Protocol of the Session on December 1, 2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. Es ist ein langer Weg, den wir gehen müssen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesen Weg mitgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Stachowitz das Wort. Bitte schön.

Die Kindergrundsicherung ist ein wichtiges Thema. Das hat Frau Stamm bereits dargelegt. Worum es uns geht, möchte ich mit Zahlen unterfüttern. Mit unserem Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, über die Finanzierungsmöglichkeiten der Kindergrundsicherung zu berichten.

Zuerst vorweg: Warum ist es so wichtig, eine Veränderung der Familien- bzw. Kinderförderung vorzunehmen? Wir haben eine Kinder- und Familienarmut in Bayern. In Bayern leben 2,2 Millionen Kinder. Davon leben 16 % - 335.000 Kinder -in Armut. Das bedeutet, sie leben im Grundgeldbezug. Das sind eindeutig zu viele Kinder. Bundesweit sind es - das haben wir schon gehört - 2,4 Millionen Kinder. In Bayern sind die Kinder von Familien - das heißt zwei Elternteile, zwei Kinder - zweimal mehr von Armut betroffen als andere. Alleinerziehende, von denen es auch über 16 % gibt, sind viermal mehr von Armut betroffen. Die Quintessenz ist: Kinder führen zur Armut. Deswegen bitte ich Sie: Wir müssen diese Armutsspirale durchbrechen. Der bayerische Sozialbericht hat uns gezeigt, dass diese Armutsspirale von Familien festgeschrieben ist. Deswegen müssen wir das System umstellen.

(Beifall bei der SPD)

Laut Geburtenquote kommen 1,3 Kinder auf eine gebärfähige Frau. Das ist eine weitere Abwärtsspirale in der demografischen Entwicklung. Wir wissen, was dies für unsere Generationsverträge und Sozialversicherungssysteme bedeutet. Das können wir uns nicht leisten. Familien müssen weiterhin gefördert werden, weil sie der Grundbaustein für unsere Gesellschaft sind.

(Beifall bei der SPD)

Was haben wir bis jetzt? In Deutschland gibt es 157 verschiedene Familienleistungen. Sie sind unübersichtlich, binden aber 110 Milliarden Euro. Wir geben 110 Milliarden Euro für Familienleistungen aus und schreiben Familienarmut fest. Das muss verändert werden. Deswegen müssen wir dieses System umstellen.

(Beifall bei der SPD)

Als SPD fordern wir zwei parallele Säulen; zum einen die Bildungsstruktur und zum anderen die monetäre Leistung, die Kindergrundsicherung. Die Kindersicherung steht jedoch immer im Zusammenhang mit der Bildungsstruktur.

Irene Becker und Richard Hauser haben ein System zur Kindergrundsicherung entwickelt und berechnet. Die Berechnungen basieren auf der Grundlage der Kosten eines Durchschnittskindes im Alter von 0 bis 25 Jahren. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin hat die Kosten anhand eines Armutskorbes berechnet. Kinder sind unabhängig vom Elterneinkommen. Kinder dürfen nicht dafür bestraft werden, dass ihre Eltern keine Arbeit haben. Ihnen steht dieses Geld zu, um Chancengleichheit zu gewähren.

Noch eine Information: Wenn wir diese Leistungen einführen, könnten wir die Armut von 18 % auf 4 % reduzieren. Diese Investition ist es wert. Im Wesentlichen haben wir jetzt eine steuerfinanzierte Familienförderung. Das habe ich schon einmal gesagt. Das ist zum Beispiel das Ehegattensplitting. Wer viel Steuern zahlt und viel Geld hat, bekommt auch viel für die Kinder. Wer wenig Steuern zahlt und wenig Geld hat, bekommt weniger für die Kinder. Jetzt hat auch noch die Bundesregierung bei den Hartz-IV-Empfängern das Kindergeld gegengerechnet. Das ist sozial ungerecht. Dagegen verwahren wir uns.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Zahl: 30 % aller Familien leben nicht mehr in eheähnlichen Verhältnissen, sondern sind geschieden oder leben in alternativen Familienverhältnissen. Wir begünstigen noch immer die Institution Ehe. Dort wird das Geld nicht mehr zielgerecht ankommen.

Die 110 Milliarden Euro für Familienleistungen und die 20 Milliarden Euro für das Ehegattensplitting ergeben insgesamt 130,4 Milliarden Euro, die wir im Moment für Familien ausgeben. Damit verfestigen wir die Armut. Dieses Geld wollen wir für die Kindergrundsicherung hernehmen. Das System wird vereinfacht. Endlich haben wir damit einen Vorschlag für die Steuervereinfachung. Wir können gezielt fördern und garantieren damit eine soziale Gerechtigkeit. Wir führen die Familien aus der Armut heraus. Deswegen bitte ich Sie, diesem Berichtsantrag zuzustimmen, weil wir damit im Gesellschaftssystem die Grundlage für eine Veränderung herbeiführen. Der Antrag der GRÜNEN, der die Staatsregierung auffordert, sich im Bundesrat für die Einführung einer Kindergrundsicherung einzusetzen, enthält keine weiteren Konzeptionen. Deshalb werden wir uns beim Antrag der GRÜNEN der Stimme enthalten. Die alleinige Absetzung des Ehegattensplittings ist uns zu wenig. Stattdessen sollte das gesamte Familienförderungssystem betrachtet werden.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Kollege Bernhard Seidenath das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute mit zwei Anträgen zum Thema Kindergrundsicherung. Mit dem Antrag der SPD wird ein Bericht über die Finanzierungsmöglichkeiten für die Kindergrundsicherung und mit dem Antrag der GRÜNEN eine wirksame Bekämpfung der Kinderarmut gefordert. Eigentlich wollte ich nicht inhaltlich in die Anträge einsteigen. Jedoch hat Frau Stamm gerade erklärt, dass Eltern durchaus in der Lage seien, verantwortlich mit Geld umzugehen. Das hat mich verwundert, weil das ganz neue Töne sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich denke an die Entscheidungen und die Debatten um die Erhöhung des Kindergeldes. Gerade von Ihrer Seite gab es Widerstand, da Sie behauptet haben, Eltern könnten mit dem Geld nicht verantwortlich umgehen. Ich denke nur an die Debatten um das Betreuungsgeld, das Sie mit der Bezeichnung "Herdprämie" diffamiert haben. In diesem Zusammenhang haben Sie gesagt, damit werde die Armut nicht gelindert und das Geld komme nicht bei den Kindern an. Deswegen bin ich erfreut, dass Sie das heute anders sehen. Das sind neue Töne. Das muss vermerkt werden und ist vermerkt worden. Meine Damen und Herren, ansonsten will ich nicht inhaltlich einsteigen. Kinderarmut ist in der Tat ein veritables Problem, das wir lindern und möglichst lösen müssen.

Ich könnte auch Daten aus dem Sozialbericht zitieren. Sie haben Daten zitiert. Ich könnte auch sagen, dass die Armutsrisikoquote in keinem anderen Land so niedrig ist wie in Bayern. Ich könnte Ihnen auch sagen, dass die Armutsrisikoquote bei den Jugendlichen unter achtzehn Jahren seit 2003 signifikant abgenommen hat. Sie ist nämlich bis 2008 um 1,3 Prozentpunkte zurückgegangen. Das steht auch im Sozialbericht. Darauf gehe ich jetzt aber nicht ein.

Wir werden dem Berichtsantrag der SPD zustimmen. Wir haben uns im Ausschuss einstimmig auf eine Formulierung geeinigt. Wir haben gesagt, dass wir die Staatsregierung um einen Bericht erstens darüber bitten wollen, welche Leistungen auf Bundes- und Landesebene zur Gegenfinanzierung herangezogen werden können. Zweitens wollen wir wissen, mit welchen Kosten bei der Einführung einer Kindergrundsicherung auf Bundes- und Landesebene zu rechnen wäre. Drittens wollen wir wissen, wie Ihr Vorschlag unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung der Kinderarmut vonseiten der Staatsregierung bewertet wird. Auf diese drei Punkte haben wir uns geeinigt. Damit schaffen wir die nötige Datengrundlage, um vernünftig, seriös und solide über die Frage einer Kindergrundsicherung zu entscheiden. Erst die mit dem Bericht gegebenen Informationen ermöglichen eine umfassende und abgewogene Entscheidung in dieser Sache.

Das ist auch der Grund dafür, dass wir den zweiten Antrag, den Antrag der GRÜNEN, ablehnen werden. Mit dem Antrag der GRÜNEN soll die Kindergrundsicherung bedingungslos eingeführt werden. Als Gegenfinanzierung sehen Sie - das haben Sie gesagt die Abschaffung des Ehegattensplittings vor. Um über diesen Antrag vernünftig entscheiden zu können, brauchen wir eine vernünftige Datenbasis.

(Simone Tolle (GRÜNE): Die haben wir doch schon längst!)

Wir brauchen zum einen Informationen über die Kosten, die bei der Einführung eines solchen Modells anfallen. Wir brauchen zum anderen auch Informationen über die Leistungen, die für eine Gegenfinanzierung in Betracht kommen. Genau dies fragen wir mit dem Berichtsantrag der SPD ab.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Stamm?

Als Zwischenbemerkung gerne, Frau Stamm.

Als Zwischenbemerkung oder als Zwischenfrage?

Als Zwischenbemerkung.

Der Kollege ist für die Zwischenbemerkung. Ich bitte Sie ein bisschen um Geduld, Frau Stamm.

Liebe GRÜNE, mit Ihrem Antrag konterkarieren Sie den Berichtsantrag der SPD, dem Sie in den Ausschüssen auch zugestimmt haben. Sie entwerten damit den Berichtsantrag. Sie hätten ihn im Ausschuss ablehnen können. Sie haben ihm aber zugestimmt; damit zeigen Sie, dass es Ihnen ziemlich egal ist, was bei diesem Berichtsantrag herauskommt. Sonst hätten Sie Ihren jetzigen Antrag zurückstellen müssen, bis der Bericht der Staatsregierung auf den SPD-Antrag gegeben wurde.

Mir ist es sowieso ein Rätsel, wieso Sie dieses Thema heute hier hochziehen. Wir haben uns im Ausschuss einstimmig auf diese Vorgehensweise geeinigt. Es gibt nur eine logische zeitliche Reihenfolge: erst den Bericht und dann die Konsequenzen daraus. So arbeitet seriöse Politik. Sie sehen es offenbar anders, sonst würden Sie nicht die nachtschlafende Zeit zu politischen Schaukämpfen nutzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir stimmen also dem Antrag der SPD zu und lehnen den Antrag der GRÜNEN ab.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Stamm das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Seidenath, es ist schön, dass Sie um 21.25 Uhr normalerweise schon schlafen. Ich tue das nicht und glaube auch, dass sich die meisten Menschen in unserem Beruf das nicht leisten können.

Zwei Anmerkungen: Einmal finde ich es spannend, dass Sie Ihr Betreuungsgeld selbst als Herdprämie bezeichnet haben.

Ich habe Ihre Worte gebraucht. Ich habe gesagt, dass Sie es als Herdprämie diffamiert haben!

Das ist mir völlig egal, Sie haben es selbst als solches bezeichnet. Vielleicht wissen Sie auch, dass das Ehegatten-Splitting nichts anderes ist als eine indirekte Subvention, weswegen das

Betreuungsgeld oder die Herdprämie, wie immer Sie es auch nennen, überflüssig ist. Viele andere Aspekte gibt es dabei auch noch. Ich weiß nicht, ob Sie Frau Stachowitz zugehört haben. Sie hat in ihrem Redebeitrag gerade von einem Systemwechsel gesprochen. Warum der Berichtsantrag gestellt wurde, müssen Sie nicht mich fragen, sondern die SPD-Fraktion. Abgesehen davon gibt es schon genügend Zahlen. Es gibt eine riesige wissenschaftliche Untersuchung von Professor Hauser und Dr. Becker von der Universität Frankfurt, beide Volkswissenschaftler bzw. Volkswissenschaftlerin. Es gibt mehrere Studien von Arbeiterwohlfahrtsverbänden, vom Kindergrundsicherungsbündnis, von Professor Bertram und von Professor Ulrich Beck. Es gibt diese Zahlen schon. Deswegen müssen Sie die Frage an die SPD stellen.

Jetzt hat Herr Kollege Seidenath das Wort.

Verehrte Frau Stamm, mir missfällt Ihre oberlehrerhafte Attitüde.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Ich habe mir nur erlaubt, darauf hinzuweisen, dass Sie dem Berichtsantrag im Ausschuss zugestimmt haben, dass Sie aber nun zeigen, dass es Ihnen völlig egal ist, was dabei herauskommt. Sonst hätten Sie sagen können, dass Sie den Bericht gar nicht brauchen, weil Sie sowieso schon alles wissen und gleich entscheiden können. Das haben Sie nicht getan, sondern Sie haben dem Berichtsantrag zugestimmt. Das wollte ich damit sagen.

(Beifall bei der CSU)

Ein solcher Bericht macht den Ministerien auch Arbeit. Dort arbeiten Beamte. Die arbeiten eigentlich für Sie, Sie zeigen ihnen aber, dass Ihnen der Bericht egal ist. Das habe ich damit angeprangert.

(Beifall bei der CSU)