Diese schweren und gefährlichen Körperverletzungen machen allein über 80 % der Gewalttaten aus. Die Kriminalstatistik besagt, dass im vergangenen Jahr etwa 41 % der Tatverdächtigen der aufgeklärten Gewalttaten in Bayern - das sind rund 9.200 - unter Alkoholeinfluss standen. Der Befund in der Kriminalstatistik sagt auch, dass im Jahre 1996, also vor rund 14 Jahren, etwa 26 % der Tatverdächtigen von Gewalttaten unter Alkoholeinfluss standen. Innerhalb dieser letzten 13, 14 Jahre ist also der Anteil der Tatverdächtigen bei Gewalttaten unter Alkoholeinfluss von 26 % auf 41 % angestiegen. Die Zahlen der Gewalttaten von Jugendlichen zeigen, dass 1996 10,8 % der jugendlichen Tatverdächtigen unter 18 Jahren bei Gewalttaten alkoholisiert waren; im vergangenen Jahr waren es schon 28,3 %.
Viel schlimmer sind die Zahlen bei den Heranwachsenden, also bei den 18- bis 21-Jährigen. Da war es 1996 noch eine Zahl von 26 %, also ähnlich der Gesamtbevölkerung. Im vergangenen Jahr standen über 55 % aller heranwachsenden Tatverdächtigen bei Gewalttaten unter Alkoholeinfluss. 55 Prozent!
Wer sich diese Zahlen anschaut, kann doch nicht mehr bestreiten, dass es da irgendeinen Zusammenhang gibt, vor allem bei diesem dramatischen Anwachsen über die letzten 12 bis 14 Jahre.
Wenn es die gleichen Zahlen wären wie vor 20 Jahren, würde man vielleicht sagen: Das war in Bayern immer schon so. Nein, die Zahlen sind in den letzten Jahren offensichtlich dramatisch angewachsen.
Deshalb bin ich dankbar, dass sich dieses Hohe Haus so engagiert damit auseinandersetzt. Diese Zahlen belegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum einen, dass
es in der Tat nicht allein ein Problem der Kinder und Jugendlichen ist, sondern ein Problem der Gesamtbevölkerung, in ganz besonderer Weise der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren.
Deshalb - das ist der eine Schluss, den ich daraus ziehe - reicht ein strenger Vollzug der Jugendschutzgesetze allein nicht aus. Es lohnt sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber in den nächsten Monaten einmal in Ruhe nachzudenken. Wenn man die Zahlen der Jugendlichen und der Heranwachsenden einander gegenüberstellt, könnte man die Statistik sogar interpretieren und sagen, dass der heftige Sprung bei der Alkoholisierung von Gewalttätern bei Heranwachsenden, dass also die 18- bis 21-Jährigen praktisch doppelt so häufig alkoholisiert sind wie die unter 18-Jährigen, möglicherweise auch ein Indiz dafür sein könnte, dass die Jugendschutzgesetze wirken. Denn die Zahlen steigen offensichtlich ab dem Moment, wo diese Verbote nicht mehr greifen, sprunghaft an. Darüber müssen wir jedenfalls einmal gemeinsam reden und uns fragen, welche Wirkung Gesetze heute schon haben und wo wir gegebenenfalls weiter ansetzen müssen.
Ich denke, es ist auf jeden Fall richtig, folgende drei Punkte, die ich nur kurz ansprechen will, zu erörtern.
Wir sollten erstens darüber sprechen, wie es mit der Verfügbarkeit von harten Alkoholika, also den hochprozentigen, aussieht. Ich meine, wir müssen in der Analyse der Situation auch darüber nachdenken, die Verfügbarkeit von harten Alkoholika rund um die Uhr ein Stück weit einzuschränken.
Wir haben ein Ladenschlussgesetz, das Sonderregelungen für Tankstellen vorsieht. Von der Entstehungsgeschichte her ist unzweifelhaft: Die Sonderregelung für die Tankstellen bestand darin, dass man den Autofahrern rund um die Uhr ermöglichen wollte, ihr Auto aufzutanken. Nebenbei konnte dann an der Tankstelle auch noch ein bisschen was anderes - der Reisebedarf, wie es so schön heißt - verkauft werden. Der Sinn der Ausnahmeregelung für Tankstellen im Ladenschlussgesetz ist nicht, dass rund um die Uhr Wodka für jedermann verfügbar ist.
(Allgemeiner Beifall und Bravo-Rufe - Harald Gül- ler (SPD): Dann können Sie ja unserem Gesetzesvorschlag zustimmen!)
Ich bin dankbar, Herr Kollege Dr. Bertermann - ich will das ausdrücklich sagen -, dass Sie, so wie wir das auch in Aussicht genommen haben, bestätigt haben: Wir schauen uns jetzt sehr genau an, was in Baden-Württemberg passiert. Denn in der Tat haben dort CDU und
FDP das Ladenschlussgesetz geändert, haben eine klare Regelung getroffen, die allerdings erst zum 1. März in Kraft getreten ist. Darum konnten wir noch nicht viele Beobachtungen anstellen; die Regelung ist jetzt gerade einmal sieben Wochen in Kraft. Aber wir werden natürlich in enger Zusammenarbeit mit der baden-württembergischen Landesregierung analysieren, welche Wirkung das jetzt hat, ob es positive Auswirkungen gibt.
Ich will unterstreichen: Ich bin dankbar dafür, dass Kollege Dr. Bertermann hier ausdrücklich erklärt hat: Jawohl, wenn es entsprechende Erkenntnisse aus Baden-Württemberg gibt, dann wird sich selbstverständlich auch die FDP-Fraktion dem nicht verschließen.
Das Zweite ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in den nächsten Wochen schon noch einmal analysieren müssen und klare Zahlen auf den Tisch legen müssen, was die Konsequenzen der Verkürzung der Sperrzeit sind, die dieses Hohe Haus vor fünf Jahren beschlossen hat. Sie sollte einfach ein Stück mehr Freiheit auch draußen für die Kommunen geben. Die landesweit einheitlich geregelte Sperrzeit ist auf eine Stunde verkürzt worden; die Kommunen haben die Möglichkeit, aus örtlichen Gründen die Sperrzeit wieder auszudehnen.
Für eine fundierte Diskussion ist es wichtig, eine genaue Bestandsaufnahme zu machen: Wie sieht es derzeit aus? Welche Kommunen haben von dieser Möglichkeit mit welchem Erfolg Gebrauch gemacht? Welche Probleme stellen wir durch die Verkürzung der Sperrzeit in etlichen Kommunen fest? - Das mögen nicht alle Kommunen in Bayern sein, aber es sind erklecklich viele.
Mir geht es jedenfalls in den letzten eineinhalb Jahren so, dass ich kaum eine intensivere Diskussion mit einer Polizeidienststelle, wenn ich sie vor Ort besuche, führen kann, ohne dass irgendwann einmal das Geschehen vor allem in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag zur Sprache kommt.
Dieses muss, denke ich, eben auch mit allen Konsequenzen auf den Tisch. Wir werden den aktuellen Sachstand erheben. Ich kann Ihnen dazu nur aus meiner persönlichen Erfahrung sagen: Wir haben dieses Problem auch in meinem Stimmkreis, in Erlangen, erlebt. Die Polizei hat das sehr deutlich dargelegt. In der Konsequenz hat der Erlanger Stadtrat mit der Mehrheit von CSU, SPD und FDP beschlossen, die allgemeine Sperrzeit wieder auf 2.00 Uhr nachts vorzuziehen.
Das zeigt: Man muss über die Themen sachlich reden, man muss die Probleme fundiert aufarbeiten, und dann erreicht man, wie ich hoffe, auch die entsprechende Meinungsbildung in den parlamentarischen Gremien.
Das dritte Stichwort - ich will alle anderen Themen nicht erschöpfend aufgreifen -, das die Kommunen in den letzten Monaten immer wieder an uns herangetragen haben, ist das Verbot von größeren "alkoholgeschwängerten" Gelagen in der Öffentlichkeit. Hier gibt es bei uns bislang die Möglichkeit, so etwas mit einer Satzung, die auf das Straßen- und Wegegesetz gestützt ist, einzuschränken. Es gab im vergangenen Jahr in BadenWürttemberg ein VGH-Urteil, das Derartiges für unzulässig erklärt hat. Dort hatte man allerdings auch eine andere Rechtsgrundlage.
Ich habe damals erklärt, dass in Bayern dieses VGHUrteil aus Baden-Württemberg nicht einschlägig ist. Aber es gibt Kommunen in Bayern, die da immer noch verunsichert sind, und deshalb gibt es, auch in kommunalen Spitzenverbänden, die Position, man sollte eine verlässlichere Rechtsgrundlage im Landesstrafund Verordnungsgesetz schaffen, um es den Kommunen zu ermöglichen, dort, wo sie es vor Ort für notwendig halten, entsprechend zu handeln. Auch für diese Situation, auch in dieser Hinsicht ist übrigens in Erlangen - mit der gleichen breiten Koalition im Erlanger Stadtrat, mit Zustimmung der Kollegen der CSU, der SPD und der FDP - eine solche Satzung beschlossen worden.
Aber wir wollen uns anschauen, wie das in ganz Bayern aussieht und wie wir gegebenenfalls die Rechtsposition der Kommunen hier noch einmal stärken können.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist für manche öffentliche Diskussion sicherlich nicht ganz falsch, wenn Kollegin Meyer und Kollege Barfuß vorhin von Heuchelei in der einen oder anderen Frage gesprochen haben. Trotzdem sage ich Ihnen schon ganz deutlich: Ja, ich mache kein Hehl daraus, dass ich immer wieder gerne auch ein Bierfass ansteche, ich mache kein Hehl daraus, dass ich gern auch einmal eine Maß Bier trinke und gern einmal ein Glas Wein. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Gegensatz, wenn es ums Autofahren geht. Da sage ich klipp und klar: Autofahren und Alkohol vertragen sich nicht.
Aber es ist schon ein Unterschied, ob ich eine Maß Bier trinke oder eine Flasche Wodka auf einen Zug leere. Es ist ein Unterschied, ob man Freude an einem schönen bayerischen Volksfest hat oder ob man ein Recht auf den permanenten Vollrausch propagiert.
Wir haben eine Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in unserem Land. Wenn in diesen Anträgen von Suchtprävention die Rede ist, dann geht es in erster Linie darum - das ist immer Thema der Suchtprävention -, Menschen vor sich selbst zu schützen. Das ist im Kern Aufgabe der Suchtprävention. Aber wenn ich von 9.000 Tatverdächtigen bei Gewalttaten unter Alkoholeinfluss pro Jahr spreche, dann sind das, liebe Kolleginnen und Kollegen, eben auch über 9.000 Opfer, Menschen, die unschuldig Opfer von besoffenen Tätern geworden sind.
Ich denke, wir sind uns alle einig: Die Unversehrtheit von unschuldigen Opfern kann nicht gegen die Freiheit zum Saufen abgewogen werden, sondern die Unversehrtheit der Opfer muss auf jeden Fall Vorrang haben in unserer Politik. Dafür müssen wir uns einsetzen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich werde nicht ruhen, bis der Bewusstseinsbildungsprozess bei diesem wichtigen Thema das gesamte Hohe Haus ergriffen hat. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung dabei.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Als Nächste hat sich für die Bayerische Staatsregierung die Staatssekretärin aus dem Gesundheitsministerium gemeldet, Melanie Huml. Bevor ich ihr das Wort erteile, teile ich Ihnen geschäftsleitend mit, dass sich vermutlich demnächst neue Redezeiten für die Fraktionen ergeben. - Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir merken an der Debatte, dass es beim Thema Alkohol und beim Thema Alkohol und Jugendliche emotional zugeht. Wir merken aber auch, dass dies ein Thema ist, bei dem wir uns in vielen Bereichen einig sind.
Wir sind uns nämlich darin einig, und zwar über alle Fraktionen hinweg, dass wir mit den Präventionsmaßnahmen, die wir vom federführenden Ministerium bisher auf den Weg gebracht haben - wenn ich an "HaLT" denke, an "Elterntalk" und die weiteren, die es gibt -, auf
dem richtigen Weg sind. Die Prävention muss an erster Stelle stehen. Bevor wir über Verbote reden, müssen wir über Prävention sprechen. Ein Bewusstsein für den Umgang mit Alkohol brauchen wir als Allererstes, bevor wir an andere Themen denken.
Wir können feststellen, dass die Präventionsangebote, die wir haben, gut laufen. Wir haben 31 "HaLT"-Standorte, die wir ausbauen wollen, weil wir das Projekt flächendeckend haben wollen. Da gebe ich Ihnen von den Freien Wählern recht. Wir sind auch dankbar dafür, dass wir noch einmal 100.000 Euro bekommen haben, um diese Präventionsstandorte weiter ausbauen zu können. Das ist der Weg, den wir sicher weitergehen müssen.
Genauso wichtig ist, dass wir uns mit denjenigen, bei denen wir mit der Freiwilligkeit nicht weiterkommen, zusammensetzen und einen gemeinsamen Pakt auf den Weg bringen. Zuerst einmal werden wir versuchen, mit einer Art Selbstverpflichtung weiterzukommen. Wie können wir auch zusammen mit denen, die Alkohol verkaufen - das wollen wir ja nicht verbieten -, einen Pakt mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung abschließen? Wenn dies scheitert, müssen wir auch über Verbote und Gesetze nachdenken. Da teile ich die Meinung von Innenminister Joachim Herrmann und auch die Meinung von Herrn Dr. Bertermann. Da müssen wir dann aber nicht nur über Verkaufsverbote bei den Tankstellen nachdenken, sondern auch in Richtung Gaststätten gehen und das Verbot der Flatrate-Partys umsetzen. Ich halte es für immens wichtig, in diesem Bereich genau hinzuschauen und zu sehen, wie wir das gemeinsam bewegen können.
Das Gesamtpaket betrifft zwar nicht nur die Jugendlichen, aber hier liegt der Hauptfokus, weil wir wissen, dass die Zahl der Alkoholvergiftungen bei den unter 20Jährigen in den letzten Jahren um 60 % gestiegen ist. Genauso wissen wir aber, dass viele Jugendliche sehr verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen. 26 % der Jugendlichen haben in den letzten zwölf Monaten gar keinen Alkohol getrunken. Bei ihnen ist das nötige Bewusstsein vorhanden. Aber es gibt auch eine Gruppe, auf die wir aufpassen müssen. Dazu gehören für mich auch die Schwangeren, die wir präventiv verstärkt in das Gesamtpaket aufnehmen müssen. Das ist in dem Antrag auch formuliert, und ich teile persönlich die Auffassung, dass jede Schwangere, die Alkohol trinkt, eine zu viel ist. Da müssen wir sehen, wie wir das in das Gesamtpaket aufnehmen können. Das ist ein sehr wichtiger Ansatz.
Unser gemeinsames Ziel muss zuallererst ein eigenverantwortlicher Umgang mit Suchtmitteln sein, bevor wir von Verboten und Gesetzen reden. Dieser eigenverantwortliche Umgang fängt natürlich bei uns selber an, indem wir immer wieder eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen. Ich spreche nicht davon, dass gar nichts mehr getrunken werden darf; denn jeder von uns hat schon einmal gefeiert und trinkt gerne auch einmal ein Bier oder ein Glas Wein. Feiern soll Spaß machen. Feiern soll nicht krank machen, feiern soll vor allem nicht selbstzerstörend sein und zerstörend für andere, wie wir es bei den Jugendgewalttaten erleben.
Wir müssen die Jugendlichen mit dem Ziel eines eigenverantwortlichen Umgangs stärken. Dazu gehört, dass auch die Eltern im Vorfeld gestärkt sind, um den Jugendlichen Vorbilder sein zu können. Da finde ich das Projekt "Elterntalk", bei dem wir die Eltern in der Erziehungskompetenz stärken, gerade auch im Bereich der Suchtmittel, immens wichtig. Die Kollegen vor mir haben bereits erwähnt, dass wir da auf dem richtigen Weg sind. Dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, das freut mich. Denn das Thema ist zu wichtig, als dass wir uns parteipolitisch zu sehr auseinanderdividieren ließen.