Protocol of the Session on February 9, 2010

Diese beiden Anträge betreffen das gleiche Thema und werden deshalb gemeinsam aufgerufen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Linus Förster, Reinhold Perlak u. a. und Fraktion (SPD) Bürgerinitiativen auf europäischer Ebene (EBI) hier: Stellungnahme zum Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative (KOM (2009) 622) (Drs. 16/3159)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stellungnahme des Landtags zum Grünbuch der Europäischen Kommission zur Europäischen Bürgerinitiative (KOM (2009) 622) (Drs. 16/3241)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die erste Wortmeldung hat Frau Rupp für die SPD-Fraktion. Bitte.

(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es überrascht nicht, dass die Frage "Europäische Bürgerinitiative" im Bayerischen Landtag zunächst keine Aufmerksamkeit erlangt hat. Die SPD-Fraktion hat dann aber einen Antrag zu diesem Thema gestellt. Eine Beteiligung am Konsultationsverfahren wäre wahrscheinlich gar nicht erfolgt, wenn wir hierzu nicht die Initiative ergriffen hätten. Wir alle würden gut daran tun, das Thema Europa stärker zu beachten; denn uns allen ist bekannt, dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl extrem gering ist und die Aufmerksamkeit extrem schlecht. Auch in diesem Parlament wird nach meiner Auffassung deutlich zu wenig dafür getan, dass Europa wirklich ernst genommen wird. Das hat sich auch bei dieser Diskussion gezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt bleibt als Ergebnis dieser Beratungen, dass die direkte Demokratie für die CSU offensichtlich nicht im Mittelpunkt der Überlegungen steht.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): He, he! - Weitere Zurufe von der CSU)

Auch inhaltlich neigt die CSU in dieser Frage eher dazu, die Bürgerinnen und Bürger davon abzuhalten, sich auf der europäischen Ebene einzumischen oder Möglichkeiten zu schaffen, die realistisch sind. Dies macht sich insbesondere an der Frage des Quorums fest. Wir haben als Kompromiss für die Europäische Bürgeriniti

ative ein Quorum von 0,2 % vorgesehen. Wir haben gehofft, dass sich alle Parteien darauf einigen.

An den Beratungen im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten haben sich - und das habe ich als sehr angenehm empfunden - Vertreter der Verbände "Junge Europäer Bayern", "Mehr Demokratie", "Europa-Union" und andere Verbände beteiligt. In dieser Debatte hat sich herausgestellt, dass ein Quorum von 0,1 % den Vorstellungen der einzelnen Verbände entspricht.

Das Argument, Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten im Rahmen der direkten Demokratie würden missbraucht, ist alt und langweilig. Dieselben Argumente haben Sie damals zu den Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vorgebracht. Jedoch werden diese Bürgerinstrumente nicht missbraucht. Ich bitte Sie alle, den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Frage deutlich mehr zu vertrauen. Ich halte es für falsch, jeglicher Art der Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern zu misstrauen. Dieses Misstrauen sollten wir von politischer Seite komplett einstellen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in unseren Diskussionen Fehler gemacht und die Europäische Bürgerinitiative auf die Ebene von Volksbegehren und Volksentscheiden gehoben. Das ist sie aber nicht. Wir haben die Diskussion zur Europäischen Bürgerinitiative zu undifferenziert geführt. Sie gibt der Kommission den Auftrag, Dinge auf den Weg zu bringen, jedoch entscheidet sie nicht selbst. Ein Vergleich mit einem Volksbegehren oder einem Volksentscheid war in dieser Debatte nicht angebracht. Die Möglichkeiten, sich an einer Bürgerinitiative zu beteiligen, welche Vertrags- und Gesetzesänderungen herbeiführen könnte, sollten im Vergleich zu einem Volksbegehren oder einem Volksentscheid erleichtert werden.

Wir haben unseren Antrag in der Art abgeändert, dass das Quorum von 0,2 % durch das Quorum von 0,1 % ersetzt worden ist. Außerdem haben wir die einleitende Passage geändert. Diese Änderungen sind leider bis jetzt nicht in die Drucksache aufgenommen worden. Ich bitte darum, diese Änderungen zu berücksichtigen.

Nun spreche ich einen letzten Punkt an, der für uns sehr wichtig ist. Gerade junge Menschen interessieren sich leider nur sehr wenig für Europa. Das Mindestalter für die Beteiligung an einer Bürgerinitiative sollte auf 16 Jahre festgesetzt werden, da die Europäische Bürgerinitiative unter einer Wahlentscheidung angesiedelt ist. Ich habe die Ängste, Sorgen und Nöte zu der Festsetzung des Mindestalters auf 16 Jahre nicht verstanden, die letztendlich einen Kompromiss verhindert haben. In anderen Ländern Europas dürfen Jugendli

che schon mit 16 Jahren wählen. Insofern hätte großzügig verfahren werden können, indem einer Beteiligung von Sechzehnjährigen an der Europäischen Bürgerinitiative zugestimmt worden wäre. Durch die Europäische Bürgerinitiative eröffnet sich die Möglichkeit, mit den Jugendlichen inhaltlich in die Debatte über europapolitische Regelungen einzusteigen. Dies ist leider nicht passiert. Das bedauere ich sehr. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bayerische Landtag entschiedener und kraftvoller am Konsultationsverfahren teilnimmt.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN ist Frau Kamm. - Ich bitte Sie um ein wenig Konzentration. In 20 Minuten ist die Sitzung vorbei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Europa wächst immer mehr zusammen. Das ist gut so. Unentbehrlich für ein funktionierendes Europa ist die Einführung von Instrumenten der direkten Demokratie auf europäischer Ebene. Heute steht die Europäische Bürgerinitiative zur Diskussion, die jedoch nicht - meine Kollegin Adelheid Rupp hat dies bereits erwähnt - die Entscheidungen des Parlaments oder der Kommission ersetzt. Die Europäische Bürgerinitiative gibt den Bürgerinnen und Bürgern in Europa lediglich die Möglichkeit, eine Initiative einzubringen, über welche die Europäische Kommission innerhalb von sechs Monaten entscheiden muss. Damit besteht im Rahmen dieser Initiative lediglich ein Initiativrecht, das jedoch nicht zu entsprechenden Entscheidungen berechtigt. Die Europäische Bürgerinitiative kann nur Anstöße geben. Von daher sollten wir die Europäische Bürgerinitiative nicht mit zu hohen Hürden belasten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher halten wir es für ausreichend, nur "ein Fünftel" der europäischen Staaten formell zu beteiligen. Wir sollten von den Initiatoren nicht fordern, von 0,2 % der wahlberechtigten Bevölkerung je Mitgliedstaat Unterschriften zu sammeln. In der Bundesrepublik Deutschland - zusammen mit den nötigen Unterschriften in anderen Ländern - wären dies Unterschriften von über einer Million Bürgerinnen und Bürger.

Wie die SPD sind wir davon überzeugt, dass sich eine Beteiligung an der Europäischen Bürgerinitiative insbesondere von Jugendlichen positiv auswirken würde. Außerdem hoffen wir, dass wir möglichst unbürokratische Instrumente zur Überprüfung und Authentifizierung der geforderten Unterschriften finden können. Wir halten es nicht für sinnvoll, eine solche Initiative auf

einen zu engen Zeitraum zu begrenzen. Darüber hinaus begrüßen wir eine möglichst große Transparenz der Bürgerinitiativen.

Unter der Voraussetzung einer geleisteten Mindestanzahl von Unterschriften wäre eine entsprechende Unterstützung von Seiten der Europäischen Kommission zu begrüßen. Den Initiativen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Text in andere Sprachen übersetzen zu lassen. In Europa existieren viele Sprachen, die nicht Allgemeingut sind. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn die Europäische Kommission über die Initiativen nicht nur urteilt, sondern ihnen nach der Sammlung einer Mindestzahl an Unterschriften ein Anhörungsrecht zuspricht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ermöglichen wir den Bürgerinnen und Bürgern eine möglichst unbürokratische Europäische Bürgerinitiative. Ermöglichen wir den Bürgerinnen und Bürgern Europas ein Instrument, über das sie sich mit ihren Anliegen direkt an die Europäische Kommission wenden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Sauter hat sich für die CSU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln Anträge, die im federführenden Ausschuss bereits abgelehnt worden sind.

(Zurufe)

- Dann müssen wir den Lautsprecher lauter stellen.

(Harald Güller (SPD): Ob das was ändert, wissen wir auch nicht!)

Der Lautsprecher ist voll aufgedreht. Bitte fahren Sie das Rednerpult ein wenig hoch. - Perfekt.

Ich sollte meine Stimme dennoch nicht zu laut erheben, da diesbezüglich schon einige Kommentare abgegeben worden sind. Ich möchte mich ungern in den Kreis derjenigen einreihen, die dazu bereits kommentiert worden sind.

Wir beraten heute Anträge, die im federführenden Ausschuss schon abgelehnt worden sind. Im federführenden Ausschuss ist ein Antrag der CSU beschlossen worden, der die Grundlage der Stellungnahme dieses Parlaments darstellt. Die jetzige Debatte dient dazu,

dass die Anträge, die erneut beraten werden, abgelehnt werden.

Wie dem auch sei, Frau Kollegin Rupp hat heute dafür geworben, dass Kompromisse gefunden werden. Dies war im Ausschuss leider nicht möglich, weil Frau Kollegin Rupp erklärt hat, es werde so gemacht, wie sie es wolle; etwas anderes gebe es nicht. Das ist eine Vorgehensweise, die als wenig erfolgversprechend anzusehen ist. Daher haben wir uns auch schwergetan, einen Weg zueinander zu finden.

Ansonsten wird natürlich begrüßt, dass es die Europäische Bürgerinitiative gibt. Im Rahmen des Konsultationsprozesses haben wir uns daran beteiligt.

Im Zuge dessen waren im Ausschuss einige Fragen kontrovers, von denen ich aber glaube, dass es nicht nur die eine Wahrheit gibt, die eben dargestellt worden ist.

Ich gebe Ihnen einmal etwas zum Rechnen. In dem jeweiligen Land müssen 0,2 % der Bevölkerung unterschreiben. Frau Kollegin Kamm hat aber gerade von Millionen geredet, die allein in Deutschland unterschreiben müssten. Vielleicht unterliege ich einem Rechenfehler. Aber ich unterstelle für die Bundesrepublik Deutschland einmal eine Bevölkerung von 80 Millionen Einwohnern. Nach der alten Rechnung ist ein Drittel nicht wahlberechtigt. Jetzt sage ich einmal großzügig, dass wir dann bei 50 Millionen Einwohnern landen. Bei dieser Zahl ist das Rechnen einfacher. 0,2 % von 50 Millionen ergeben bei mir 100.000. Aber vielleicht habe ich da einen Fehler gemacht. Vielleicht gibt es hier jemanden, der auf eine Million kommt.

Auf alle Fälle würden also bei uns 100.000 Unterschriften ausreichen. Europaweit brauchen wir insgesamt eine Million.

Wir sollten einmal daran denken, dass es vor Kurzem im Rahmen der Vorbereitung eines Volksbegehrens gelungen ist, dass 1,3 Millionen Unterschriften geleistet worden sind, und zwar nur im Freistaat Bayern, der nicht die vorhin genannten 80 Millionen Einwohner hat, sondern sich im unteren zweistelligen Millionenbereich bewegt. So können Sie vielleicht nachvollziehen, dass die Zahl von 0,2 oder 0,1 % nicht so entscheidend ist, um zu bewerten, ob es eine ausreichende Beteiligung geben wird oder nicht. 0,2 % ist eine durchaus vertretbare Zahl. Deshalb haben wir uns im Ausschuss dafür entschieden.

Was das Alter anlangt, ab dem man sich beteiligen darf, so ist es wirklich fair, zu sagen: Wir orientieren uns an dem Alter, das in den einzelnen Staaten der Europäischen Union für die Wahl zum Europäischen Parlament vorgeschrieben ist. Das ist eine Lösung, die jedem

Staat die Regelung im Rahmen seiner Souveränität überlässt und niemandem vorgreift. Damit geriert sich auf europäischer Ebene niemand besserwisserisch. Vielmehr soll es jeder Staat so machen, wie er es für sein eigenes Land entschieden hat.

Nachdem wir uns für die genannte Lösung entschieden und sie im Ausschuss mehrheitlich durchgesetzt haben, bestand heute für die Opposition die Möglichkeit, ihre Position so darzustellen, wie sie sie gern verwirklicht sähe.

Inwiefern das mit dem Verfahren nach § 151 der Geschäftsordnung vernünftig in Einklang zu bringen ist, Frau Vizepräsidentin, bitte ich einmal im Ältestenrat zu prüfen. Es ist kurios, dass auf der einen Seite nach § 151 im Ausschuss statt in der Vollversammlung beschlossen wird. So ist es jetzt geschehen. Dann kommt die Opposition mit den Anträgen, die abgelehnt worden sind, um sie hier zur Debatte zu stellen und das Thema hier aufs Tapet zu bringen.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))

- Ich halte dieses Verfahren für grundsätzlich überdenkenswert; denn ich bin nicht dafür, dass man auf der einen Seite im Ausschuss verbindlich entscheidet und dann auf der anderen Seite die Geschichte wieder ins Plenum zieht.