Protocol of the Session on July 14, 2010

Sie haben heute früh im Rahmen der Dienstrechtsreform davon gesprochen, dass wir junge Beamtinnen und Beamte gewinnen müssten. Ist es denn für einen jungen Beamten oder eine junge Beamtin nicht attraktiv, in ein System einzutreten, das von vornherein transparent ist und sich nicht grundsätzlichen Verdächtigungen auszusetzen hat? Oder soll ein ordensmäßiger Zirkel der Exklusivität einen Anreiz für einen jungen modernen Menschen bieten, das Beamtenwesen zu bereichern?

Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Fischer von der FDP, der sich programmgemäß persönlich entschieden hat, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er tritt als politisches Feigenblatt nach links von der Bühne ab. Das ist ein Zeichen für das Verlassen des Schiffes der Ewiggestrigen. Ich würde mir wünschen, dass Sie dem Gesetzentwurf der Freien Wähler zustimmten.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Susanna Tausendfreund das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Guttenberger, wenn in Bayern alles so gut wäre, wie Sie es in Sachen Transparenz dargestellt haben, hätten nicht 90 Länder weltweit sowie der Bund und 11 Bundesländer ein solches Informationsfreiheitsgesetz. Allesamt haben sie gute Erfahrungen gemacht. Der Bedarf ist vorhanden. Was Sie heute vorgetragen haben, ist der Tatsache geschuldet, dass Sie immer noch dem obrigkeitsstaatlichen Denken anhaften. Die umfassenden Informationsrechte gegenüber der Verwaltung gehören längst zu den anerkannten Bürgerrechten des 21. Jahrhunderts. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen wissen, was der Staat tut - nur eben in Bayern nicht.

Wir müssen endlich dafür sorgen, dass das obrigkeitsstaatliche Denken ein Ende hat. Der freie Zugang zu Informationen befördert eine lebendige Demokratie. Ich möchte noch etwas zu Herrn Staatssekretär Eck sagen, der vorhin bei der Diskussion über den Zensus einen vermeintlichen Widerspruch in unserer Argumentation gesehen hat. Es ist schon ein Unterschied, ob der Staat überbordend Informationen über die Bürgerinnen und Bürger sammelt, oder ob er die Möglichkeit schafft, dass Eltern zum Beispiel in ein Asbest-Gutachten einer Schule Einsicht nehmen können, um zu entscheiden, ob sie ihr Kind auf diese Schule schicken oder nicht. Darum geht es hier.

In dem Gesetzentwurf der Freien Wähler ist der Datenschutz gewährleistet. Selbstverständlich unterstützen wir diesen Gesetzentwurf. Nach den Gesetzentwürfen der GRÜNEN und der SPD ist dies der dritte Vorstoß in dieser Legislaturperiode und der siebte innerhalb der letzten zehn Jahre. An sich - hier schaue ich auf die FDP - müsste dieser Gesetzentwurf heute eine Mehrheit bekommen. Die FDP hat inhaltlich nichts daran auszusetzen und hat sich die Informationsfreiheit auf die Fahnen geschrieben. Die CSU alleine kann diesen Gesetzentwurf eigentlich nicht verhindern. Die FDP ist immer noch Mitglied im Bündnis für Informationsfreiheit. Deshalb müsste sie heute eigentlich Farbe bekennen. Haben Sie Mut, sich zu Ihrer Meinung zu bekennen und diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Die Koalitionsdisziplin kann in diesem Punkt nicht entscheidend sein; denn an der Informationsfreiheit wird sicherlich nicht die Regierung scheitern. Schließlich gibt es auch in den Reihen der CSU glühende Verfechter für den freien und voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen.

Bad Aibling und München wurden bereits genannt. Die GRÜNEN haben Herrn Josef Schmid zu einer Podiumsdiskussion am letzten Freitag eingeladen, auf der er seine Positionen dargelegt hat. Im Herbst wird in München eine entsprechende Satzung verabschiedet werden, möglicherweise einstimmig. Damit werden auf einen Schlag 10 % der bayerischen Bevölkerung in den Genuss der Informationsfreiheit kommen. Aus den Erfahrungen wissen wir, dass zwei Drittel der Anfragen ohnehin den kommunalen Bereich betreffen. Damit kommen wir also einen großen Schritt weiter. Das Land sollte aber endlich nachziehen. Die Liste der kommunalen Satzungen wird von Debatte zu Debatte immer länger: Prien, Pullach, Grasbrunn, Kitzingen, Bad Aibling, Kahl am Main, Schwandorf, Sinzing. Einen Beschluss gibt es in Gräfelfing. Demnächst wird es auch in München, Ansbach, Coburg und Passau positive Entscheidungen geben.

Wissen ist Voraussetzung für aktive Teilhabe, wirksame Kontrolle und Vorbeugung gegen Korruption. Die Einsicht in Gutachten oder Erfahrungsberichte macht das Verwaltungshandeln nachvollziehbar. Der Anspruch auf Akteneinsicht schafft Transparenz und Vertrauen in Staat und Kommunen. Der bisherige Rechtsrahmen reicht bei Weitem nicht aus. Eine moderne Verwaltung handelt serviceorientiert und in dem demokratischen Selbstverständnis, dass die Verwaltung für den Bürger tätig ist und nicht umgekehrt. Zu diesem Service gehört, dass die Bürgerinnen und Bürger ganz selbstverständlich Zugang zu Informationen der Verwaltung haben, ohne ein berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen und ohne auf bestimmte Verfahren beschränkt zu sein oder als Bittsteller auftreten zu müssen.

Nachdem öffentliche Aufgaben zunehmend von staatlich dominierten Unternehmen und kommunalen Betrieben wahrgenommen werden, müssen das Akteneinsichtsrecht und das Informationsrecht auch für diese Unternehmen gelten und dürfen nicht der Flucht ins Privatrecht zum Opfer fallen. Der pauschale Hinweis auf Betriebsgeheimnisse kann dort nicht greifen, wo öffentliche Aufgaben erfüllt und öffentliche Gelder eingesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Fischer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich schon als Feigenblatt tituliert worden bin, freue ich mich, Ihnen jetzt die Position der FDP darstellen zu dürfen. Es ist eigentlich ganz einfach. Informationsfreiheit wäre ein Beitrag zu mehr Transparenz in der Verwaltung und damit ein Schritt zu einem moderneren Bayern, denn Informationsfreiheit ist kein staatlicher Gnadenakt, sondern eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Freien Wähler)

Informationen, die in öffentlichen Stellen vorhanden sind, gehören nicht der Behörde; sie gehören der Allgemeinheit. Soweit, so gut.

Nun gibt es das Gegenargument, wir hätten schon die Informationsfreiheit, es gebe schon Zugangsrechte. Dazu sage ich: Ja, es gibt punktuelle Zugangsrechte, die aber reichen nicht. Selbst bei einem berechtigten Interesse Dritter besteht beispielsweise im Verwaltungsverfahrensgesetz nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Das ist mir zu wenig. In der letzten Rede habe ich aber auch schon gesagt, dass der Gesetzentwurf der Freien Wähler gut sei und

ich diesen Gesetzentwurf begrüße. Ich habe auch gesagt, dass wir unser Abstimmungsverhalten in der Koalition abstimmen müssen und es davon abhängig machen werden, wie meine Werbungsversuche beim Koalitionspartner ausgehen.

(Hubert Aiwanger (FW): Dann werben Sie halt bei uns!)

Sie haben die Rede von Frau Kollegin Guttenberger gehört.

(Hubert Aiwanger (FW): Sie werben bei den Falschen, werben Sie bei uns!)

Leider waren meine Werbungsversuche beim Koalitionspartner nicht erfolgreich.

(Hans Joachim Werner (SPD): Das wundert mich nicht!)

Das ist schade, und das bedauert die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage aber auch ganz klar: Eine erfolgreich arbeitende Koalition muss gewisse Regeln einhalten. Zu diesen Regeln gehört es, dass man einem Gesetzgebungsvorhaben nur dann zustimmt, wenn beide Partner dies wollen. Daran halten wir, die FDP-Fraktion, uns auch.

Ich habe ebenso deutlich gesagt, dass ich als Fachsprecher dieses Gesetz für gut finde und deshalb diesem Gesetz zustimmen werde. Daraus ergibt sich das Verhalten der FDP-Fraktion bei dieser Abstimmung. Die Mehrheit der Fraktion wird entsprechend der Koalitionsvereinbarung Ihrem Gesetzentwurf nicht folgen. Ich als Fachsprecher werde dem Gesetz zustimmen, weil es ein richtiger Schritt in die richtige Richtung wäre.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD und der Freien Wähler - Harald Güller (SPD): Wenn sich die FDP durchsetzen könnte, wären wir richtig glücklich!)

Als Letzter hat nun Herr Staatsminister Herrmann das Wort.

(Hubert Aiwanger (FW): Jetzt wird’s gefährlich!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürger wollen in der Tat eine transparente Verwaltung. Sie erwarten aber auch, dass der Staat sorgsam mit ihren Daten umgeht, dass er ihre Verfahrensrechte wahrt und seine Aufgaben wahrnimmt. Sie erwarten beides. Die Forderung nach Transparenz

des Verwaltungshandelns beruht in der Tat auf dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot unserer Verfassung. Dieselbe Verfassung garantiert aber auch den Schutz der personenbezogenen Daten, ein faires Verfahren und auch die Sicherheit der Bürger. Bereits unser geltendes Recht enthält zahlreiche Informationsansprüche. Jenseits der ausdrücklich geregelten Ansprüche hat jeder, der ein berechtigtes Interesse geltend macht, einen rechtsstaatlich begründeten und übrigens auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über sein Informationsbegehren. In den Voraussetzungen für Informationsrechte und den Grenzen dieser Ansprüche wahrt das geltende Recht den Schutz personenbezogener Daten und sonstiger gegenläufiger Belange.

Es wird hier so wunderschön gesagt, die Bürger hätten einen Anspruch zu erfahren, über welche Daten die Verwaltung verfügt. Schauen Sie einmal in ein Rathaus oder in ein Landratsamt hinein. Dort gibt es einige Abteilungen und Amtsstuben, die nur über verwaltungsinterne Daten verfügen. Ich denke zum Beispiel an die Kämmerei im Landratsamt. Die allermeisten Dienststellen, egal ob in einem Rathaus, in einem Landratsamt oder wo auch immer, sind aber immer wieder mit Vorgängen befasst, die auch persönliche Daten von Bürgern enthalten. Denken Sie einmal daran, dass jemand beim Landratsamt einen Bauantrag stellt. Geht die Frage, wie es in dem Haus aussieht, wie einer seine Küche oder sein Schlafzimmer in dem Haus plant, jemand anderen außer den Nachbarn im Rahmen der Nachbarschaftsansprüche etwas an? Geht es irgendjemand anderen etwas an, wie die Baupläne des betreffenden Bürgers für sein ganz persönliches privates Haus aussehen? Diese Akten sind nicht nur Bauakten des Landratsamtes, sondern sie enthalten persönliche Daten des einzelnen Bürgers. Deshalb ist es richtig, dass bei der Erteilung von Auskünften abgewogen wird.

Änderungen an diesem ausgewogenen System von Informationsrechten sind immer mit Einbußen beim Schutz anderer Rechte und Belange verbunden. Das Thema Informationsfreiheit verlangt eine ehrliche Diskussion, bei der das Spannungsverhältnis zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz berücksichtigt wird und bei der die Grenzen der Informationsfreiheit einbezogen werden. Stattdessen wird jedes Mal zum Beweis der Notwendigkeit eines Informationsfreiheitsgesetzes auf andere Länder verwiesen, die bereits ein solches Gesetz haben, ohne dass jemals der Mehrwert eines solchen Gesetzes nachgewiesen wurde. Allein die Existenz eines Gesetzes in einem anderen Land ist noch kein hinreichender und zwingender Grund für den Bayerischen Landtag, ebenso ein solches Gesetz zu erlassen. Wir müssen nicht sagen: Weil die das haben, müssen wir es auch haben. Es

muss schon noch inhaltlich begründet werden, warum es gut, richtig und sinnvoll wäre, ein solches Gesetz einzuführen.

(Horst Arnold (SPD): Bonusmeilen ermitteln!)

Es wird immer wieder ein Zerrbild unserer Verwaltung entworfen. Die Verwaltung kenne angeblich die Informationsfreiheit nicht, und dies könne nur durch ein Informationsfreiheitsgesetz kuriert werden. Dieses Bild hat mit der Realität nichts zu tun. Das wissen wir alle. Die formalistische Argumentation, solange es kein Gesetz mit diesem Namen gibt, gibt es auch keine Informationsfreiheit, wird dem Thema erst recht nicht gerecht.

Schlimmer erscheint mir aber noch, dass der Grundkonsens, der sonst bei der Bedeutung des Datenschutzes besteht, hier plötzlich zu fehlen scheint. Alle Entwürfe von Informationsfreiheitsgesetzen, über die wir bisher in diesem Haus diskutiert haben, bleiben hinter dem Schutz des gegenwärtig geltenden Bayerischen Datenschutzgesetzes deutlich zurück. Das gilt auch für den Gesetzentwurf der Freien Wähler, der uns heute vorliegt. Bislang ist nach dem Bayerischen Datenschutzgesetz die Übermittlung personenbezogener Daten an nicht öffentliche Stellen nur dann möglich, wenn diese ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis glaubhaft machen und der betroffene Dritte kein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat.

Der Gesetzentwurf der Freien Wähler gibt in der Begründung vor, dass die Grenzen des Datenschutzgesetzes nicht überschritten würden. Der Gesetzeswortlaut sagt jedoch anderes. Macht der Antragsteller rechtliche Interessen geltend, werden seine Interessen mit denen des betroffenen Dritten abgewogen. Nur wenn die Interessen des Dritten überwiegen, kann der Informationsanspruch abgelehnt werden. Wir wären damit bei einer umfassenden Abwägungsentscheidung, die das Datenschutzgesetz eben ausschließen will. Als Bürger brauche ich in der Regel nicht zu begründen, dass meine Daten schutzwürdig sind. Meine Daten sind zunächst einmal kraft Datenschutzgesetz geschützt. Ein anderer muss darlegen, weshalb er ausnahmsweise dieses Datenschutzhindernis überwinden will. Ein Bürger, der seine Daten freiwillig oder in vielen Fällen gezwungenermaßen einer Behörde zur Verfügung stellt, kann bislang darauf vertrauen, dass seine schutzwürdigen Interessen nicht zur Diskussion gestellt werden. Dabei muss es meines Erachtens bleiben. In Zeiten von Datenmissbräuchen erscheint mir die Abschwächung des Datenschutzes als völlig verfehltes Signal. Im Übrigen bleibt bei näherer Betrachtung von den vermeintlichen Ver

besserungen durch den Gesetzentwurf nicht viel übrig.

Ich denke, wenn wir außerdem die Deregulierungsund Entbürokratisierungsbemühungen nicht außer Acht lassen wollen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass das Informationsfreiheitsgesetz der Freien Wähler datenschutzrechtlich bedenklich und ansonsten überflüssig ist.

(Alexander König (CSU): Alle fünf Jahre derselbe Blödsinn!)

Deshalb bitte ich Sie herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihm nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/3679 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/5398 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler, der GRÜNEN und die Abgeordnete Dr. Gabriele Pauli, fraktionslos, sowie Abgeordneter Dr. Andreas Fischer, FDP. Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP außer dem Abgeordneten Dr. Andreas Fischer. Stimmenthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Wir kommen nun zur bereits angekündigten namentlichen Abstimmung über den gemeinsamen Antrag der CSU und der FDP betreffend "Bayerische Asyl- und Asylsozialpolitik zukunftsorientiert und familiengerecht weiterentwickeln" auf der Drucksache 16/4774. Die Abstimmung ist eröffnet. Dafür sind drei Minuten vorgesehen.

(Namentliche Abstimmung von 15.32 bis 15.36 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die namentliche Abstimmung. Die Stimmkarten werden außerhalb des Saales ausgezählt und das Ergebnis wird, sobald es vorliegt, bei geeigneter Gelegenheit mitgeteilt.

Ich bitte die Unterhaltungen nach draußen zu verlegen. Auch die Organe der staatlichen Sicherheit mögen dies beachten. - Jetzt ist es schon ruhiger. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die

Tagesordnungspunkte 19, 20 und 21 auf: