Protocol of the Session on January 27, 2010

Was mich auch verwundert: Ich habe mir den Koalitionsvertrag von CSU und FDP angeschaut. Dort heißt es: "Einen funktionierenden Wettbewerb" möchten Sie durchsetzen im Strombereich. "Besonderes Augenmerk legen wir auf die leistungsfähigen kleinen und mittleren Energieversorgungsunternehmen in kommunalem, genossenschaftlichem oder Privateigentum." Wo sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von Ihrer Politik profitieren, wenn Sie die Laufzeiten verlängern? Nennen Sie mir einen kleinen Betreiber, der für eine längere Laufzeit von Kernkraftwerken ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen gibt es nicht, denn es sind die vier großen Versorger. Schreiben Sie es doch ehrlicherweise hinein: Sie möchten die Position der vier großen Versorger festbetonieren und auf Ewigkeit festschreiben. Sagen Sie es doch! Ihre Koalitionsvereinbarung führt diesbezüglich in die Irre. Das kann man so nicht nachvollziehen.

Sie stehen mit Ihrer Forderung allein in der Gesellschaft. Es ist klar, die vier großen Versorger umjubeln Sie - das ist selbstverständlich -, aber zum Beispiel der Verband der Kommunalunternehmen, in dem mehrere hundert kommunale Energieunternehmen organisiert sind, lehnt das massiv ab. Diese halten mit ihrem Ziel, für eine dezentrale regionale Energieversorgung zu sorgen, die Verlängerung der Laufzeiten für den absolut falschen Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion, sehen Sie doch einfach mal der Realität ins Auge. Energiewirtschaftlich sind die alten Reaktoren längst nicht mehr notwendig. Die Atomstromproduktion im letzten Jahr ist die geringste in 20 Jahren gewesen. Es werden reihenweise AKWs für Wartungsarbeiten abgeschaltet und stehen somit nicht zur Verfügung. Die Stromkonzerne selbst haben bewiesen, dass wir auf die sieben ältesten AKWs ohne weiteres verzichten können, indem sie zeitgleich mehrere AKWs vom Netz genommen haben und Strom ins Ausland verkauft wird. Wir hatten trotzdem Stromüberangebot statt Mangel. Das heißt, sie haben bewiesen, dass es funktionieren kann.

Für uns ist klar, wenn Sie jetzt das Rad bremsen oder versuchen, es zurückzudrehen, erreichen Sie nur eines: Die großen Versorger erzielen weitere Milliardengewinne.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sicherlich sagen Sie jetzt: Sie möchten sie umschichten für erneuerbare Energien. Bis jetzt gibt es dazu von Ihnen aber kein Konzept, und die Betreiber der erneuerbaren Energien, vornweg der Bundesverband, sagen selbst, dass sie dieses Geld nicht möchten. Sie möchten lieber einen Fahrplan ins Zeitalter der erneuerbaren Energien und keine Kernkraftwerke, die faktisch die Monopolstellung der großen Versorger festbetonieren. Damit kommen wir nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich gibt es nur drei Argumente für die Verlängerung der Laufzeit: Das ist Geld, Geld und wieder Geld. Es ist nichts anderes.

(Zuruf von den GRÜNEN: Bravo! - Zuruf von der CSU)

Was mich ebenfalls erstaunt, ist die Brücke ins Solarzeitalter. Seit drei Jahren wird dieses Thema wie kein anderes durch die Medien getreten. Man kann darüber streiten, wie wir die Brücke definieren. Aber, Herr Minister Söder, ist der Atomausstieg nicht schon die Brücke, von der Sie sprechen? Es ist ein Fahrplan bis zum Jahre 2025, wie die AKWs nach und nach vom Netz gehen. Wenn Sie diese Brücke weiter ausbauen wollen, kann man nur sagen: Es ist höchste Zeit, dass Sie Ihre alternde strahlende Brücke zurückbauen und nicht weiter ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist deutlich - das zeigen uns die Zahlen im Bereich der erneuerbaren Energien -, wie stark sie wachsen. Wir haben auch mitbekommen, dass diese Branche

trotz Wirtschaftskrise ihr Wachstum beibehalten kann. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen am Atomausstieg festhalten bzw. wir müssen ihn sogar noch beschleunigen. Die sieben ältesten AKWs müssen umgehend vom Netz genommen werden, weil dann der Anreiz hoch ist. Den nächsten Schritt werden wir spielend leicht in den nächsten Jahren erreichen, um noch weitere AKWs vom Netz zu nehmen.

Ich appelliere an Sie in der Koalition auch im Interesse der Wirtschaftsunternehmen, die immer wieder Planungssicherheit fordern: Halten Sie diese Planungssicherheit ein, die seit fast zehn Jahren im Gesetz steht.

Was denken Sie sich eigentlich? Sie weichen jetzt den Konsens auf und verlängern die Laufzeiten - wenn es nach der FDP geht, vielleicht bis zu 15 Jahren -, dann gibt es einen Regierungswechsel und alles wird wieder geändert. Tun wir damit unserer Energieversorgung etwas Gutes, wenn wir ständig hin- und herspringen? Erhalten wir die beschlossene Planungssicherheit und bleiben wir beim Ausstieg. Es gibt keinen anderen Weg. - Danke.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die CSU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Reiß das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Hartmann, Bayern braucht in Sachen erneuerbare Energien nicht umzusteuern, im Gegenteil: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist und bleibt ein Schwerpunkt bayerischer Energiepolitik.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Georg Schmid (CSU): Richtig!)

Bayern nimmt beim Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix bundesweit eine Spitzenstellung ein. Unser Ziel ist es, diese Spitzenstellung weiter auszubauen. In einem flexiblen Energiemix sollen dazu die herkömmlichen Energieträger kontinuierlich durch alternative Energie ersetzt werden. Vorrangiges Ziel ist dabei, für die Menschen und Betriebe in unserem Land eine Energieversorgung bereitzustellen, die gleichermaßen sicher, bezahlbar und umweltverträglich ist.

Wir wollen und werden den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in den nächsten zehn Jahren auf 30 % steigern. Heute beträgt dieser Anteil beim Strom aus erneuerbarer Energie schon mehr als 15 %. Vom heute erzeugten erneuerbarem Strom ist aber nur die Biomasse mit rund 5 % speicherbar und kann kontinuierlich Strom erzeugen.

Mit einem Anteil von rund 9 % stellen Wind und Sonne ihre Energie bereit. Doch der Durchschnitt sagt nicht viel aus. An circa 100 windstillen Tagen im Jahr produzieren die Windräder nahezu null. Die 25.000 Megawatt installierte Windenergieleistung in Deutschland wird nur an 20 Tagen des Jahres erreicht. Die restliche Zeit des Jahres verteilt sich die erzeugte Menge zwischen diesen Extremen. Das führt unter anderem zu den extremen Preisschwankungen an den Strombörsen. Herr Kollege Hartmann hat es angesprochen.

Mehrfach wurde im letzten Jahr bei Starkwind mehr Strom ins Netz eingespeist, als benötigt wurde. An der Strombörse musste der Stromüberschuss verschenkt werden, teilweise mussten bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde draufgelegt werden, damit andere Marktteilnehmer, insbesondere Holland und Polen, diesen Strom übernahmen. Das ist Strom, für den rund 9 Cent bei Wind und 43 Cent bei Sonne von den deutschen Stromkunden bezahlt werden. Das ist auch Strom, der in einer anschließenden Flaute nicht zur Verfügung steht und dann von grundlastfähigen Kraftwerken sichergestellt werden muss.

Ich halte es daher für verfehlt, ständig einen Gegensatz zwischen regenerativen Energien und der Kernenergie zu konstruieren. Durch ihre hohe Einsatzflexibilität und ihre CO2-freie Stromerzeugung stellen Kernkraftwerke so lange einen idealen Partner erneuerbarer Energieträger dar, bis eine effiziente Stromspeicherung zur Verfügung steht. Wer heute den Ausbau erneuerbarer Energien will, muss bis zur Entwicklung geeigneter Speichertechnologie die Kernkraft als Brücke nehmen. Richtig ist, dass der Vorgang der Einspeisung der Windkraft und der Photovoltaik einen Kraftwerkspark erfordert, der hierauf flexibel reagieren kann.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder behauptet - Sie, Herr Kollege Hartmann, haben es erneut getan -, Kernkraftwerke seien unflexibel, praktisch nicht regelbar und nicht in der Lage, schnell auf wechselnde Bedingungen im Stromnetz zu reagieren. Es wird behauptet, sie verstopften die Netze und stünden deshalb dem Ausbau erneuerbarer Energien entgegen.

Diese Aussagen sind falsch. Technisch kann jedes Kernkraftwerk in seiner Leistung geregelt werden. Kernkraftwerke können mit einer Leistungsänderung von 5 % in der Minute bis auf 45 % ihrer Leistung zurückgefahren und ebenso schnell wieder hochgefahren werden. Sie können sich damit dem Vorrang der erneuerbaren Energien und den Nachfrageschwankungen anpassen. Schon heute können die Kernkraftwerke in Deutschland mit ihrer schnellen Lastwechselmöglichkeit zur Ausregelung der sehr häufig stark schwankenden Windenergie beitragen. An über 100 Tagen im Jahr regeln einzelne Kernkraftwerke ihre Leistung auf

bis zu 50 % ab, um der Windenergie den ihr gebührenden Vorrang zu lassen.

Ich frage mich, warum hier ständig das Gegenteil behauptet und die Öffentlichkeit in die Irre geführt wird.

(Ludwig Wörner (SPD): Eben!)

Durch diese Einsatzflexibilität stellen Kernkraftwerke einen idealen Partner für erneuerbare Energieträger dar, deren Verfügbarkeit nicht vorhersehbar ist.

Eines ist auch klar: Mit stetiger Annäherung an das 30Prozent-Ziel für erneuerbare Energien wird es immer häufiger zu Überproduktionen und bei anschließender Flaute zu extremer Knappheit kommen. Wenn 40.000 Megawatt Windenergie und vielleicht noch einmal 40.000 Megawatt Photovoltaik installiert sind, der Bedarf aber beispielsweise am Wochenende nur 35.000 Megawatt beträgt, ist der Handlungsauftrag klar: Wir brauchen eine Großoffensive zur Entwicklung von Speichertechnologien.

Die Stromspeicherung ist die Achillesferse für eine effektive und grundlastfähige Versorgung mit erneuerbarer Energie. Pumpspeicherkraftwerke sind in Deutschland kaum noch durchsetzbar. Die Genehmigungszeiten betragen oftmals mehr als zehn Jahre. Da bleibt kurzfristig nur die Ankoppelung an Pumpspeicherwerke und Wasserkraftwerke im Ausland, die forcierte Entwicklung der Elektromobilität, um die erzeugte Energie bei hoher Windlast in Batterien zwischenzuspeichern.

Ein weiterer Schlüssel für die Versorgung der Zukunft ist das Stromnetz. Ohne Netzausbau und ohne einen effizienten Netzbetrieb ist das Ziel einer dezentralen und von vielen Anlagebetreibern getragenen Energieversorgung nicht machbar. Die stark schwankende und räumlich verstreute Einspeisung von erneuerbaren Energien macht den Ausbau der Netze erforderlich, um die Netzstabilität weiter zu gewährleisten.

Die notwendigen Investitionen in den weiteren Ausbau der Netze, die Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen und Speichertechnologie werden Milliarden kosten. Die entsprechenden Investitionen sind mit der Laufzeitverlängerung leichter finanzierbar. Denn eines ist klar: Ein erheblicher Anteil der Zusatzgewinne durch eine Laufzeitverlängerung muss dem Gemeinwohl zugute kommen. Die Betreiber müssen einen spürbaren Teil der Rendite aus der Laufzeitverlängerung für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stellen.

(Hubert Aiwanger (FW): Ist das gewährleistet?)

- Es wird verhandelt und soll so vereinbart werden.

Eines ist klar: Die Betreiber müssen einen spürbaren Teil der Rendite für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stellen. Wenn die Milliarden in die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien investiert werden,

(Hubert Aiwanger (FW): Das werden wir nicht sehen!)

bedeutet das mittelfristig weniger Kohle und weniger Kernkraft, aber mehr regenerative Energie.

Erneuerbare Energie und Kernenergie sind die beiden Eckpfeiler einer Brücke, die uns in den nächsten Jahren sicher über ein energiepolitisch schwieriges Gelände führt. Ohne diese beiden Pfeiler werden wir noch abhängiger von Importen, verfehlen die Klimaziele und gefährden die Versorgungssicherheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Energiepreise ist es unabdingbar, dass Bayern seinen Strombedarf aus eigenen Quellen deckt. Das wird aber in den nächsten Jahren ohne die Kernenergie nicht möglich sein. Derzeit decken die fünf bayerischen Kernkraftwerke den Strombedarf zu 60 %. Nach den im geltenden Atomgesetz festgelegten Reststrommengen sind diese Kraftwerke innerhalb der nächsten zehn Jahre vom Netz zu nehmen. Es ist völlig unrealistisch, den wegfallenden Kernenergiestrom in nur zehn Jahren, wenn ohne Laufzeitverlängerung das letzte bayerische Kraftwerk im Jahr 2020 vom Netz muss, anderweitig abzudecken, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.

Wir alle wollen hin zu einer Versorgung mit alternativen Energien. Bis dies in ausreichendem Umfang möglich ist, muss die Zeit ideologiefrei überbrückt werden. Dafür wird eben auch die Kernkraft als Übergangstechnologie benötigt mit der Zielsetzung, dass sie irgendwann ganz verzichtbar ist. Dafür müssen wir auch die Energieeffizienz weiter vorantreiben. Enorme Möglichkeiten, Energie einzusparen, bestehen hier in der Wärmeversorgung von Gebäuden.

Die energetische Sanierung hat enormes Potenzial, erneuerbare Energie wirtschaftlich und effizient einzusetzen und muss in den Energiekonzepten der Zukunft eine größere Rolle spielen. Wir müssen in Deutschland auf einen breiten Energiemix setzen, der die Vorteile der verschiedenen Energieträger nutzt und intelligent miteinander verbindet. Dies bedeutet, dass Fragen der Netzintegration, einer bedarfsorientierten Einspeisung, einer intelligenten Steuerung und Vernetzung sowie von Speichermöglichkeiten stärker in den Vordergrund rücken müssen.

Wir brauchen ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das die Ziele Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit gleichrangig verfolgt.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Tho- mas Hacker (FDP))

Und wir sollten den Mut zu einem sachlichen Energiedialog finden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)