Protocol of the Session on February 4, 2010

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger erwarten auch - vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Steuern korrekt bezahlen und bezahlen müssen, wobei der Sachbearbeiter bei ihnen auf den Cent genau hinschaut -, dass ihre Steuerehrlichkeit auch auf der ganzen Ebene zieht. Die Reaktion auf die "Münchner Runde" vom Dienstag in Gestalt des Anruferverhaltens hat ge zeigt, dass hier die Grundfesten der Bürgerinnen und Bürger, was die moralischen Fragen der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit anbetrifft, zutiefst betroffen sind. Es ist ungerecht, dass diejenigen nicht ihren ver pflichtenden Beitrag zu dieser Gesellschaft leisten. Noch einmal: Steuerhinterziehung ist unsozial und, wenn ich mir diesen Begriff erlauben darf, eine ziemlich unpatriotische Sache.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir dürfen aber nicht vergessen - das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt -, dass wir zugleich über den kon sequenten und gerechten Steuervollzug im Allgemei nen reden müssen. Der konsequente Steuervollzug ist wichtig für das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölke rung. Er dient dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern davor, dass sie die Steuerlast zuneh mend allein oder doch sehr stark aufgebürdet bekom

men. Es besteht die Gefahr eines schleichenden Übergangs vom gleichmäßigen gesetzlichen Vollzug zur Selbstveranlagung von bestimmten Gruppierun gen, etwa bei Betriebsprüfungen, wo nur alle 15, viel leicht alle 30 Jahre Betriebsprüfungen stattfinden. Der Kapitaltransfer ins Ausland wird erst durch laschen Steuervollzug ermöglicht.

Leider - das ist die bittere Quintessenz - schaut es beim Steuervollzug auch im Freistaat Bayern nicht so aus, dass diese zentralen Belange berücksichtigt werden. Das zeigen die Prüfungsanmerkungen des Bayeri schen Obersten Rechnungshofs seit Jahren. In prak tisch jedem zurückliegenden Bericht des Obersten Rechnungshofs wurde in den letzten Jahren massive Kritik an der Personalausstattung des Steuervollzugs des Freistaates Bayern geäußert.

Einige Kostproben will ich Ihnen nicht vorenthalten. Nur zur Information.

Bei der Besteuerung der Einkünfte aus der Ver mietung oder der Verpachtung von Immobilien weist ein Viertel der geprüften Bescheide Mängel in der Sachverhaltsermittlung und/oder der Rechtsanwendung auf. Dies führt bei vorsichtiger Hochrechnung zu jährlichen Steuerausfällen von 150 Millionen Euro.

Die Veranlagungsqualität bei Steuerfällen mit hohem Risikopotenzial ist mangelhaft und führt zu einem vorsichtig geschätzten Steuerausfall von mindestens 39 Millionen Euro jährlich. Die Aus wahl gründlich zu prüfender Steuerfälle und der Personaleinsatz richten sich zu wenig am mögli chen Steuermehrertrag aus.

Ebenfalls 2007:

Die Steuerfahndungsstellen und hier vor allem das Finanzamt München I können ihren Auftrag nur eingeschränkt erfüllen. Dies führt zu jährlichen Steuerausfällen von mindestens 34 Millionen Euro, davon allein 24 Millionen im Großraum München.

Bei der Feststellung der Gewinne oder Verluste großer Personengesellschaften verlassen sich die Finanzämter zu weitgehend auf deren freiwillige Mitarbeit. Ein maschineller Abgleich zwischen den erklärten Gewinnen und der Gewinnverteilung auf die Gesellschafter unterbleibt wegen der unzu reichenden IT-Unterstützung.

Ich könnte das fortsetzen. Es geht uns darum, dass wir endlich dazu kommen, dass die Personalausstattung der Steuerprüfung, aber auch der Steuerfahndung ins gesamt so ist, dass sie einen gerechten Steuervollzug gewährleisten kann. Hier ist Bayern unter den Bundes ländern immer noch bundesweit absolutes Schluss licht. Es geht darum, dass wir diese Zustände beenden und insgesamt zu einem gerechten Steuervollzug in Bayern kommen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die CSU-Fraktion erteile ich nun dem Kollegen Alexander König das Wort. Bitte schön.

(Vom Redner nicht autori siert) Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich will für unsere Fraktion klarstellen, dass aus unserer Sicht die Annahme und Verwertung der angebotenen Steuerdaten nicht nur ge boten, sondern unumgänglich ist. Soweit der konkrete Fall bekannt ist - so muss man jetzt sagen, denn alles, was wir wissen, lesen wir in Zeitungen, sehen wir im Fernsehen oder hören wir im Radio -, sind unterschied liche Rechtsgüter betroffen: auf der einen Seite offen sichtlich, sage ich jetzt einmal, der privatrechtliche Geheimhaltungsanspruch einer Schweizer Bank ge genüber einem wahrscheinlichen Mitarbeiter und auf der anderen Seite der Steueranspruch und der An spruch auf Mitwirkung bei der Steuererhebung des deutschen Volkes gegenüber einer Vielzahl von deut schen Steuerpflichtigen. Die Abwägung dieser Rechts güter, soweit nur diese betroffen sein sollten, fällt meines Erachtens eindeutig, eindeutig zugunsten einer Verwertung dieser angebotenen Daten aus, zumal das ist meine Meinung hierzu - der Staat Schweiz seit Jahrzehnten die Steuerhinterziehung ausländischer Steuerpflichtiger erleichtert, um nicht zu sagen fördert.

(Zuruf von der SPD: Mittäter!)

Ich denke, dass die Schweiz und auch die dortigen ein schlägigen Institutionen aufgrund ihres Verhaltens in nerhalb der internationalen Staatengemeinschaft in einer solchen Situation keinen besonderen Schutz ver dienen. Vielmehr haben die Menschen in unserem Land, die vollumfänglich und pünktlich ihre Steuern zahlen, geradezu einen moralischen Anspruch darauf, dass die angebotenen Daten selbstverständlich ange nommen und auch verwertet werden.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug gendorfer (SPD))

Daran vermag auch die Leistung einer vergleichsweise bescheidenen Belohnung für den Lieferanten der Daten meiner Meinung nach nichts zu ändern, zumal auch bei

sonstigen Straftaten nicht selten Belohnungen ausge setzt werden, wenn ich das einmal vergleichen darf, wobei es heißt: Für sachdienliche Hinweise, die zur Er greifung der Täter führen, wird eine Belohnung in Höhe von irgendetwas ausgesetzt. - Von daher begrüßen wir die Annahme und Verwertung dieser Daten ausdrück lich.

Nun zu den einzelnen Anträgen. Sehr geehrter Herr Kollege Mütze, dem Antrag der GRÜNEN könnten wir nach allem, was ich sagte, zustimmen. Allerdings wis sen Sie, dass wir der wesentliche Bestandteil einer Koalition sind und dass wir einen Koalitionsvertrag haben, der es uns gebietet, einheitlich abzustimmen. Wir sind also aufgrund des Koalitionsvertrages leider daran gehindert, Ihrem Antrag zuzustimmen.

(Lachen bei den GRÜNEN und der SPD)

Dem Antrag der SPD-Fraktion könnten wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, dagegen auch ohne Koalition nicht zustimmen, weil er - ich bitte Sie wirklich, Ihren Antrag noch einmal anzuschauen den untauglichen, um nicht zu sagen unverschämten Versuch enthält, quasi die Bayerische Staatsregierung dafür verantwortlich zu machen, dass eine Vielzahl Steuerpflichtiger ihr Geldvermögen außerhalb des Landes, in diesem Fall offensichtlich in die Schweiz, verbracht hat. Mit dieser Art der Formulierung disquali fizieren Sie sich ausdrücklich selbst. Ich darf sie Ihnen noch einmal ausdrücklich vorhalten. Sie schreiben unter Ziffer 2 Ihres Antrags:

Der Landtag stellt fest, dass in Bayern der Steuer vollzug unzureichend ist. Dadurch wird Steuerhin terziehung viel zu leicht gemacht und es erst möglich, dass unversteuerte Gelder ins Ausland transferiert werden.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, ich bitte Sie wirklich, noch einmal darüber nachzuden ken, ob Sie das ernst meinen. Unabhängig davon bin ich davon überzeugt, dass es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Steuerverwaltung ganz bestimmt nicht verdient haben, dass ihnen der Bayerische Land tag einen mangelhaften Steuervollzug vorwirft.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, er lauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner von der SPD?

(Vom Redner nicht autori siert) Nein. Vielen Dank. Auf Zwischenfragen des Kol legen Wörner kann ich gern verzichten.

Diese zweifelhafte und wirklich unsolide Arbeitsweise Ihrer Fraktion, Herr Kollege Wörner, zeigt sich auch in der Begründung, in der es dann zum Beispiel heißt:

Nach Presseberichten führt der Personalmangel in den Finanzämtern zu beträchtlichen Steuerausfäl len, pro Jahr rund 600 Mio. Euro allein in München, etwa eine Milliarde Euro in ganz Bayern.

Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich jetzt schon so etwas lesen kann, dauert es bestimmt nicht mehr lange, bis Sie hier Anträge einbringen, in deren Begründung steht: Vom Hörensagen haben wir gehört … Das ist keine solide Arbeit. Dem können wir nicht zustimmen.

(Zuruf der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

Dem Grundanliegen - ich hoffe, das habe ich deutlich gemacht - würden wir gern zustimmen, sind aber, ver ehrte Frau Kollegin Bause, durch den Koalitionsvertrag leider daran gehindert.

(Beifall bei der CSU - Johanna Werner-Muggen dorfer (SPD): Dürfte, hätte, würde!)

Herr Kollege König, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult stehen. Herr Kollege Wörner hat sich für eine Zwischenbemer kung zu Wort gemeldet. Da er schneller war als Kollege Halbleib, erhält er das Wort.

(Zuruf von der CSU-Fraktion: Man muss auch die Rangordnung in der Fraktion beachten!)

Zunächst darf ich für unsere Fraktion feststellen, dass wir nicht kritisieren, was un sere guten bayerischen Steuerbeamten tun. Wir kriti sieren vielmehr, dass Sie sie seit Jahren zu kurz halten.

(Beifall bei der SPD)

Sie halten sie zu kurz in der Personalausstattung und in dem, was sie tun sollten, um zu verhindern, dass möglicherweise Geld ins Ausland transferiert wird.

Gemeldet habe ich mich allerdings aus einem anderen Grund. Sie unterstellen uns, wir unterstellten Ihnen, die Staatsregierung sehe mehr oder weniger zu, wenn Geld ins Ausland transferiert wird. Darf ich Sie daran erinnern,

(Zuruf von der CSU: Nein! - Heiterkeit bei der CSU)

dass es die Landesbank unter Duldung des damaligen Finanzministers Faltlhauser war - das war auch Ge sprächsthema hier im Plenum -, die in Zeitungen für stille Konten in Lichtenstein geworben hat? Das haben Sie mit Ihrem Finanzminister mitgetragen. Wer so etwas macht, muss sich nicht wundern, dass man da

rüber nachdenkt, wie das weitergeht. Unter diesem Aspekt ist das, was Sie selbst formuliert haben, mögli cherweise sogar richtig.

Herr Kollege König, Sie haben zur Erwiderung das Wort.

Herr Kollege Wörner, es wird nicht mehr lange dauern, bis Sie uns sagen, Sie könn ten demnächst übers Wasser wandeln. Die Beispiele, die Sie anführen, sind wirklich an den Haaren herbei gezogen.

(Ludwig Wörner (SPD): Sie stimmen!)

Ich habe Ihnen Ihre eigenen Worte entgegengehalten. Dazu haben Sie nichts gesagt. Ich darf nochmals zitie ren. Sie schreiben in Ihrem Antrag: