Protocol of the Session on November 26, 2009

Der Kollege Vetter für die Fraktion Freie Wähler.

Herr Minister, gestatten Sie mir, dass ich das Thema etwas erweitere, denn es lautet ja "Kehrtwende für einen echten Gesundheitsschutz!"

Da handelt es sich nicht nur um das Rauchen, sondern es geht auch allgemein um eine Verbesserung der primären Prophylaxe. Was also können die Menschen wirklich tun, ihre Gesundheit langfristig und auf Dauer zu verbessern?

Da gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten. Erstens das Eindämmen des Rauchens. Darüber entscheiden die Menschen in Bayern mit dem Volksbegehren im Moment selbst. Das zweite mindestens genauso wichtige Thema der primären Prophylaxe ist die Ernährung; dazu gehören Übergewicht und Alkoholkonsum. Das dritte Thema ist der Bewegungsmangel vor allem bei unseren Kindern und Jugendlichen.

Ohne Verbesserungen in diesen drei Bereichen der primären Gesundheitsvorsorge werden letztendlich alle Möglichkeiten der sekundären und tertiären Prophylaxe - das wissen wir alle - oder auch der Therapie auf Dauer nicht erfolgreich sein.

Ich frage Sie deshalb: Welche konkreten Pläne haben Sie, hat die Staatsregierung, um über einen Ernährungswandel eine Verbesserung, eine echte Kehrtwende für einen echten Gesundheitsschutz zu erreichen? Welche konkreten Pläne haben Sie in der Tasche, um den Bewegungsmangel unserer Menschen, unserer Kinder und Jugendlichen, zu verbessern? Falls Sie keine konkreten Pläne haben sollten, sagen Sie uns das bitte. Wann planen Sie, konkrete Pläne zu haben?

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister!

Ich kann Ihnen nicht sagen, wann wir konkrete Pläne haben werden, weil wir sie schon haben. Ein intensives Studium des Kompendiums Ärzteschaft, Apotheker, Schulen und aller Verbände zu der Aktion "Gesund.Leben.Bayern", die seit einigen Jahren mit allen Vertretern, die sich um Prävention kümmern, erfolgreich läuft, zeigt erste Erfolge. Die drei Bereiche, die

Sie erwähnt haben, Alkohol, Ernährung, Bewegungsmangel, die nicht nur Kinder betreffen, sondern viele Menschen - ich denke auch an die Parlamentarier dieses Hohen Hauses - leiden genauso darunter: zu wenig Bewegung - nicht unter übermäßigem Alkoholkonsum, aber auch unter schlechter Ernährung, wenn ich nur daran denke, wie viele Würste wir pro Tag konsumieren. Das bleibt eine große Herausforderung.

Wir machen sehr viele Projekte, und fördern sie. Letzte Woche habe ich mit den Apothekern im Steinernen Saal ein großes Präventionsprojekt gefeiert, das mit Mitteln aus diesem Haus finanziert wird. Wir haben eine Fülle von solchen Maßnahmen beschlossen. Das setzt bei der Schule an. Dafür ist das Kultusministerium ein sehr starker Partner. Ich muss jedoch sagen, es ist eine echte Herausforderung. Es ist wichtig, meine ich, auch bei dem Thema mit Augenmaß zu operieren. In den Reihen des Parlaments gibt es Vertreter, die aus der Bierzeltkultur kommen. Es ist nun einmal so, dass Sie weder einen Kindergeburtstag noch ein Bierzelt mit Brokkoli alleine zum großen Erfolg machen können. Wenn Ihnen ein solches Konzept irgendwann einmal gelingen sollte, übernehme ich das eins zu eins. Dann wäre ich sehr dankbar. Das Augenmaß ist immer sehr wichtig.

Wir setzen das Programm "Gesund.Leben.Bayern" mit den Schulen, mit den Ärzten und mit Vertretern der Apotheken um. Das ist ein wirklich umfangreiches Programm, das damals von Christa Stewens in Gang gesetzt worden ist und schon entsprechende Erfolge gezeigt hat. Ich gebe zu, es ist eine Daueraufgabe, die das auch bleiben wird und der wir uns alle widmen müssen, auch mit Geld. Und wenn der Bayerische Landtag, auch Sie, liebe Fraktionen, in der nächsten Haushaltsberatung mehr Mittel bewerkstelligen wollen: nur zu! Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Dr. Fischer, FDP-Fraktion, steht schon bereit.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, der Bayerische Landtag hat eine Regelung beschlossen, die einen fairen Ausgleich der Interessen von Nichtrauchern und Rauchern schafft, ohne eine Gruppe rechtlos zu stellen. Das ist nicht nur ein Beitrag für gelebte Toleranz und Liberalitas Bavariae, es wurden gleichzeitig auch Schlupflöcher abgeschafft wie die Raucherclubs. Nach wie vor liegt ein klarer Vorrang der Interessen der Nichtraucher insoweit vor, dass in Gaststätten mit mehreren Räumen der Hauptraum den Nichtrauchern vorbehalten bleiben muss.

Von den Initiatoren des Volksbegehrens wird behauptet, dass sich die Situation für die Nichtraucher drama

tisch verschlechtert habe. Mein Eindruck ist ein anderer, nämlich dass das frühere, strengere Gesundheitsschutzgesetz zum einen nicht effektiv vollzogen wurde und werden konnte und zum anderen durch die Raucherclubs unterlaufen wurde. Teilen Sie meinen Eindruck, dass sich die Situation für die Nichtraucher durch die Novellierung des Gesetzes im Bayerischen Landtag gar nicht verschlechtert hat, weil es vorher eben keine effektive Kontrolle gab? Haben Sie Hinweise dafür, dass es Probleme beim Vollzug des novellierten Gesundheitsschutzgesetzes gibt? Im Übrigen wird eingewandt, dass der Begriff der "Getränkegeprägten Gastronomie" nicht klar genug sei. Wir meinen, dass das novellierte Gesetz eine klare Abgrenzung schafft. Gibt es hierzu schon erste Erfahrungswerte?

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister!

Wir haben uns gerade zu diesem Thema zusammen mit den die Staatsregierung tragenden Fraktionen sehr intensiv Gedanken gemacht, wie die Abgrenzungskriterien zu definieren sind. Im Vorfeld gab es sehr spannende Ideen, bis wir zu der gemeinsamen Regelung gekommen sind. Diese Regelung ist auch im Hinblick auf die Vollzugshinweise mit Städtetag und Landkreistag sehr intensiv besprochen worden. Sie sind in dieser Frage sehr relevant. Das haben wir mit dem Städtetag und dem Landkreistag gemacht. Wir haben vereinbart, das zu evaluieren.

Nach unserem bisherigen Kenntnisstand funktioniert das in der Praxis. Das kann man auch daran sehen, dass die Beschwerden von Bürgern in Bezug auf die alte Gesetzesform deutlich mehr waren. Sehr viele Bürger hatten sich selbst zu Rauchersheriffs ernannt und sehr viele Hinweise gegeben, dass das Gesetz damals zwar eine schärfere Zielsetzung hatte, aber in der Praxis viele Schlupflöcher bot. In Realität waren die Menschen manchmal schlauer und klüger, als es sich mancher Gesetzgeber denken kann. Wir haben keine Hinweise darauf, dass sich die Situation für die Nichtraucher verschlechtert hat. Ganz im Gegenteil, eher dass sie sich verbessert hat. Wir müssen den Prozess dennoch evaluieren. Man wird am Ende sehen, wenn der gesamte Volksgesetzgebungsprozess abgeschlossen ist, wie sich der Prozess entwickelt und ihn dann evaluieren.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir sind aber natürlich für jeden Vorschlag, wenn es Kritik gibt, offen, um mit den zuständigen Kommunal

behörden darüber zu sprechen, wie man es verbessern kann. Das ist keine Frage.

Jetzt darf ich das Wort für die CSU-Fraktion Frau Kollegin Stewens erteilen.

Sehr geehrter Herr Minister, wir haben in den letzten Jahren in Bayern immer auf einen guten Kinder- und Jugendschutz geachtet, übrigens auch in Bezug auf das Nichtraucherschutzgesetz. Gerade in Bezug auf den Bildungs- und Erziehungsplan, der in Bayern für alle Kindergärten verpflichtend eingeführt worden ist -

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ganz tolle Errungenschaft!)

- Eine ganz tolle Errungenschaft. - Danke schön! Gerade, wenn ein solches Kompliment von Kollegen aus der Opposition kommt, sage ich ein herzliches Dankeschön dafür. Denn hier wird auf gesunde Ernährung und Bewegung intensiv Wert gelegt und das ist ein Schwerpunkt des Erziehungsplans.

Ferner haben wir im Gesundheitsschutzgesetz, Herr Minister, sehr stark auf den Kinder- und Jugendschutz geachtet, sodass in Bayern ein striktes Rauchverbot auch auf Freiflächen herrscht, zum Beispiel auf Spielplätzen, aber auch auf Freiflächen von Jugendhilfeeinrichtungen, wie Kindergärten, Horte, generell in allen Tagestätten. Wird dieser strikte Nichtraucherschutz für Kinder und Jugendliche nicht durch das Volksbegehren aufgelöst bzw. aufgeweicht oder durchlöchert, da die Verantwortlichen des Volksbegehrens, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und die SPD, vergessen haben, die Ausnahmeregelungen bei den Raucherclubs für die Freizeit- und Jugendeinrichtungen abzuschaffen? Gerade dadurch würde der strikte Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche meiner Meinung nach aufgeweicht. Wo sehen Sie Gefahren für Kinder und Jugendliche?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Eine ganz wertvolle Frage!)

Herr Staatsminister!

Ich muss darauf hinweisen, liebe Frau Kollegen Stewens, dass dafür keine der beiden hier vertretenen Parteien verantwortlich ist - das nur der Richtigkeit halber -, sondern sie haben sich nur dranzuhängen versucht. Daran merkt man aber auch, wie weit weg die Opposition von der politischen Praxis entfernt ist.

In der Tat besteht darin eine ganz große Gefahr. Ich wundere mich - das muss ich feststellen, ohne etwas Böses sagen zu wollen -, dass die Initiatoren des Volks

begehrens an dieser Stelle im Gesetzentwurf so inkonsequent sind. Denn wenn man Nichtraucherschutz so definieren würde, dann würde an dieser Stelle ein Tor geschaffen, das völlig unverständlich wäre. Wir haben gedacht - das ist Mea Culpa an uns selbst -, dass wir mit dieser neuen Regelung im Gesetz etwas begrenzen und Flexibilität schaffen könnten. Aber das Gegenteil war der Fall. Das war ein Ventil, sodass wir gerade in einer Stadt wie München keine Kontrollmöglichkeiten über die unzähligen Raucherclubs mehr hatten. Jeder hat fast schon damit kokettiert, dass er zwanzig solcher Kärtchen in der Tasche hat, und mit Derartigem.

(Zuruf von der SPD)

Wir haben daraus gelernt, dass das nicht funktioniert. Meine Sorge aber ist, dass die Initiatoren des Volksbegehrens - bitte lesen Sie dies noch einmal ganz genau nach - mit diesem Passus das bei den Kultur- und Freizeiteinrichtungen dann in breitem Umfang ermöglichen würden. Übrigens vielleicht genau dort, wohin Leute gehen müssen. Im ländlichen Raum zum Beispiel gibt es ja nicht 30, 40 oder 50 Alternativen für eine Freizeiteinrichtung, sondern es konzentriert sich beispielsweise auf ein Jugendzentrum.

Jetzt stelle man sich vor: In einer nach diesem Entwurf "normalen" Gaststätte oder einer Kneipe, in die nachts "erwachsene" Volljährige gehen, darf nicht geraucht werden; aber im Jugendzentrum, in das Jugendliche hingehen, ja, hingehen müssen, weil sie keine Alternative haben, gibt es Optionen, rauchen zu dürfen. Dort liegt der Widerspruch, auf den ich ganz deutlich hinweisen möchte. Daher ist die Frage sehr sinnvoll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eine weitere Nachfrage vonseiten der CSU-Fraktion; Herr Kollege Dr. Hünnerkopf.

Sehr geehrter Herr Minister! Bevor ich zu meiner Frage komme, möchte ich noch eine Anmerkung zum Zwischenruf von Herrn Kollegen Dürr machen. Herr Dürr, ich denke, wenn wir hier alle Fragen, die bisher heute gestellt wurden, betrachten, dann stellt sich in der Tat überhaupt kein neuer Aspekt dar. Alles, was hier gefragt wurde, kennen wir aus der Diskussion der bisherigen Fragestellungen.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

- Jetzt kommt auch nichts Neues, Frau Kollegin Muggendorfer. Für mich ist es in der Tat so, dass diese Fragestunde nochmals deutlich machen kann, was Sie,

Herr Minister, bereits ansprachen: die Problematik der Raucherclubs und der Festzelte. Ich teile die Auffassung, dass wir mit der neuen Regelung praktikable Lösungen bereitstellen und angehen und vor allen Dingen auch die Eigenverantwortung der Menschen stärker in den Mittelpunkt stellen; denn niemand ist gezwungen, dort hinzugehen, wo geraucht wird.

Meine Frage, was die Raucherclubs betrifft: Gibt es aus der zurückliegenden Zeit, also nach der alten Regelung, Erfahrungen und Erkenntnisse, wie stark gerade in Raucherclubs die Jugendlichen dem Rauchen ausgesetzt waren und wie stark junge Menschen Teilnehmer waren, die jetzt natürlich viel stärker geschützt sind?

Zum anderen: Ist Ihnen, Herr Staatsminister, bekannt, wie die Initiatoren des Volksbegehrens beispielsweise beim Oktoberfest, wenn jemand ein, zwei oder drei

Maß getrunken hat, sicherstellen wollen, dass es nicht zu ständigen Schwierigkeiten mit Rauchern kommt, die dann natürlich nicht mehr ganz zu "bändigen" sind?

Herr Staatsminister.

Was die alte Situation betrifft, inwieweit Jugendliche in Raucherclubs betroffen sind, kann man nicht empirisch ermessen. Die Gefahr ist vorhanden, wobei das überwiegend Veranstaltungen waren, die am späten Abend stattfinden. Dort war es sicher weniger der Fall. Es war ganz einfach so, dass es in der Realität nicht funktioniert hat. Es war gut gemeint, aber die Realität war schlauer. Viele findige Leute haben das genutzt, übrigens auch - was die SPD im Saarland massiv angesprochen hat - dass ich einmal die SPD im Saarland zitiere, muss man sich mal überlegen; es zeigt, wie weit wir bei dem Thema sind. Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass für viele Gastronomen eine echte Gefahr für die wirtschaftliche Situation besteht. - Das ist das Eine.

Das Zweite: Bei den Bierzelten hat gerade die Stadt München immer wieder massive Sorge gehabt, ob es überhaupt machbar ist. Es geht nicht nur um das Oktoberfest, sondern auch um viele andere Veranstaltungen, die wir im Land haben - die übrigens auch zeitlich begrenzt sind, das ist der Unterschied. Wir haben immer gesagt, bei Bierzelten müsse es eine Regelung geben, weil diese drei Wochen, diese zeitliche Begrenzung eine Ausnahmesituation ist. Es ist keine ständige Einrichtung. Deshalb war auch klar, dass es an dieser Stelle erhebliche Vollzugsprobleme gibt. Man stelle sich einmal beim Oktoberfest vor, dies in der Realität umsetzen zu müssen und irgendwelche Nebenzelte und Gänge zu schaffen. Es ist ohnehin schon sehr schwierig, die Sicherheit zu gewährleisten. An dieser

Stelle übrigens ein großartiges Dankeschön an die bayerische Polizei und alle Mitwirkenden, dass es auch in diesem Jahr, in dem es große Bedrohungen gab, trotz dieser Herausforderungen perfekt gelaufen ist. Ich glaube, dass diese Regelung ein vernünftiger Kompromiss ist.