Protocol of the Session on November 11, 2010

Je jünger die Kinder bei ihrer Einreise sind, desto größer sind ihre Chancen auf Teilhabe in der Gesellschaft, am Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen plädieren wir dafür, dass das Nachzugsalter für Kinder von 16 auf 12 Jahre herabgesetzt wird. Entsprechende Bestrebungen im Bund werden wir nachdrücklich unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen an der Ausbildung der Imame, die in Deutschland predigen, mitwirken, weil wir eine Welt gemeinsam getragener Verbindlichkeiten anstreben. In unseren Moscheen soll deutsch gepredigt werden. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist eine Bürgerpflicht für jeden, der in unserem Land leben will. Niemand darf Sprach- und Integrationskurse als reine Präsenzveranstaltung betrachten. Es ist jedem zumutbar, innerhalb eines Jahres Deutsch zu lernen. Das muss für alle volljährigen Familienmitglieder gelten, vor allem dann, wenn sie Sozialleistungen erhalten. Es muss auch für die Ehefrau gelten, die möglicherweise dem Arbeitsmarkt aufgrund der Kleinkindbetreuung noch nicht zur Verfügung steht.

(Isabell Zacharias (SPD): Wo gibt es denn das?)

Während der Kinderbetreuungsphase ist es durchaus zumutbar, spätere Vermittlungshindernisse wie mangelnde Sprachkenntnis oder fehlende oder veraltete Berufsabschlüsse zu beseitigen. Dass dazu entsprechende Kursangebote und Kinderbetreuungsangebote gehören, versteht sich von selbst. Hier ist der Bund mehr gefordert als bisher.

(Isabell Zacharias (SPD): Aber auch Bayern!)

Kolleginnen und Kollegen, wir gewähren von Anfang an volle Teilhabe an unseren Sozialsystemen. Dafür gilt aber auch der Grundsatz "Fördern und Fordern". Integration ist keine Rosinenpickerei nach dem Motto: "Was mir gefällt, nehme ich in Anspruch, und ansonsten soll sich bitte alles so anfühlen wie zu Hause." Wer nicht bereit ist, sich zu integrieren, muss mit Konsequenzen rechnen.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Das heißt ganz konkret: Es muss jedem klar sein, dass er bei Integrationsverweigerung mit Sanktionen vom Bußgeld bis zur Leistungskürzung rechnen muss. Derzeit prüfen wir, welche gesetzlichen und

vollzugstechnischen Änderungen wir brauchen, um dieses Ziel noch konsequenter zu verfolgen. Wir werden auf Bundesebene die nötigen Vorschläge einbringen.

Kolleginnen und Kollegen, obwohl allein in Bayern mehr als eine Million Frauen mit Migrationshintergrund lebt, wurde die Integration von Migrantinnen zunächst nicht als eigenes politisches Handlungsfeld in den Blick genommen. Migrantinnen prägen aber als Mütter den Alltag ihrer Kinder. Sie bewegen sich in eigenen sozialen und familiären Netzwerken, die viel zu gelingender Integration beitragen könnten. 94 % der Mädchen und Frauen mit türkischem Migrationshintergrund wollen sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen. Trotz guter Schulabschlüsse kommen sie deutlich seltener auf den Arbeitsmarkt als Männer mit Migrationshintergrund oder gar ihre einheimischen Geschlechtsgenossinnen. Hier liegt noch ein großes, bisher zu wenig erkanntes und genutztes Potenzial. Deshalb hat die Staatsregierung 2009 ein spezielles Handlungskonzept zur Integration von Migrantinnen beschlossen, das sich mit allen wichtigen Themen von Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt über Familie bis zur kultursensiblen Pflege und bürgerschaftlichem Engagement sowie den Themen Gewalt und Zwangsverheiratung befasst.

Gerade Migrantinnen profitieren besonders von Vorbildern. Sie gilt es herauszustellen, und zwar auch als Antwort und wirksamen Gegenentwurf zu überkommenen Rollenvorbildern von Mann und Frau, die bei uns in Westeuropa nichts zu suchen haben.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen das weiterentwickeln, was erfolgreich ist. Bayern ist eines der Pilotländer bei der Entwicklung des Integrationsmonitorings auf Länderebene.

"Integration leben" heißt das Motto unseres bayerischen Integrationsbeauftragten. Ich danke dem Kollegen Martin Neumeyer für sein Engagement, das er mit Kompetenz und Herzblut einbringt.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Das Signal "Integration findet vor Ort statt" transportieren wir auch weiter über die Integrationspreise der Regierungen, die jährlich an herausragende kommunale Integrationsprojekte vergeben werden.

Eine besondere Herausforderung wird künftig darin bestehen, integrationsferne Familien besser zu erreichen. Projekte wie die Augsburger "Stadtteilmütter", "Elterntalk", aber auch die Kurse "Mama lernt Deutsch" zeigen uns, wie ausgezeichnet niederschwellige, aufsuchende Ansätze funktionieren. In

vielen Gemeinden in Bayern gibt es bereits hervorragende Projekte und kirchliche und karitative Initiativen, vom gemeinsamen Bastelnachmittag über Sport und Kultur bis zu regelmäßigen Dialogforen sowie ehrenamtliche Schulungs- und Qualifizierungshilfen.

In den Kommunen gestaltet sich das Zusammenleben. Hier muss Integration konkret mit Leben erfüllt werden. Allen, die hier ehrenamtlich tätig sind, möchte ich herzlich und aufrichtig danken. Darin eingeschlossen sind die Aktiven in der Kommunalpolitik, die in Bayern vor Ort erfolgreich Integration betreiben und gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Mit Projekten wie der "Sozialen Stadt" fördern wir in Bayern eine Städtebauplanung, die Abschottungen und separierten Wohnvierteln entgegenwirkt. Natürlich gehört auch die Beteiligung von Migrantenorganisationen dazu. Letztlich hat uns aber gerade auch die Islamkonferenz gezeigt, dass für das Gelingen von Integration die Einbeziehung von Menschen und Strukturen vor Ort entscheidend ist. Dies ist ein wichtiger Teil des zeitgemäßen präventiven Ansatzes bayerischer Integrationspolitik.

Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen! Bayern kann Integration besser. Unser Zusammenhalt macht den Unterschied. Dabei soll es auch bleiben! Unsere Kinder, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, werden gemeinsam die Zukunft gestalten. Sie werden ihre Zukunftschancen einlösen, gemeinsam den zukünftigen Wohlstand und unsere Renten erarbeiten und gemeinsam unser Alter und unsere Pflege organisieren. In ihrem und unserem Interesse müssen wir den bayerischen Weg der Integrationspolitik weitergehen. Es sind die Menschen in Bayern, die die Integration zu einer Erfolgsgeschichte machen.

(Isabell Zacharias (SPD): Sie rühren mich zu Tränen!)

Integration muss man leben, basierend auf vitalen Werten, klaren Pflichten und Chancen für alle.

(Beifall bei der CSU und FDP)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Rinderspacher für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sollte ein historischer Moment werden: Die erste Regierungserklärung zum Thema Integration in der Geschichte des Bayerischen Landtags, und das am Geburtstag von Christine Ha

derthauer, acht Jahre vor ihrer angekündigten Kandidatur als Ministerpräsidentin des Freistaates Bayern,

(Heiterkeit bei der SPD)

acht Jahre vor ihrer Kandidatur aus der CSU-Opposition heraus - herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Frau Ministerin

(Beifall bei der SPD)

und viele Monate nach einer nicht enden wollenden bundesdeutschen Talkshow zum Thema Integration. Ich finde, diese erste Regierungserklärung, meine Damen und Herren, zum Thema Integration kommt reichlich spät.

(Beifall bei der SPD)

Das macht deutlich: Die Bayerische Staatsregierung hat das Thema Ausländer und Integration außerhalb der Bierzelte und Wahlkampfzeiten über Jahrzehnte nicht beachtet, geschweige denn differenziert bearbeitet.

Frau Ministerin, Sie haben heute vermeintliche Erfolge der Staatsregierung in zartestem Barbiepuppenrosa gezeichnet.

(Beifall bei der SPD)

Dabei haben Sie vor allem eines vergessen, nämlich deutlich zu machen, wem diese Erfolge in erster Linie zu verdanken sind, nämlich den Migranten und Migrantinnen selbst, die in der Regel allergrößte Anstrengungen unternehmen, um sich in unsere Gesellschaft einzugliedern, um sich hier eine neue Existenz, eine neue Heimat aufzubauen.

Viele sind bei der Integration behilflich: Freunde, Nachbarn, Betriebe, Unternehmen, soziale Organisationen, Migrantenverbände, Arbeitsagenturen, kommunale Einrichtungen. Es dürfen jedoch erhebliche Zweifel an der Aussage angemeldet werden, dass ausgerechnet die Politik der Staatsregierung, namentlich die Politik der CSU, diese Erfolge für sich verbuchen darf.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Regierungserklärung, Frau Haderthauer, war ein buntes Sammelsurium an nicht belegten Behauptungen, ein Mix an mangelnder Begriffsbestimmung und ungenauer politischer Definition, eine Mischung aus Schönrednerei, die vermeintlich eigenen Erfolge betreffend, und einem stellenweise bewusst düster gezeichneten Bild auch von anderen Kulturen. Am Ende kam ein Fazit aus der großen kleinen Welt der Frau Ministerin: Überall ist die Welt aus den Fugen, insbe

sondere in Sachen Integration, aber bei uns in Bayern ist alles in Ordnung. Wir in Bayern sind halt irgendwie anders, irgendwie etwas Besonderes, und deshalb wird es bei uns schon irgendwie funktionieren.

Frau Ministerin, wenn die Welt doch nur so einfach wäre, wie Sie sie heute hier skizziert haben! Man nehme ein paar Schlagworte, hier ein bisschen "MultiKulti ist tot",

(Georg Schmid (CSU): Das ist so!)

dort ein bisschen "Das christlich-jüdische Abendland muss verteidigt werden", man nehme eine Prise "Unser Grundgesetz ist nicht dem Islam verpflichtet" und eine Portion "Das wird man doch wohl noch alles sagen dürfen". Man werfe all das in einen Topf, rühre einmal kräftig um und sage dann den Zauberspruch: Bei uns in Bayern ist alles super. - Und fertig ist der CSU-Zaubertrank für 38 % plus X.

(Beifall bei der SPD)

Frau Haderthauer, Ihr Generalsekretärsnachfolger Alexander Dobrindt beherrscht diese Schlagworttechnik noch nicht ganz so ausgefeilt wie Sie. Wie man Schlagworte zusammmenwürfelt, die nicht unbedingt im kausalen Zusammenhang stehen, hat er auf der Eröffnung des CSU-Parteitages dokumentiert, ich zitiere:

Wer seinerzeit gegen Atomkraft demonstriert hat und heute gegen Stuttgart 21 agitiert, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er übermorgen ein Minarett im Vorgarten stehen hat.

(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf von der SPD: Super!)

Meine Damen und Herren, das macht deutlich: Mit Schlagworten allein kommen wir nicht voran.

Lassen Sie mich aber auf ein Schlagwort eingehen: Multi-Kulti ist tot.