Protocol of the Session on March 2, 2011

Meine Damen und Herren, ich kann das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Satzung der Stadt München nicht ganz verstehen, weil das außerhalb des gemeindlichen Zuständigkeitsbereichs läge.

(Zuruf von der CSU)

- Na gut, dann läge es wohl im Zuständigkeitsbereich irgendeiner Vollzugsbehörde des Freistaats Bayern. Es muss doch in Gottes Namen möglich sein, eine Regelung zu treffen.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen die Antragsteller nichts anderes

als die Schaffung einer Rechtsgrundlage, damit das, was wir wollen, auf kommunaler Ebene durchgesetzt werden kann. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen; das haben wir bereits signalisiert. Frau Schorer, Sie sagen, das gehe nicht, weil - - Es gibt aber zwei Bundesländer, die so etwas bereits praktizieren. Wenn der Bundestag so etwas will und der Bayerische Landtag so etwas einstimmig beschließt, dann sollten wir nicht so kleingläubig sein. Unsere einstimmigen Beschlüsse müssen doch irgendwo Wirkung zeigen, weil wir als Landtag sonst wirklich nichts mehr wert wären.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD und der GRÜNEN)

Gehen wir doch, verdammt noch einmal, den Weg, den zwei andere Bundesländer auch schon gegangen sind und den zurzeit ein drittes Land beschreitet.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Was kann uns denn passieren? Wir gehen den Weg, den wir wirklich gehen wollen. Wir dürfen uns nicht hinter dem Argument verstecken, dass uns andere blockieren. Dann müssen wir eben alle rechtlichen Möglichkeiten bis hin zum Verfassungsgerichtshof ausschöpfen. Das müssen wir tun, das muss nicht die kommunale Ebene tun, nicht die Stadt München, die Stadt Nürnberg oder Fürstenfeldbruck. Wir haben diese Möglichkeiten, und dann sollten wir sie auch nutzen, wenn wir schon alle der gleichen Auffassung sind. Bremen und das Saarland haben es uns vorgemacht. Hessen hat im sozialpolitischen Ausschuss etwas Adäquates beschlossen. Ich gehe davon aus, dass das in Hessen durchgebracht wird. Diese Regelungen wurden im Saarland und in Bremen nie verfassungsrechtlich überprüft, weil sich niemand dagegen gewendet hat.

(Jörg Rohde (FDP): Das ist der Punkt!)

Wir als Bayerischer Landtag sollten nicht so viel Angst davor haben, dass uns irgendjemand sagen könnte, dass es so nicht geht. Dass es geht, haben uns andere Landesparlamente vorgemacht, auch im Vollzug dieser Ausführungen. Dort wurde so etwas praktiziert. Deshalb meine ich: Wenn wir wollen, können wir das auch probieren.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD und der GRÜNEN - Unruhe)

Wir werden dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen. Wir bitten darum, dass wir uns alle an den Beschluss halten, den unsere Vorgänger in diesem bayerischen Parlament gefasst haben, damit er endlich vollzogen werden kann.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD und der GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kollege Hanisch. Die namentliche Abstimmung wird allmählich schon vorbereitet. Vorher gibt es noch Wortmeldungen. Herr Kollege Rohde ist der nächste Redner, ihm folgt Herr Fahn für die Freien Wähler, und Frau Staatssekretärin Huml hat sich noch gemeldet. Bitte, Herr Kollege Rohde.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an das an, was Herr Hanisch angeführt hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bayerische Landtag ein Gesetz beschließt, das von einem Gericht kassiert wird.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Nur CSU-Gesetze!)

- Das kommt erschwerend hinzu, tut aber nichts zur Sache. Fakt ist, dass der Landtag es beschlossen hat. Auf die Frage, wer damals die Mehrheit hatte, müssen wir nicht eingehen.

Wir haben ein Gesetz vor uns, über das wir abstimmen sollen. Wir wissen nicht, ob wir zuständig sind. Die Tendenz bei uns geht eher dahin, zu glauben, dass wir nicht zuständig sind. Wir haben entsprechende Schriftwechsel geführt. Bei der Reise nach Brüssel habe ich dort das Thema angesprochen. Die Europaparlamentarier haben bestätigt, dass wir nichts machen können, weil das Welthandel ist. Wir sind mit unseren Bestrebungen im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht so weit vorangekommen, wie wir uns das wünschen. Die Kinderarbeit ist in den letzten zehn Jahren nur unwesentlich zurückgedrängt worden. Die Ursache für Kinderarbeit ist eben die Armut. Ich würde den Bericht zum SPD-Antrag zu diesem Thema abwarten wollen. Außerdem möchte ich ein größeres Bundesland vorangehen lassen.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Bayern! - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Bayern ist ein großes Bundesland!)

- Vielleicht soll es ein mittelgroßes sein. Saarland und Bremen sind keine großen Bundesländer, in denen das Wechselspiel zwischen Kommunen und Land verfassungsrechtlich überprüft werden kann. Herr Hanisch hat es angesprochen und gesagt, er würde dazu neigen, das zunächst auszuprobieren. Wir, die FDP, sind eher skeptisch und meinen, dass wir das nicht probieren sollten. Wir warten noch eine Runde ab und verhandeln auf einer anderen Ebene.

Das Thema Kinderarbeit gibt es auf vielen anderen Gebieten. Für das Bestattungsgesetz, das heute vorliegt, ist das Umweltministerium federführend. Deshalb werden wir eine Rede der Frau Staatssekretärin Huml hören. Wollten Sie Frau Staatssekretärin Hessel oder Herrn Wirtschaftsminister Zeil hören, müssten Sie ansprechen, dass die Baumwolle aus Usbekistan mit Kinderarbeit geerntet wird, dass Kakao und Schokolade aus Westafrika aus Kinderarbeit kommen, die bengalischen Textilfabriken, von denen Lidl die Sachen importiert, Kinder beschäftigen und die Jockeys in Dubai Kinder sind. Die meiste Kinderarbeit überhaupt kommt aus der Landwirtschaft. Bei landwirtschaftlichen Produkten gelingt es nicht, eine Zertifizierung einzuführen.

Um auf die Grabsteine zurückzukommen, frage ich, ob wir sicherstellen können, dass nur noch zertifizierte Grabsteine importiert werden.

(Abgeordneter Dr. Martin Runge (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich ermuntere Sie gerne zu einer Zwischenfrage, weil ich heute sehr viel Redezeit habe.

(Heiterkeit)

Ist das eine Zwischenfrage? - Bitte schön, Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Kollege Rohde, Sie können sich vorstellen, dass ich mich über Ihre Ermunterung freue. Sie haben die Baumwolle und andere landwirtschaftliche Produkte angesprochen. Ist Ihnen der erste Beschluss des Bayerischen Landtags, der bei zwei oder drei Enthaltungen gefasst wurde, gegen ausbeuterische Kinderarbeit entgangen? Ist Ihnen auch entgangen, dass der Bund diesen Beschluss umgesetzt hat mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz, konkret mit § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, und festgelegt hat, dass neben den innovativen Aspekten auch soziale und umweltbezogene Aspekte als neue Kriterien bei Vergaben der öffentlichen Hand auf allen Stufen der Vergabe abgefragt werden dürfen? Damals sind wir weitergekommen. Allerdings müssen der Vollzug und die Kontrolle intensiviert werden.

Herr Rohde, bitte.

Ich stimme mit Ihnen voll überein, dass wir bei der Kontrolle große Probleme haben. Bei landwirtschaftlichen Produkten ist es kaum nachvollziehbar, ob sie aus Kinderarbeit stammen oder ob dies nicht der Fall ist.

Xertifix, die Organisation von Herrn Blüm, erhebt zwei bis drei Prozent des Steinwertes als Gebühr. Nur wenige Importeure in Deutschland bemühen sich um dieses Zertifikat. Zudem gibt es Zertifikatfälschungen. Ob sichergestellt werden kann, dass ein Zertifikat richtig ist, ist fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass ein solcher Beschluss nicht unbedingt umgesetzt werden kann. Man muss bedenken, ob ein Gesetz, wenn es in Kraft gesetzt ist, so wirksam kontrolliert werden kann, wie wir uns das vorstellen. Diese Beschränkungen werden den Handel erschweren und reduzieren. Das ist unbestritten.

In der Koalition sind wir der Meinung, dass die Landesebene nicht zuständig ist und dass wir über den Welthandel und die ILO vorankommen müssen. Die FDP-Fraktion wird deswegen heute dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden das Thema aber weiter beraten. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Thema in die Öffentlichkeit zerren, sodass die potenziellen Käufer von Grabsteinen Bescheid wissen, dass sie sich erkundigen und auf das Zertifikat schauen sollen. Die Debatte ist wichtig. Den Beschluss kann ich Ihnen heute nicht versprechen. Wir bleiben am Thema dran.

Herr Kollege Rohde, Frau Stahl hat eine Zwischenintervention angemeldet. Bitte schön.

Herr Rohde, Sie haben den Vollzug angesprochen. Sie werden mir aber auch beipflichten, dass, obwohl nicht alle Diebstähle aufgeklärt werden können, Diebstahl trotzdem eine Straftat bleibt. Ich glaube, dass man nicht nur vom Vollzug her argumentieren sollte. Man sollte nicht sagen, wir lassen das Verbot bei manchen Dingen gleich bleiben, weil die Umsetzung schwierig ist.

Ich vermute, dass Sie sich auf europäischer Ebene mit Leuten Ihrer Couleur unterhalten haben und ganz sicherlich nicht mit Parlamentariern der GRÜNEN; denn diese würden Ihnen sehr wohl sagen, dass das Zugriffsrecht möglich ist.

Herr Rohde.

Frau Kollegin, das war die Reise, an der Sie nicht teilgenommen haben. Das Präsidium hat in der bayerischen Landesvertretung in Brüssel mit Parlamentariern aller Fraktionen gesprochen. Das tut aber nichts zur Sache.

Die Beleuchtung des Vollzugs war nicht das einzige Argument. Ich habe diesen Aspekt nur beleuchtet, weil heute sehr viel Redezeit zur Verfügung steht. Deswegen komme ich weiterhin zu dem Schluss,

dass wir skeptisch sind, ob das Land Bayern eine entsprechende Regelung für die Kommunen treffen kann oder ob wir vor Gericht verlieren, wenn ein Steinmetzbetrieb klagt; denn es gibt solche Betriebe, die gegen alles klagen, was in diese Richtung geht. Ich wünsche mir mehr Rechtssicherheit, bevor ich als Gesetzgeber dieses Risiko eingehe.

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Fahn. Die Anwesenden bitte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Rohde, ich verstehe nicht, dass sie sagen, die Bundesländer Bremen und Saarland seien zu klein und man solle abwarten, bis ein größeres Bundesland Initiative zeigt. Machen wir das auf anderen Gebieten, wie dem Klimaschutz, der Energiepolitik und anderen Themen auch? Wollen Sie auch da warten, ob ein anderes Bundesland eine ähnliche Initiative startet und dann erst nachziehen? Seien wir selbstbewusst. Bayern ist ein großes Bundesland. Wenn wir uns im Parlament einig sind, können wir vorangehen.

Das Saarland hat die Gesetzesänderung schon vor zwei Jahren beschlossen. Bis jetzt gab es keine Anfechtung. Deswegen können wir einigermaßen sicher sein, dass die Regelung auch hier in Bayern in Ordnung wäre.

Die entwicklungspolitischen Sprecher der verschiedenen Parteien haben einen Brief an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie geschrieben, in dem sie ausführen, dass mit Staunen und Verärgerung zur Kenntnis genommen wurde, dass nichts vorangehe. Im Brief wird darauf hingewiesen, dass es am Gesetzgeber liege, eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Unterschrieben ist der Brief von Herrn Imhof von der CSU und von Herrn Dr. Barfuß von der FDP. Ich meine, wenn die beiden Herren aus den Koalitionsfraktionen einen solchen Brief unterschreiben, müsste etwas vorangehen.

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Gesetzesinitiator ist die Bayerische Staatsregierung. Mich wundert es, Herr Minister Zeil, dass Sie einen Rückzieher machen, weil wir uns einstimmig auf eine Vorgehensweise geeinigt haben.

(Tobias Thalhammer (FDP): Sie verwechseln Legislative und Exekutive!)

Wir Freien Wähler meinen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir sagen, Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt. Wir können sie ändern. Wenn wir das wollen, kann uns kein Landes-, Bundes- oder EU-Recht daran hindern. Für uns sind die Menschenrechte höherwertiger. Kinderarbeit verletzt Völkerrecht und Menschenrecht. Das muss offensiv geändert werden. Deshalb dürfen handelsrechtliche Bestimmungen nicht vorgehen und die Menschenrechte nicht mit Füßen getreten werden. Wir wollen uns keinesfalls hinter solchen Urteilen verstecken und sagen, hier besteht kein Handlungsbedarf.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Deswegen wollen wir die Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit in Friedhofssatzungen. Ich meine, wir müssen handeln. Wir haben das bisher seit 2007 gemacht. Wir meinen, dass der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN eine Lösung des Problems darstellt. Die Gemeinden als Träger der Friedhöfe sollen in die Lage versetzt werden, in ihren Satzungen festlegen zu dürfen, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen.

Deswegen sagen wir Freie Wähler ganz offen: Wir müssen den Mut haben, die richtige Entscheidung zu treffen, auch wenn die rechtliche Zuständigkeit noch nicht zweifelsfrei abschließend geklärt ist. Ansonsten brauchen wir solche internationalen Abkommen wie dieses ILO-Abkommen aus dem Jahr 2002 gar nicht zu unterschreiben. Das haben wir doch gemacht. Die Richtung ist vorgegeben, und deswegen ist es richtig, dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zuzustimmen.