Franz Rieger

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Last Statements

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungs
gericht hat die gesetzlichen Regelungen über die Sicherungsverwahrung im Mai 2011 für verfassungswidrig erklärt und gleichzeitig dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende dieses Monats ein neues Konzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln, das dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot Rechnung trägt. Für den Vollzug bedeutet das, dass Haft und Sicherungsverwahrung strikt zu trennen und auch unterschiedlich auszugestalten sind. Das heißt, der Sicherungsverwahrte ist anders und damit natürlich auch besser zu behandeln als der Strafhäftling.
Unter Beachtung dieser Vorgaben wird mit dem vorliegenden Gesetz der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Bayern auf eine neue, umfassende und eigenständige Grundlage gestellt. Oberstes Ziel des Vollzugs der Sicherungsverwahrung ist der Schutz der Allgemeinheit vor extrem gefährlichen und rückfallgefährdeten Sexual- und Gewaltstraftätern. Dies kann nur erreicht werden durch Unterbringung in einer geschlossenen und besonders gesicherten Einrichtung. Im Gegensatz zu Strafgefangenen haben Sicherungsverwahrte ihre zuvor vollstreckte Freiheitsstrafe bereits vollständig verbüßt. Gerade deshalb muss sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. Aus diesem Grund schreibt das Gesetz einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug vor, der sich insbesondere durch individuelle und intensive Therapieangebote auszeichnet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechten für Sicherungsverwahrte wurden im Gesetz enger gefasst, als es die Opposition wollte, was in den Änderungsanträgen der Opposition auch zum Ausdruck kommt.
Wir allerdings halten das Gesetz in dieser Form für notwendig, zum einen, wie schon ausgeführt wurde, zum Schutz unserer Bevölkerung und zum anderen aus Gründen der Sicherheit der Anstalt. Wir halten das Gesetz aber auch für ausreichend zur Realisierung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten Abstandsgebotes. Der Gesetzentwurf ist damit zu Recht streng und auch bewusst strenger als in anderen Bundesländern. Denn wir sehen uns in der Pflicht, alles zu tun, um unsere Bevölkerung vor potenziellen Schwerstkriminellen zu schützen.
Von den wesentlichen Inhalten des Gesetzes will ich nur einige wenige Punkte hervorheben, die den Unterschied zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft besonders kennzeichnen. So normiert das Gesetz einen Rechtsanspruch auf einen ausreichenden Raum zum Wohnen und zum Schlafen zur alleinigen Nutzung. Die Zimmergröße wird auf 15 qm festgelegt, eine Größe, über die viele Menschen in Alten- und Pflegeheimen nicht verfügen und die auch nicht jeder Student zur Verfügung hat. Dem Sicherungsverwahr
ten werden neben einem monatlichen Mindestbesuchsanspruch von zwölf Stunden zusätzlich mehrstündige behandlerisch begleitende Besuche ermöglicht. Sie erhalten zudem zahlreiche weitere Möglichkeiten, Außenkontakt zu pflegen, zum Beispiel durch das Führen von Telefongesprächen. Ein uneingeschränkter Zugang zur Nutzung anderer Medien, wie Internet und E-Mail, kann aus Gründen der Sicherheit der Anstalt nicht gewährt werden.
Eine Arbeitspflicht wird vorgeschrieben, soweit sie aus therapeutischen Gründen notwendig ist. Im Gesetz wird durch den vorliegenden Änderungsantrag der CSU- und der FDP-Fraktion ausdrücklich vorgesehen, dass diese Verpflichtung zur Beschäftigung nicht disziplinarisch sanktioniert werden kann. Die Arbeitsvergütung wird im Verhältnis zum Strafvollzug deutlich angehoben. Teil XI des Gesetzes sieht verschiedene vollzugsöffnende Maßnahmen vor, mit denen die Sicherungsverwahrten stufenweise an ein Leben in Freiheit herangeführt werden.
Ganz bewusst ermöglicht die vorliegende bayerische Regelung keine unüberwachten Langzeitbesuche und damit zugleich auch nicht die Möglichkeit von Intimkontakten zwischen Sicherungsverwahrten und Besuchern, da dies weder rechtlich geboten noch aus Sicherheitsgründen akzeptabel ist. Sicherungsverwahrte, deren Gefährlichkeit deutlich reduziert ist, können, wenn sie sich für eine Übergangszeit noch in der Sicherungsverwahrung befinden, Intimkontakte im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen pflegen, also außerhalb der Anstalt. Es ist nicht hinzunehmen, Intimkontakte des Sicherungsverwahrten innerhalb der Anstalt zuzulassen. Wohin eine andere Handhabung führen würde, belegt exemplarisch ein Fall in der Justizvollzugsanstalt Remscheid, der sich im Jahr 2010 abgespielt hat. Dort erstach ein Inhaftierter seine Lebensgefährtin im Rahmen eines solchen Besuches in einer sogenannten Liebeszelle.
Meine Damen und Herren, die Regelungen des Gesetzes haben auch erhebliche finanzielle Auswirkungen. Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Straubing wird ein neues Gebäude für Sicherungsverwahrte mit einer Kapazität von 84 Plätzen und Gesamtkosten von über 26 Millionen Euro errichtet. Besonders erfreulich ist, dass dieses Gebäude kurz vor der Fertigstellung steht und damit der Betrieb rechtzeitig aufgenommen werden kann, für den bereits im Nachtragshaushalt 2012 71 Stellen vorgesehen wurden.
Im Ergebnis wird mit diesem Gesetz der Vollzug der Sicherungsverwahrung auch über den 31. Mai 2013 hinaus auf sichere Beine gestellt. Ich bedanke mich
ausdrücklich bei Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk und ihren Mitarbeitern im Ministerium, die eine bezahlbare landesgesetzliche Neunormierung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung schnell, mit Sorgfalt und Augenmaß sowie sehr realitätsorientiert vorgelegt haben. Das vorliegende Gesetz beinhaltet neben der Möglichkeit der Therapie und Resozialisierung die Regelungen, die unsere Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Schutz vor potenziell extrem gefährlichen Tätern erwarten dürfen. Wir setzen damit eine Rechtstradition fort, die auch im Bereich der Sicherungsverwahrung gewährleistet, dass Bayern das sicherste Bundesland bleiben wird. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kürzlich berichtete eine große deutsche Tageszeitung unter der Überschrift "Ehe für alle - Frankreichs Präsident will Homosexuellen das Heiraten erlauben", dass es dort große Widerstände gegen ein solches Gesetzesvorhaben gibt. In 75 Städten kam es daraufhin zu Demonstrationen, und viele Bürgermeister kündigten an, unter Berufung auf ihre Gewissensfreiheit eine
Eheschließung zwischen Homosexuellen zu verweigern.
Dieses aktuelle Beispiel zeigt zunächst, welche großen Emotionen dieses Thema weckt. Es führt uns aber gleichzeitig und insbesondere vor Augen, welchem gesellschaftlichen Wandel die Beurteilung unserer Lebensformen unterliegt und wie groß heute noch die Unterschiede in deren Beurteilung sind.
Dagegen geht es beim vorliegenden Antrag um die Beurteilung der Vergangenheit, das heißt um die Bewertung ex post aus heutiger Sicht von Strafurteilen, wie es der Kollege Schindler schon ausgeführt hat, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesprochen wurden.
Der Deutsche Bundestag hat im Jahre 2002 die Urteile in dieser Sache, die unter nationalsozialistischer Herrschaft gefällt wurden, aufgehoben. Dadurch ist die unbefriedigende Situation entstanden, dass nur die nach 1945 ausgesprochenen Urteile Bestand haben. Ohne Zweifel werden damit die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen vor 1945 Verurteilten und die nach 1945 Verurteilten ungleich behandelt.
Aus heutiger gesellschaftlicher und moralischer Sicht sind auch die Verurteilungen nach 1945, also bereits während der Geltung des Grundgesetzes, aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und entsprechen auch nicht unserem Rechtsverständnis.
Deshalb drängt sich natürlich nun die Frage nach Rehabilitierung dieser nach 1945 Verurteilten auf.
Wie schwierig solche Fragen schon heute zu beantworten sind, zeigt das eingangs erwähnte Beispiel aus Frankreich.
Noch viel schwieriger, meine Damen und Herren, sind aber Fragen nach der Beurteilung von Sachverhalten, die 40 Jahre und länger zurückliegen, zu beantworten nach Maßstäben, denen unsere heutigen Wertvorstellungen zugrunde liegen. Möglicherweise werden auch wir Fragen zum Beispiel im Zusammenhang mit Sanktionen nach § 218 Strafgesetzbuch in zehn, 20, 30 oder 40 Jahren ganz anders beantworten als heute.
Unabhängig von diesen Schwierigkeiten ist hier aber entscheidend, dass eine weitere Rehabilitierung der nach 1945 Verurteilten aus rechtlichen und tatsächli
chen Gründen nicht möglich ist, da der Gesetzgeber und auch wir - das ihm bzw. uns Mögliche bereits getan hat bzw. haben. Bereits vor über 40 Jahren wurden die entsprechenden Strafgesetze aufgehoben. Im Jahre 2000 hat der Deutsche Bundestag einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen, klar sein Bedauern über dieses Unrecht zum Ausdruck gebracht und festgestellt, dass diese Verurteilungen gegen die Menschenrechte verstoßen haben. Und nun, vor Kurzem, Mitte Oktober, hat der Bundesrat ebenfalls eine entsprechende Resolution gefasst.
Meine Damen und Herren, auch wenn diese Verurteilungen aus heutiger Sicht - das betone ich - nicht nachvollziehbar sind, sind der Legislative und damit auch uns die Hände gebunden, mehr zu tun als das, was wir bzw. der Bundestag und der Bundesrat bereits getan haben.
Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht Urteile aufheben, die auf Gesetzen beruhen, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung im Jahre 1957 als verfassungskonform erachtet hat. Mit der Aufhebung von gerichtlichen Entscheidungen,
die bereits während der Geltung unseres Grundgesetzes gefällt wurden, würden der Gesetzgeber und damit auch wir gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einer Entscheidung im Jahre 2006 ausdrücklich festgestellt, dass Urteile, die in einem Unrechtsregime gefällt wurden, also damals im nationalsozialistischen Reich, ausnahmsweise vom Gesetzgeber aufgehoben werden dürfen; gleichzeitig aber betont: "Für den Rechtsstaat seit 1945 ist eine Aufhebung von Urteilen und Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips und damit auch der streitgegenständlichen Urteile nicht möglich."
Meine Damen und Herren, man kann deshalb das Rad der Zeit im vorliegenden Fall nicht zurückdrehen, auch wenn es moralisch wünschenswert wäre. Wir müssen hier, wie so oft, mit unserer Vergangenheit leben und wir werden diesen Antrag ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai 2011 die gesetzlichen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt - Frau Staatsministerin hat das schon erwähnt -, gleichzeitig ein neues Konzept zur Sicherungsverwahrung eingefordert und uns den Auftrag gegeben, hierbei insbesondere das verfassungsrechtliche Abstandsgebot zu berücksichtigen.
Was bedeutet das für den Vollzug? - Das bedeutet, dass sich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Freiheitsstrafe deutlich unterscheiden muss. Mit anderen Worten ausgedrückt: Der Sicherungsverwahrte ist anders zu behandeln als der Strafhäftling. Bei Beachtung dieser Vorgaben wird mit dem vorliegenden Entwurf, wie ich auf den ersten Blick meine, eine neue, gute, umfassende, eigenständige landesgesetzliche Grundlage für die Sicherungsverwahrung vorgelegt.
Ich gehe nur kurz auf den Inhalt ein. Oberstes Ziel des Vollzugs - das wurde schon gesagt - ist der Schutz der Allgemeinheit vor extrem gefährlichen und rückfallgefährdeten Gewalt- und Sexualstraftätern. Das kann nur durch die Unterbringung in einer geschlossenen und besonders gesicherten Einrichtung für Sicherungsverwahrung geschehen, die zurzeit in Straubing errichtet wird.
Im Gegensatz zu Strafgefangenen haben Sicherungsverwahrte ihre zuvor vollstreckte Freiheitsstrafe vollständig verbüßt. Gerade deshalb muss sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. Daher ist neben dem Resozialisierungsgrundsatz, der auch für Strafgefangene gilt, die Minderung der Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten wesentliches Vollzugsziel, um eine möglichst frühzeitige Entlassung aus der Sicherungsverwahrung zu ermöglichen. Aus diesem Grund schreibt der Gesetzentwurf einen freiheitsorientierten und einen auf Therapie ausgerichteten Vollzug vor, der sich insbesondere durch individuelle und intensive Therapieangebote auszeichnet. Unter den wesentlichen Inhalten des Gesetzentwurfs sind folgende Punkte hervorzuheben, die den Unterschied der Sicherungsverwahrung gegenüber der Strafhaft kennzeichnen. So hat der Sicherungsverwahrte einen Anspruch auf ein eigenes Zimmer. Im Gesetzentwurf wurden 15 qm dafür vorgesehen. Zudem erhalten die Sicherungsverwahrten weitgehende Bewegungsfreiheit in der Einrichtung und einen Mindestbesuchsanspruch von zwölf Stunden sowie zusätzlich mehrstündige, behandlerisch begleitete Besuche. Außerdem ist fast jeder Außenkontakt möglich. Die Sicherungsverwahrten dürfen sich selbstständig versorgen.
Die Arbeitsvergütung wird gegenüber der Vergütung für Strafgefangene verdoppelt. Teil 11 des Gesetzentwurfs sieht umfassende vollzugsöffnende Maßnahmen vor, damit der Sicherungsverwahrte stufenweise an ein Leben in Freiheit herangeführt werden kann.
Die Kosten sind nicht unerheblich. Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Straubing wird ein neues Gebäude mit insgesamt 84 Plätzen mit voraussichtlichen Gesamtkosten in Höhe von 26,15 Millionen Euro
errichtet. Zur Inbetriebnahme dieser Einrichtung sind 71 neue Stellen nötig, die bereits im Nachtragshaushaltsgesetz 2012 ausgewiesen wurden.
Es ist sehr erfreulich, dass mit diesem Gesetzentwurf der Vollzug der Sicherungsverwahrung auch über den 31.05.2013 hinaus auf sichere Füße gestellt und vor allem die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden kann. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, die über die Sommerpause hinweg mit Hochdruck an dieser landesgesetzlichen Neunormierung der Sicherungsverwahrung gearbeitet haben. Ich freue mich auf die Diskussion im federführenden Ausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER geht es darum, wie wir mit jugendlichen Intensivtätern umgehen. Die FREIEN WÄHLER wollen, dass diese Intensivtäter, die keine Kavaliersdelikte begangen haben, sondern die meistens zu einem Jahr und mehr Jugendstrafe verurteilt worden sind und schwere Straftaten, meistens Gewalt- und Sexualdelikte begangen haben, sozusagen statt der Jugendstrafe eine Art - ich sage es einmal überspitzt - Urlaub auf dem Bauernhof bekommen
und dort mit undefinierten und nicht näher bezeichneten Trainingsmaßnahmen konfrontiert werden.
Aber, Herr Kollege Streibl, worum geht es? Es geht darum, wie wir mit jugendlichen Straftätern, die schwerste Vergehen und Verbrechen begangen haben, umgehen. Es stellt sich die rechtspolitische Frage: Wie sanktionieren wir diese Täter, und wie schützen wir unsere Bevölkerung vor solchen Tätern, natürlich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es Jugendliche sind?
Hierbei stellt sich natürlich auch die Frage: Ist das aufgrund unseres jetzigen Systems notwendig? Wir sehen hierzu überhaupt keine Notwendigkeit. Wir haben ein sehr flexibles Jugendstrafrecht. Alle möglichen Sanktionen können verhängt werden, von der erzieherischen Maßnahme als Arbeitsleistung, der Weisung bis zu einer Einweisung in eine soziale Einrichtung, über Jugendarrest, Wochenendarbeit bis zu vier Wochen und bis zur Jugendstrafe als Ultima ratio. Genau um diese Fälle geht es. Es geht um Ersttäter, die erstmals zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt werden.
Für diese Fälle hat der Richter bereits eine negative Sozialprognose abgegeben. Er hat festgestellt, dass diese Jugendlichen zur erzieherischen Einwirkung und zum Schutz unserer Bevölkerung zur Strafhaft verurteilt werden müssen. Diese Strafhaft bedeutet ja nicht, dass die Täter die gesamte Strafe absitzen müssen. Wir haben vielmehr ein sehr, sehr flexibles System. Die Jugendlichen können in der Haft Maß
nahmen im Bereich Unterricht und Ausbildung wahrnehmen, sie können arbeiten, sie können in der Haft sinnvolle Freizeitbetätigungen ausüben. Unsere Jugendstrafanstalten sind auf solche Täter vorbereitet, und so haben im Jahr 2010 etwa 1.485 Jugendliche an beruflichen und außerberuflichen Bildungsmaßnahmen teilgenommen.
Solche Maßnahmen - das sieht unser Strafvollzug auch vor - können durch andere Maßnahmen, beispielsweise durch Vollzugslockerung, Urlaub aus der Haft und Verlegungen in offenen Vollzug, unterstützt werden. Aber ganz entscheidend ist - das muss man, glaube ich, auch erwähnen -, dass wir hier auch die sozialtherapeutische Behandlung ausgebaut haben. In den letzten Jahren wurde in unseren Jugendhaftanstalten eine Vielzahl an sozialtherapeutischen Plätzen zur Verfügung gestellt. Insbesondere junge Intensivtäter, die gerade durch Sexualdelikte und Gewalttaten aufgefallen sind, werden intensiv sozialtherapeutisch betreut.
Ganz entscheidend ist, meine Damen und Herren, dass wir hier einen eingeschränkten Mindestvollzug haben. Der Richter kann solche Jugendliche nach einem Drittel der Strafverbringung freilassen. Also besteht hier überhaupt keine Notwendigkeit für einen Kuschelvollzug, zumal es sich um Intensivstraftäter handelt.
Natürlich hätten wir auch ein Kostenproblem. Der Strafvollzug, den Sie in freien Formen verwirklichen wollen, würde die dreifache Summe kosten, nämlich einen Tagessatz von ungefähr 250 Euro, im Gegensatz zum jetzigen Strafvollzug mit 82 Euro täglich. Die Kosten muss man also auch bedenken.
Zusammenfassend: Wir lehnen diesen Antrag ab. Er bringt keine Verbesserung. Unser System ist flexibel, hat sich bewährt und gewährt eine adäquate Resozialisierung unserer Jugendlichen. Daher lehnen wir ihn mit voller Überzeugung ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist seit jeher Vorbild in Sachen direkte Demokratie. Das betrifft sowohl die kommunale Ebene, auf der wir mit Ratsbegehren und Bürgerbegehren, als auch die Landesebene, auf der wir mit Volksbegehren und Volksentscheiden entsprechende Instrumentarien haben. Diese Instrumentarien haben sich bewährt auch manchmal zum Nachteil der politischen Führung. Mit diesen Mitwirkungsmöglichkeiten haben wir sehr, sehr positive Erfahrungen gemacht.
In Fortentwicklung dieser Tradition haben die Regierungskoalitionen mit dem Antrag auf Drucksache 16/11027 einen eigenen Antrag zu dem, wie Sie ausführten, sehr wichtigen Thema "Mitbestimmung in Europa" eingebracht, der heute unter Nummer 14 der Anträge, die nicht einzeln beraten wurden, beschlossen wurde. Mit diesem Antrag wird die Staatsregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass im Bund die Möglichkeit geschaffen wird, den Bürgerinnen und Bürgern grundlegende Vertragsänderungen der Europäischen Gemeinschaft, die in den Kernbereich der Bundesrepublik Deutschland eingreifen, zur Abstimmung vorzulegen. Eine Beschränkung auf besonders wichtige Themen der Zukunft Europas soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass nicht jede Übertragung von Hoheitsrechten für ein Referendum geeignet ist. In diesem Sinne - nur in diesem Sinne! sollte eine Änderung des Artikels 23 GG in Betracht gezogen werden. Auch das Bundesverfassungsgericht betont in der Lissabon-Entscheidung, dass Volksabstimmungen im Hinblick auf die Herstellung einer demokratischen Legitimation eine ergänzende Funktion haben können.
Des Weiteren streben wir mit unserem Antrag im Gegensatz zum Antrag der FREIEN WÄHLER ein fakultatives Referendum an. Dies bedeutet, dass keine zwingende Verpflichtung vorgesehen wird, sondern Bundestag und Bundesrat darüber, ob in bestimmten Fällen eine Volksabstimmung herbeizuführen ist, im Ermessen entscheiden. Der vorliegende Antrag der FREIEN WÄHLER geht uns zu weit, weil er erstens ein obligatorisches Referendum vorsieht, zweitens
jede Übertragung von Hoheitsrechten einbezieht. In der Praxis würde das bedeuten, dass über jede marginale Vertragsänderung eine aufwendige Volksabstimmung durchgeführt werden muss. Fraglich ist allein schon, ob in Krisenzeiten schnelle Entscheidungen möglich wären. Auch würde ein Mechanismus, der innerhalb kurzer Zeit zu einer Vielzahl von Referenden führt, eine Gefährdung der politischen Handlungsfähigkeit mit sich bringen. Zudem sollte es im Ermessen von Bundestag und Bundesrat liegen, ob ein Referendum durchgeführt wird.
Im Ergebnis zielt unser Antrag, der heute beschlossen wurde, darauf ab, eine adäquate und vor allem praktikable Beteiligung auf europäischer Ebene herbeizuführen. Den Antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir aus den genannten Gründen ab.
Wir haben den Antrag aus zwei Gründen abgelehnt: erstens aus obligatorischen und fakultativen Gründen, denn da bestehen ganz klare Unterschiede. Sie haben nicht zwei getrennte Anträge gestellt. Zweitens beschränken wir uns mit dieser wohlüberlegten Formulierung auf grundlegende Fragen, die in unserer Formulierung lauten: "grundlegende Vertragsänderungen der EU", die in den Kernbereich der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland eingreifen. Mit dieser Formulierung glauben wir, unserem Wahlprogramm gerecht zu werden. Sie müssen uns zugestehen, für die Frage, ob wir gegenüber unseren Mitgliedern unser Wahlprogramm verwirklichen, selber zuständig zu sein. Wir sind überzeugt, mit unserem Antrag dieses Wahlprogramm sehr, sehr
gut zu verwirklichen. Wir haben im Ausschuss lange darüber diskutiert und glauben, dass unser Bestreben praktikabler ist, weil eine Volksabstimmung nicht von heute auf morgen durchgeführt werden kann und sehr aufwendig ist. Zuständig ist sowieso der Bund
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Da im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug der Untersuchungshaft auf die Länder übergegangen ist, wurde es notwendig, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Er muss spätestens am 1. Januar 2012 in Kraft treten.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist, so glaube ich, ein guter Kompromiss, ein gutes Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Anspruch des Staates auf Durchführung und Sicherstellung eines geordneten Strafverfahrens auf der einen Seite und dem Grundsatz der Unschuldsvermutung des Untersuchungsgefangenen auf der anderen Seite. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass hier natürlich auch viele andere Aspekte, insbesondere die Aspekte der räumlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten des Justizvollzugs ebenso Berücksichtigung gefunden haben wie der Aspekt der Sicherheit unserer Justizvollzugsanstalten.
Insgesamt ist es ein guter Entwurf, der viele deutliche Verbesserungen enthält. Im Einzelnen wurde z. B. die Mindestbesuchszeit für erwachsene Untersuchungsgefangene von einer auf zwei Stunden pro Monat verdoppelt. Ein Abweichen von dieser Mindestbesuchszeit muss dokumentiert und begründet werden. In den ersten drei Monaten darf die Besuchsdauer von zwei Stunden pro Monat nicht unterschritten werden, weil gerade in dieser Zeit die Suizidgefahr besonders groß ist.
Verantwortlich für die Untersuchungsgefangenen ist prinzipiell die Anstaltsleitung. Nur ausnahmsweise ist eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts einzuholen. Die medizinische Behandlung erfolgt grundsätzlich durch den anstaltsärztlichen Dienst in Anlehnung an die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Auch wird das Gebot der Trennung von Untersuchungs- und Strafgefangenen aufrechterhalten, ebenso die Einzelunterbringung. Gleichzeitig werden notwendige Ausnahmemöglichkeiten geschaffen, z. B. beim heimatnahen Vollzug, damit insbesondere der Kontakt zu Angehörigen gewährleistet ist.
Ebenso wurde die Suizidprophylaxe insgesamt verbessert und das Arbeitsentgelt von 5 auf 9 % der Bezugsgröße des SGB IV angehoben. Wesentliche Verbesserungen wurden auch und gerade für die jugendlichen Untersuchungsgefangenen erreicht, die wegen ihres noch jugendlichen Alters und ihrer noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung besonders schutzwürdig sind. Die Mindestbesuchszeiten für jugendliche Untersuchungsgefangene wurden auf vier Stunden pro Monat erhöht. Diese Gefangenen sollen nach Möglichkeit weiterhin in Jugendstrafanstalten untergebracht werden. Zudem wird die Untersuchungshaft erzieherisch ausgestaltet. So besteht aus arbeitstherapeutischen Gründen die Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen.
Nicht verheimlichen möchte ich, dass viele Anregungen der Oppositionsfraktionen nicht berücksichtigt werden konnten, so etwa die Lockerung der Außenkontakte der Gefangenen. Ein uneingeschränktes Recht zum Schriftverkehr und zur Telekommunikation nach außen hätte die Sicherheit unserer Justizvollzugsanstalten ebenso beeinträchtigt wie der Empfang von Lebensmitteln von außen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass deutliche Verbesserungen erreicht wurden. Bayern erhält mit diesem Gesetz ein modernes, sicheres und vor allem auch bezahlbares Untersuchungshaftvollzugsgesetz.
Ich danke unserer Frau Staatsministerin Beate Merk und ihren Mitarbeitern für die geleistete Arbeit sehr herzlich. Wir haben ein gutes Ergebnis. Ich bitte um Zustimmung.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER geht es darum, wie Herr Kollege Streibl schon geschildert hat, ob jugendlichen Tätern, die schwere Gewalt- oder Sexualverbrechen begangen oder die sich bandenmäßig zusammengerottet haben und zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden, zur Reduzierung der Rückfallgefahr ein Vollzug in freien Formen - das heißt außerhalb von Justizvollzugsanstalten - ermöglicht werden soll.
Dieser Gesetzentwurf wirft folgende wichtige rechtspolitische Fragen auf: Wie sanktionieren wir schwere Gesetzesverstöße? Wie gehen wir mit solchen Straftätern um? Wie kommen wir dem Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung entgegen, und wie handhaben wir all das bei Jugendlichen?
Meine Damen und Herren, wir haben diese Fragen zum Teil schon bei dem Thema der Ersatzfreiheitsstrafe per elektronische Fußfessel diskutiert. Das haben wir seinerzeit abgelehnt, weil wir der Meinung waren, dass nur eine spürbare Strafe Abschreckungswirkung erzeugt, und wir keinen Kuschelvollzug wollen.
Im Jugendstrafrecht, das für jugendliche Straftäter gilt, ist gewiss eine besondere Sensibilität an den Tag zu legen; insbesondere sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um auf die jugendlichen Straftäter in der sogenannten Nacherziehung erzieherisch einzuwirken und sie auf einen Weg der Rechtschaffenheit zu bringen. Meine Damen und Herren, selbst wenn man diese Maßstäbe zugrunde legt, ist in der Gesamtab
wägung der vorliegende Entwurf abzulehnen, und zwar deshalb - lassen Sie mich das vorher zusammenfassend feststellen, ehe ich detailliert begründe -, weil sich der bisher praktizierte Jugendstrafvollzug vollkommen bewährt hat und durch den Vorschlag der FREIEN WÄHLER keine Verbesserung erreicht würde.
Ich begründe das im Einzelnen. Herr Streibl, wir haben im Jugendgerichtsgesetz ein flexibles Instrument von Sanktionen. Das Gericht kann von erzieherischen Maßnahmen, angefangen von Weisungen, Jugendarrest, Anweisung zu sozialen Arbeitsleistungen bis hin zur Jugendstrafe ohne oder mit Bewährung alles erlassen und somit auf die Täterstruktur und die jeweilige Tat eingehen.
Die Jugendstrafe ohne Bewährung ist die Ultima Ratio. Sie wird nur bei schwersten Straftaten verhängt und nur dann, wenn der Richter wirklich schädliche Neigungen des Jugendlichen feststellt, das heißt eine negative Sozialprognose abgibt. Das heißt, dass diese Täter, die im Jahr 2010 nur einen Anteil von 5,5 % der Verurteilten ausmachten, nicht für einen Vollzug in offenen Formen geeignet sind, also für einen Vollzug, bei dem sie das Gefängnis nicht von innen, sondern nur von außen sehen und sich auf irgendeinem Bauernhof in Oberbayern befinden. Das muss man so deutlich sagen.
Durch den Gesetzentwurf ist keine Reduzierung der Rückfallgefahr zu erwarten. In der kriminologischen Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass die Rückfallgefahr danach zu beurteilen ist, ob der junge Straftäter wieder eine Straftat begeht, die eine Freiheitsentziehung zur Folge hat. Nach diesem Maßstab beträgt die Rückfallquote nicht zwei Drittel, sondern 36 %. Nach den Untersuchungen des Bundesministeriums der Justiz zwischen 2003 und 2010 ist die Rückfallquote bei Jugendstrafen ohne Bewährung um 9 % gesunken, während sie bei Jugendstrafen mit Bewährung um 9 % gestiegen ist. Diese Zahlen belegen, dass der Gesetzentwurf nicht zu einer Verbesserung führen würde.
Weiter spricht gegen den vorliegenden Gesetzentwurf, dass wir in Bayern ein spezifisches Behandlungskonzept für junge Intensivtäter haben. Dabei werden viele, viele Maßnahmen angeboten, zum Beispiel Unterricht, Fortbildung, Ausbildung, Arbeit sowie sinnvolle Freizeitbeschäftigung. So haben etwa 1.485 Jugendliche im Jahr 2010 an diesen beruflichen und außerberuflichen Bildungsmaßnahmen teilgenommen. Solche Maßnahmen - das ist hier sehr wichtig - können durch Gewährung von Vollzugslockerungen, Urlaub aus der Haft und Verlegung in den
offenen Vollzug, der dem Vollzug in freien Formen nahekommt, unterstützt werden.
Nur noch einige Worte: Für eine sozialtherapeutische Behandlung von Jugendlichen werden immer mehr Therapieplätze zur Verfügung gestellt.
Natürlich sind auch die Kosten zu berücksichtigen. Ein Platz im freien Vollzug, wie Sie ihn vorschlagen, kostet ungefähr zwei Drittel mehr als ein Platz im herkömmlichen Vollzug.
Der Gesetzentwurf ist abzulehnen, weil der herkömmliche Vollzug im Jugendstrafrecht ein flexibles Instrument zur Verfügung stellt, mit dem einerseits die jeweilige Tat genügend sanktioniert wird und andererseits dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich kann mich kurz fassen, da Rot-Grün bzw. Grün-Rot in Baden-Württemberg diesem Staatsvertrag bereits zugestimmt hat. Wie Frau Staatsministe
rin Dr. Merk und mein Vorredner ausgeführt haben, besteht seit dem 1. Januar 2011 für die Gerichte die Möglichkeit, im Rahmen der Führungsaufsicht eine sogenannte elektronische Fußfessel, eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, für hochgefährliche rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter anzuordnen. Diese Aufenthaltsüberwachung ist zwar kein Ersatz für eine geschlossene Unterbringung, jedoch durch die Möglichkeit einer besseren Lokalisierung und Verfolgung der Straftäter in einer akuten Gefahrensituation ein adäquates Mittel mit Abschreckungswirkung zum Schutz der Bevölkerung.
Um die elektronische Aufenthaltsüberwachung optimal zum Einsatz zu bringen, müssen wir in Bayern die technischen und organisatorischen Voraussetzungen in Form einer Überwachungsstelle schaffen. Was macht eine solche Überwachungsstelle? - Sie sammelt Informationen, wertet diese aus und informiert die Polizei und die Justizbehörden der jeweiligen Länder. Da der finanzielle und personelle Aufwand einer solchen Überwachungsstelle für ein Bundesland und damit auch für Bayern sehr hoch wäre - Stichwort: Rund-um-die-Uhr-Überwachung - und eine Überwachung über die Ländergrenzen hinweg ermöglicht werden soll, wird mit dem vorliegenden Staatsvertrag eine Überwachungsstelle für alle Länder geschaffen. Der Vorteil besteht einerseits in der enormen Kostenersparnis und andererseits in einer einheitlichen Handhabung der elektronischen Überwachung.
Frau Staatsministerin Dr. Merk hat bereits deutlich gemacht, dass wir in Bayern nicht von allen Optionen, die im Staatsvertrag enthalten sind, Gebrauch machen wollen. Wir fordern die Fußfessel nicht als Ersatz für eine Freiheitsstrafe und nicht als Ersatz für eine Untersuchungshaft. Sie soll ebenfalls nicht zu Vollzugslockerungen führen. Wir wollen lediglich die Täter, die gefährlich sind, elektronisch überwachen und somit ein effektives Instrument zum Schutze unserer Bevölkerung schaffen.
Herr Kollege Arnold, hinsichtlich der Handhabung sollten wir zunächst einmal den Probebetrieb abwarten, der im Herbst durchgeführt wird. Mit dem Probebetrieb wird die technische Durchführbarkeit sichergestellt werden. Wir können daher guten Mutes und mit aller Überzeugung die Zustimmung zum Staatsvertrag empfehlen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Grundsatz "Sorgfalt vor Schnelligkeit" hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz einen praktikablen und realistischen Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft vorgelegt.
Herr Schindler, bei diesem Entwurf sind alle Belange der Betroffenen berücksichtigt und abgewogen worden.
Betont werden insbesondere die Unschuldsvermutung für den Untersuchungsgefangenen einerseits und der Anspruch des Rechtsstaats auf Durchführung eines ordentlichen Strafverfahrens auf der anderen Seite. Wenn Herr Schindler für die Opposition behauptet, dieser Gesetzentwurf wäre ein Wunschkonzert, so begibt er sich in die Stellung dessen, der zwar anschafft, es aber nicht bezahlen will.
In die Abwägung der einzelnen Belange muss auch einfließen, was bei der gegebenen Haushaltssituation machbar ist. Herr Schindler, Sie fordern immer nur, müssen es aber nicht bezahlen. Das möchte ich schon einmal erwähnen.
Meine Damen und Herren, das Untersuchungshaftvollzugsgesetz ist eine zeitgemäße Fortentwicklung der bisherigen praktikablen Regelungen, die auf einer bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift beruht haben. Der Entwurf sieht eine zeitgemäße Anpassung der Untersuchungshaft an die heutigen Gegebenheiten vor. Ich möchte auf die Grundpositionen dieses Entwurfs eingehen.
Selbstverständlich steht an erster Stelle die Unschuldsvermutung. Der Untersuchungsgefangene ist entsprechend zu behandeln. Meine Damen und Herren, anhand des prominenten Beispiels eines französischen Staatsbürgers in den USA können Sie beobachten, was passiert, wenn dieser Unschuldsvermutung nicht genügend Rechnung getragen wird. Weiter ist ausschließlicher Zweck der Untersuchungshaft die sichere Unterbringung der Gefangenen, um die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten. Selbstverständlich Herr Schindler hat es bereits angesprochen - ist eine ausreichende Hilfe für den in Untersuchungshaft Befindlichen zu gewähren. Sein legitimes Verteidigungsinteresse ist zu wahren.
Beschränkungen für Untersuchungsgefangene sind jedoch unumgänglich, um einerseits die Sicherheit und Ordnung der Anstalt und andererseits ein geordnetes Strafverfahren zu gewährleisten. Ich will auf einige wesentliche Grundregelungen eingehen, die mir wichtig erscheinen. Grundsätzlich wurde das Gebot der Trennung von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen sowie der Einzelunterbringung aufrechterhalten. Eine Erhöhung des derzeitigen Arbeitsentgelts für erwachsene Untersuchungsgefangene findet nicht statt. Frau Staatsministerin Dr. Merk hat bereits gesagt, dass für erwachsene Untersuchungsgefangene eine Mindestbesuchszeit von zwei Stunden im Monat gelte. Aus Sicherheitsgründen erfolgt keine Lockerung der Außenkontakte. Das haben wir bereits diskutiert. Die Zulassung eines uneingeschränkten Kommunikationsverkehrs würde eine Gefahr für die Anstalten darstellen.
Die medizinische Behandlung erfolgt grundsätzlich durch den anstaltsärztlichen Dienst. Der Empfang von Lebensmitteln bleibt wie im Strafvollzug ausgeschlossen. Die Gefahr des Einschmuggelns unerlaubter Gegenstände oder Drogen wäre zu groß.
Besonders sensibel wird mit den jungen Untersuchungsgefangenen umgegangen. Aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation und ihrer Haftempfindlichkeit - das hat Frau Staatsministerin Dr. Merk bereits ausgeführt - gibt es Sondervorschriften. Auf erzieherische Maßnahmen wurde besonderer Wert gelegt. Es besteht eine Verpflichtung zur Teilnahme an beruflichen und schulischen Bildungsmaßnahmen - auch aus arbeitstherapeutischen Gründen. Für Jugendliche beträgt die Mindestbesuchszeit vier Stunden im Monat. Zusätzliche Besuche für Sorgeberechtigte und Kinder sind möglich.
Meine Damen und Herren, insgesamt liegt ein realistischer und praktikabler Gesetzentwurf vor, der im Hinblick auf die gegebene Haushaltssituation - das ist
auch zu berücksichtigen - finanziert werden kann. Deshalb danke ich Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich für die geleistete Arbeit. Das Gesetz kann pünktlich zum 01.01.2012 in Kraft treten. Bis dahin gilt die bundesgesetzliche Übergangsregelung. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, hier muss man von vornherein differenzieren zwischen dem Einzelfall in Augsburg und dem Einzelfall in Wolfratshausen, den Kollege Streibl dargelegt hat, sowie der Situation der bayerischen Justiz insgesamt, die im Bundesvergleich - aber dazu später - führend dasteht. Das muss man so sagen. Aber zunächst einmal zu Augsburg und Wolfratshausen. Wolfratshausen ist ein Fall, wie er zugegebenermaßen vielleicht öfter vorkommt. Ein Amtsgericht, hier Wolfratshausen, wurde durch Krankheitsfälle und umliegende Aushilfen vorübergehend vielleicht weniger besetzt. Das übrige Personal muss halt dann mehr arbeiten. Von diesem Fall auf die Situation der Justiz in Bayern zu schließen, ist weit hergeholt.
Zu Augsburg. Was hat sich in Augsburg zugetragen? Bei einer routinemäßigen Überprüfung vor circa einem Jahr durch das OLG München wurden erhebliche Bearbeitungsrückstände, vor allem bei Bewährungssachen, festgestellt. Als Hauptursachen wurden eben keine Systemfehler ausgemacht, sondern Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation. Hinzu kam eine wiederum sehr erhöhte Krankheitsrate und nebenbei die Einführung eines neuen EDV-Systems. Wenn es, wie Herr Kollege Güller ausgeführt hat, Systemfehler gegeben hätte, hätten sich ja überall Probleme ergeben müssen. Es war aber nur in Augsburg so. Zugegebenermaßen war es auch wirklich so, dass die dortige Präsidentin sich faktisch nicht an das OLG gewandt und dort um Hilfe gebeten hat. Sie hätte sich früher dorthin wenden können, vielleicht auch müssen. Ich will das nicht beurteilen.
Das OLG hat dem Amtsgericht Augsburg jedenfalls sofort unter die Arme gegriffen, und zwar in organisatorischer wie personeller Hinsicht. Es tut das auch bis heute. So wurden letztes Jahr in den Servicebereichen, also in den Geschäftsstellen, fünf neue Stellen geschaffen und heuer sieben. Es wurden 2,5 neue Richterstellen zugewiesen, und die Staatsanwaltschaft Augsburg, obwohl nicht unmittelbar betroffen, bekam im April einen Staatsanwalt und bekommt im Sommer einen weiteren.
Zudem hat das OLG München am 5. April 2011 eine ergänzende Geschäftsprüfung durchgeführt und dabei festgestellt - so ergibt es der mündliche Bericht, ein schriftlicher Bericht an das Justizministerium liegt noch nicht vor -, dass sämtliche Rückstände bei den Bewährungsakten abgebaut wurden und die Missstände - Herr Kollege Güller hat es ausgeführt - beseitigt wurden. Die organisatorischen Maßnahmen dauern aber in enger Abstimmung mit dem OLG München noch an.
Gleichzeitig hat im Februar 2011 der Leiter der Personalabteilung im Justizministerium, Herr Ministerialdirigent Küspert, im Verfassungsausschuss einen umfassenden Bericht sowohl über Augsburg als auch über die Situation der bayerischen Justiz gegeben. Aufgrund dieses Berichtes haben wir im Ausschuss mit Koalitionsmehrheit beide Anträge abgelehnt.
Meine Damen und Herren, die Vorfälle in Augsburg und auch der in Wolfratshausen sind nicht geeignet, wie die Kollegen uns gerne glauben machen wollen, Schlüsse auf die Situation der bayerischen Justiz insgesamt zu ziehen - im Gegenteil: Die bayerische Justiz ist - das kann nicht bestritten werden - im bundesweiten Vergleich führend. Wir haben die schnellsten Verfahren und die höchsten Bearbeitungszahlen. Ich nenne nur zwei Beispiele. In Strafsachen haben wir
eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 2,7 Monaten, im Bundesdurchschnitt beträgt sie 3,9 Monate. Das bezieht sich auf das Amtsgericht. In Zivilsachen, ebenfalls bezogen auf das Amtsgericht, haben wir 3,9 Monate, während es im Bundesdurchschnitt 4,6 Monate sind.
Wo hier der Systemfehler liegen soll, kann ich nicht erkennen. Offensichtlich ist es doch so, dass wir zur Gewährleistung unserer inneren Sicherheit - auch da sind wir führend - eine gut arbeitende Justiz haben. Das ist natürlich das Verdienst unserer guten und hoch motivierten Mitarbeiter, aber auch das Verdienst unseres Justizministeriums, das die innere Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaften optimal und sachgerecht gestaltet. Das hat es auch in Augsburg getan. Wenn das in Augsburg nicht der Fall gewesen wäre, wären die Fehler nicht so schnell behoben worden.
Ich danke in diesem Zusammenhang ausdrücklich Frau Staatsministerin Beate Merk für ihre bisher geleistete Arbeit und auch für die schnelle Hilfe für Augsburg, durch die, natürlich über das OLG München, die Missstände abgestellt wurden. Meine Damen und Herren, deshalb werden wir beide Anträge ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, hat das Bundesverfassungsgericht Anfang Mai die bundesgesetzlichen Regelungen über die Sicherungsverwahrung hochgefährlicher Straftäter für verfassungswidrig erklärt und vom Bundes- und Landesgesetzgeber ein gemeinsames Konzept über eine freiheitsorientierte und therapieausgerichtete Sicherungsverwahrung gefordert.
Um was geht es hierbei? Es geht um die Frage, wie wir in Zukunft unsere Bevölkerung vor hochgefährlichen Straftätern, die meist noch unter einer psychischen Störung leiden, schützen. Das möchte ich Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen. Es geht nicht um Jugendliche, die eine Straftat begehen, oder um einen Ladendieb, sondern meist handelt es sich um Wiederholungstäter, die hochgefährliche Sexual- und Gewaltverbrechen begehen. Einer dieser Straftäter hat über die letzten 20 Jahre hinweg nacheinander und immer wieder 14 schwerste Sexualverbrechen begangen. Ich möchte Ihnen die letzten beiden Verbrechen schildern. In seiner vorletzten Tat hat dieser Straftäter eine Achtjährige vergewaltigt. Nach dem Entweichen aus dem Maßregelentzug hat derselbe Straftäter einen Mord an einer Frau begangen, nachdem er vergeblich versucht hatte, sie zu vergewalti
gen. Meine Damen und Herren, diesem Beispiel können Sie entnehmen, wie wichtig es ist, die Bevölkerung vor solchen Straftätern zu schützen.
Bayern - das möchte ich ausdrücklich erwähnen - hat bereits viel getan und vorgearbeitet. Wir haben bereits Haushaltsmittel für ein Gebäude zur Sicherungsverwahrung in der JVA Straubing zur Verfügung gestellt. Außerdem liegt bereits ein vom Justizministerium ausgearbeitetes Behandlungskonzept für derartige Straftäter vor. Ich möchte Frau Staatsministerin Dr. Merk und ihren Mitarbeitern ausdrücklich danken, da wir schon viel weiter als andere Bundesländer sind.
Trotzdem sollten wir unser Augenmerk auf die Neuregelung richten, und zwar insbesondere unter dem Aspekt des Sicherheitsbedürfnisses unserer Bevölkerung. Wir müssen verschiedene Fragen beantworten. Wie können wir die Schwierigkeiten in Bezug auf die gesetzgeberische Lage bewältigen? Wie können wir für eine gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Ländern sorgen? Zu diesem Punkt besteht noch Abstimmungsbedarf. Welche Regelungen müssen wir auf den Weg bringen, um auch die zukünftigen Fragen zu beantworten? In Zukunft werden Fragen auftauchen, die wir bisher noch gar nicht gestellt haben. An diese Fragen denken wir noch gar nicht. Wie gehen wir mit der Freiheit eines solchen Straftäters um? In einem Sicherungsverwahrungsgebäude dürfen die Straftäter Besuch empfangen. Wie verhindern wir, dass beispielsweise beim Besuch junger Damen nichts passiert? Wie gewöhnen wir einen solchen Täter an die Freiheit? Wie gestalten wir die Therapie? Viele Schwerstverbrecher sind nicht therapiefähig. Diese Fragestellungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, geeignete Regelungen zu finden. Deshalb haben wir diesen Dringlichkeitsantrag gestellt.
Wir sind dafür, dass alle Bundesländer von Anfang an bei der Neukonzeption der bundesgesetzlichen Regelungen eingebunden werden. Deswegen sind wir dafür, dass sich der Bund angemessen an den Kosten beteiligt. Außerdem fordern wir, dass der Schutz der Bevölkerung, der Schutz des einzelnen Bürgers, unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Freiheitsrechte des Täters Vorrang hat. Wir bitten Sie darum, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen.
Der SPD-Dringlichkeitsantrag enthält viele Regelungen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben und die sich bereits in Arbeit befinden.
Nach unserer Meinung verfolgt der SPD-Dringlichkeitsantrag den falschen Ansatz. Mit keinem Wort ist vom Schutz der Bevölkerung die Rede. Den Schutz
der Bevölkerung stellen wir in unserem Dringlichkeitsantrag in den Vordergrund. Im SPD-Dringlichkeitsantrag wird nicht der Schwerpunkt auf den Schutz der Bevölkerung gelegt, sondern auf die Ausgestaltung der Therapie und der Sicherungsverwahrung. Aus diesem Grund ist unserem Dringlichkeitsantrag der Vorrang zu geben. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Streibl, ich darf zunächst klarstellen, dass es heute nicht um die Fußfessel zur Überwachung von entlassenen Straftätern geht, die unter Führungsaufsicht stehen. Da haben Sie wohl etwas ein bisschen vermischt. Ich will klarstellen: Darum geht es nicht. Das hat auch die Frau Ministerin in ihren Ausführungen gemeint. Es geht lediglich um die elektronische Fußfessel als Ersatz für die Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe, sozusagen als Sanktion.
Wir wollen nicht - ich glaube auch, dass die bayerische Bevölkerung das nicht will -, dass ein Täter seine Strafe vor dem Fernseher absitzen kann.
Das wäre ein Eingriff in unser bewährtes Sanktionensystem. Es wäre auch keine gleichwertige Strafe im Verhältnis zu einer Ersatzfreiheitsstrafe oder vor allem zu einer Geldstrafe; denn diese Strafe hätte nur eine minimale Abschreckungs- und Sanktionswirkung, und man würde dabei faktisch auch ein Wahlrecht für den Täter einführen. Er könnte wählen, ob er die Strafe
vor dem Fernseher absitzt oder eine Geldstrafe bezahlt.
Genauso ist es; das sind die Tatsachen. Deswegen sind wir dagegen.
Wir sehen auch ein Problem beim Widerruf einer solchen Fußfessel, wenn sich der Täter zum Beispiel nicht an seine Aufenthaltsvorgaben im Wohnraum oder in einer bestimmten Umgebung hält.
Im Übrigen sehen wir auch nicht zwingend eine Kostenersparnis. Das ist doch das alleinige Motiv für die Einführung der Fußfessel, wie Sie sie wollen. Wir sollten das baden-württembergische Modell abwarten, das seit September 2010 läuft; denn es ist sicherlich ein Problem, dass die Begleitmaßnahmen - sowohl die technischen Maßnahmen, die zur Überwachung erforderlich sind, als auch die ganze psychosoziale Begleitung und Betreuung - vielleicht mehr Geld kosten, als wir uns bei der Haft ersparen. Denn wir müssen die Haftplätze vorhalten, weil die Täter zurückkommen können. Es steht in den Sternen, ob es wirklich billiger wird. Wir lehnen die Fußfessel deshalb ab. Im Übrigen ist es auch ein Eingriff in unser bewährtes Sanktionensystem. Wir glauben, dass Ihr Entwurf dem Sicherheitsbedürfnis der bayerischen Bevölkerung nicht Rechnung trägt.
Wir haben es schon mehrmals im Ausschuss gesagt, und ich wiederhole es heute: Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aus voller Überzeugung ab.
Nur kurz, Herr Kollege Streibl. Ich habe es im Ausschuss doch schon einmal gesagt. Die Geldstrafe wird an das Einkommen angepasst. Auch ein Niedriglohnempfänger kann eine solche Minimalstrafe bezahlen. Im Übrigen setzt nach meinem Dafürhalten der Begriff Resozialisierung voraus, dass man zunächst einmal von der Sozialisation abgekommen war. Wenn aber einer von vornherein nicht inhaftiert wird und gleich daheimbleibt, braucht er keine Resozialisierung, weil er dann in seinem sozialen Umfeld bleibt. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man einen solchen Menschen dann noch einmal mit Hilfe einer Fußfessel resozialisieren müsste. Wohin wollen Sie ihn denn resozialisieren? Er bleibt doch daheim, er bleibt in seinem sozialen Umfeld. Damit erledigt sich diese Frage.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Stahl, ich bräuchte jetzt eigentlich gar nicht mehr viel zu sagen,
denn wenn unser Gesetzentwurf besser wird als Ihrer, dann Sie sind einverstanden. Und das werden wir beweisen.
Ich muss aber trotzdem ein paar Worte zu Ihren Anmerkungen sagen: Ich bin überzeugt, dass unser Gesetzentwurf besser wird. Ich werde Ihnen ein paar handwerkliche Mängel aufzeigen, aber dazu später. Sie haben hier nämlich die handwerklichen Mängel mit der Kostenfrage verwechselt.
Es ist heute der dritte Versuch, die Staatsregierung, insbesondere das Justizministerium, zu einer schnellen Arbeit zu drängen, bei der Sorgfalt und Vorbereitung notwendig sind. Es besteht, wie Frau Kollegin Stahl ausgeführt hat, im Vollzug kein Verzug; denn wir haben eine Übergangsregelung, die den bisher im Großen und Ganzen bewährten Vollzug weiterführt. Wir müssen bis Ende 2011 ein neues Gesetz vorlegen. Die Gesetzgebungskompetenzverteilung im Bund sieht halt vor, dass jedes Land den Vollzug selber regeln kann. Ich bin auch sehr dafür, dass wir in Bayern ein sehr sorgfältig ausgearbeitetes Gesetz machen. Deshalb handeln wir nach dem Grundsatz: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. In diesem Fall geht Sorgfalt auch deshalb vor Schnelligkeit, weil wir natürlich die Rechte des Untersuchungsgefangenen auf der einen Seite, für den die Unschuldsvermutung gilt, insbesondere auch die Rechte der jugendlichen Untersuchungsgefangenen mit den Argumenten der praktischen Durchführbarkeit und - das sage ich auch ganz offen - der Bezahlbarkeit auf der anderen Seite, also der Kosten, abwägen müssen. Diese Abwägung erfordert ein sensibles Vorgehen und umfasst viele Prüfungspunkte.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN, den Sie heute vorliegen haben, zeigt, dass hier ein Schnellschuss nicht angebracht ist. Ich will Ihnen das anhand von ein paar Beispielen darlegen. Der Gesetzentwurf enthält etliche handwerkliche Fehler. Ich will hier nicht tiefer einsteigen, sondern nur zwei Beispiele nennen: Sie haben in den Artikeln 67 und 71 Ihres Gesetzentwurfs eine Regelung, für die Bayern keine Gesetzgebungskompetenz hat. Auch haben Sie die ärztliche Hilfe, den ärztlichen Rat für Untersuchungsgefangene an zwei verschiedenen Stellen mit unterschiedlichen Regelungen in den Gesetzentwurf geschrieben.
Hauptargument gegen Ihren Entwurf bleibt aber, dass die Kostenfolgen natürlich enorm sind. In der Gesetzesbegründung geben Sie aber an, dieses Gesetz würde keine Kostenfolgen auslösen. Ferner wollen Sie die Besuchszeiten auf acht Stunden für Erwachsene und auf 16 Stunden für Jugendliche erhöhen.
Das würde allein in der JVA München bedeuten, dass die Besuchszahlen ab der in Ihrem Entwurf vorgesehen Neuregelung von 17.000 auf 98.000, also auf 466 %, hochschnellen würden. Das ist weder personell noch von den Räumen her zu leisten, denn man muss für die Besuche eigene Räume haben. Es würde aber auch von den Kosten her nicht gehen.
Man muss also auch hier realistisch sein. Ich sehe natürlich ein, dass wir den Untersuchungsgefangenen besser behandeln müssen, denn er ist noch nicht verurteilt, aber wir werden hier keine Zweiklassengesellschaft einführen können.
Ein weiteres Beispiel für den Schnellschuss ist, dass das Gesetz viele Widersprüche enthält. Beispielsweise soll für die Disziplinarmaßnahmen gegen erwachsene Untersuchungsgefangene der Richter zuständig sein, obwohl es bisher der Anstaltsleiter war. Für Jugendliche soll dagegen wieder der Anstaltsleiter zuständig sein. Das ist ein klarer Widerspruch. Nicht zulassen kann man zum Beispiel einen uneingeschränkten Telekommunikationsverkehr nach außen, also einen E-Mail-, Telefax- und Telefon-Verkehr nach außen. Das wäre personell nicht überwachbar. In Münchens Justizvollzugsanstalt mit 700 Untersuchungsgefangenen stünden nicht einmal so viele Geräte zur Verfügung. Auch hier stellt sich natürlich die Kostenfrage.
Ich will jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Alles in allem zeigt der Gesetzentwurf der GRÜNEN, dass wir berechtigterweise umfassend abwägen und sorgfältig arbeiten, wofür wir noch ein bisschen Zeit brauchen. Ich danke hier dem Justizministerium ausdrücklich - ich begleite diese Arbeiten -, auch der Frau Staatsministerin der Justiz, dass Sie hier eine genaue Abwägung aller Argumente vornimmt und ein Gesetz entwirft, das nicht nur Verbesserungen mit sich bringt, sondern natürlich auch die Kostenfrage im Auge behält. Wir sind sicher, dass wir Ihren Wunsch, Frau Stahl, erfüllen, ein besseres Gesetz vorzulegen. Und wenn das so kommt, dann sind wir uns einig. Ich hoffe, Sie sind dann zufrieden.
Frau Stahl, hier ist nicht der Platz für rechtliche Auseinandersetzungen über Regelungen.
- Weil die Redezeit begrenzt ist. Ich will auf diese Fragen trotzdem kurz eingehen, okay? Zur Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Artikel 67 und 71 Ihres Gesetzentwurfs habe ich gesagt: Der Freistaat hat keine Gesetzgebungskompetenz, da diese Kompetenz für den Bund in § 89 JGG enthalten ist und dieser von dieser Kompetenz schon Gebrauch gemacht hat. Das ist die eine Sache.
In Bezug auf Disziplinarmaßnahmen habe ich nicht gesagt, dass hier handwerkliche Fehler vorliegen, sondern ich habe nur gesagt: Bei diesem Punkt haben wir einen Widerspruch. Sie ändern hier diese bewährte Regelung insofern, als für Disziplinarmaßnahmen gegen erwachsene Untersuchungsgefangene, für die nicht mehr wie bisher die Anstaltsleitung zuständig ist, die viel näher dran ist und es viel besser beurteilen kann, nun der Richter zuständig ist. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund, zumal der Bundesgesetzgeber gegen diese Anordnung - egal, wer es macht, die Anstaltsleitung oder ein Richter - ein Rechtsbehelfsverfahren vorgesehen hat. Das heißt, es kommt sowieso zum Richter.
Ich habe damit gemeint, dass diese Regelung sinnlos ist und natürlich auch einen Widerspruch enthält, weil für Disziplinarmaßnahmen gegen Jugendliche wieder der Anstaltsleiter zuständig ist. - Das zu den zwei Rechtsausführungen.
Dann möchte ich nur noch eine Bemerkung zum uneingeschränkten Telekommunikationsverkehr machen. Wir sind halt der Ansicht, dass es die Sicherheit der Anstalt enorm beeinträchtigt, wenn ein Gefangener uneingeschränkt mit der Außenwelt kommunizieren kann. Er kann Fluchtpläne nach außen geben.
Er kann Fluchtpläne nach außen geben, er kann Fluchtpläne mit der Außenwelt absprechen, er kann absprechen, dass er von außen bedient wird usw. - Das wollte ich im Großen und Ganzen sagen. Ich glaube, das zeigt zumindest auf, dass hier noch enormer Abstimmungsbedarf und enormer Klärungsbedarf ist. Das zeigt auf, dass Ihr Gesetz nicht ausgereift, sondern ein Schnellschuss ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Gegner dieses Gesetzentwurfs der Freien Wähler bezeichnen das Ziel der Maßnahme, also die elektronische Überwachung des Hausarrestes, als Kuschelvollzug. Das ist ein schönes Wort. Sie behaupten auch, der Täter würde seine Strafe vor dem Fernseher absitzen können. Ich will das Wort "Kuschelvollzug" ausdrücklich nicht übernehmen. Ich glaube aber, der Begriff zeigt deutlich, welches Problemfeld wir eröffnen. In der Tat wird hier der Rechtsstaat - zumindest der bayerische Rechtsstaat, wie wir in Bayern den Rechtsstaat verstehen - hart auf die Probe gestellt. Ich glaube, wir können diese Maßnahmen nicht mit einer Kostenersparnis begründen, wie es in der Gesetzesbegründung steht. Ein Gesetz, das immer nur auf einem Aspekt beruht, erweist sich einen schlechten Dienst.
Worum geht es? Es geht um die Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests, vor allem anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe - das ist eine Freiheitsstrafe, die verhängt wird, wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt wird - und zur Entlassungsvorbereitung. Es sprechen sicher gute Gründe für diese Regelung. Meines Erachtens überwiegen aber die Gründe, die dagegenstehen, und zwar sowohl aus rechtspolitischen als auch aus fachlichen Gründen. Das nach meiner Auf
fassung schlagende Argument ist, dass die elektronische Überwachung des Hausarrests zu minimaler Abschreckungs- und Sanktionswirkung führt. Der Täter wird immer einen elektronischen Hausarrest einer Geldstrafe vorziehen.
Damit sind wir bei dem Punkt, dass ein Täter faktisch das Wahlrecht hat, ob er eine Geldstrafe bezahlt nehmen wir an, gegen einen Täter ist eine Geldstrafe von 5.000 Euro verhängt; Herr Kollege Streibl hat schon ausgeführt, dass er dann im Fall der Nichtzahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe erhält - oder den elektronischen Hausarrest in Kauf nimmt. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was er tun wird. Er wird natürlich seinen Hausarrest antreten. Ich glaube nicht, dass dies die bayerische Bevölkerung will.
Ein weiteres Argument ist, dass durch den elektronischen Hausarrest keine Taten verhindert werden. Es wird allenfalls die Aufklärung erleichtert. Ein schlagendes Argument für mich ist auch: Wenn Sie diese Regelung weiterdenken, kommen wir auf Dauer nicht umhin, auch in der Untersuchungshaft den Hausarrest einzuführen. Die Frage ist: Wollen wir das? Sie werden rechtspolitisch nicht argumentieren können: Wir führen einen elektronisch überwachten Hausarrest ein und in der Untersuchungshaft negieren wir dieses Instrument. Dieses Problem wirft kritische Fragen auf.
Meines Erachtens besteht auch die Gefahr, dass die Straftaten im sozialen Nahbereich, also in den Familien, zunehmen werden, weil sich der Täter, wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird - dieses Instrument soll ja auch bei der Haftentlassung angewandt werden -, nicht bewegen kann. Er bewegt sich nur im familiären Bereich und sieht sich Problemen der Eingliederung gegenüber. Das führt zu einer gewissen Gefahr, dass Straftaten im sozialen Nahbereich zunehmen.
Zuletzt: Das Argument der Kostenminimierung ist nicht zwingend. Wir müssen weiterhin Hafträume vorhalten. Wir haben damit hohe Fixkosten, während relativ geringe variable Kosten bei der Unterbringung anfallen. Die von Herrn Kollegen Streibl zitierten Zahlen sind vom hessischen Justizminister, ob diese auf Dauer realistisch sind, weiß ich nicht. Man darf auch nicht übersehen, dass der Einsatz elektronischer Aufsicht zu wesentlichen neuen Kosten führen würde. Überwachung ist aufgrund der elektronischen Technik teuer, und außerdem sollen die Täter psychosozial begleitet und betreut werden, wie das im Gesetzentwurf steht. Auch das ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor, der nicht zu vernachlässigen ist.
Im Ergebnis: Wir werden diesen Gesetzentwurf im Ausschuss kritisch prüfen. Wir haben große Zweifel
an dieser Regelung. Wir haben Zweifel, ob diese Regelung unserem staatlichen Sanktionssystem und unserem bewährten Vollzugssystem entspricht. Wir sind der Meinung, dass wir das Modellprojekt in BadenWürttemberg, das demnächst - entweder im August oder im September - anläuft, abwarten sollten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade lauter schöne Worte gehört, die aber leider an der Realität vorbeigehen. Realität ist, dass wir ein sehr flexibles Jugendstrafrecht haben. Hier stimme ich Herrn Kollegen Arnold zu. Wir haben alle Möglichkeiten für Sanktionen. Wir können Weisungen und Auflagen verhängen. Der Jugendrichter kann einen Jugendarrest oder eine Jugendstrafe verhängen. Er kann soziale Dienste oder Geldauflagen anordnen.
Fakt ist aber auch, dass unser Jugendstrafrecht zwei wesentliche Lücken hat. Herr Kollege Arnold, das werden Ihnen alle Praktiker an den Gerichten bestätigen. Die erste Lücke ist in dem Umstand zu sehen, dass die Jugendrichter bei Mord nur eine Höchststrafe von 10 Jahren verhängen können. Die zweite Lücke besteht darin, dass wir neben einer Bewährungsstrafe keinen Warnschussarrest anordnen können.
Meine Damen und Herren, die Jugendkammern berichten täglich, dass bei Heranwachsenden bei einer so abscheulichen Tat wie Mord das Strafmaß von zehn Jahren nicht ausreicht. Heranwachsende sind Jugendliche im Alter von 18 bis 21 Jahren. Herr Kollege Arnold, bringen wir es auf den Punkt: Wie beantworten Sie einem Opfer oder dessen Angehörigen die Frage, warum ein Jugendrichter bei einer gravierenden schweren Tat nur eine Strafe von zehn Jahren verhängen kann, obwohl im Jugendrecht vorgesehen ist, dass ein Straftäter, auch ein Heranwachsender, nur ein Drittel der Strafe verbüßen muss? Das bedeutet: Der Straftäter kann nach drei Jahren und vier Monaten frei kommen.
Herr Kollege Arnold, dieser Zustand ist guten Gewissens nicht haltbar. Das ist schon deshalb nicht vertretbar, weil das Erwachsenenstrafrecht in der Regel den ganzen Strafrahmen eröffnet. Das bedeutet, wenn eine Person über 21 Jahre alt ist, können alle Strafen verhängt werden. Ein Erwachsener muss auch die Halbstrafe absitzen. Wenn eine Person jedoch unter 21 Jahre alt ist, wird in der Regel das Jugendstrafrecht angewandt. So kann nur zu zehn Jahren verurteilt werden, wobei es die Möglichkeit der Drittelstrafe gibt und nicht, wie es im Erwachsenenstrafrecht der Fall ist, der Halbstrafe.
Das Ganze wird bestätigt, wenn Sie einen Blick auf das europäische Ausland werfen. Im benachbarten europäischen Ausland bzw. fast im gesamten europäischen Ausland gibt es die Regelung, dass das Erwachsenenstrafrecht bereits bei Straftätern ab 18 Jahren, also ab der Vollendung des 18. Lebensjahres, angewandt wird. Schauen Sie nach Frankreich
oder in die Niederlande. In den Niederlanden gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, das Erwachsenenstrafrecht schon ab 16 Jahren anzuwenden. In Frankreich ist es sogar Pflicht, das Erwachsenenstrafrecht bei allen Jugendlichen anzuwenden, wenn der jugendliche Straftäter zum dritten Mal straffällig geworden ist.
In diesem Zusammenhang muss man natürlich auch berücksichtigen, dass im Jugendrecht das Vollstreckungsrecht, ich habe es bereits erwähnt, viel flexibler ist. Sie haben dort nicht die Halbstrafenregelung, sondern die Drittelstrafenregelung. Das heißt, der Richter ist nicht verpflichtet, den Betreffenden zu mehr als zehn Jahren zu verurteilen, aber er kann es, wenn es sich um eine ganz schlimme Tat handelt. Deswegen geht es uns nicht um die Frage, wo der Hammer hängt. Es geht nicht um die Abschreckung. Ich bezweifle, dass ein jugendlicher Täter bei einer Tat wie Mord während der Tat überlegt, wie hoch das Strafmaß ist. Es geht einzig und allein um eine tat- und schuldangemessene Sühne, gerade auch im Hinblick auf die Opfer. Deswegen ist diese Erhöhung des Strafrahmens notwendig. Wenn man mit den Jugendrichtern spricht, weiß man: Sie warten doch in der Praxis bereits darauf.
Genauso verhält es sich beim Warnschussarrest. Der Warnschussarrest ist deswegen notwendig - sprechen Sie mit den Jugendrichtern; sie bestätigen Ihnen das täglich -, weil die Jugendlichen, gerade die Jugendlichen, eine Bewährungsstrafe als Freispruch zweiter Klasse empfinden. Die Eindrücke der Verhandlung und der Verurteilung geraten gerade bei jungen Menschen schnell in Vergessenheit. Mit dem Warnschussarrest neben einer Bewährungsstrafe besteht die Möglichkeit, den Jugendlichen die Folgen ihrer Tat vor Augen zu führen und auch erzieherisch auf sie einzuwirken.
Meine Damen und Herren, genau aus diesem Grunde werden zurzeit auch unter rechtspolitischen Gesichtspunkten ein Handyverbot, sogar ein Computerverbot, obwohl dies natürlich verfassungsrechtlich problematisch ist, und ein Fahrverbot diskutiert; denn das sind die einzigen Strafen, die auf die Jugendlichen spürbar einwirken, nicht wie eine Weisung oder eine Geldauflage, die dann bezahlt wird, oder eine Bewährungsstrafe, die vielleicht sogar vergessen wird. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Herr Kollege Arnold, erstens. Ich war auch ein Jahr lang Jugendstaatsanwalt am Landgericht Landshut. Ich habe viele Kollegen, mit denen ich auch vor diesem Plenum gesprochen habe. Sie bestätigen mir, dass der Strafrahmen nicht ausreicht. Das hat mit dem Opferanwalt überhaupt nichts zu tun.
Zweitens. Ihre Statistik über den Arrest betrifft den reinen Arrest. Bisher gibt es keinen Warnschussarrest. Es gibt also keine Statistik über das Modell Warnschussarrest, das heißt, Arrest neben der Jugendstrafe. Das haben wir nicht. Ihre Statistik betrifft also Fälle, über die wir nicht diskutieren.
Drittens. Sie werden doch zugeben müssen, dass für jemanden, der ein schwereres Delikt begeht, zum Beispiel schweren Diebstahl, und der hierfür eine Jugendstrafe auf Bewährung erhält, diese faktisch folgenlos ist, weil man die jungen Leute, wenn sie einen Arbeitsplatz haben, sowieso schont. Sie wissen doch selbst aus der Praxis: Wenn sie einen Arbeitsplatz haben oder in die Schule gehen, kann man sie nicht herausnehmen. Deshalb ist es gut, wenn ein Wochenendarrest verhängt werden kann. Wenn ein solcher Wochenendarrest verhängt wird, dann spürt ihn dieser Jugendliche. Es tut ihm auch manchmal gut, weil er nämlich aus seinem problematischen Umfeld - die Jungs sind oft in einem problematischen Umfeld - herauskommt, weil er einen Bewährungshelfer bekommt und weil er einmal zum Nachdenken kommt. Für diese Fälle gibt es noch keine Statistik.
Ich bin aber fest davon überzeugt: Das hat nichts damit zu tun, wo der Hammer hängt. Ich bin vielmehr fest davon überzeugt, dass gerade ein Jugendlicher mit 16, 17 oder 18 Jahren oder von mir aus auch ein
Heranwachsender mit 19 Jahren zum Nachdenken kommt, wenn er drei Tage Arrest oder von mir aus einen Wochenendarrest erhält - man muss sowieso immer auf seine anderweitige Betätigung Rücksicht nehmen. Genau diesen Effekt - ich habe es gesagt haben wir beim Handyverbot und beim Fahrverbot, über das jetzt diskutiert wird. Man merkt nämlich in der Praxis, dass die Jungs oder Jugendlichen nur reagieren, wenn sie spürbare Strafen erhalten. Darum bin ich auch persönlich, obwohl das natürlich eine Bundesangelegenheit ist, der felsenfesten Überzeugung, dass der Koalitionsvertrag in diesem Punkt richtig ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich eine Vorbemerkung über die zeitliche Schiene des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes ma
chen. Nach einer Übergangsregelung soll ein Land, in dem es kein Untersuchungshaftvollzugsgesetz gibt, bis Ende 2011 ein neues Gesetz vorlegen. Bis dahin gilt das bisherige Recht. Wir haben also genügend Zeit, um ein neues Gesetz genau zu prüfen. Wir werden nicht die bis Ende 2011 zur Verfügung stehende Zeit ausschöpfen, aber wir brauchen noch geraume Zeit, denn bei diesem Gesetz sollte nicht Schnelligkeit vor Sorgfalt, sondern Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen.
Das Untersuchungshaftvollzugsgesetz enthält diffizile Regelungen. Kollegin Stahl hat es schon angedeutet. Das Gesetz erfordert eine Vielzahl von Abwägungen und die Berücksichtigung einer Vielzahl von Belangen. Vor allem müssen die Rechte des Untersuchungsgefangenen berücksichtigt werden, für den die Unschuldsvermutung gilt. Sensibel müssen wir auch bei jugendlichen Untersuchungsgefangenen vorgehen. Wir müssen auch darauf achten, dass das Gesetz durchführbar ist. Nicht zuletzt müssen wir die Kosten im Auge behalten.
Meine Damen und Herren, wie schwierig der Entwurf eines solchen Gesetzes ist, zeigt der Entwurf der Fraktion der GRÜNEN. Dieser Gesetzentwurf enthält schon auf den ersten Blick gravierende inhaltliche und handwerkliche Mängel. Ich werde ein paar Beispiele dafür anführen. Dieser Entwurf beweist, dass es mit einem Schnellschuss nicht getan ist.
Das erste Beispiel: Für Disziplinarmaßnahmen soll in Zukunft entgegen der bisherigen Praxis der Richter zuständig sein, obwohl der Bundesgesetzgeber hierfür bereits ein Rechtsbehelfsverfahren eingeführt hat. Für jugendliche Untersuchungsgefangene und für erzieherische Maßnahmen soll dagegen wieder der Anstaltsleiter zuständig sein. Welch ein Widerspruch!
Das zweite Beispiel: Der E-Mail-, Telefon- und Telefaxverkehr soll den Untersuchungsgefangenen uneingeschränkt ermöglicht werden. Das ist in der Praxis nicht durchführbar. Ich nenne als Beispiel nur die JVA München mit 700 Untersuchungsgefangenen. Personell ist es nicht machbar, den gesamten Telekommunikationsverkehr zu überprüfen. Würde man dies ermöglichen, wären Sicherheit und die Ordnung der Anstalt nicht mehr gewährleistet.
Das dritte Beispiel: Zur Frage, ob Untersuchungsgefangene ärztlichen Rat einholen können, enthält der Gesetzentwurf der GRÜNEN an zwei verschiedenen Stellen zwei unterschiedliche Regelungen mit jeweils unterschiedlichem Inhalt.
Das vierte Beispiel: Für verschiedene Regelungen für Jugendliche hat Bayern keine Gesetzgebungskompetenz. Bezüglich dieser Fragen - es betrifft zwei Artikel
gibt es bereits Regelungen im neuen Jugendgerichtsgesetz.
Ein letztes Beispiel möchte ich noch anführen. Wir müssen auch die Kosten im Auge behalten. Die GRÜNEN geben in ihrer Gesetzesbegründung an, durch das neue Gesetz würden keine Kosten entstehen. Diese Angabe ist nicht seriös. Allein durch die vorgeschlagene Anhebung der Mindestbesuchszeiten bei Erwachsenen auf acht Stunden im Monat und bei Jugendlichen auf 16 Stunden würden Kosten in Millionenhöhe entstehen.
Im Ergebnis zeigt der Entwurf der GRÜNEN, dass wir von einem Schnellschuss absehen sollten. Wir sollten den Gesetzentwurf ganz genau prüfen und abwägen und ihn erst dann in die Tat umsetzen. Das tut das Staatsministerium der Justiz zur Zeit vorzüglich und kompetent. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich Staatsministerin Dr. Beate Merk und ihren Mitarbeitern für die Arbeit danken. Die Regierungskoalition wurde in die Vorarbeiten einbezogen. Die Abstimmung in der Koalition ist jetzt erfolgt. Seit gestern ist dies klar. Der Gesetzentwurf wird demnächst von der Staatsregierung auf den Weg gebracht werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Bayern mit dem Entwurf der Staatsregierung ein gutes und praktikables Untersuchungshaftvollzugsgesetz bekommen werden, sodass sich die Mühe, die Arbeit und auch die aufgewendete Zeit gelohnt haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es besteht Einigkeit darüber, dass wir ein einheitliches, schnelles und natürlich der Verfassung gemäßes Untersuchungshaftvollzugsgesetz brauchen. Es besteht aber keine Einigkeit damit, dass wir jetzt in einem schon angehenden Gesetzgebungsverfahren bestimmte Mindestanforderungen, die die SPD in zwölf Punkten vorgelegt hat, diskutieren müssen. Es besteht nämlich überhaupt kein Bedarf, da das Gesetz wahrscheinlich im Frühjahr 2010 in Kraft treten wird -
Wir haben im Übrigen, Herr Schindler, dafür Zeit bis Ende 2011. Es gibt auch keinen Bedarf, dass dieses Gesetz jetzt möglichst schnell mit Mindestanforderungen in Kraft treten soll, weil dadurch etwa Rechte von Untersuchungshäftlingen minimiert werden könnten. Dafür ist die Sache viel zu diffizil. Sie wissen, man muss verfassungsrechtliche Vorgaben beachten. Diese müssen eingehend und richtig diskutiert werden.
Zum Beginn des Gesetzgebungsverfahrens will ich Folgendes sagen: Das Gesetz befindet sich im Entwurf. Es muss noch mit der FDP abgestimmt werden.
Dann bekommen wir es als Regierungsentwurf vorgelegt. Wenn die SPD meint, uns jetzt Vorgaben machen zu müssen, dann zeigt das für mich das mangelnde Selbstbewusstsein. Denn dafür zuständig ist im Endeffekt der Landtag. Sie können dann im Gesetzgebungsverfahren entweder Abänderungsanträge stellen oder einen eigenen Gesetzesvorschlag einbringen.
Aber jetzt ist, glaube ich, der falsche Zeitpunkt, dass wir auf der Basis von zwölf Programmpunkten die im Wesentlichen - nicht alle - dann im Entwurf enthalten sein werden, der Staatsregierung bestimmte Vorgaben machen. Also reichen Sie doch einen eigenen Gesetzentwurf ein. Das können Sie tun. Der Entwurf der Staatsregierung wird bald vorliegen; wir werden deshalb Ihren Antrag ablehnen und wir werden nicht dafür stimmen, jetzt zwölf Programmpunkte sozusagen getrennt von einem Gesamtgesetzentwurf zu diskutieren. Deshalb bitte ich um Verständnis für unsere Haltung; wir haben es im Ausschuss schon gesagt. Wir werden den Antrag ablehnen.