Frau Kollegin Dittmar, ich bin im Grunde auf Ihrer Seite, wenn Sie sagen, wir brauchten nicht weitere Antragspakete, wie sie der Kollege Fahn gefordert hat. Wir brauchen aber eine gute Grundlage dafür, mit welchem Instrumentarium wir dieser Thematik Herr werden. Da geht es nicht um Schnellschüsse, sondern um ein Gesamtverständnis, damit wir am Ende das auf den Weg bringen, was tatsächlich wirkt.
Ich plädiere sehr dafür, dass wir bei der Thematik, deren Bedeutung wir alle kennen, an einem Strang ziehen und am Ende die Problematik im Sinne der Liberalitas Bavariae lösen. An der Stelle müssen wir sehr klar sein: Leben und leben lassen heißt nicht trinken und trinken lassen. Ich denke, da sind wir uns alle einig.
Herr Kollege Blume, in der letzten Sekunde hat sich Herr Kollege Fahn zu einer Zwischenbemerkung gemeldet, für die ich ihm jetzt das Wort erteile.
Herr Blume, Sie haben sich ausführlich mit den Anträgen der Opposition beschäftigt, aber einen Antrag der Freien Wähler gar nicht erwähnt. Mich würde interessieren, wie Sie zu unserem Antrag stehen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, ein Konzept für den Ausbau der bestehenden Suchtberatungsstellen in Bayern vorzulegen, das auf die räumlichen, personellen und finanziellen Erfordernisse gleichermaßen eingeht.
Des Weiteren haben Sie den Präventionspakt "wuchtig" genannt. Was ist wuchtig, wenn Sie im Rahmen vorhandener Mittel und Stellen das Ganze ausbauen wollen? Heißt das "kein Ausbau der Stellen" oder "keine Ausweitung der finanziellen Mittel"? Was ist dabei wuchtig?
Lieber Herr Dr. Fahn, dass ich auf den Antrag der Freien Wähler nicht eingegangen bin, liegt daran, dass ich der Meinung war, Sie hätten meine Argumente schon im Ausschuss so verinnerlicht, dass die Auseinandersetzung hier entbehrlich sei. Da das aber offensichtlich nicht zutrifft, sage ich das hier noch in ein paar Sätzen.
Schon im Ausschuss haben wir gesagt, dass es für die Suchtberatung viele Zuständigkeiten gibt. Dabei spielen die bayerischen Bezirke eine Rolle. Es ist nicht sachgerecht, zu sagen, man müsse in die Fläche gehen, um flächendeckend tätig zu werden, weil es solches heute nicht gebe. Sehen Sie es mir daher bitte nach, dass wir Ihrem Antrag nicht nachkommen wollen. Da hilft es auch nicht, wenn Sie jetzt weiter schreien.
Was die Wuchtigkeit angeht, ist zu sagen: Wenn wir nur auf das abstellen, was der Freistaat mit seinen eigenen finanziellen Mitteln machen kann, dann mögen Sie den Präventionspakt nicht wuchtig finden. Wenn wir aber den erfolgreichen Weg Bayerns, der in anderen Berei
chen beschritten wurde, gehen, nämlich alle Akteure einzubinden und die Möglichkeiten zusammenzubringen, dann, lieber Kollege, können wir etwas Wuchtiges auf die Beine stellen. Insofern ist es nicht falsch, hier von einem wuchtigen Ansatz zu reden.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich heute besonders, weil mein Vorredner zum Schluss seines Statements die Liberalitas Bavariae angeführt hat. Da wir diese Liberalitas haben, müssen wir uns bewusst machen, dass sie immer auch eine Verantwortung fordert.
Ich möchte in meinem Beitrag nicht das wiederholen, was mein Kollege Markus Blume schon gesagt hat. Ich bin der Meinung, dass wir das Alkoholproblem nicht mit Testkäufern, nicht mit Verboten, nicht mit den Anträgen allein, die die Opposition gestellt hat, lösen können.
In Wirklichkeit geht es um die Frage: Wie ist die Datenlage? Liebe Frau Schmitt-Bussinger, ich stimme Ihrer Äußerung zu, die nach meiner Ansicht in der Diskussion ein bisschen untergegangen ist, und wende mich damit auch an Herrn Herrmann: Die Probleme Alkohol und Gewalt, und zwar bezogen auf Opfer und Täter, kommen in der Diskussion zu kurz. Es geht immer um die Prävention. Sollte sich aber zeigen, dass an den Tankstellen in Baden-Württemberg die Datenlage in einem halben oder einem Jahr so ist, dass wir den nächtlichen Verkauf verbieten müssen, dann - erlauben Sie mir dieses persönliche Statement - muss er aufgrund der vorhandenen Datenlage verboten werden. Wir als Liberale würden uns dem nicht verschließen. So viel zur Auseinandersetzung in der Koalition und zu unserem Innenminister und der FDP.
Denn die Politik entwickelt sich immer weiter und wir müssen auf das reagieren, was jetzt Datenlage ist.
Deshalb, liebe Frau Sonnenholzner und liebe Frau Dittmar, sind das die wirklich existenziell wichtigen Stichworte, wenn wir von Schwangerschaft, Sensibilisierung für Alkoholmissbrauch und Prävention reden. Insofern gehen alle Ihre Anträge in die richtige Richtung. Die Forderungen aber, die Sie mit Ihren Anträgen gestellt
Der einzige Unterschied zwischen Ihrer Auffassung und meiner Auffassung besteht darin, dass wir sagen: Gründlichkeit muss vor Schnelligkeit gehen und erst dann kann aufgrund der Datenlage entschieden werden. Wir können zwar internationale Studien zitieren, sie sind aber nicht auf die bayerischen Verhältnisse übertragbar. Wir werden also den Weg in die richtige Richtung gehen und dabei Gründlichkeit vor Schnelligkeit stellen.
Das war mein Anfangsstatement. In den folgenden Ausführungen werde ich mich nun mit den Jugendlichen und Kindern beschäftigen, denn da handelt es sich um eine Problematik, die uns Liberalen besonders am Herzen liegt.
Jugendliche und Kinder sind schutzbedürftig, weil sie die Gefahren nicht immer richtig einschätzen können. Das Jugendschutzgesetz enthält aus diesem Grunde klare und eindeutige Regelungen zum Konsum von Alkohol. Die Diskrepanz zwischen den geltenden Regeln und der Realität ist aber groß. Neue Verbote allein helfen da nicht weiter. Gesetzliche Regelungen sind ausreichend vorhanden. Sie werden jedoch zu wenig umgesetzt. Das Gesetz aber muss eingehalten werden. Und da muss sich etwas in der Gesellschaft und im Vollzug ändern. Was wir wirklich brauchen, sind ausreichende Daten über die Ursachen des exzessiven Trinkens. Dass getrunken wird, wissen wir. Die Suchtberichte kennen wir. Aber ich glaube nicht, dass man mit den Maßnahmen, die die Opposition im Moment vorschlägt - ich sehe sie als übereilt und vorschnell an -, erfolgreich sein wird.
Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber die Eltern als Erzieher ersetzen kann. Und in diesem Zusammenhang möchte ich Frau Haderthauer ganz herzlich danken, die die Eltern in die Verantwortung nimmt.
Alkohol ist ein gesellschaftliches Problem. Alkohol ist kein Jugendproblem allein, sondern ein Gesellschaftsproblem. Die Polizei ist gefordert und nicht der Gesetzgeber. Allerdings muss es, lieber Herr Herrmann, auch Verbote für Einzelfälle geben, wenn es die Datenlage klipp und klar erfordert.
Was können wir nun machen? - Sie sagen, wir hätten in der Vergangenheit nicht genügend getan. Herr Blume ist allerdings sehr ausführlich darauf eingegangen, was wir im Bereich der Prävention in Bayern bereits gemacht haben. Was wir uns wünschen, ist eine Evaluierung bestehender Projekte, um zu erkennen, wo es sinnvoll ist, Steuermittel in das eine oder andere erfolgreiche Projekt zu geben oder anderenfalls auch nicht zu geben. Weiteres Engagement der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist nötig: kein harter Alkohol mehr an Minderjährige.
Ein Diskussionspunkt, der vielleicht zu kontroversen Debatten führt, ist die Frage, wie es aussieht, wenn jemand die Solidargemeinschaft schädigt, indem er bewusst Komasaufen anbietet oder Flatrate-Partys veranstaltet. Warum soll man die Eltern nicht für die Schäden, die die Kinder dadurch anrichten, haftbar machen? Warum sollen die Eltern nicht finanziell beteiligt werden?
- Liebe Frau Sonnenholzner, was wir brauchen, ist eine Verschärfung der bestehenden Kontrollen. Wir brauchen im Hinblick auf die Alkoholproblematik eine qualifizierte Jugend- und Sozialarbeit. Wir brauchen eine gute Bildung und Integration.
Das sind die besten Voraussetzungen, um dem Drogenkonsum vorzubeugen. Es sind die besten Voraussetzungen im Kampf gegen Armut und Gewalt. Wir müssen aus diesem Hohen Haus eine Botschaft senden, die da heißt: Dialog statt Verbot.
Ich will noch einmal kurz auf den Präventionspakt Bayern eingehen. Wir haben einen Bericht gefordert, der innerhalb kurzer Zeit, und zwar bis zum Herbst - das sind sechs Monate -, fertig sein soll. Damit erhalten wir eine neue Datenlage. Und wenn sich aus der neuen Datenlage ergibt, dass Verbote notwendig sind, dann wird auch verboten.
Es gibt das Projekt "HaLT" und die Problematik des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft. Frau Dittmar, da stimme ich Ihnen zu. Bei dieser Problematik gibt es überhaupt keine Diskussion. Aber auch das ist in unserem Antragspaket enthalten. Wir wollen, dass die Bezugsmöglichkeiten eingeschränkt werden und dass der Strafrahmen für die rechtswidrige Abgabe von Alkohol erhöht wird. Was in Ihren Anträgen nicht enthalten ist - das sehe ich sehr singulär -, ist die Forderung, dass die Kräfte, die notwendig sind, um den exzessiven Alkoholgenuss bei Jugendlichen zu unterbinden, ge
bündelt werden. Eine solche Kräftebündelung schafft nur unser Präventionspakt. Das schafft kein Einzelprojekt und auch kein Antrag von Ihnen.
Deshalb, denke ich, sind Prävention, Beratung und Jugendschutz gleichermaßen wichtig. Und deshalb müssen wir alle Akteure an den runden Tisch bringen. Nur eine gemeinsame Zielsetzung und eine aktive Aufklärung sowie unmittelbare Hilfsangebote können letztlich den Jugendlichen helfen. Das ist die liberale Botschaft. Aufklärung statt Verbote, das ist der Weg, den wir gehen wollen. Und wenn wir ihn nicht mehr gehen können, muss es in Einzelfällen auch zu einem Verbot kommen können.
Das sind die Gründe, weshalb wir Ihre Anträge ablehnen. Sie gehen zwar in die richtige Richtung, enthalten aber nur Teilaspekte, die in ähnlicher Weise in unserem Antrag akzentuiert werden. Damit ist unser Antrag sicherlich der bessere Antrag, weil er die Kräfte in Bayern bündelt.
Vielen Dank, Herr Kollege. Als nächster Redner hat sich für die Bayerische Staatsregierung Herr Staatsminister Joachim Herrmann gemeldet.
(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Tief durchatmen, Herr Staatsminister! - Ludwig Wörner (SPD): Na, dann mal los! Mal sehen, was das wird! - Weitere Zurufe von der SPD)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar dafür, dass heute eine so engagierte Debatte stattfindet. Es handelt sich in der Tat um ein eminent wichtiges Thema. Es geht um - das ist der Gegenstand der im Moment zu behandelnden Anträge - Fragen von Sucht und Gesundheit, und es sind auch Fragen der inneren Sicherheit berührt. Und es geht um Gewalttaten in unserem Land. Deshalb habe ich mich jetzt zu Wort gemeldet.
Kollege Wörner hat vorhin dem Innenministerium eine ganz umfassende Vollzugszuständigkeit zugedacht. Ich bin gern bereit, diese anzunehmen. Gegenwärtig ist die Rechtslage aber noch so, dass der Vollzug des Ladenschlussgesetzes beim Sozialministerium liegt und für den Vollzug des Gaststättengesetzes das Wirtschaftsministerium zuständig ist. Deshalb, lieber Herr Kollege Wörner, habe ich auch überhaupt keinen Zweifel, dass der Wirtschaftsminister dann, wenn es beispielsweise beim Gaststättengesetz Vollzugsdefizite geben sollte, diese selbstverständlich abstellen wird.
Ich will an dieser Stelle über die Sicherheitsprobleme sprechen. In der Kriminalstatistik über das vergangene Jahr, die ich vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt habe, ist ausgewiesen, dass es im vergangenen Jahr in Bayern rund 23.000 Gewalttaten gegeben hat. Darunter fasst die bundesweite Kriminalstatistik alles zusammen, was es unter anderem an Mord und Totschlag, Vergewaltigung und schweren und gefährlichen Körperverletzungen gibt. Damit meine ich nicht nur eine Watschn oder dergleichen, sondern wirklich schwere Körperverletzungen.