Protocol of the Session on October 19, 2010

Der Gipfel, meine Damen und Herren, ist das Klagerecht. Es macht absolut keinen Sinn. Wenn eine Behörde sich pflichtwidrig - eine solche Verpflichtung gibt es nämlich jetzt schon - nicht um das Gleichstellungskonzept kümmert, haben wir genügend Instrumente, um dem entgegenzuwirken. Im kommunalen Bereich ist es die Kommunalaufsicht, und wenn es im staatlichen Bereich vorkommt, ist der normale Instanzenzug der Behörden vorhanden. Dann muss das eben aufsichtlich angegangen werden; das geschieht auch. Oder das Ministerium der Frau Haderthauer soll sich darum kümmern, dass ein solcher Fall angegangen wird.

Aber dass Sie jetzt jedem Bürger, jeder Bürgerin, egal ob er oder sie mit der betreffenden Behörde etwas zu tun hat - Arbeitnehmerverhältnis oder auch nicht -, ein Klagerecht einräumen wollen, ist absoluter Irrsinn. Außerdem würde es nichts bringen. Denn allenfalls würde das Gericht die Kommunen zum Erlass eines Gleichstellungskonzeptes verurteilen, und dann sind wir genauso weit wie vorher: Dann muss es auch erst noch gemacht werden. Damit bringen Sie die Gleichstellung jedenfalls nicht weiter.

Ich komme zu den umfassenden Kompetenzen des oder der Landesgleichstellungsbeauftragten. Nach Ihrem Konzept würde das dazu führen, dass eine Kündigung, die von der örtlichen Gleichstellungsbeauftragten beanstandet wird und der von der Dienststelle nicht abgeholfen wird, bis zum oder zur Landesbeauftragten geht. Die entscheiden dann bindend. Damit hebeln Sie jeglichen Rechtsschutz bei den Gerichten aus. Was soll das? Das kann es doch alles nicht sein.

Kurz und gut: Der Sinn und Zweck mag vorhanden sein, er ist vorhanden, aber das Gesetz lehnen wir als untauglich ab.

(Beifall bei den Freien Wählern und der FDP)

Danke, Herr Kollege Meyer. Jetzt hat noch Herr Prof. Dr. Barfuß für die FDP das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bisherige Gesetz weiterzuentwickeln, und zwar von allen fünf Fraktionen, hielte ich für den pragmatisch richtigen Weg. Die Kollegen haben hier, zuletzt mein Vorredner, deutlich gemacht, dass wir keine neue Büro

kratie brauchen, sondern dass wir einen realistischen Umgang mit diesem Thema wollen.

Gehen wir einmal fünfzig Jahre zurück; da werden Sie jetzt schmunzeln oder lachen; das ist mir egal. Wie war damals die Stellung unserer Damen? Sie haben gleich nach dem Krieg sehr viele Aufgaben übernommen, weil die Männer im Krieg waren. Jeder war froh um die sogenannten Trümmerfrauen. Als der Krieg vorbei war und die Männer wieder zurückkamen, mussten die Frauen komischerweise wieder zurücktreten. Diese Entwicklung wollen wir nie wieder haben. Ich denke schon, dass wir sowohl Männer als auch Frauen in einer vernünftigen und ausgewogenen Art und Weise bei uns beschäftigen.

Aber nur wer Geduld hat, erreicht viel. Wenn wir jetzt mit Ungeduld an die Sache herangehen, machen wir vermutlich mehr kaputt als gut. Vielleicht denken Sie gar nicht daran, dass wir jetzt tatsächlich drei Damen im Präsidium haben, dass wir eine hauptamtliche Landtagspräsidentin haben - Frau Kollegin Stamm, das dürfte Ihnen bekannt sein -, obwohl die Männer hier die Mehrheit haben. Wir hätten uns also locker einen Mann wählen können. Wir haben in unserer Republik eine Bundeskanzlerin, und wenn die Union ein bisschen besser taktiert hätte, hätten wir auch eine Bundespräsidentin bekommen. Aber das will ich heute einmal dahingestellt sein lassen. Wir haben vorhin gerade eine stellvertretende Gerichtspräsidentin gewählt. In Nordrhein-Westfalen haben wir eine Frau als Ministerpräsidentin, wir haben eine Vizepräsidentin bei der Polizei, die FDP hat eine Landesvorsitzende:

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

- Man hört es auch ein bisschen, dass wir hier Frauen haben. Wir sollten nicht so tun, als wären die Frauen bei uns nur benachteiligt.

Was mir aber wichtig erscheint, und darauf hat Herr Kollege Seidenath zu Recht hingewiesen, ist Folgendes: Nirgends haben es die Frauen so gut wie im öffentlichen Dienst. Wer diese Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes nicht sieht, ist entweder im falschen Ausschuss oder ist ein bisschen blind. Wo haben Frauen diese Freiheiten, die sie im öffentlichen Dienst im Allgemeinen haben? Sie werden völlig gleichberechtigt behandelt. Daran wollen wir nicht rütteln, und deswegen bleibt das auch so.

Ich frage Sie: Wie sieht es mit den Löhnen aus? Dass die Gewerkschafter meiner Partei besonders nahestehen, kann man wohl nicht sagen. Trotzdem haben es die Gewerkschaften in den letzten fünfzig Jahren nicht geschafft, gleiche Löhne herauszuverhandeln. Was

sagen Sie dazu? - Das sollten Sie sich auch einmal durch den Kopf gehen lassen. Von dieser Seite wird hier immer kritisiert, wir Liberalen oder Konservative wären zur Gleichstellung nicht in der Lage. Ich sage: Hier herinnen ist niemand, der sich nicht ehrlichen Herzens um die Gleichstellung von Männern und Frauen bemüht. Aber zaubern kann niemand, und wir können das Ziel nicht von heute auf morgen erreichen. Deswegen schlage ich vor: Üben wir uns in Geduld, arbeiten wir systematisch an diesem Ziel und verbessern wir das Gesetz!

Ich danke den GRÜNEN für ihre Initiative; dann haben wir einmal wieder über das Thema gesprochen und bringen die Sache vielleicht nach vorne.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Dr. Si- mone Strohmayr (SPD): Wir brauchen nicht nur Lippenbekenntnisse!)

- Haben Sie nicht zugehört? Das waren nicht nur Lippenbekenntnisse, ich habe Ihnen vielmehr viele, viele Vorschläge gemacht. Sie von der SPD sind mir aber die Antwort schuldig, warum Ihre Gewerkschaften es bis zum heutigen Tag nicht geschafft haben, bei den Löhnen die Gleichstellung herzubringen.

(Beifall bei der FDP)

Ihre Argumentation kommt mir sehr bekannt vor. Das ist genauso, wie wenn die Kirchen und die Gewerkschaften sagen: Wir haben zu viele Arbeitslose. Warum stellen sie diese Leute nicht ein? - So einfach kann man es sich also nicht machen.

Schauen Sie einmal auf die Uhr, Frau Präsidentin. Sie haben meinen Kollegen Seidenath gerügt, weil er überzogen hat. Gucken Sie einmal, wie viel Redezeit ich jetzt noch stehen lasse. Damit ist für die Koalition die Redezeit exakt eingehalten.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Prof. Dr. Barfuß. Zwischen einer Rüge und einer Anmerkung ist bei mir noch ein sehr großer Spielraum. Sie haben offensichtlich von mir noch nie eine Rüge gehört.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Habe ich "Rüge" gesagt?)

Frau Stamm, Sie möchten von der restlichen Redezeit Gebrauch machen: Zwei Minuten 41 Sekunden. Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich weiß, dass das in der Ersten Lesung nicht

üblich ist, aber ich fand die Argumente schon sehr amüsant. Deswegen möchte ich noch zwei, drei Worte sagen. Ich werde meine Redezeit aber nicht aufbrauchen.

Ich frage mich, Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Wenn die Quote so absurd ist, warum wird sie dann in Ihrer Partei so heiß diskutiert? Warum wollte der Herr Ministerpräsident und Parteivorsitzende wie ein Löwe dafür kämpfen? - Das ist die eine Richtung.

Zum anderen wundere ich mich auch darüber, dass das Klagerecht hier so sehr infrage gestellt wird. Ich erinnere mich noch, als von Europa das Antidiskriminierungsgesetz kam. Man befürchtete eine Welle von Klagen. Was ist passiert? - Null Komma null. Es geht nur darum, dass wir endlich ein wirksames Instrument haben, damit jede Kommune ein Konzept aufstellt. Das ist aber im Moment nicht der Fall. Punkt, fertig, aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich wundere mich auch, dass von frauenpolitischer Seite die Bürokratie angesprochen wird. Bürokratie hin oder her, aber hier geht es um ein Grundrecht, um einen Verfassungsauftrag, der nicht erfüllt ist. Das haben hier alle übereinstimmend gesagt. Beim Datenschutz hat das auch niemand infrage gestellt oder zumindest fast niemand. Der Datenschutzbeauftragte hat hier ganz erhebliche Kompetenzen. Wenn ich jetzt ein Grundrecht einfordere, nämlich die Gleichstellung von Mann und Frau, und ein Äquivalent zum Datenschutzbeauftragten haben möchte, dann heißt es: Oh welch eine Bürokratie. Das finde ich ein bisschen absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch eine Anmerkung zu Herrn Prof. Dr. Barfuß: Der Bericht liegt seit August vor. Offenbar haben Sie noch nicht hineingeschaut; denn darin stehen Zahlen, die eindeutig belegen, dass wir im öffentlichen Dienst nicht einmal annähernd gleichgestellt sind. Natürlich bietet der öffentliche Dienst Vorteile, aber das muss er auch: Er soll ja eine Vorbildfunktion haben, damit wir irgendwann eine wirkliche Gleichstellung haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin.

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Fragen des Öffentlichen Dienstes als federführenden Ausschuss zu überwei

sen. - Widerspruch sehe ich nicht. Damit besteht Einverständnis. Es ist so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 und 7 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Verfassungsrechtliche Verankerung der Lernmittelfreiheit an Bayerns Schulen (Drs. 16/4614) - Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Martin Güll u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Umfassende Lernmittelfreiheit an Bayerns Schulen (Drs. 16/4615) - Zweite Lesung

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Jetzt beträgt die Redezeit 15 Minuten pro Fraktion. Erste Rednerin ist Frau Wild.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist für uns Sozialdemokraten oberste Handlungsmaxime.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb fordern wir die verfassungsrechtliche Verankerung der Lernmittelfreiheit und die Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes, um eine umfassende Lernmittelfreiheit zu gewährleisten. Trotz aller Äußerungen und trotz aller schönen rosaroten Brillen, die viele von uns im Hohen Hause immer noch auf haben, sind wir von Bildungsgerechtigkeit und von einem gerechten Bildungssystem noch sehr, sehr weit entfernt. Die soziale Herkunft und der Wohnort entscheiden nach wie vor über die Bildungs- und Zukunftschancen von Menschen. Das belegen zahlreiche Untersuchungen, die immer wieder auf diese Ungerechtigkeiten hinweisen.

Diese Ungerechtigkeiten sind unerträglich. Die Berichte zeigen diese Tatsachen und Ungerechtigkeiten seit Langem auf. Aber ein Großteil des Hauses ist immer

noch nicht bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Ungerechtigkeiten werden wohl besprochen, aber man zieht keine Konsequenzen. Wir von der SPD wollen nicht nur den Finger in diese Wunde legen, sondern ganz konkrete Handlungsanweisungen geben. Wer sich die Situation anschaut, stellt fest: Die Chancen für unsere Kinder und Jugendlichen haben sich weiter verschlechtert denn eher verbessert.

Angesichts der finanziellen Situation und der starken finanziellen Belastung von Familien, wenn die Kinder in die Schule kommen, ist es oft unheimlich schwierig, allen finanziellen Anfragen, die vonseiten der Schulen kommen, nachzukommen.

In unserem Gesetzentwurf geht es darum, dass Schülerinnen und Schüler am Schulleben partizipieren können. Es geht darum, ein gutes Selbstbewusstsein zu entwickeln, ein gutes Selbstkonzept zu haben, aber auch um die Garantie eines Grundrechtes auf Bildung. Kinder dürfen nicht ungleich gestellt werden.