Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 01.04. dieses Jahres haben wir den Haushalt des Justizministeriums hier in diesem Plenarsaal beraten. Frau Staatsministerin, damals habe ich gesagt, dass Sie die falschen Schwerpunkte gesetzt hätten. Nicht die Landesbank ist Chefsache, sondern der Verbraucherlotse. Ich habe gesagt, die Innen- und Rechtspolitik seien einmal die Markenzeichen christsozialer Politik gewesen. Nun prangt über dem Justizministerium der Verbraucherlotse als das wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode.
Liebe Frau Staatsministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Verbraucherlotse hat ein klägliches Ende gefunden. Ich sage Ihnen klar und deutlich: Gott sei Dank hat er dieses Ende gefunden. Wir Freien Wähler sind nämlich der Auffassung, dass der Verbraucherschutz sehr engmaschig gestrickt ist. Im Verbraucherschutz gibt es ohnehin schon viel zu viel Bürokratie, und wir benötigen kein weiteres demokratisches Monster.
Ich bin sehr froh darüber, dass die Landkreise diese Meinung teilen und sie ganz deutlich gesagt haben: Lasst uns mit diesem Unsinn in Ruhe. Die CSU-Fraktion hat diesen Hinweis gebraucht, um eine Kehrtwende zu vollbringen. Jedoch ist auch eine späte Einsicht eine gute Einsicht. Wenn wir heute diesen Verbraucherlotsen beerdigen, werden es uns all diejenigen danken, die von der Bürokratie betroffen sind.
Herr Kollege Arnold, die 1,2 Millionen Euro sind zwar vor dem Hintergrund der Dimensionen, über die wir gestern diskutiert haben, in der Tat Peanuts, jedoch summieren sich auch Peanuts. 1,2 Millionen Euro kön nen sinnvoller und besser eingesetzt werden als für diesen Verbraucherlotsen.
Herr Kollege Arnold, es muss auch nichts passieren, weil der Verbraucher mündig ist. Wir benötigen nicht für jeden Menschen zwei weitere Menschen, die ihm vorschreiben, wie er sein Leben zu leben und einzurichten hat.
Meine Damen und Herren, wir geraten immer mehr in eine Situation, in der Menschen vorgeschrieben wird, wie sie zu leben haben. Die Menschen sollen ihr Leben eigenverantwortlich regeln können.
Herr Kollege Güller, ich weiß nicht, worüber Sie lachen. Vielleicht sind Sie bestimmten Lobbyisten verpflichtet.
- Sie sind den Verbrauchern verpflichtet? Herr Kollege Güller, die Verbraucher wollen gar nicht, dass ihnen drei Aufpasser zur Seite gestellt werden.
Ich komme zum Schluss. Wir haben in Deutschland genügend Möglichkeiten, um Menschen, die Hilfe benötigen, tatsächlich zu helfen. Wir haben einen sehr engmaschigen und manchmal zu engmaschigen Verbraucherschutz. Deswegen ist dieser Verbraucherlotse ein überflüssiges bürokratisches Monstrum. Frau Kollegin Stamm, wir werden diesen Antrag deshalb ablehnen.
Es haben sich bereits zwei Redner für eine Zwischenbemerkung in die Warteschlange eingereiht. Zunächst darf ich mit Frau Kollegin Stahl beginnen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich frage nicht mehr, sondern stelle fest, dass Sie eine sehr exotische Wahrnehmung von Verbraucherschutz haben.
Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Verbraucherberatungsstellen, die leider nur sehr zentral in größeren Städten zu finden sind, überlastet sind. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Geld der Verbraucherzentralen, die sehr viel Beratung leisten, vorne und hinten nicht reicht. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Frau Justizministerin zu Recht auf ein paar Fragen aufmerksam gemacht hat, die für eine zusätzliche Beratung sprechen. Dies betrifft zum Bei
spiel den Finanzleistungssektor. Ich weiß nicht, wo Sie leben, wenn Sie behaupten, dass die Beratung viel zu engmaschig sei.
Ich möchte die Worte von Frau Kollegin Guttenberger, die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen, einmal aufgreifen. Die Wahrheit ist, dass die bisherige Finanzausstattung des Verbraucherschutzes von der Staatsregierung nicht besonders gewürdigt worden ist.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Eigenverantwortung gestärkt werden müsste. Wir stärken die Eigenverantwortung, indem wir diese Beratung anbieten. Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie von diesem Konzept haben. Die Verbraucherlotsen werden den Verbraucher nicht wie Schülerlotsen an die Hand nehmen und ihm erzählen, welche Produkte er einkaufen oder was er tun und lassen soll. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Beratung, die jeder freiwillig in Anspruch nehmen kann. So viel zur Eigenverantwortung. Ich bin froh, dass es Zeitschriften wie "Test" gibt, die mich über den Technikdschungel informieren. Das gehört finanziert.
- Frau Kollegin Stahl, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie unsere unterschiedliche Auffassung mit dem Wort "exotisch" kommentieren. Das ist Ihre Sichtweise der Dinge. Bitte nehmen Sie ebenfalls zur Kenntnis, dass ich weder dafür plädiert habe, eine Verbraucherzeitschrift abzuschaffen, noch den Verbraucherschutz infrage zu stellen. Ich habe lediglich gesagt, dass der Verbraucherschutz an manchen Stellen zu engmaschig sei. Das habe ich gesagt. Dazu stehe ich auch. Frau Kollegin, wir müssen uns die Fragen stellen: Welche Aufgabe hat dieser Staat? An welcher Stelle muss er Prioritäten setzen? Ich sage Ihnen: Ich setze andere Prioritäten, zum Beispiel bei der Bildung und bei der inneren Sicherheit. Wenn wir über die Justiz sprechen, sage ich: Mir ist es zum Beispiel wesentlich wichtiger, dass Justizgebäude behindertengerecht ausgebaut werden. Wie Sie wissen, bestehen dort Defizite. Mir ist es wichtiger, in den Gerichtsgebäuden die Sicherheit zu verbessern, statt einen Verbraucherlotsen zu schaffen.
Sie mögen das kritisieren; deshalb gehören wir unterschiedlichen Fraktionen an. Ob ich Ihre Meinung als exotisch bezeichnen würde, steht dahin; ich habe eine andere Ausdrucksweise. Aber in diesem Punkt sind wir nun einmal unterschiedlicher Auffassung.
Werter Herr Kollege Pohl, was Sie gerade über Verbraucherberatung geäußert haben, erinnert mehr an eine Betreuung. Es ist aber nicht der Fall, dass der Berater dem Verbraucher sagen sollte, was er tun soll. Vielmehr geht es darum, dass wahlweise bzw. wunschweise Angebote in den Raum gestellt werden, die der Bürger frei bestimmt und selbstverantwortlich wahrnehmen kann.
Sie sind Rechtsanwalt. Sie wissen, dass nichts ohne Gebühr geschieht. Aber entscheidend ist bei der Verbraucherberatung die Gebührenfreiheit. Ich bin der Ansicht, dass die Anliegen des Verbraucherschutzes, so komplex sie auch sind, von diesem Staat als gebührenfrei behandelt werden müssen. Demnach ist es entscheidend, dass derartige Lotsinnen und Lotsen vorhanden sind, damit man sich nicht einen
Beratungsscheck über 50 Euro ausstellen lassen muss, mit dem man zum Rechtsanwalt gehen und das Bruttosozialprodukt auf nichtkoschere Weise ankurbeln muss.
Herr Kollege Arnold, ich danke für die Klarstellung. Wenn meine Worte falsch herübergekommen sein sollten, sage ich: Ich habe mich nicht darauf bezogen, dass der Verbraucherlotse die Menschen an die Hand nimmt. Vielmehr habe ich gesagt: Generell gibt es in diesem Staat die Tendenz, die Menschen durch überbordende Hilfsangebote an die Hand zu nehmen. Ich habe meine Formulierung auch nicht sprichwörtlich gemeint - im Sinne von "Schülerlotsen" -, sondern meine Ausdrucksweise war im übertragenen Sinne zu verstehen. Falls das missverstanden worden sein sollte, bitte ich, sich der Klarstellung des Kollegen Arnold anzuschließen.
Dann haben Sie etwas von grundsätzlicher Bedeutung gesagt. Sie haben gesagt: Es ist Aufgabe dieses Staates, kostenlos zu beraten. Das sehe ich grundsätzlich so nicht. Der Staat hat natürlich eine gewisse Basis an Hilfen zur Verfügung zu stellen. Das tut er auch. Aber das Ganze muss Maß und Ziel haben.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre es aus Ihrer Sicht wahrscheinlich sogar wünschenswert, dass man die komplette Rechtsberatung irgendwann einmal un
entgeltlich von irgendwelchen Leuten vornehmen lässt. Damit wird die Sache exotisch. Der Kollege Beyer ist Gott sei Dank anderer Meinung.
Ich denke, wir dürfen nicht so weit gehen, dass wir dem Bürger sagen: Du hast einen Anspruch darauf, dass dir dieser Staat - jetzt komme ich wieder zu meinem Bild - von früh bis spät zur Hand geht, und zwar kostenlos.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit hier kein Missverständnis aufkommt, sage ich: Selbstverständlich ist der Verbraucherschutz eine wichtige Aufgabe, die unsere Aufmerksamkeit verdient. Es geht aber mehr um das Wie als um das Ob. Aber das Wie kommt bei diesem Antrag leider deutlich zu kurz.
Was brauchen die Verbraucher wirklich? Was ist für einen optimalen Verbraucherschutz wirklich wichtig? Da stehen an erster Stelle Bildung und Aufklärung. Verbraucherbildung ist die Grundlage für einen wirksamen Verbraucherschutz. Hierfür stehen beispielsweise Schulprojekte. Man muss schon in der Schule lernen, wie man sich vor unlauteren Geschäftsmethoden schützen kann.
Hierfür steht beispielsweise auch ein weiterer Ausbau der Verbraucherinformationssysteme. Diese Art von Bildung und Aufklärung ist für uns eine vorrangige Aufgabe des Verbraucherschutzes.
Dann ist an die Verbraucherrechte zu denken. Hier ist unsere Wachsamkeit gegenüber der Europäischen Union gefragt. Der EU-Richtlinienvorschlag führt zu einer Nivellierung des Verbraucherschutzes auf europäischem Niveau. Für Deutschland bedeutet das eine Verschlechterung. Wir halten es für wichtig, die hohen deutschen Standards zu erhalten und Verjährungsfristen im Zweifel eher zu verlängern als zu verkürzen und im Zweifelsfall eher eine Beweislastumkehr für Finanzdienstleister vorzusehen.