Protocol of the Session on May 25, 2011

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Debatte entnommen, dass es durchaus fraktionsübergreifend unterschiedliche Einschätzungen zu den einzelnen Vorschlägen der FREIEN WÄHLER gibt. Das Thema der Stärkung der Stadtwerke und der kleineren Netzbetreiber hat beim Entstehen der Anreizregulierung auf Bundesebene - daran kann ich mich noch sehr gut erinnern - eine große Rolle gespielt. Man hat sich damals auf durchaus sehr entgegenkommende Regelungen verständigt, aber natürlich muss man die Dinge immer wieder auch im Sinne der Praxis, die sich seither ergeben hat, noch einmal überprüfen. Auf Bundesebene sind die Arbeiten dazu, wie bereits erwähnt, im Gange. Es geht darum, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, und ich denke, wir sollten das abwarten, bevor wir uns in diesem Einzelpunkt hinsichtlich des Investitionsrückflusses zum jetzigen Zeitpunkt schon für eine bestimmte Regelung aussprechen.

Bei der Regulierung der Versorgungsrechte ist bereits auf die europarechtliche Dimension hingewiesen worden. Insofern werden wir dieses Thema auch beim Gesamtkonzept des Ausbaus von Verteilernetzen, die insbesondere für die Integration der erneuerbaren Energien notwendig sind, im Auge behalten. Es geht selbstverständlich um eine investitionsfreundliche Regulierung, aber unabhängig von diesen Rahmenbedingungen, die wir uns noch einmal vornehmen müssen, haben wir auf bayerischer Ebene in unserer Zuständigkeit schon dafür gesorgt, dass es zu Verfahrensvereinfachungen kommt. Es ist uns von den Stadtwerken auch stets bestätigt worden, dass wir

uns immer für eine Regelung mit Augenmaß eingesetzt haben.

Der dritte Punkt: die Finanzierung. Es ist bei Ihnen der Punkt mit den Programmen, auch bei der KfW. Hier gibt es schon eine Vielzahl von Kreditprogrammen. Diese Finanzierungsmöglichkeiten stehen ohne Einschränkung zur Verfügung. Ich glaube nicht, dass es eines weiteren KfW-Kreditprogramms ausschließlich für Bürgeranlagen bedarf. Wir werden uns das Thema vielmehr insgesamt vornehmen müssen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Gebäudesanierung.

Herr Kollege Wörner, Sie haben davon gesprochen, dass natürlich den vielen Worten in Bezug darauf, wie wir die Energiewende darstellen, bei der Finanzierung Taten folgen müssen. Das muss aber auch in dieser Reihenfolge geschehen. Es ist so, dass dieses Konzept jetzt auf Bundesebene erstellt werden muss. Wir in Bayern haben gestern unsere Hausaufgaben gemacht. Dafür brauchen wir ein finanzielles Tableau. Im letzten Jahr ist ausgerechnet worden, dass wir ungefähr 200 Milliarden Euro brauchen - das ist unstreitig -, um den Übergang zu finanzieren beim Ausbau der Netze, bei den Forschungseinrichtungen und dergleichen. Wir müssen sehen, wie sich das finanzieren lässt. Da ist erst einmal der Bund gefordert.

Wir haben in unserem Energiekonzept eine Reihe von Themen, die wir selbstverständlich in den Nachtragshaushalt einbringen werden. Der Nachtragshaushalt wird bekanntlich Ende dieses Jahres beraten und beschlossen werden. Deswegen bedarf es dieses Hinweises nicht, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Zur Gewerbesteuerzerlegung hat Kollege Schöffel schon das Nötige gesagt. Ich glaube, dass der Vorschlag, wie er hier auf dem Tisch liegt, von seinen finanziellen Folgen her insgesamt noch zu unausgewogen ist und wir ihn im Gesamtzusammenhang noch einmal anschauen müssen. Selbstverständlich soll der, der Lasten trägt - das wird dann die spannende Konkretisierung sein - und zum Beispiel Trassen für Netze zur Verfügung stellt, beteiligt und belohnt werden im Gegensatz zu denen, die solche Lasten nicht tragen. Dieses System werden wir gemeinsam auf den Prüfstand stellen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Einen Moment noch, bitte. - In letzter Sekunde hat sich Kollege Glauber noch zu einer Zwischenbemerkung gemeldet, zu der ich ihm jetzt das Wort erteile.

Herr Minister, Tobias Thalhammer hat in seiner Rede ausgeführt

Sie gerade auch -, dass Sie wie wir der Meinung sind, dass die, die Lasten tragen, die Steuerzuflüsse haben sollen. Können wir damit rechnen, dass eine Gewerbesteuerzerlegung von 70 : 30, wie wir sie bei der Photovoltaik gefordert haben, auch bei Ihnen im Ministerium und bei der FDP Zuspruch findet?

Herr Minister, bitte.

Ich möchte bewusst keine Zahl nennen, weil wir das Gesamttableau betrachten müssen. Wir müssen Anreize in dem Bereich schaffen. Ich glaube, das ist unbestritten. Das kann ein Baustein sein. Wir haben das in unserem Konzept angesprochen. Jetzt ist es aber noch zu früh, um sich auf konkrete Zahlen festzulegen. Man muss bestimmte Dinge durchrechnen. Wir müssen auch mit den kommunalen Spitzenverbänden sprechen. Es hat keinen Sinn, in der kommunalen Familie einen neuen Verteilungskampf auszulösen. Das soll ein abgestimmtes Konzept sein.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/8751 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Die Fraktionen der CSU und der FDP. Danke schön. Enthaltungen? - Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Vielen herzlichen Dank. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Energiewende Jetzt! (Drs. 16/8752)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Ludwig Wörner, Kathrin Sonnenholzner u. a. und Fraktion (SPD) Nachtragshaushalt für Energiewende (Drs. 16/8771)

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN beantragt hat, über den ersten Spiegelstrich des dritten Absatzes unter der Überschrift "Still

legung der Atomkraftwerke" getrennt, und zwar in namentlicher Form abzustimmen. Die Abstimmung über den restlichen Antragstext erfolgt zuvor in einfacher Form.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Kollege Hartmann für das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die tragischen Ereignisse von Fukushima waren für die Regierungsfraktionen im Hohen Haus Anlass, endlich ihre verfehlte Atompolitik zu überdenken und eine Kehrtwende einzuleiten. Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, an dem Sie gestehen müssen, dass Sie im Herbst letzten Jahres einen gravierenden Fehler gemacht haben, als Sie auf die Laufzeitverlängerung gesetzt haben. Sie haben einen gravierenden Fehler gemacht, indem Sie einen politischen Konsens ohne Not aufgekündigt haben. Sie müssen eingestehen: Sie haben in den letzten fast 30 Jahren auf eine verkehrte Energiepolitik in diesem Land gesetzt.

(Klaus Stöttner (CSU): Das stimmt nicht!)

Ein fast 60-prozentiger Atomstromanteil an der Energieversorgung in Bayern dokumentiert eine einseitige Ausrichtung der Energieversorgung auf die Kernkraft. Das Traurige daran ist: Die Staatsregierung hat bis vor Kurzem darin einen "ausgewogenen Energiemix" gesehen.

Wir begrüßen grundsätzlich die Bereitschaft der Staatsregierung und der Bundesregierung, endlich eine Kehrtwende in der Energiepolitik zu vollziehen, wenn sie ernst gemeint ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, dann hat man schon das Gefühl, die Staatsregierung hat medial eine Kehrtwende eingeleitet; sie nimmt die Fraktion und Teile der Partei aber bei Weitem nicht mit. Wenn man sich die heutige Berichterstattung anschaut, sieht man nicht, dass Sie um die Deutungshoheit statt mit Ehrgeiz für eine Energiewende kämpfen. Sie kämpfen darum, wer was in der Kabinettsitzung gesagt hat. Sie kämpfen nicht um die Energiewende, Sie kämpfen darum, was letzten Dienstag im Kabinett gelaufen ist.

Der Ministerpräsident, der gerade nicht anwesend ist, hat in den letzten Tagen und Wochen immer wieder betont, er wolle einen gesellschaftlichen Konsens beim Thema "Energiewende und Atomausstieg". Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, dieser Konsens ist in der

Gesellschaft längst vorhanden. Sie alleine stehen noch abseits.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Gesellschaft ist sich einig: Wir möchten so schnell wie möglich aus der Atomkraft aussteigen und einsteigen in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Sie stehen noch daneben.

(Klaus Stöttner (CSU): Das stimmt nicht!)

Ich möchte auf einen weiteren Bereich in unserem Dringlichkeitsantrag ganz deutlich eingehen. Sie haben heute die Gelegenheit, deutlich zu unterstreichen, dass Sie eine Kehrtwende in der Energiepolitik vollziehen möchten. Deshalb wollen wir über den Widerruf der Genehmigung für das Atomkraftwerk Isar 1 nach § 17 des Atomgesetzes namentlich abstimmen zu lassen. Wenn Sie die Sicherheitslage von Isar 1 jetzt tatsächlich anders einschätzen und die Gefahr eines Flugzeugabsturzes anders bewerten, dann ist es die Aufgabe des bayerischen Umweltministers, die Betriebsgenehmigung zu widerrufen. Da brauchen Sie gar nicht nach Berlin zu schauen. Das ist ganz klar geregelt. Der Umweltminister kann als Chef der bayerischen Atomaufsicht die Genehmigung widerrufen, wenn er zu der Einsicht kommt, dass Isar 1 so nicht weiterbetrieben werden kann, weil das sicherheitstechnisch nicht vertretbar ist. Wenn dem so ist, dann machen Sie das endlich und schieben Sie nicht die Verantwortung nach Berlin.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, im Bericht aus der gestrigen Kabinettssitzung sind Ansätze von Vernunft zu finden. Erstmals taucht der Begriff "Kraft-Wärme-Kopplung" auf. Sie sprechen sich auch dafür aus, dass die Windenergie im Binnenland nicht zugunsten von Offshore-Anlagen schlechter gestellt werden soll. Das ist vollkommen richtig.

In Ihrem Beschluss bekommen Sie aber wieder einmal nicht hin, für Planungssicherheit zu sorgen. Das haben Sie in den letzten Jahren schon nicht geschafft.

Blicken Sie doch einfach einmal zurück: Wir haben uns im letzten Jahr nicht gegen die Sonderkürzung der Grundvergütung ausgesprochen, sondern dagegen, wie das gemacht wird. Sie haben für ein Chaos gesorgt. Schwarz-Gelb hat auf Bundesebene, aber auch hier im Haus für Unsicherheit anstatt für Planungssicherheit gesorgt.

Das geht noch weiter. Beim Marktanreizprogramm haben Sie ebenfalls für ein Chaos gesorgt. Sie sind

der Spitzenreiter, wenn es darum geht, von einer Planungssicherheit zum Planungschaos zu gelangen. Das haben Sie bis jetzt beim Thema Energiewende erreicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte aber nicht nur auf die Vergangenheit zurückblicken. Ich gestehe es jedem zu, seine Meinung zu ändern, wenn er es denn ernst meint. Sehen wir uns aber einmal den Kabinettsbeschluss von gestern an. Dort liest man zwar auf vielen Seiten das Wort "Planungssicherheit"; ich habe mir dann aber den Punkt "Brennelementesteuer" herausgegriffen. Vor einem halben Jahr haben Sie noch gesagt, die Brennelementesteuer sei unabhängig von der Laufzeitverlängerung. Außerdem haben Sie gesagt, die Brennelementesteuer werde benötigt, um die Energiewende zu finanzieren. In diesem Konzept heißt es jetzt: Sie wollen sich dafür einsetzen, dass die Brennelementesteuer wieder abgeschafft wird.

Für die Einführung der Brennelementesteuer gab es einen guten Grund. Sie wurde eingeführt, damit die Atomkraftwerke nicht die einzigen fossilen Kraftwerke sind, die keinerlei Steuer für ihren Brennstoff unterliegen. Alle anderen fossilen Kraftwerke unterliegen dem Emissionshandel. Diese Steuer wurde also aus gutem Grund eingeführt, und zwar komplett unabhängig von der Laufzeitverlängerung. Aber genau diese Brennelementesteuer stellen Sie jetzt, ein halbes Jahr später, schon wieder infrage. Von Planungssicherheit ist hier wirklich nichts zu spüren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Laut dem Protokoll wurde auch gesagt, von diesen Einnahmen solle auch die Asse saniert werden. Wenn diese Einnahmen wegfallen, weil Sie diese Steuer zurücknehmen, muss dann der Steuerzahler wieder die Kosten tragen? Auch uns ist klar, dass die Einnahmen geringer als geplant ausfallen werden, wenn die sieben ältesten AKWs und das AKW Krümmel abgeschaltet werden. Niedrigere Einnahmen sind aber kein Grund, die Brennelementesteuer komplett infrage zu stellen. Das zeigt einmal mehr: Sie möchten der Atomlobby ein Geschenk machen, weil Sie im Gegenzug die Laufzeiten verkürzen möchten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde es sehr interessant, was der Ministerpräsident gestern zu diesem Thema in einer Pressemitteilung ausgeführt hat:

Wenn wir wollen, dass die Wirtschaft im Rahmen der Energiewende investiert, können wir sie nicht gleichzeitig mit dieser Steuer belasten.

Genau mit diesen Einnahmen aus der Brennelementesteuer wollte man jedoch die Energiewende finanzieren. In diesem Hohen Haus und in Berlin wurde gesagt, das ist den Protokollen zu entnehmen: Die Brennelementesteuer ist dafür da, um mit den Einnahmen in die Energiewende zu investieren. Jetzt sagt der Ministerpräsident, dass diese Steuer abgeschafft werde, damit investiert wird. Die ganze Sache wird langsam schizophren.

Ich komme zu einem weiteren Bereich, bei dem Sie sich weigern, für Planungssicherheit zu sorgen. Zur Planungssicherheit gehört es auch, zu wissen, wann welches AKW abgeschaltet werden soll. Vor der Antwort auf diese Frage ducken Sie sich weg. Die CSU und die FDP nennen stattdessen jeweils ein Datum, aber keiner erklärt den Weg zur Erreichung dieses Ziels.