Protocol of the Session on November 11, 2010

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nur zwei kurze Vorbemerkungen zu den Vorrednern.

Herr Kollege Schneider, vielleicht erleben wir unterschiedliche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, wenn wir draußen sind. Ich sage Ihnen, ich bin stolz auf die bayerische Polizei. Ich erlebe dort Gott sei Dank viele hoch motivierte Beamtinnen und Beamte, die an ihrem Beruf Freude und Spaß haben und nicht frustriert durch die Gegend laufen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Tausendfreund, ich weiß nicht, was mit Ihnen passiert ist.

(Susanna Tausendfreund (GRÜNE): Wieso?)

Ich habe jetzt aufmerksam zugehört, wie Sie über die Gewaltbereitschaft von Demonstranten gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gesprochen und wie Sie sich schützend vor die Polizei gestellt haben. Ich meine, was Gewalt gegen Polizeibeamte angeht, können Sie sich bei Ihrem Joschka Fischer erkundigen, der da Erfahrung hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Zurufe von den GRÜNEN)

- Entschuldigung; bei allem Respekt, Frau Kollegin, für Ihre persönliche Überzeugung: Aber da wedelt doch der Schwanz mit dem Hund, wenn Sie heute hier -

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sapperlot! - Weitere Zurufe der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD) und Simone Tolle (GRÜNE))

- Nicht in diesem Ton bitte, Frau Kollegin. Nicht in diesem Ton! Ich habe von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auch schon ganz andere Dinge gehört. Da hätte ich mir gewünscht, dass man sich schützend vor die Polizei stellt, meine Damen und Herren von dieser Fraktion.

(Beifall bei der CSU - Zuruf der Abgeordneten Jo- hanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Wir haben in Bayern 40.000 Beamtinnen und Beamte bei der Polizei und der Justiz im Einsatz, und zwar nicht nur, um unsere Sicherheit zu garantieren, sondern auch um Recht durchzusetzen; auch darum geht es. Diese Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind nicht nur in Bayern, sondern in Hamburg, in Berlin, in Rostock und in Leipzig im Einsatz. Wenn Sie sich mit den dortigen Einsatzleitern unterhalten, werden Sie feststellen, dass man stolz und dankbar ist, dass dort bayerische Einsatzkräfte bei schwierigen Einsätzen ihre Pflicht mit erfüllen.

Wir alle wissen - und das eint uns in der parlamentarischen Debatte wieder -, dass es bei diesen Einsätzen zu Unfällen kommt. Aber liebe Freunde, dazu gehört es auch, dass man klar Position bezieht. Das Demonstrationsrecht ist verfassungsrechtlich verankert und ein hohes Gut. Aber was zum Teil auf diesen Straßen passiert, hat nichts mehr mit der Ausübung des Demonstrationsrechts zu tun, sondern ist nackte Gewalt gegenüber den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

(Beifall bei der CSU)

Dagegen muss man deutlich Stellung beziehen, und zwar bei jeder Gelegenheit, nicht nur bei einer parlamentarischen Debatte hier im Hohen Haus.

(Beifall bei der CSU - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Und nicht alle über einen Kamm scheren!)

Neben dem mit aller Härte notwendigen strafrechtlichen Vorgehen gegen diese Straftäter ist es deshalb selbstverständlich, dass der Dienstherr seinen verletzten Beamtinnen und Beamten zur Seite steht. Allen voran gewähren wir deshalb eine umfassende Unfallfürsorge, wenn eine Beamtin oder ein Beamter in Ausübung des Dienstes bei einem Übergriff verletzt wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nicht für jeden!)

Die Unfallfürsorgeleistungen decken alle potenziellen Nachteile ab. Sie reichen von der umfassenden Heilfürsorge mit voller Kostendeckung, die nicht auf die Beihilfe beschränkt ist, bis hin zu einer einmaligen Unfallentschädigung und erhöhtem Unfallruhegehalt. Außerdem kann der Dienstherr Ersatz leisten; das ist schon andiskutiert worden. Herr Kollege Ländner hat auf die Einwendungen des Obersten Rechnungshofes verwiesen, was Gegenstände des Beamten angeht, die beschädigt werden. Wenn schließlich die Beamtin oder der Beamte gegenüber dem Schädiger Schmer

zensgeldansprüche geltend machen möchte, kann dafür auch Rechtsschutz gewährt werden. Die Prozesskosten werden selbst dann vom Freistaat übernommen - auch das ist wichtig -, wenn der Klagegegner an sich die Kosten tragen müsste, aber nicht zahlen kann.

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung?

Nein, das mache ich nicht. Herr Schneider, beim besten Willen, Ihr Wortbeitrag bringt mich nicht dazu, Sie von meiner Seite aus nochmals zu Wort kommen zu lassen.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Die Staatsregierung wird aber selbstverständlich prüfen, wie der Freistaat Bayern für Schadenersatzansprüche im Polizeibereich aus Fürsorgegründen in Vorleistung treten kann. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Antrag der FDP-Fraktion und der CSUFraktion zuzustimmen. Gleiches gilt für den Antrag der Freien Wähler, aber nicht für den Antrag der SPD, den ich abzulehnen bitte.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Staatssekretär, bleiben Sie bitte noch am Mikrofon, wir haben zwei Zwischenbemerkungen: zunächst von Frau Kollegin Tausendfreund und dann von Herrn Kollegen Schneider. Frau Tausendfreund, bitte schön.

Erstens bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, dass ich für Joschka Fischer keine Verantwortung trage.

Das ist auch schwierig.

Man muss jedem zubilligen, dass er eine Entwicklung nimmt. Von unserer Seite werden Sie jedenfalls keine Aufrufe zur Gewalt etc. hören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen möchte ich klarstellen - das ergibt sich aus den Zwischenergebnissen der Pfeiffer-Studie -, dass bei Gewalttaten gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Demonstrationen eine deutlich untergeordnete Rolle spielen. Ich will nichts schönreden, aber die häufigsten Gewalttaten finden bei Festnahmen, bei familiären Streitigkeiten und sonstigen Störungen der öffentlichen Ordnung, zum Beispiel im Straßenverkehr oder bei Fußballveranstaltungen statt.

Das sind alltägliche Einsätze, bei denen die Beamtinnen und Beamten nach draußen geschickt werden. Häufig spielt in diesem Zusammenhang auch Alkohol eine Rolle. Wir sollten uns also auf die eigentlichen Felder konzentrieren, bei denen Polizisten Gewalttätigkeiten ausgesetzt sind. Gerade Familienstreitigkeiten unter Alkoholeinfluss, bei denen Polizisten einschreiten müssen, spielen eine große Rolle sowie Festnahmen, bei denen sich die Personen, die festgenommen werden sollen, heftig wehren. Auf diese Anlässe müssen wir uns konzentrieren.

Bitte, Herr Staatssekretär.

Frau Kollegin Tausendfreund, ich kann Teile Ihrer Ausführungen unterstreichen, aber mit einer Einschränkung: Sehen Sie sich einmal Großdemonstrationen an. Denken Sie an die schwarzen Blocks. Sehen Sie sich die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate an. Ich widerspreche Ihnen nicht, dass die Gewaltbereitschaft bei Individualdelikten zugenommen hat. Hier gibt es in der Gesellschaft leider Gottes eine hohe Gewaltbereitschaft. Allerdings hat sich bei den Demonstrationen für durchaus berechtigte Belange einiges getan. Bei allem Recht der Demonstranten: Heute wird bei Demonstrationen häufig in einer Weise vorgegangen, die nichts mehr mit dem grundgesetzlich verankerten Demonstrationsrecht zu tun hat.

Herr Kollege Schneider, halten Sie den Wunsch nach einer Zwischenbemerkung noch aufrecht?

Herr Staatssekretär, Sie sind mit keinem einzigen Wort auf die Schadenersatzrichtlinien eingegangen. Fakt ist, dass diese Richtlinien für die Polizisten verschlechtert worden sind. Ich möchte klar feststellen: Die Bagatellgrenze wurde von 5,10 Euro auf 75 Euro angehoben. Das ist eine klare Benachteiligung für die Polizeibeamten, die im Dienst einen Schaden erleiden. Äußern Sie sich bitte auch einmal dazu.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schneider, haben Sie Herrn Kollegen Ländner nicht zugehört, der dazu ausführlich Stellung genommen und auf die Einwendungen des ORH verwiesen hat? Sie haben ein ganz eigenes Verständnis im Hinblick auf die Einwendungen des ORH nach dem Motto: Dieses Geschwabbel interessiert uns nicht. Wenn es Ihnen nicht passt, nehmen Sie den ORH nicht ernst. Wenn es aber darum geht, der Staatsregierung an den Karren zu fahren, nehmen Sie

den ORH ernst. Ich bitte Sie, alle Beteiligten mit dem gleichen Maß zu messen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt erteile ich dem Herrn Staatsminister des Innern das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Pschierer ein paar Anmerkungen anschließen. Zunächst möchte ich ihm herzlich danken für die Sympathie und Unterstützung, die er gerade gegenüber unseren Polizeibeamten zum Ausdruck gebracht hat. Es soll Polizeibeamte geben, die nicht immer über alle Äußerungen aus dem Finanzministerium begeistert sind. Heute können sie sich jedenfalls freuen. Vielen Dank, Herr Kollege Pschierer.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich bin dankbar für die Darlegungen der Kollegen Fischer und Ländner. Die meisten Punkte, die Herr Kollege Schneider ausgeführt hat, kann ich ebenfalls unterschreiben. Frau Kollegin Tausendfreund, was Sie hier ausgeführt haben, ist jedoch mehr als scheinheilig. In diesem Punkt kann ich mich nur meinem Kollegen Pschierer anschließen. Sie haben gerade am Beispiel des Kollegen Joschka Fischer angeführt, man sollte jedem Mitbürger zubilligen, dass er sich im Laufe der Jahre entwickle. Liebe Frau Kollegin Tausendfreund, ich sehe bei Ihnen noch ein großes Entwicklungspotenzial im Hinblick auf die bayerische Polizei.

(Beifall bei der CSU)

Eines muss ich sagen: Diejenigen, die heute führende Verantwortung bei den GRÜNEN tragen, beteiligen sich in vorderster Front an den Sitzblockaden in Gorleben und bringen eine große Sympathie für diese Protestwelle zum Ausdruck. Deshalb brauchen Sie heute keine Tränen über die notwendige psychologische Betreuung der Polizeibeamten, die dort im Einsatz waren, zu vergießen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir werden den Aufträgen der vorliegenden Dringlichkeitsanträge sehr gerne Rechnung tragen.

Ich möchte - ergänzend zu Herrn Kollegen Pschierer nur noch einen Punkt hinzufügen: Wir haben das Angebot, das den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Polizeiärztlichen Dienst, im Zentralen Psychologischen Dienst, im Polizeilichen Sozialen Dienst und in der Polizei-Seelsorge zur Verfügung

steht, deutlich ausgebaut. Zudem besteht bei der bayerischen Polizei ein polizeiinternes Netzwerk für Hilfeleistungen in akuten Lebenskrisen für die Bediensteten. Im Zentralen Psychologischen Dienst der bayerischen Polizei sind inzwischen 21 Mitarbeiter tätig, darunter zehn Diplom-Psychologen, die speziell für diese Aufgaben geschult und ausgebildet sind. Darüber hinaus haben wir im Polizeilichen Sozialen Dienst im Zusammenhang mit der Polizeireform die Anzahl der Sozialpädagogen auf zehn verstärkt. Das Angebot ist also insgesamt wesentlich besser geworden.

Hinsichtlich der Schadenersatzleistungen und des Rechtsschutzes haben wir inzwischen ein klares System. In jedem Polizeipräsidium gibt es einen zuständigen Juristen, der als Ansprechpartner für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fungiert. Sie wissen, an wen sie sich in einem Schadenersatzfall wenden können, wo sie eine optimale Rechtsberatung erfahren und wo gegebenenfalls die Beratung für die Hinzuziehung eines persönlichen Rechtsanwalts erfolgt.