Protocol of the Session on December 1, 2010

Die Argumente sind ausgetauscht worden. Leider habe ich aber gemerkt, dass hier Vieles missverstanden worden ist, und zwar hauptsächlich aufseiten der CSU und der FDP. Das verwundert umso mehr, als gerade in schwarz-gelb regierten Ländern die Fußfessel angewandt bzw. eingeführt wird. Ich nenne Baden-Württemberg, Hessen und - das gilt ab 1. Januar 2011 - Schleswig-Holstein.

Der Justizminister von Baden-Württemberg, Ulrich Goll von der FDP, hat gesagt:

Die Fußfessel ist ein Gewinn für den Justizvollzug und auch für die Betroffenen. Sie ist ein sinnvoller Bestandteil des modernen Strafvollzugs.

Es verwundert jetzt natürlich, warum hier in Bayern die FDP so vehement dagegen ist. Da muss man sagen: Liebe FDP, ihr sprecht mit gespaltener Zunge. Vermutlich kommt es darauf an, in welchem Bundesland man welchen Koalitionspartner hat. Da scheint es doch irgendwie unterschiedliche Auffassungen zu geben.

Alles in allem kann ich Ihre Haltung im Grunde nicht nachvollziehen, anders als bei SPD und den GRÜNEN, die bundesweit eine eher ablehnende Haltung einnehmen.

In Österreich ist die Fußfessel seit dem 1. September eingeführt, und dort sind bereits gute Erfahrungen erzielt worden. Vor diesem Hintergrund frage ich schon, warum man hier in Bayern dagegen ist.

Frau Justizministerin, Sie waren erst vor Kurzem in Frankreich und haben sich dort, wie die "Welt am Sonntag" berichtet hat, auch über die Fußfesseln informiert. Da haben Sie anscheinend sehr positive Ein

drücke mitgenommen. Ich frage mich natürlich, welche Fußfesseln in welchem Zusammenhang Sie nun meinen. Stehen sie im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung oder im Zusammenhang mit dem, was wir für Bayern meinen, oder wofür sie in BadenWürttemberg, Hessen oder Schleswig-Holstein gedacht ist? Ich hielte eine Aufklärung in dieser Frage für sehr gut.

Im Übrigen werden Fußfesseln in Frankreich, in den USA, in Schweden und auch in den Niederlanden, Großbritannien und Schottland verwendet. Dort sind sie Bestandteil des Strafvollzugs geworden. Sie ist insofern ein sinnvoller Bestandteil des Strafvollzugs, weil man dann die Gefangenen bei Vollzugslockerungen, Hafturlaub und Ähnlichem leichter aus der Justizvollzugsanstalt hinausgehen lassen kann. Und bei Bewährungsstrafen könnte man die Praxis möglicherweise lockerer handhaben.

Aber leider ist man in Bayern anscheinend noch nicht so weit. Ich denke und prophezeie Ihnen allerdings, dass wir möglicherweise binnen Jahresfrist wieder hier zusammenkommen und eine andere Fraktion einen ähnlichen Antrag einbringt; denn die Fußfessel gehört einfach zu einem neuen und modernen Strafvollzug. Ich finde es traurig, dass wir heute zu keinem Konsens kommen. Mit dieser Realität müssen wir vorerst leider leben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Vielleicht können wir die Sache in Zukunft noch einmal aufnehmen und dann ändern. Ich bitte dennoch um Ihre Unterstützung auch zum heutigen Gesetzentwurf.

Herr Abgeordneter, bleiben Sie bitte am Mikrofon. Der Kollege Arnold möchte eine Zwischenbemerkung machen.

Herr Kollege Streibl, bei all Ihrer Trauer möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bewusst, dass in Hessen die Fußfesseln einzig und allein für Bewährungsauflagen vorgesehen sind und für nichts anderes? Das hat nichts mit Ersatzfreiheitsstrafen oder Straferleichterung zu tun, sondern es handelt sich einzig und allein um § 462 ff der Strafprozessordnung. Damit ist eine Vergleichsmöglichkeit Ihres Vorschlags mit der Regelung in Hessen nicht gegeben.

(Hubert Aiwanger (FW): Teilweise schon!)

Bitte, Herr Kollege Streibl.

Herr Kollege Arnold, da kann ich Sie nur fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass es die

Fußfessel in Hessen seit zehn Jahren gibt. Es gab dort inzwischen über 700 Probanden, und nur bei weniger als 10 % musste die Bewährung widerrufen werden. Sie zielen mit Ihrer Bemerkung jetzt auf die Bewährungsstrafen ab. In unserem Gesetzentwurf ist die ganze Sache noch niederschwelliger, als es in Hessen der Fall ist. Insofern könnte man in Bayern diesen Versuch ruhig starten; denn damit würde man den Menschen gerade bei Ersatzfreiheitsstrafen oder Entlassungsvorbereitungen Vollzugslockerungen ermöglichen. Bei denjenigen, die nicht zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind, könnte man damit doch versuchen, sie in ihrem Berufsleben zu halten und sie nicht aus dem sozialen Kontext herauszureißen. Damit könnte man die ganzen negativen Momente ausschalten, die sonst auf den Menschen zukämen. Damit verbunden wäre eine Erleichterung und eine Ersparnis für die Justiz ebenso wie für die betroffenen Personen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die CSU-Fraktion darf ich nun dem Kollegen Dr. Franz Rieger das Wort erteilen, der im Moment gerade zum Mikrofon eilt.

Bevor ich ihm das Wort erteile, möchte ich noch einmal kurz nach rechts auf die dort entstandene Lärmquelle schauen. Es wäre nett, wenn der Lärm etwas eingedämmt würde. Bitte, Herr Kollege Rieger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Streibl, ich darf zunächst klarstellen, dass es heute nicht um die Fußfessel zur Überwachung von entlassenen Straftätern geht, die unter Führungsaufsicht stehen. Da haben Sie wohl etwas ein bisschen vermischt. Ich will klarstellen: Darum geht es nicht. Das hat auch die Frau Ministerin in ihren Ausführungen gemeint. Es geht lediglich um die elektronische Fußfessel als Ersatz für die Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe, sozusagen als Sanktion.

Wir wollen nicht - ich glaube auch, dass die bayerische Bevölkerung das nicht will -, dass ein Täter seine Strafe vor dem Fernseher absitzen kann.

(Hubert Aiwanger (FW): Das wollen wir auch nicht!)

Das wäre ein Eingriff in unser bewährtes Sanktionensystem. Es wäre auch keine gleichwertige Strafe im Verhältnis zu einer Ersatzfreiheitsstrafe oder vor allem zu einer Geldstrafe; denn diese Strafe hätte nur eine minimale Abschreckungs- und Sanktionswirkung, und man würde dabei faktisch auch ein Wahlrecht für den Täter einführen. Er könnte wählen, ob er die Strafe

vor dem Fernseher absitzt oder eine Geldstrafe bezahlt.

(Hubert Aiwanger (FW): Ach geh!)

Genauso ist es; das sind die Tatsachen. Deswegen sind wir dagegen.

Wir sehen auch ein Problem beim Widerruf einer solchen Fußfessel, wenn sich der Täter zum Beispiel nicht an seine Aufenthaltsvorgaben im Wohnraum oder in einer bestimmten Umgebung hält.

Im Übrigen sehen wir auch nicht zwingend eine Kostenersparnis. Das ist doch das alleinige Motiv für die Einführung der Fußfessel, wie Sie sie wollen. Wir sollten das baden-württembergische Modell abwarten, das seit September 2010 läuft; denn es ist sicherlich ein Problem, dass die Begleitmaßnahmen - sowohl die technischen Maßnahmen, die zur Überwachung erforderlich sind, als auch die ganze psychosoziale Begleitung und Betreuung - vielleicht mehr Geld kosten, als wir uns bei der Haft ersparen. Denn wir müssen die Haftplätze vorhalten, weil die Täter zurückkommen können. Es steht in den Sternen, ob es wirklich billiger wird. Wir lehnen die Fußfessel deshalb ab. Im Übrigen ist es auch ein Eingriff in unser bewährtes Sanktionensystem. Wir glauben, dass Ihr Entwurf dem Sicherheitsbedürfnis der bayerischen Bevölkerung nicht Rechnung trägt.

Wir haben es schon mehrmals im Ausschuss gesagt, und ich wiederhole es heute: Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aus voller Überzeugung ab.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich habe jetzt noch eine Zwischenbemerkung vom Herrn Kollegen Streibl. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, dass der Strafvollzug im Grunde der Resozialisierung dienen soll? Wenn der Täter wieder in die Gesellschaft eingeführt werden soll, sollte man auch die Maßnahmen ergreifen, die nicht auf eine reine Vergeltung durch Wegsperren hinauslaufen. Es ist bei unserem Gesetzentwurf kein Zwei-Klassen-Vollzug gemeint, sondern das Ganze ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die auch von der Justiz dahin bewertet werden müssen, ob man das einem Täter zubilligen kann. Der Einzelne hat ja nicht ein Wahlrecht, ob er eine Fußfessel haben möchte oder nicht. Es geht im Grunde um Fälle, in denen man dann, wenn einer seine Strafe nicht abzahlen kann, versucht, ihn im sozialen Umfeld und möglicherweise in seinem Beruf zu halten. Er soll

nicht vor dem Fernseher sitzen, sondern einen geregelten Tagesablauf haben oder vielleicht einem Beruf nachgehen, sodass er später weiterkommt und nicht in eine Hartz-IV-Falle gerät.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Nur kurz, Herr Kollege Streibl. Ich habe es im Ausschuss doch schon einmal gesagt. Die Geldstrafe wird an das Einkommen angepasst. Auch ein Niedriglohnempfänger kann eine solche Minimalstrafe bezahlen. Im Übrigen setzt nach meinem Dafürhalten der Begriff Resozialisierung voraus, dass man zunächst einmal von der Sozialisation abgekommen war. Wenn aber einer von vornherein nicht inhaftiert wird und gleich daheimbleibt, braucht er keine Resozialisierung, weil er dann in seinem sozialen Umfeld bleibt. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man einen solchen Menschen dann noch einmal mit Hilfe einer Fußfessel resozialisieren müsste. Wohin wollen Sie ihn denn resozialisieren? Er bleibt doch daheim, er bleibt in seinem sozialen Umfeld. Damit erledigt sich diese Frage.

(Beifall bei der CSU)

Nun darf ich Herrn Kollegen Arnold für die SPD-Fraktion das Wort geben. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!

Strafen heißt, absichtlich ein Übel zufügen. Wer in diesem Sinne strafen will, muss sich eines höheren Auftrags zuversichtlich bewusst sein.

So Gustav Radbruch. - Meine Kollegin von den Freien Wählern, Sie sind vielleicht zuversichtlich, aber sich Ihres Auftrags nicht bewusst. Strafe heißt in der Tat Sühne, Resozialisierung und Prävention. Wie wollen Sie denn jemanden, der in diese Fußfesselangelegenheit involviert wird, davon abhalten, erneut eine Straftat zu begehen, wenn die Öffentlichkeit von dieser Situation überhaupt keine Kenntnis hat? - Das ist das eine.

Zum Zweiten: Unser Rechtsstaat ist auch ein Sozialstaat, und da gilt es, die Menschen gleich zu behandeln. Ihr Entwurf sieht tatsächlich vor, dass sich jemand, der in Lohn und Brot steht und eine Wohnung hat, von einer Geldstrafe freikaufen kann, indem er sich für die Fußfessel entscheidet. Was hat das denn für Auswirkungen auf die Gerechtigkeit? Herr Streibl, das wäre in der Tat eine Klassenjustiz, und die lehnt die SPD aus leidvoller Erfahrung ab. Das muss ich Ihnen so deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt den berühmten Satz: Menschen können den Gang in die Freiheit besser begleiten als Fußfesseln. Darum geht es bei der Resozialisation. Deswegen fordern wir ein Übergangsmanagement und keine Fisimatenten derart, dass jemand in den eigenen vier Wänden resozialisiert werden kann, möglicherweise zum Leidwesen der Ehefrau, die dem noch zugestimmt hat. "Schwitzen statt sitzen" ist hier die Lösung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jeder, der arbeiten kann, kann eine Geldstrafe auch abarbeiten. Das ist eine sinnvolle, erfolgreiche und ausbaufähige Möglichkeit.

Damit komme ich zur Kompetenz. Gemäß § 459 d StPO kann eine Vollstreckung der Geldstrafe durch Gericht unterbleiben, wenn dies eine unbillige Härte für den Beschuldigten darstellt. Was soll nun geschehen? Soll der Rechtsweg ausgeschöpft werden, solange diese Entscheidung nicht da ist? Wo setzt das Wahlrecht ein? Geht man mit der Fußfessel nach Hause, oder beantragt man gemäß § 459 d StPO die Verschonung? Das gibt es, und zwar nicht selten. Das muss ich Ihnen so deutlich sagen. Das ist wieder ein Wahlrecht, das zur Ungleichbehandlung beiträgt.

In Ihrem Gesetzentwurf ist von Widerruf und Auflagen die Rede. Das soll der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin machen. Sie wissen vielleicht - und wenn Sie es nicht wissen, dann sage ich es Ihnen jetzt -, dass gegen all diese Maßnahmen Rechtsmittel möglich sind. Sie müssen innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden, haben eine gewisse Aufschubwirkung und müssen rechtlich entsprechend bearbeitet werden. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer im jeweiligen Bezirk. Wie soll das zu einer Vereinfachung führen? Wie soll der Grundsatz Anwendung finden, dass Strafe auf den Fuß folgt, wenn über diese Rechtmittel eineinhalb bis zwei Jahre später entschieden wird? Das ist für die Praxis absolut untauglich.

Zum Bürokratieabbau. Sie sehen in Artikel 2 Absatz 3 Meldeauflagen vor. Die Aufsicht soll die JVA führen; es muss eine neue Abteilung eingeführt werden, welche die Aufsicht über die Fußfesseln durchführt; ein Einverständnis in Schriftform der Angehörigen muss vorhanden sein, damit der Proband nach Hause kommt. - Wie soll das eingeholt werden? - Weitere Weisungen sollen in Bezug auf Alkoholenthaltsamkeit in den eigenen vier Wänden erfolgen. Wer soll das überwachen?