die Tatsache, dass eine private Initiative eine Plattform für Petitionen ins Leben ruft, müsste doch Beweis genug dafür sein, dass die Zeit reif für eine Weiterentwicklung des bayerischen Petitionswesens ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wie wäre es jetzt mit einer Zwischenfrage?

Nein, immer noch nicht!

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die sollen doch eine Petition einreichen!)

Wir sprechen über eine wichtige und notwendige Ergänzung der direktdemokratischen Mittel des Bürgerentscheids und des Volksentscheids. Heute haben wir die Chance, es dem Deutschen Bundestag gleichzutun und im Freistaat eine sehr lebendige Form der Demokratie einzuführen. Auch wenn Sie es heute nicht tun, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis diese Instrumente kommen. Kolleginnen und Kollegen der Staatsregierung, Sie werden gar keine andere Möglichkeit mehr haben, als einzulenken und einer zeitgemäßen Fortentwicklung des Petitionswesens zuzustimmen.

Wie viele andere auch, setze und vertraue ich da voll und ganz auf das Agenda-Setting der sozialen Netzwerke. Zugegeben, zunächst einmal können wir allesamt recht stolz auf die Besonderheit des bayerischen Petitionswesens sein. Das beweist mir jede Ausschusssitzung aufs Neue, weil es in keinem anderen Parlament eine öffentliche Behandlung von Eingaben gibt. Wir können uns hier also zu Recht als Pioniere fühlen. Jenseits der Aufmerksamkeit des Parlaments hat sich über die Jahre hinweg der Petitionsausschuss zu einem der wichtigsten direkten Berührungspunkte der Bürger und ihrer Anliegen mit Politik und Parlament herausgestellt, auch wenn festzuhalten ist, dass die Anzahl der eingereichten Petitionen kontinuierlich abnimmt. Es wäre einmal interessant festzustellen, woher dieser Trend eigentlich kommt. Jedenfalls sind von Oktober 2008 bis Anfang dieses Jahres 6.154 Petitionen an den Bayerischen Landtag gerichtet worden, viele davon als Sammel- oder Massenpetition, sodass sich rund 280.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen direkt an das Parlament gewendet haben.

Unter der herausragenden Leitung unseres Kollegen Werner fassen wir heute im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden in acht von zehn Fällen einvernehmliche Beschlüsse vor allem auch deshalb, weil die Petitionen keinem politischen Zwang unterworfen

sind, jedenfalls in den meisten Fällen; denn es handelt sich um individuelle Probleme, mit deren Abhilfe wir hier im Einvernehmen und in enger kollegialer Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg das Beste für unsere Bürger erreichen wollen. Das muss aber noch lange nicht bedroht sein, wenn Petitionen öffentlich werden. Genauso bin ich davon überzeugt, dass wir mit einer öffentlichen Petition weder das individuelle Petitionsrecht verwässern noch verletzen. Ich glaube auch nicht, dass wir damit Tür und Tor öffnen und zu einer Art Kummerkasten werden, in den jeder seine privaten Sorgen und Nöte per Einstellung ins Netz einwerfen kann.

Was der Gesetzentwurf der SPD will, ist doch nicht die Politisierung von Petitionen, nein: Der Entwurf sieht eine Veröffentlichung von Anliegen vor, wo es keine Datenschutzbedenken gibt, wo das individuelle Recht des Bürgers eben nicht bedroht ist. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bleiben wir doch realistisch! Wie viele Petitionen werden das am Ende des Tages denn sein? Im vergangenen Jahr fällt mir da eigentlich nur die Petition der SPD ein, die sich gegen die schwarz-gelbe Atompolitik gewendet hat. Diese Petition wurde im Wirtschaftsausschuss behandelt. Am Ende gab es einen Radio- und einen Fernsehbeitrag, und das war’s. Ist das denn wirklich eine Gefährdung des individuellen Beschwerderechts? - Das glaube ich kaum.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der SPD)

Darum frage ich Sie: Wovor, um Himmels willen, haben Sie eine solche Angst, dass wir uns nicht einmal auf einen Versuch einlassen können?

(Unruhe)

Haben Sie Angst davor, dass über das Instrument der öffentlichen Petition Gesetzesinitiativen gestartet werden und nicht nur über den von der Verfassung vorgesehenen und viel beschwerlicheren Weg des Volksbegehrens? Davor, dass wir unmittelbar mit dem Volkswillen konfrontiert werden, oder davor, dass so etwas wie die Stimmkreisreform womöglich nicht so still und leise verabschiedet werden kann?

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist leider überschritten. Ich mache Ihnen aber einen Vorschlag: Nun kommt eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Bausback, die Ihnen Zeit gibt. Wir stoppen jetzt einfach.

(Claudia Jung (FREIE WÄHLER): Okay, einverstanden!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Jung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt kommt die Zwischenbemerkung; Herr Kollege Bausback, bitte.

Frau Kollegin, Sie haben zwar eine lange Rede vorgelesen, aber mir ist immer noch nicht ganz klar, was denn der Mehrwert des Gesetzentwurfs, für den Sie werben, sein soll. Sie haben dargestellt, dass diese Petition der Hebammen 50.000 Unterstützer gefunden hat. Sie haben dargestellt, dass es Facebook und die OnlinePlattform für Petitionen gibt. Damit werden die Funktionen erfüllt, die Sie eigentlich herbeiführen wollen. Diese Netzwerke gibt es doch schon. Warum sollen wir also auf der Seite des Bayerischen Landtags eine weitere Ebene eröffnen? Ich kann einerseits den Mehrwert nicht erkennen und sehe andererseits die Gefahren, die Sie negieren, ohne dass Sie dafür wirklich Argumente finden. Sie überzeugen mich mit Ihrer abgelesenen Rede nicht.

Vielen Dank. Frau Kollegin Jung, jetzt haben Sie noch zwei Minuten.

Das wundert mich nicht, ehrlich gesagt; denn in den meisten Fällen lässt sich die Regierungspartei von Argumenten nicht überzeugen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Ich persönlich sehe den höheren Nutzen in einer sehr großen Bürgernähe. Deswegen möchte ich an dieser Stelle mit einem Appell an die Kolleginnen und Kollegen schließen: Verschlafen wir diese Gelegenheit nicht, nutzen wir gemeinsam die Chance und stimmen dem Gesetzentwurf der SPD zu, damit wir uns auch weiterhin wie Pioniere in dieser für das Parlament sehr wichtigen und demokratischen Angelegenheit fühlen dürfen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Nun kommt Frau Kollegin Scharfenberg, danach Herr Dr. Fischer. Bitte schön, Frau Scharfenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD zielt darauf ab, noch mehr Öffentlichkeit für Petitionen herzustellen. Herr Bausback, die Antwort auf die Frage nach dem Mehrwert dabei ist ganz einfach: Damit wird für noch mehr Öffentlichkeit gesorgt. Das ist doch toll, oder? Sie sollten doch dafür sein! Das

sind Sie aber nicht, weil Sie bis zum heutigen Tag nicht begriffen haben, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.

(Zurufe von der CSU)

Herr Bausback, wenn Sie eine solche Frage stellen, lässt mich das vermuten, dass Sie den Gesetzentwurf einfach nicht gelesen haben; so einfach ist das.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN, der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Wir GRÜNE unterstützen die SPD bei diesem Vorhaben, noch mehr Öffentlichkeit für den Bayerischen Landtag herzustellen, für mehr Bürgerbeteiligung, für mehr Transparenz, für mehr Verständnis einer Petition, für mehr Diskussionskultur zu sorgen, einfach für Mehrwert in dieser Gesellschaft zu sorgen. Herr Dr. Bausback, das ist ein Mehrwert!

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER)

Worum geht es? - Öffentliche Petitionen sollen auf einer Seite des Bayerischen Landtags veröffentlicht werden. Damit sind sie für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar. Natürlich werden die Petenten vorher gefragt; das ist doch klar.

Meine Damen und Herren, im letzten Jahr haben wir uns diese auf Bundesebene bestehende Möglichkeit angeschaut. Dort haben die Unterstützerinnen und Unterstützer einer öffentlichen Petition die Möglichkeit, eine Eingabe zu unterzeichnen. Davon wird rege Gebrauch gemacht. Darüber hinaus kann über die Petition auch im Internet diskutiert werden; Argumente pro und kontra können ausgetauscht werden. Herr Dr. Bausback, wir GRÜNE haben den Bedarf nach mehr Bürgernähe schon lange erkannt. Den Weg der Ausweitung der Transparenz wollen wir ebenso wie die SPD natürlich weiterhin gehen und mehr Bürgernähe durch öffentliche Petitionen eröffnen. Das können wir, indem wir die Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben stärker teilhaben lassen. Das wirkt gegen Politikverdrossenheit, die Sie auch immer beklagen, sorgt dafür, dass die Bürger stärker einbezogen und ernst genommen werden, und sorgt für eine gute Diskussionskultur auf der Homepage des Bayerischen Landtags.

Meiner Meinung nach ist auch ganz wichtig, dass die Beratung einer Petition im Petitionsausschuss bis zur Abstimmung für die Leute draußen zu verfolgen ist. Meine Damen und Herren, Politik wird für Außenstehende damit nachvollziehbar. Dazu dienen zwei Ebenen, erstens die Ebene, wie gehabt, des Petitionsaus

schusses, der nach wie vor so bleibt wie bisher, nämlich ein von uns Abgeordneten politisch besetzter Ausschuss. Die zweite Ebene ist das Diskussionsforum im Internet. Im Bundestag ist dafür eine Dauer von sechs Wochen angesetzt.

Herr Dr. Bausback, Ihren steinzeitlichen Ansatz, diese zweite Ebene wäre eine staatlich organisierte Internetplattform, verstehe ich überhaupt nicht. Sehen Sie es doch einfach einmal positiv, und das fehlt Ihrer Partei. Das ist eine Kommunikationsplattform. Das heißt, die Leute reden darüber miteinander, worüber Sie im Petitionsausschuss oder in anderen Ausschüssen entscheiden. Das ist ein Dialog, und Dialog - das müssen Sie, meine Damen und Herren von der CSU und FDP zugeben - ist doch eigentlich immer positiv, wenn man ihn gut führen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren von der CSU und der FDP, wo wird denn heute eine Diskussion geführt? Herr Dr. Bausback, Sie haben schon Twitter in Ihrer Rede angeführt. Lassen wir die Diskussion doch auf unserer eigenen Homepage führen, stellen wir dafür eine Seite zur Verfügung. Dann haben wir auch die Möglichkeit, das einzusehen. Wir verpassen nichts, und es ist neben dem Petitionsausschuss angesiedelt. Das ist doch eigentlich wunderbar, das ist doch wie aus einem Guss! Eigentlich sollte uns doch die Meinung der Bürgerinnen und Bürger interessieren. Hier können wir erfahren, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt.

Dass jetzt sogar die FDP gegen diesen Gesetzentwurf ist, möge einer verstehen. Aber, meine Damen und Herren von der FDP, die Zeit des liberalen Denkens ist auch bei Ihnen offenkundig schon lange vorbei.

(Zurufe von der FDP: Oh! Oh!)

Die CSU in Bayern will nichts aus der Hand geben; das steckt dahinter. Das Element der Bürgerbeteiligung ist für sie nicht einschätzbar; davor hat die CSU Angst.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER)

Deshalb wollen sie die Bürgerbeteiligung verhindern, obwohl die Regierungskoalition auf Bundesebene aus CDU, CSU und FDP sie gerade eingeführt hat. Also, mein Gott! Das verstehe einer. Die GRÜNEN verstehen dieses Verhalten überhaupt nicht.