Protocol of the Session on January 27, 2010

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen herzlichen Dank. - Für die SPD spricht die Abgeordnete Frau Weikert.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Meyer, Ihre Antragsbegründung findet in vielen inhaltlichen Punkten bei uns, aber auch bei den anderen Parteien Zustimmung. Ich muss Ihnen aber auch sagen, dass ich das gewählte Verfahren etwas merkwürdig finde.

Sie als FDP-Fraktion stellen im Bayerischen Landtag, in dem Sie sich in einer Koalition mit der CSU befinden, einen Antrag und fordern die Bundesregierung auf, wo ebenfalls Schwarz-Gelb regiert, etwas zu tun, was Sie wollen. Sie werden mir wohl zustimmen, wenn ich sage, dass dieses Verfahren ein wenig ungewöhnlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Denn eigentlich kann es nur den Hintergrund haben, den Sie auch angedeutet haben, dass Sie sich innerhalb dieser Koalition sowohl in Bayern als auch im Bund schwer tun, mit Ihren ursprünglichen Themen wie Freiheit und Menschenrechten durchzukommen. Der Hintergrund ist, dass sich die FDP in dieser Koalition letztlich nicht durchsetzen kann.

Sie haben angekündigt, es gebe ein Positionspapier der CSU zu der laufenden Diskussion darüber, wie wir in Bayern bezüglich des Aufnahmegesetzes weitermachen. Wir haben eine bayerische Regelung. Wir sind sehr darauf gespannt. Frau Meyer, wir warten aber immer noch auf die Terminierung im sozialpolitischen Ausschuss. Alle Parteien außer der CSU haben sich zu diesem Thema positioniert.

Auf den von Ihnen angesprochenen Antrag, gehe ich gern ein. Frau Meyer, Sie haben zu Recht bemerkt, dass der Antrag der SPD der weitergehende ist. Ich meine - das sage ich jetzt einmal ein wenig flapsig -, der Antrag, den Sie stellen, ist weder Fisch noch Fleisch, sondern er ist Quatsch.

(Beifall bei der SPD)

"Residenzpflicht lockern" - diesen Satz haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das muss ich Ihnen vorhalten. Dieser Satz steht wörtlich so drin. Aber

warum erfolgt dann dieser Antrag? Darauf will ich aber jetzt nicht weiter herumhacken.

Was heißt "Residenzpflicht lockern"? Inhalt der Residenzpflicht ist nichts anderes als eine Gängelung von Asylbewerbern in ihrem unmittelbaren Alltagsleben. Er ist nichts anderes als der Aufbau einer völlig unnötigen Bürokratie. Er beschäftigt die zuständigen Ausländerbehörden und hat sachlich keinerlei Hintergrund. Die Residenzpflicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde eingeführt, weil man Bedenken hatte, wenn sich ein Asylbewerber in Nürnberg beim Sozialamt meldet, er am gleichen Tag nach München fährt und sich dort noch einmal anmeldet. Das war der tiefere Hintergrund für diese Residenzpflicht.

Dieses ist aber längst nicht mehr möglich. Durch die Identifikation eines jeden Menschen, der unser Land an der Grenze betritt, mit dem Fingerabdruck und mit all diesen Möglichkeiten, die es gibt, ist das längst ausgeschlossen. Es ist also eine völlig überflüssige Regelung im Asylverfahrensgesetz. Und dass Sie hineinschreiben, dass die Wohnsitzbeschränkung erhalten bleiben solle, ist doch genauso Quatsch, Frau Meyer. Jeder, der in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnt, kann gar nicht woanders hinziehen. Jeder, der über das Sozialamt der örtlichen Gemeinde Sozialhilfe, Grundsicherung oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, ist an einen Wohnort gebunden. Es ist also Quatsch.

Man kann mit dieser Residenzpflicht nur eines machen: sie abschaffen. Das wäre wirklich ein Akt der Menschlichkeit. Das würde letztlich auch viele Strafverfahren verhindern, weil sich sehr viele Ausländerverfahren auf diese Residenzpflicht beziehen. Sie würden die Gerichte entlasten. Sie würden damit einen Beitrag zum Bürokratieabbau und zu einem Stück mehr Menschlichkeit leisten. Der Antrag ist sachlich völlig ungerechtfertigt.

Ich komme zu einem zweiten Punkt, dem Sachleistungsprinzip. Es muss weiterentwickelt werden - damit haben Sie völlig recht -, aber wir fügen hinzu: mit dem Ziel der eigenständigen Lebensführung der Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Das muss das Ziel sein. Wir werden uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die CSU-Fraktion erteile ich Kollegen Seidenath das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen zwei Dringlichkeitsanträge vor, die sich mit der sogenannten Residenzpflicht beschäftigen, also mit der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung.

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist es - darüber sind wir uns in diesem Hohen Haus einig -, Flüchtlingen, die in einer elementaren Notlage zu uns kommen, Schutz und Obdach zu gewähren. Getreu unserem christlichen Menschenbild müssen und werden wir mit Flüchtlingen menschlich und human umgehen.

Wir hatten am 23. April 2009 eine längere Anhörung im Landtag, in der Verbände und Betroffene ihre Sorgen und Nöte vorgetragen und insbesondere an der Residenzpflicht Kritikpunkt geübt haben. Es hat sich unisono durch fast alle Beiträge gezogen, dass eine Lockerung dieser Residenzpflicht eine humane Aufwertung unseres Umgangs mit Asylbewerbern in unserem Land bedeuten würde, wenn man auch mal in den Nachbarlandkreis fahren, wenn man Freunde und Verwandte besuchen und wenn man auch von Dachau aus in die angrenzende Stadt München fahren könnte, was bis jetzt vom Gesetz her nicht möglich ist. Die Residenzpflicht zu lockern, ist also ein großes Petitum.

Andererseits ist es notwendig - das darf man nicht unterschätzen -, für das Asylverfahren die Asylbewerber greifbar zu haben, denn wir wollen das Verfahren schnell abwickeln. Es ist im Interesse aller, das Asylverfahren möglichst zu beschleunigen.

Deshalb ist das Ganze bundesgesetzlich in §§ 56 ff des Asylverfahrensgesetzes geregelt. Dort wird die Aufenthaltsgestattung räumlich beschränkt, aber es gibt schon jetzt Ausnahmemöglichkeiten im Gesetz. In § 58 Absatz 6 des Asylverfahrensgesetzes heißt es: "Um örtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmen, dass sich Ausländer ohne Erlaubnis vorübergehend in einem die Bezirke mehrerer Ausländerbehörden umfassenden Gebiet aufhalten können."

Schon jetzt gibt es also die Möglichkeit, diese Residenzpflicht zu durchbrechen. Genau das wollen wir, meine Damen und Herren, tun. Wir wollen auf diese Weise unserer humanitären Verpflichtung nachkommen. Wir wollen künftig von diesen bundesgesetzlich eingeräumten Möglichkeiten großzügig Gebrauch machen.

(Christa Steiger (SPD): Das wollen Sie jeder Ausländerbehörde vorschreiben?)

Nur noch in der Hälfte aller Landkreise und kreisfreien Städte existiert überhaupt eine Gemeinschaftsunterkunft. Es ist auch so, dass wir in unserem Land ver

schieden große Städte haben und sich die Residenzpflicht deswegen auf verschieden große Bereiche bezieht. Auch deswegen wäre es eine unbillige Härte, diese Residenzpflicht nicht grundsätzlich zu lockern.

Deswegen - darauf hat sich die CSU-Fraktion geeinigt und der Fraktionsvorstand hat das gestern Abend abgesegnet - soll die erforderliche Zustimmung der angrenzenden Ausländerbehörde außer bei offensichtlicher Missbrauchsgefahr grundsätzlich erteilt werden. Das wird kommen. Das schafft die Staatsregierung auch aus eigener Kraft bereits durch die bundesrechtlich eingeräumten Möglichkeiten.

Der Dringlichkeitsantrag der FDP, den wir unterstützen werden, formuliert darüber hinaus auch einen Antrag auf Bundesebene. Das gilt vor allen Dingen mit Blick auf die EU-Aufnahmerichtlinie, die kommen wird. Sie wird möglicherweise auch Handlungen des Bundes erfordern. Für diesen Fall ist im Dringlichkeitsantrag ganz klar ausgesagt, dass hier einerseits eine hinreichende Mobilität, andererseits aber weiterhin Wohnsitzbeschränkungen möglich sein sollen, um das Verfahren effektiv und rasch gestalten zu können. Das ist also der Kompromiss, wie wir ihn auch in Bayern umsetzen werden.

Aus diesem Grund - Lockerung der Residenzpflicht werden wir dem FDP-Antrag zustimmen. Die Residenzpflicht kann aus den Gründen, die ich genannt habe, nicht vollständig aufgehoben werden. Deswegen werden wir den SPD-Antrag ablehnen.

Dass wir das Asylbewerberleistungsgesetz im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip evaluieren werden, ist schon im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgehalten. Wir werden also seine Folgen überprüfen, wir werden es weiterentwickeln. Das ist auch schon in den letzten Jahren in einigen Teilen geschehen. So ist zum Beispiel ein Bestellsystem für die Versorgung der Asylbewerber mit Lebensmitteln eingeführt worden. Daran sieht man, dass dieses Sachleistungsprinzip bereits modifiziert worden ist. Diese Evaluation wird weitergehen.

Bei dieser Evaluation müssen wir auch - das ist heute etwas kurz gekommen - die Argumente beachten, die gegen eine Aufhebung des Sachleistungsprinzips sprechen. Zum Beispiel sollten wir keinen Anreiz bieten, dass sich Asylbewerber ihre Leistungen vom Munde absparen, um beispielsweise an Schlepper oder Verwandte im Heimatland Geldzahlungen zu leisten. Das darf nicht sein; denn die Leistungen sollen beim Asylberechtigten, beim Asylbewerber direkt ankommen und nicht bei anderen, die ihn vielleicht unter Druck setzen oder die daran ein besonderes Interesse haben. Diese

Argumente gelten im Übrigen auch für ein Gutscheinsystem.

Deshalb wird, wie in dem Dringlichkeitsantrag festgehalten, das Sachleistungsprinzip evaluiert und überprüft. Dabei ist, wie gesagt, auch das Bestellsystem zu sehen. Das ist eine positive Entwicklung. Deshalb von unserer Seite Zustimmung zum Antrag der FDP, Ablehnung des Antrags der SPD.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Fraktion der Freien Wähler darf ich nun dem Kollegen Hanisch das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein echter Dringlichkeitsantrag sieht bei uns anders aus.

(Christa Steiger (SPD): Das stimmt!)

Als wir den Antrag gelesen haben, waren wir sofort dafür; denn er klingt so gut. "Residenzpflicht lockern", das wollen wir; "Sachleistungsprinzip überprüfen", das wollen wir auch.

(Brigitte Meyer (FDP): Also Zustimmung!)

Als wir dann näher hingesehen haben, haben wir festgestellt, dass die Bayerische Staatsregierung all das, was sich die FDP wünscht, schon seit Jahren machen könnte, so sie denn wollte.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD - Zuruf von der FDP)

- Ja, natürlich! Wenn ich Mitglied dieser Regierung bin, muss ich doch nicht den Weg gehen, hier im Bayerischen Landtag einen Schaufensterantrag zu stellen, sondern dann kann ich das im Ministerrat oder wie auch immer klären und entsprechende Regelungen beschließen.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

- Herr Kollege Schmid, wenn es jetzt zum politischen Handwerk der CSU gehört, dass man das auch noch decken muss, dann ist das ein neuer, aber kein guter Weg.

Nein, meine Damen und Herren, dazu gibt es gesetzliche Regelungen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Kennen Sie den Unterschied zwischen Exekutive und Legislative?)

- Natürlich. Aber wenn ich als Legislative auch in der Exekutive bin, Herr Kollege, dann ist es ein Armutszeugnis, wenn ich diesen Weg eines Schaufensterantrags gehen muss.

(Beifall bei den Freien Wählern, der FDP und der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Ich wollte es nicht sagen, aber einer Ihrer Kollegen vielleicht erinnern Sie sich daran -, hat hier vor einigen Monaten gesagt: "Man muss nicht in Berlin anrufen, wenn man es zu Hause erledigen kann." Und wir sind hier in Bayern, wir sind in München zu Hause und können das selber erledigen.