Protocol of the Session on March 2, 2011

(Beifall bei der SPD)

Da werden wir nicht mitmachen. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegenhalten, weil wir das, was Sie hier betreiben, für groben Unfug halten. Ich weiß, Sie werden sich jetzt wieder herausreden, das sei doch alles nicht so, der Landwirtschaftsminister habe es schon probiert. Er hat es allerdings mit einer wirklich unsäglichen Erklärung probiert. Ich sage Ihnen, die Feststellungen sind angestiegen. Wir hatten 2004 bei den Futtermitteln keine Erkenntnisse. 2005 waren vier Beprobungen auffällig. 2009 waren es bereits zehn Beprobungen. Wenn dann noch jemand sagt, man müsse hier nicht aufpassen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Mit diesen Zahlen, die nicht von mir stammen, sondern die aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage aus dem Bundestag stammen, beweisen Sie, dass die Staatsregierung bzw. der Landwirtschaftsminister gestern den Medien die Unwahrheit gesagt hat. Er tut so, als könne man diese kleinen Mengen nicht überprüfen. Warum kann es dann die Bundesregierung? Warum kommt das Zeug dann bei Überprüfungen zum Vorschein, wenn dem so wäre, dass man solche Grenzen nur aus Gründen der Rechtssicherheit festlegt? Wir können es überprüfen und überwachen. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Wir glauben, dass wir den Riegel weiterhin zuhalten müssen. Sie machen nicht nur die Tür, sondern gleich das Scheunentor für den Einzug der Gentechnik in Bayern auf.

(Beifall bei der SPD)

Als neuen Redner für die CSU bitte ich Herrn Dr. Hünnerkopf ans Mikrophon.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Für die CSU gibt es de facto keinen Anlass, das Thema grüne Gentechnik heute erneut zu diskutieren.

(Hubert Aiwanger (FW): Das glaube ich nicht!)

An unserer Auffassung hat sich nichts geändert, seit wir im Jahr 2008 unsere Auffassung dazu dezidiert festgelegt haben. Gleich vorweg: Der Anbau von MON 810 ist nach unserer Überzeugung nach wie vor zu unterlassen.

(Ludwig Wörner (SPD): Um das geht es doch gar nicht!)

- Es gibt auch noch einen Antrag der GRÜNEN, und bei diesem Antrag war dies sehr wohl ein Thema. Auch wenn ich aus dem Landkreis komme, in dem diese Anträge gestellt wurden, ändert sich an unserer Haltung nichts. Es soll auch keinen Genmaisanbau in Bayern geben.

Das zweite Thema: Da geht es um diese Nulltoleranzgrenze. Wir halten in der Tat an der Nulltoleranzgrenze fest. Wir hatten von der EU aber auch gefordert, diese Grenze näher zu definieren. Das ist jetzt am 22. Februar erfolgt. Es ist sicher in den Augen der SPD und der GRÜNEN umstritten, wenn diese Grenze so definiert wird, dass 0,1 %, also ein Gramm GVverunreinigtes Futtermaterial auf ein Kilogramm Futtermittel, toleriert wird. Man sieht hier wieder den Unterschied zwischen Theorie und Ideologie einerseits und Praxis andererseits.

(Beifall bei der CSU)

Allein über diesen Aspekt müssen wir hier reden. Darüber sind wir unterschiedlicher Auffassung.

Normalerweise mag der Theoretiker erwarten, dass bei einer Nulltoleranz tatsächlich auch keinerlei Verunreinigung erfolgt, dass also das verunreinigte Material einen Anteil von 0,0000 % ad infinitum hat.

(Ludwig Wörner (SPD): Sie wollen doch auch ein sauberes Bier!)

In der Tat brauchen wir aber eine technische Lösung, weil es auch darum geht, reproduzierbare Werte zu erhalten. Wenn man wiederholt Proben zieht und auf 0,0 geht, gibt es reproduzierungsbedingt Fehler. Hier geht es letztlich - das wurde schon erwähnt - auch um den Ausschluss von Rechtsstreitigkeiten. Wenn ein Wert von unter 0,1 % nicht verlässlich, nicht reproduzierbar gemessen werden kann, sind häufig Rechtsstreitigkeiten damit verbunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von 27 EULändern haben 19 zugestimmt, auch Deutschland, aber auch Österreich, das Sie immer wieder als den Vorbildstaat bei der Verhinderung grüner Gentechnik darstellen. Auch Österreich hat also zugestimmt, weil die Österreicher natürlich Praktiker und keine Theoretiker sind.

Als Fazit bleibt: Trotz dieser Definition bleibt es bei der Nulltoleranz. Es wurden nur die offiziellen Probennahmen und Analysemethoden für Futtermitteluntersuchungen praktikabel definiert. Eine generelle Einführung von Schwellenwerten für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen - GVO - erfolgt durch diese Regelung nun wirklich nicht, und schon gar kein Dammbruch, Herr Kollege Wörner.

(Ludwig Wörner (SPD): Was denn dann?)

Ich will nicht auf die Formulierungen unter den einzelnen Spiegelstrichen im Antrag der GRÜNEN eingehen. Eine Anmerkung sei mir noch zum Antrag der SPD gestattet, Bayern zur gentechnikfreien Region in Europa zu erklären. Mein Kollege Albert Füracker ist darauf schon in der letzten Debatte im Dezember 2010 eingegangen. Selbst Österreich, die Schweiz und unser Nachbar Thüringen haben sich zu gentechnikfreien Regionen erklärt, wohl wissend, dass auch sie nach wie vor von gentechnisch veränderten Futtermitteln abhängig sind, weil diese eingeführt werden müssen, um die Tiere mit genügend Eiweiß zu versorgen. Das ist die Realität, und alles andere ist Wunschdenken. Kein Bundesland kann im Moment aus eigener Kraft den Bedarf an diesen Futtermitteln decken, und auf dem Weltmarkt gibt es nicht nur gentechnikfreie Futtermittel, sondern auch einen hohen Anteil an gentechnisch veränderten Futtermitteln.

Gleichwohl hat die CSU in diesem Zusammenhang erklärt, sie wolle die Futtermittelversorgung mit eigenen Eiweißpflanzen forcieren. Staatsminister Helmut Brunner wird in Kürze das "Aktionsprogramm Heimische Eiweißfuttermittel" starten, um dieses Vorhaben voranzubringen.

Die CSU ist für Wahrheit und Klarheit. Wir sagen: Unser Bayern ist gentechnikanbaufrei. Das trifft auch zu. Wir wissen jedoch, dass wir nicht gentechnikfrei sind, und deshalb sprechen wir uns konsequenterweise nicht für ein gentechnikfreies Bayern aus. Wir müssen die beiden Anträge ablehnen. Ich bitte auch die Kollegen der anderen Parteien in diesem Haus zu bedenken, worum es hier geht. Hier geht es nicht um einen Dammbruch für die grüne Gentechnik, sondern um praktikable und vernünftige Regelungen.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Hünnerkopf. Für die Freien Wähler bitte ich Herrn Aiwanger nach vorne, bitte schön.

(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema der grünen Gentechnik ist es nötig, kurz auf den Beginn dieser Legislaturperiode zurückzublicken, als Schwarz-Gelb das Ziel hatte, noch zweimal einen Versuchsanbau im Freiland zuzulassen. Ich habe damals den Ministerpräsidenten dazu aufgefordert: Macht Schluss, ihr wisst schon genug, hört auf mit Freilandversuchen! Sein Zeichen war: Zweimal machen wir das noch. Nach einer gewissen Zeit hat Schwarz-Gelb eingesehen, dass das nicht durchzuhalten ist, und man hat von den anfangs ge

planten zweijährigen Freilandversuchen Abstand genommen.

Ein weiteres Thema ist das Saatgut. Wir stimmen gewiss alle darin überein, dass wir für das Saatgut das Ziel der Nulltoleranz anstreben, also eine Toleranzgrenze von 0,0 %. Was stellen wir aber fest? - Mit schöner Regelmäßigkeit wird zu Beginn der Maissaatperiode versucht, gentechnisch verändertes Saatgut in Umlauf zu bringen. Das wurde im letzten Jahr erst gestoppt, nachdem der Mais schon ausgesät war. Die Landwirte mussten darum kämpfen, überhaupt Entschädigungszahlungen zu bekommen. Wir hatten seinerzeit ein Gespräch mit Herr Wulff, damals noch Ministerpräsident, weil diese Sache ihren Ursprung in Niedersachsen hatte. Die dortigen Behörden hatten die Dinge verzögert. Herr Wulff war sich keiner Schuld bewusst und hat gesagt, das könne passieren. Über Wochen und Monate hinweg wurde die Information verzögert, und das Zeug ist auf den Äckern gelandet.

Herr Minister Brunner, wir fordern, dass die bayerische Landwirtschaftspolitik in Zukunft ihr Augenmerk noch mehr darauf legt, dass sich solche Dinge nicht jedes Jahr wiederholen. Wir müssen das Saatgut genauer unter die Lupe nehmen.

Nun zum Thema Amflora-Kartoffel: Dieses Kartoffelsaatgut ist plötzlich in anderen Kartoffeln aufgetaucht und wurde in großem Stil ausgepflanzt. Auf diesen Vorgang muss sehr genau geachtet werden.

Die nächste Säule ist das Thema Futtermittel. Die Wissenschaft streitet darüber, ob es möglich ist, die Nulltoleranzgrenze einzuführen, was bedeuten würde, dass überhaupt nichts in Futtermitteln nachweisbar sein darf mit der Folge einer massiven Verteuerung von Futtermitteln, weil den Bauern dann gesagt würde, dass die Ware vakuumverpackt werden muss, bevor sie von Amerika nach Europa transportiert wird. Damit hätten die Hersteller Argumente in der Hand, um die Preise nach oben zu treiben. Die Techniker sagen, eine Grenze von 0,0 Prozent ist an dieser Stelle nicht möglich. Deshalb trage ich das Anliegen mit einem gewissen Bauchweh mit, dass wir dieses Ziel zumindest anstreben, auch hier keine Verunreinigungen zuzulassen. Die Annahme, eine ganze Schiffslieferung zurückschicken zu können, wenn ein falscher Pollen oder ein Maiskorn in einer Sojalieferung auftaucht, ist wohl etwas unrealistisch.

Ich habe mir einige Unterlagen zusammenstellen lassen. Wir haben festgestellt, dass wirklich Milliardenschäden entstanden sind, weil Futtermittel ohne große Not verteuert wurden. Das muss dann die Veredelungswirtschaft ausbaden; das sind Rinderzüchter und Schweinemäster, denen von der Futtermittelbran

che gesagt wird: Du brauchst Soja, du musst drei Euro mehr bezahlen, weil wir sonst an diese Ware nicht herankommen.

Vor diesem Hintergrund müssen wir die Grenze von 0,1 Prozent zähneknirschend akzeptieren, bis bessere Chancen bestehen, um die Grenze von 0,0 durchzusetzen.

Der größte Skandal ist aber in meinen Augen, dass man aus dieser Diskussion keine Lehren zieht. Die Freien Wähler haben Konsequenzen vorgeschlagen. Die Besteuerung von Biokraftstoff, damals noch unter der schwarz-roten Regierung, war die Ursache dafür, dass die Biokraftstoff-Branche zusammengebrochen ist. Damit steht auch das Abfallprodukt des Biokraftstoffs, nämlich Rapsschrot, nicht mehr als Sojaersatz zur Verfügung. Ich habe auf meinem Hof Soja durch Rapsschrot mit besten Ergebnissen ersetzt, obwohl die Beratung sagte, dass es ohne Soja im Hochleistungsbereich, bei Milchvieh usw., nicht geht. Das hat aber geklappt. Hier müsste die Forschung wirklich einräumen, dass es auch mit Raps ohne Soja geht.

Dazu müsste - im Bund damals Schwarz-Rot und jetzt Schwarz-Gelb - die Besteuerung so weit zurückgenommen werden, dass Biokraftstoffe wieder marktfähig werden, wie das im Koalitionsvertrag steht. Das ist bis heute nicht passiert. Der politische Ansatz der Freien Wähler ist, sich von den Sojaimporten unabhängiger zu machen, damit mehr Rapsschrot in der heimischen Futtermittelindustrie benutzt wird.

Die zweite Aussage setzt dem Ganzen die Krone auf. Die Freien Wähler haben die Eiweißstrategie vorgeschlagen. In dem Antrag steht nicht mehr, als dass der Anbau heimischer Eiweißpflanzen in Deutschland und Europa vorangebracht werden soll, dafür die Forschung interessiert und die Rahmenbedingungen verbessert werden sollen. Die CSU hat den Antrag im Vorfeld gut geheißen und zugesagt, man würde dem Antrag zustimmen. Heute hat man den Antrag zur Abstimmung getrennt, um die Freien Wähler keinen Stich machen zu lassen. Die Eiweißstrategie, die zu 100 Prozent sinnvoll ist, wird torpediert, um auf das genveränderte Soja zu verweisen, das importiert werden muss. Ich meine, das setzt dem Ganzen die Krone auf, meine Damen und Herren der Regierungskoalition.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich verwette meinen Kopf darauf, dass Sie in ein paar Wochen mit einem gleichen Antrag kommen, dieses Papier in die Kamera halten und den Landwirten weismachen werden, dass sich die CSU für die Eiweißstrategie einsetze. Das ist des Guten zuviel. Die Diskussionen, ob 0,0 oder 0,1 Prozent, lassen wir mal

beiseite. Konzentrieren wir uns auf die Eiweißstrategie, die den Ausweg aus dem Dilemma bieten könnte. Dafür, dass Sie die Eiweißstrategie torpedieren, sollten Sie sich vor den Landwirten schämen. Das sage ich in dieser Deutlichkeit. Noch deutlicher sage ich: Ein Landwirt, der die CSU wählt, könnte sich die Tollwutspritze setzen, weil ihn das genauso weit brächte. Sie haben den Landwirten ins Knie geschossen.

Herr Aiwanger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pachner?

Nein.

Meine letzte Aussage aufgrund der 0,1-Prozent-Toleranzgrenze: Wir lehnen den SPD-Dringlichkeitsantrag ab und enthalten uns beim Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN. Das ist folgerichtig. Damit gehen wir in die Abstimmung.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Aiwanger, bleiben Sie bitte am Redepult. Uns liegt eine Zwischenbemerkung des Kollegen Wörner vor. Bitte schön.

Herr Kollege Aiwanger, damit auch ich das verstehe, müssen Sie mir etwas erklären. Sie sind der Experte. Sie sagten, 0,1-Prozent-Toleranzgrenze beim Saatgut könne man durchhalten und müsse man durchsetzen. Hierin gebe ich Ihnen recht. Da der gentechnische Anteil beim Saatgut festgestellt werden kann, bitte ich um Erklärung, warum das beim Futtermittel nicht möglich ist. Ich will Ihnen sagen, warum mich diese Aussage nervt. In Bayern gibt es eine Reihe gentechnikfreier Regionen. Dort wollten die Futtermittelhersteller wegen des Risikos der Vermengung die Nulltoleranz einführen. Sie schafften es, die Futtermittel nach Bayern zu importieren. Anfänglich war dieses Futter teurer. Heute ist es nicht mehr teurer als gentechnisch verändertes. Sie behaupten wiederum, die Futtermittel mit Nulltoleranz wären sehr viel teurer. Ich behaupte, dass das nicht stimmt. Vielleicht wissen Sie das noch nicht.

Sie müssen mir das technische Problem erklären, weshalb Futtermittel gentechnikfrei gehalten werden kann und Saatgut nicht.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Wörner, Sie haben meine Argumente nicht verstanden. Ich versuche, sie Ihnen zu erklären. Ich habe nicht behauptet, dass man bei Futtermitteln die 0,1 Prozent nicht feststellen könnte, sondern ich habe gesagt, dass dann, wenn man den Gehalt festgestellt hat und die Schiffsladung zurück

schicken muss, die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden müsse.

Der Anteil der gentechnisch veränderten Bestandteile im Saatgut kann ebenfalls festgestellt werden. Über das Saatgut verbreitet sich die Gentechnik mehr, weil eine Maispflanze eventuell 100 weitere Maispflanzen bestäuben kann, sodass die Weiterverbreitung sprunghaft sein kann. Der Grenzwert von 0,1 Prozent Anteil an Saatgut heißt, dass der höhere Aufwand in Kauf genommen und das Saatgut zurückgeschickt werden muss, wenn nur ein gentechnisch verändertes Saatkorn dabei ist. Sobald ein gentechnisch verändertes Maiskorn im Futtermittelsoja liegt, sollte die Schiffsladung aber nicht zurückgeschickt werden. Man kann es feststellen, aber der Aufwand ist nur berechtigt, wenn es Saatgut ist.

(Natascha Kohnen (SPD): Wo schicken Sie das Saatgut dann hin?)

Für Futtermittel wäre diese Maßnahme zu weitgehend und würde zu Kostensteigerungen für die Landwirtschaft führen.

(Natascha Kohnen (SPD): Was passiert dann mit dem Mais? - Ludwig Wörner (SPD): Sie stellen das Kapital voran!)