Protocol of the Session on June 10, 2010

Ich danke ausdrücklich Herrn Kollegen Schindler für die Skizze der rechtlichen Sachlage. Es ist in der Tat beschämend, und zwar zutiefst beschämend, dass wir uns hier zum x-ten Mal über den berechtigten, sogar selbstverständlichen Anspruch der Beschäftigten auf Unternehmensmitbestimmung unterhalten müssen.

(Beifall eines Abgeordneten der GRÜNEN)

Das ging an Sie, Herr Kollege Heike, wo immer Sie sich versteckt haben mögen. - Ach, er hat sich zu den Freien Wählern gesetzt. So haben Sie auch agiert, Herr Kollege Heike, nämlich wie ein freier Radikaler.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Artikel 175 der Bayerischen Verfassung lautet:

Die Arbeitnehmer haben bei allen wirtschaftlichen Unternehmungen ein Mitbestimmungsrecht in den sie berührenden Angelegenheiten

- das ist Personalvertretung

sowie in Unternehmungen von erheblicher Bedeutung einen unmittelbaren Einfluss auf die Leitung und Verwaltung der Betriebe.

Das ist der Aspekt der Unternehmensmitbestimmung. So steht das in der Bayerischen Verfassung. Die Bayerische Verfassung verhindert also nicht, sondern fordert im Gegenteil die Mitbestimmung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in öffentlich-rechtlichen Unternehmen, auch die Unternehmensmitbestimmung. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ein in der Verfassung verbrieftes Recht darauf. Gegen dieses verbriefte Recht stemmen Sie sich hier seit Jahren. Das nenne ich in der Tat beschämend.

(Beifall eines Abgeordneten der GRÜNEN)

Selbst ohne diese Verankerung in der Verfassung ist es ein vordemokratischer Zustand, der in allen anderen Bundesländern längst Geschichte ist. In 15 von 16 Bundesländern gibt es die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten. Nur Bayern hält dagegen. Herr Kollege Schindler hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Bayern dies aufgrund einer Regelung tut, die in der Genese - das wurde behauptet, und das stimmt auch so, Herr Kollege Heike und Herr Kollege Pohl -, in ihrer Entstehungsgeschichte auf das Jahr 1933 zurückgeht und auf der Durchsetzung des Führerprinzips basiert. Das ist Fakt. Auf diesem Gesetz mit dieser Entstehungsgeschichte beharren Sie noch heute. Das ist in der Tat der zweite Punkt, der beschämend ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernhard Pohl (FW): Jetzt geht es aber los!)

Nicht die 15 Bundesländer, die längst eine demokratische Regelung zur Mitbestimmung haben, sind die politischen und juristischen Geisterfahrer, sondern es ist das eine Bundesland Bayern.

(Unruhe bei der CSU und den Freien Wählern)

Ich weiß, der Geisterfahrer glaubt immer, dass er richtig fährt. Sie sind es, die hier falsch laufen. Über das Landesbankgesetz und über die Änderung des Sparkassengesetzes haben wir immer wieder einmal diskutiert. Sie wissen, diese Gesetze mussten immer wieder geändert werden, zuletzt im Zusammenhang mit der großartigen 10-Milliarden-Euro-Spende der bayerischen Steuerzahler als Dank für Ihre großartige

Finanzkompetenz und Ihre großartige Vorstellung, wer in den Kontrollgremien der Landesbank zu sitzen hat. Im Rahmen dieser ohnehin notwendigen Änderung der Gesetze haben sowohl SPD als auch GRÜNE mit Recht gefordert, die unternehmerische Mitbestimmung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkassen zu öffnen und den arbeitnehmerfeindlichen Anachronismus, bei dem Sie heute hier wieder fröhliche Urständ gefeiert haben, endlich zu beenden. Sie aber haben sich gegen die Beschäftigten der Sparkassen entschieden, politisch ignorant und verfassungsjuristisch kaum haltbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt nur ein Fazit zu ziehen: Der Landtag sollte sich an diesem Verfahren nicht beteiligen, im Gegenteil. Die Mitglieder des Hohen Hauses - ich sehe einige, für die trifft dies sicher zu, und einige, für die es zutreffen sollte - sollten sich freuen, wenn die Popularklage Erfolg hat. Dann wird die Staatsregierung und dann werden die sie tragenden Parteien endlich gezwungen sein, den vordemokratischen Zustand der fehlenden Unternehmensmitbestimmung in den Sparkassen, den wir bis heute in Bayern erleben müssen, endlich zu beenden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die FDP hat sich Herr Kollege Rohde zu Wort gemeldet. Bitte.

Vielen Dank Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann trefflich darüber streiten, wie wir das gerade tun, ob dies eine notwendige Änderung ist. Es wurde gerade ausgeführt, das Gesetz sei in einer Zeit entstanden, als Nationalsozialisten an der Macht waren. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist, glaube ich, sogar noch älter. Das haben wir auch noch gut in Erinnerung. Doch welcher Geist bei welchem Gesetzentwurf zu welcher Zeit geherrscht hat, ist eigentlich irrelevant. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir ein geändertes Gesetz besprechen, und darauf wurde abgestellt, dann ist dieses Gesetz die Grundlage. Wir müssen heute bewerten, wie wir das sehen.

Was ist heute Gesetz? - Herr Kollege Hallitzky hat angeführt, die Sparkassen müssten bei der Unternehmensmitbestimmung analog sein. Darüber kann man debattieren. Wir sehen es so, dass die Sparkassen kein privates Unternehmen sind, sondern eher eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Man kann es so sehen, man kann es aber auch anders bewerten. Die Arbeitnehmer haben natürlich das Recht, in den Betriebs- und Personalräten mitzuwirken. Sie können dort ihre Interessen vertreten. Außerdem haben sie mittelbar, über eine Kommunalwahl, die Möglichkeit, eine Auswahl der Personen zu bestimmen, die in das

Kontrollgremium auf der Eigentümerseite entsandt werden. Der Arbeitnehmer hätte einen Konflikt mit sich selbst: Bin ich etwas mehr Arbeitnehmer oder mehr Eigentümer? - All das kann man trefflich debattieren. Man muss die Argumente, die vorgetragen werden, für sich abwägen. Wir kommen zu dem Schluss: Es kann so bleiben, wie es ist. Deswegen werden wir dem Verfahren beitreten, in der Richtung, die Herr Kollege Heike skizziert hat.

Dies ist eine Debatte, die schon länger geführt wird. Sie ist nicht neu. Sie ist ein Bumerang, und ich befürchte, sie wird uns möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode wieder ereilen. Ich denke nämlich, in dieser Legislaturperiode wird alles so bleiben, wie es ist.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege Schindler hat um die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung nach § 112 der Geschäftsordnung gebeten. Diese persönliche Erklärung hat nach der Geschäftsordnung am Ende der Beratung zu erfolgen. Sie haben hierfür höchstens fünf Minuten Zeit, Herr Kollege Schindler. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den 20 Jahren, in denen ich diesem Hohen Hause angehöre, habe ich noch nie eine persönliche Erklärung abgegeben. Noch nie.

(Zurufe von den GRÜNEN: Dann wird es aber Zeit!)

Ich bin aber auch noch nie bewusst so missverstanden worden, wie Herr Kollege Pohl das heute zum Ausdruck gebracht hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe hier nicht behauptet, dass im Bayerischen Sparkassengesetz von 1942 - das Gesetz stammt aus dem Jahr 1942, und es gilt bis heute - das Führerprinzip enthalten sei. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass das Führerprinzip im Jahr 1948 - lieber Herr Kollege Heike, es war 1948 und nicht, wie Sie das hier dreimal gesagt haben, 1946 - abgeschafft worden ist. Ich habe dann aus der Popularklage zitiert und darauf hingewiesen, dass sich trotz der Abschaffung dieses Führerprinzips

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

ein Restbestand nationalsozialistischer Ideologie bis heute in dem jetzt noch geltenden Bayerischen Sparkassengesetz wiederfindet, und zwar deshalb, weil

dieses Gesetz aus dem Jahr 1942 stammt und in der entscheidenden Passage des Artikels 9 nicht geändert worden ist. Ich meine, meine Ausführungen konnten von allen Vernünftigen hier im Haus - und ich bin geneigt, Sie noch dazu zu zählen, Herr Kollege Pohl

(Lachen und Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

nur so verstanden werden. Wer sie aber anders versteht, ist böswillig.

Noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren. Gestatten Sie mir den Ausdruck: Ich kann dieses Herumgeeiere nicht mehr hören. Sagen sie den Mitarbeitern der Sparkassen doch ganz einfach: Wir als Freie Wähler, als FDP und CSU, wir wollen nicht, dass ihr dort mitbestimmt.

(Bernhard Pohl (FW): Haben Sie mir nicht zugehört? - Unruhe bei der CSU, der FDP und den Freien Wählern)

Wir wollen zwar, dass die Regierungen als Aufsichtsbehörde Personen als Mitglieder des Verwaltungsrates benennen dürfen; das wollen wir schon. Aber dass die Mitarbeiter - immerhin 32.000 - auch auf der Ebene des Unternehmens mitbestimmen dürfen, das wollen wir nicht. Selbstverständlich könnten wir das einführen. Sie wären auf der Grundlage des Artikels 175 zumindest in einer moralischen Verpflichtung, es zu tun, aber Sie wollen es nicht. So einfach ist es doch. - Letzte Bemerkung:

Herr Kollege, es geht nicht um Bemerkungen, sondern um persönliche Erklärungen zu Ihren Ausführungen.

Das ist so etwas von persönlich, Frau Präsidentin, und zwar deshalb, weil ich, mit Verlaub, seit 22 Jahren die Ehre habe, dem Verwaltungsrat einer mittelgroßen Sparkasse anzugehören und deswegen auch die Erfahrung habe, dass es gut wäre, wenn dort Mitarbeiter mitreden würden, nicht nur diejenigen, die gemeinhin dort vertreten sind.

Allerletzte Bemerkung: Mit dem, was Sie gesagt haben, passt nicht zusammen, was Sie vor wenigen Monaten beschlossen haben -

Es geht um Ihre persönliche Betroffenheit, allerliebster Kollege.

Meine persönliche Betroffenheit ist erheblich, Frau Präsidentin, weil ich nicht nachvollziehen kann, dass man auf der Ebene der Landesbank zwar einen Mitarbeiter in den Verwaltungsrat aufnimmt, es aber auf der Ebene der Spar

kassen nach wie vor unterlässt. Deswegen kann ich Sie nicht verstehen und bin ich persönlich betroffen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben Ihrem Leidensdruck ausführlich nachgegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird etwas unruhig. Ich bitte um Aufmerksamkeit für die jetzt folgenden Abstimmungen. Wir schließen zunächst einmal die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt ab und werden die Abstimmung zur Beschlussempfehlung auf der Drucksache 16/4777 durchführen. Anschließend folgt dann die namentliche Abstimmung bezüglich der Drucksache 16/3336. Ich bitte Sie, das nicht zu vergessen.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf der Drucksache 16/4777 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Wir haben es akustisch nicht verstanden! Worüber wird abgestimmt?)

Es tut mir leid, ich kann nicht erkennen, welchen Fehler ich gemacht habe.

(Thomas Kreuzer (CSU): Wir haben es akustisch nicht verstanden!)