Protocol of the Session on February 9, 2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Generell wäre die Wiedereinführung der staatlichen Ernährungsberatung notwendig. Leider ist es aber gar nicht mehr möglich, in jedem Landkreis im Landwirtschaftsamt Ernährungsberaterinnen zu beschäftigen; denn wir haben längst nicht mehr in allen Landkreisen Ämter vor Ort.

(Eberhard Sinner (CSU): Es gibt doch ein Landratsamt!)

Bis 2004 wurde die staatliche Ernährungsberatung ihrer Aufgabe gerecht. Sie hatte wichtige Funktionen zur Gesundheitsförderung und Prävention übernommen.

(Eberhard Sinner (CSU): Landratsämter!)

- Damals waren sie noch bei den Ämtern für Landwirtschaft, Herr Kollege Sinner. Leider mussten sie dann in die Landratsämter integriert werden, und dort wusste man überhaupt nicht, was man mit diesen Personen anfangen soll.

Aktuell haben wir aufgrund des Sparkurses des Landwirtschaftsministeriums bayernweit 20 Stellen. Dies ist nichts als ein Feigenblatt. Solche Alibi-Vernetzungsstellen bringen uns nicht wirklich weiter. Leider ist in unserer Gesellschaft ein grundlegendes Ernährungsund Verbraucherwissen nicht mehr selbstverständlich. Die Vermittlung von Alltagskompetenzen hat in den Lehrplänen noch keinen festen Platz erhalten. Das sind die Fakten. Beim Bund gibt es einige gute Ansätze, so

zum Beispiel den nationalen Aktionsplan zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten. So nennt sich dies. Es gibt das Projekt "IN FORM" oder den aid-Ernährungsführerschein. Ernährung und Bewegung wird dort groß geschrieben. Alle diese Projekte sollen mit Beispielen und Kursen die Gesundheitsförderung und -bildung unserer Kinder garantieren.

Vom Bund sind dafür auch Haushaltsmittel bereitgestellt worden. Wie werden sie aber verteilt? Hauptsächlich werden Broschüren und Informationsmaterialien zur gesunden Ernährung gedruckt. Wir brauchen bezahlte Kräfte, die auf kommunaler Ebene eine neutrale Beratung für die gesamte Bevölkerung bieten. Einige Landkreise, auch mein Landkreis Oberallgäu, haben vorbildliche Vorleistungen erbracht. Wir haben Hauswirtschaftsmeisterinnen zu Ernährungsfachfrauen ausgebildet. Wir haben Ökotrophologinnen mit eingebunden, die Krankenkassen integriert und regionale Projekte für Schulen konzipiert, die jährlich an den Grundschulen verwirklicht werden. Doch nicht nur die Schulen stehen im Blickfeld; unsere Ernährungsfachfrauen sind auch an den Volkshochschulen aktiv und halten dort Gesundheitsbildungskurse für Erwachsene ab.

Eines muss hier klar gesagt werden: Alles auf die private Ebene zu verlagern, ist falsch. Die private Ebene kann das nicht leisten. Ich fordere die Staatsregierung auf, die Arbeit der Vernetzungsstellen zu optimieren und gut umsetzbare Konzepte vorzulegen, die dem Anspruch einer Ernährungsbildung auch gerecht werden. Wir Freie Wähler stimmen den Ausführungen von Annette Karl zu und werden dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Nächste Rednerin ist für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Claudia Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Gemeinschaftsverpflegung Bayern, Vernetzungsstelle Bayern, Regiotreffs, Schulverpflegung, Ansprechpartner für Kindertagesstätten sowie Projektmanager im Rahmen des Projekts "Junge Eltern und Familien" - viele Begriffe schwirren bei der Ernährungsberatung herum.

Im Ausschuss war von Honorarkräften die Rede, die koordinierende Aufgaben auf dem Feld der Ernährung wahrnehmen sollen. - Schön, dass Frau Brendel-Fischer jetzt wieder da ist. Diese Aussage stammt von ihr. "Honorarkräfte" heißt zeitweise und projektbezogen,

das bedeutet, auch keine kontinuierliche Arbeit zu haben. Gleichzeitig heißt "Honorarkräfte", auch keine Verantwortung gegenüber Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu übernehmen. Das ist zwar nur ein Nebenaspekt, aber den möchte ich auch einmal erwähnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass Ernährungsberatung keine temporäre Aufgabe ist.

Die Zahlen sind alarmierend. Wir haben schon ähnliche oder gleiche Zahlen gehört. Bei der Einschulung 2008 waren knapp 9 % der bayerischen Kinder übergewichtig. 3,4 % waren fettleibig. Jedes sechste Kind mit Übergewicht hatte Migrationshintergrund. Circa 40 % der übergewichtigen Kinder sind in ihrer weiteren Entwicklung auch dicke Erwachsene. Dadurch entstehen massive Kosten für das Gesundheitssystem. Ernährungsberatung ist also keine Privatsache; denn die Folgeschäden zahlt die Allgemeinheit.

In einer Antwort auf eine Anfrage an das seinerzeitige Ministerium für Gesundheit und - damals noch - Verbraucherschutz heißt es: "Zutreffend ist, dass Schätzungen zufolge Ausgaben im Gesundheitssystem für ernährungsbedingte Krankheiten circa 30 % betragen." 30 % der Ausgaben im Gesundheitssystem sind wirklich eine ganze Menge. Dann aber sagt jemand von der Regierungskoalition noch, Ernährung sei Privatsache.

Es geht darum, Spätfolgen und Folgekosten, die aus einer falschen Ernährung resultieren, vorzubeugen und sie zu verringern, und nicht dann, wenn es zu spät ist, nachzubessern. Das, was wir bei der Prävention gegen ernährungsbedingte Krankheiten einsparen, zahlen wir später bei der Behandlung dieser Krankheiten doppelt. Es handelt sich bei der Ernährungsberatung sehr wohl um eine gesellschaftspolitische Aufgabe.

Die CSU hat im Landwirtschaftsausschuss den Antrag mit der Begründung abgelehnt, seit einem halben Jahr befinde sich eine koordinierende und vernetzte Ernährungsberatung im Aufbau. Rentnerinnen und Rentner könnten sich auch im Internet erkundigen. Ich wende mich dagegen, dass die Gesellschaft immer mehr gespalten wird in diejenigen, die mit dem Internet umgehen können, und diejenigen, die es nicht können.

Das sollte auch nicht der Ansatz einer Volkspartei sein, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CSU, dass die Kompetenz, im Internet surfen zu können, darüber entscheiden soll, ob sich ältere Menschen über richtiges Ernähren informieren können oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nachdem wir schon wissen, dass das liebe Geld wieder einmal das Gegenargument sein wird, kommen wir gleich mit soliden Gegenvorschlägen. Inzwischen sind wir GRÜNE das auch gewohnt. Ich kann Ihnen nur raten, unserem Antrag beim Nachtragshaushalt zuzustimmen. Wir, die Fraktion der GRÜNEN, halten das Züchten der Turbo-Hochleistungskuh nicht für eine staatliche Aufgabe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das meinen nicht nur wir, sondern das meint auch der Oberste Rechnungshof in seinem letzten Bericht. Die 20.000-Liter-Kuh - ich weiß, das ist ein wenig übertrieben - braucht wirklich niemand. Wir müssen uns entscheiden:

Wollen wir eine flächendeckende gute Ernährungsberatung, um damit einer steigenden Anzahl von dicken Kindern entgegensteuern zu können? Wollen wir das Geld in den vorbeugenden Verbraucherschutz stecken und damit immense Kosten für die Allgemeinheit sparen? Oder wollen wir mit Staatsgeldern Turbotiere züchten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte vorne am Pult. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Frau Brendel-Fischer gemeldet.

Ich möchte ganz kurz einiges ausführen. Uns ist es wichtig, dass eine sinnvolle Ernährungsphilosophie in irgendeiner Weise staatlich begleitet wird. Deshalb begrüßen wir den ressortübergreifenden Ansatz, der maßgeblich durch das Ministerium von Herrn Staatsminister Brunner begleitet wird. Wir möchten Brücken zwischen sinnvollen Kooperationen und Angeboten schlagen. Wir haben Kursangebote für Jugendliche, für Eltern und für junge Familien, die mit der personellen Besetzung, die wir momentan vorgesehen haben, gut anlaufen. Wir haben wenige Köpfe, aber diese Köpfe sind gut miteinander vernetzt und arbeiten effizient. Das ist für die Zukunft wichtig.

Im Übrigen geht es nicht nur um Ernährung, es geht um Bewusstsein für eine gesundheitsförderliche Lebensführung, die wir alle annehmen sollten. Es geht auch um regelmäßige Bewegung und einen sinnvollen Berufsalltag - das letzte gilt auch für uns Politiker.

(Beifall bei der CSU)

Ich danke Ihnen für die Zwischenfrage, Zwischenbemerkung oder was auch immer.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wer sich nicht gesund ernährt, kommt zu spät!)

Frau Stamm, Sie haben zur Erwiderung zwei Minuten Zeit. - Sie verzichten. Die letzte Wortmeldung für die FDP kommt von Herrn Dechant.

Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange meine Rede mit mehreren Fragen an, zuerst aber mit einer Feststellung. Hier wurde mit Milliarden argumentiert, die im Gesundheitswesen durch Schäden wegen falscher Ernährung verursacht werden. Wer hier im Saal glaubt denn, dass sich alle Bewohner in Bayern auf einmal vernünftig ernähren, wenn wir hundert zusätzliche Ernährungsberater einstellen? Diese Frage wird mir keiner abschließend beantworten können. Auch wenn wir zweihundert einstellen würden, würde es nicht so sein. Trotzdem könnten wir dann nicht jede alte Dame beraten.

(Eva Gottstein (FW): Haben Sie etwas gegen alte Damen?)

Das funktioniert so nicht. So viel Personal, wie wir dazu bräuchten, können wir gar nicht einstellen. Das können wir uns gar nicht leisten.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich habe vorhin schon gesagt, es ist immer schön, das Wünschenswerte zu diskutieren. Aus Sicht der Opposition kann ich auch nachvollziehen, dass wir hier Wünschenswertes diskutieren. Es muss aber das Machbare umgesetzt werden und nicht das Wünschenswerte. Wenn wir hier aber nur Wünsche wahr werden lassen, dann bricht uns alles auseinander, weil der Staatshaushalt von keinem Menschen finanziert werden kann und nicht mehr zu übersehen ist. Ich bitte Sie schon, diesen wichtigen Aspekt zu berücksichtigen.

(Beifall bei der FDP)

Noch etwas: Wir hatten vor dem Jahr 2003 ziemlich viele Stellen in der Ernährungsberatung besetzt. Hatten wir denn vor dem Jahr 2003 noch keine Probleme mit McDonald’s? Hatten wir vor 2003 noch keine Probleme mit der Ernährung? - Wir hatten dieselben Probleme, und wir hatten gleichzeitig wesentlich höhere Ausgaben. Ich bitte, das doch zu berücksichtigen.

Was mich ganz fürchterlich an diesem Antrag stört, das ist ein inhaltlicher Aspekt: Sie sagen, wir haben Probleme mit der Ernährung. Gleichzeitig spricht hier jeder nur von den Landkreisen. Was machen wir denn dann mit den kreisfreien Städten? Haben wir dort keine Probleme? - Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zurufe von den Freien Wählern: Och, Och! - Sie haben ja keine Ahnung! - Buh, buh!)

Bevor ich zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 10 komme, gebe ich, damit es keine weitere Irritationen gibt, zu Protokoll, dass nach § 156 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine Wortmeldung verfällt, wenn sich bei Aufruf eine Rednerin oder ein Redner nicht im Saal befindet. Wir haben uns im Ältestenrat auf eine stringente Handhabung dieses Paragrafen geeinigt, und zwar einstimmig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Außerdem möchte ich festhalten: Es ist zulässig, Zwischenbemerkungen durchzuführen, und diese können von der Rednerin und dem Redner so gestaltet werden, wie diese es für richtig halten.

Ich komme jetzt zur Abstimmung. Die Aussprache ist geschlossen. Der federführende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt auf Drucksache 16/3317 die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Gibt es Enthaltungen? - Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich kehre nun zu Tagesordnungspunkt 9 zurück, für den wir eine namentliche Abstimmung durchführen wollten. Es ging um den Antrag der Abgeordneten Maria Noichl, Horst Arnold, Annette Karl und anderer (SPD), Einbeziehung der Forstverwaltungen in die Evaluation der Forstreform, Drucksache 16/2754. Ich bitte Sie, Ihre Kärtchen in die Hand zu nehmen und diese in die dafür bereitgestellten Urnen einzuwerfen. Sie haben im üblichen Verfahren hierzu fünf Minuten Zeit. Bitte schön.

(Namentliche Abstimmung von 17.32 bis 17.37 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frist neigt sich dem Ende entgegen. Haben alle Ihre Karten eingeworfen?- Damit beende ich die namentliche Abstimmung.

Wir sammeln unsere letzten Kräfte für den letzten Tagesordnungspunkt. Es ist noch keine namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich rufe nun erneut Tagesordnungspunkt 4 auf. Aus diesem Tagesordnungspunkt sind noch die Nummern 33 und 34 offen. Zu diesen Anträgen wurde Einzelberatung beantragt.

Diese beiden Anträge betreffen das gleiche Thema und werden deshalb gemeinsam aufgerufen.